Eine intelligente Input/Output-Karte am ST

Die große Verbreitung des ATARI ST bedingt ein stetig anwachsendes Potential an professioneller Hard- und Software für diesen Rechner. So werden derzeit schon zahlreiche Branchenlösungen an-geboten, die diesen Trend unterstützen. Ausgestattet mit einem leistungsfähigen Mikroprozessor und einem schnellen, komfortablen Betriebssystem dürfte sich der ATARI ST in relativ kurzer Zeit auch auf dem Gebiet der Meß- und Regelungstechnik durchsetzen. Die Voraussetzung hierfür schafft eine neue, intelligente I/O-Karte der Firma WBL-Systemtechnik. Sowohl der professionelle Anwender als auch der aufgeschlossene Hobby-Anwender kommen mit dieser Karte auf Ihre Kosten. Hochkomplexe Applikationen der Meß- und Regelungstechnik lassen sich ebenso einfach realisieren, wie z. B. ein Thermometer, Multimeter, Frequenzzähler, Frequenzgenerator oder Schaltuhren.

Ein Meßaufbau

In ihrer höchsten Ausbaustufe umfaßt die im Europaformat ausgelegte Karte 48 digitale Ein-/Ausgänge, 8 Analog Digital-Wandler mit 8-Bit Auflösung, 8 Frequenz/Periodendauer/Pulsbreiten-Zähler, 4 Vorwärts-/Rückwärtszähler, 4 unabhängige Frequenzgeneratoren mit zahlreichen Funktionen, 2 Digital-Analog-Wandler mit 8-Bit Auflösung. Der Eingangsspannungsbereich der A/D-Wandler kann beliebig zwischen -50 V und +50 V eingestellt werden. Der Ausgangsspannungsbereich der D/A-Wandler läßt sich zwischen + — 10V abgleichen. Eine 8-Bit Hochleistungs-CPU (uPD 7810) sorgt für die ständige Abtastung der Ports und A/D-Wandler, die 8-Kanal Frequenz-/Periodendauer-Messung, sowie für die Ausgabe der D/A-Werte und Generierung der Frequenzen. Uber einen 64-poligen Busstecker ist die Karte erweiter- und kaskadierbar. In Abb. 1 ist die Schaltung schematisch dargestellt. Das Board wird über die serielle Schnittstelle (Modemport) am ATARI ST angeschlossen. Mit der mitgelieferten Demo- und Anwendungssoftware lassen sich alle Funktionen der Karte transparent darstellen, (siehe Bild 2-5).

Die Platine

Inbetriebnahme

Die Installation der ST-I/O-Karte am ATARI ST gestaltet sich relativ einfach. Zu beachten ist, daß man den kompletten Kabelsatz zur Spannungsversorgung und Schnittstelle mitbestellt. Sollte kein Netzgerät mit den Versorgungsspannungen 5V, + 12V, - 12V zur Verfügung stehen, so kann auch dieses bei WBL-Systemtechnik bezogen werden. Nach Kontaktierung der nötigen Verbindungen kann das Programm auf der beigelegten Diskette gestartet werden. Ist die ST-I/O-Karte nicht korrekt angeschlossen, oder fehlt die Spannungsversorgung, so meldet sich daß Programm mit dem kompletten Verdrahtungsplan! (siehe Bild)

Abb. 1: Das Blockschaltbild

Die Analog-Digital-Wandler

Der A/D-Teil mit seiner Eingangsund Schutzbeschaltung ist in seiner Art nur bei teuren A/D-Wandler-Karten zu finden. Für jeden der 8 Kanäle sind zwei Schutzdioden und ein Schutzwiderstand vorgesehen, um die Eingänge vor Spannungs- und Stromüberlastung zu schützen. Eine RO Kombination dient als Eingangsfilter. Mit jeweils zwei Cermet-Spindeltrimmern (25 Umdrehungen) kann jeder Kanal individuell auf beliebige Eingangsspannungsbereiche abgeglichen werden. Es sind unipolare und bipolare Bereiche symmetrisch und begrenzt asymmetrisch justierbar. Die Einstellung ist einfach und in der zugehörigen Anleitung ausführlich beschrieben. Für unsere Tests wurden 4 Kanäle auf + -10V und 4 Kanäle auf 10 V abgeglichen. Die gewandelten Werte können mit dem Demoprogramm hexadezimal oder dezimal angezeigt werden. Die Wandlung schwankte bei unseren Tests um maximal 1 bit, was auch dem Brumm der Eingangsspannung entsprach. In der Grundversion der ST-I/O-Karte ist die aufwendige Eingangsschaltung nicht bestückt. Hier sind zwei Kanäle für unipolare Eingangsspannungen von 5 V ausgelegt. Schutzdioden und -Widerstände für die anderen Kanäle sind beigelegt und sollten unbedingt eingelötet werden. Die gesamte Eingangsschaltung ist als Teilesatz zum Selbstbestücken beziehbar.

Die Ein- Ausgänge

Die Grundversion der ST-I/O-Karte umfaßt 24 digitale Ein/Ausgänge. Für unsere Tests stand uns die Industrievariante mit 48 digitalen Ein/Ausgängen zur Verfügung. Bei Verwendung der zwei Digital-Analog-Wandler muß man 16 Ausgänge entbehren, da diese zur Ansteuerung eines R2/-Netzwer-kes dienen. Die I/O’s sind zu 4 mal 8-Bit Ports und 4 mal 4-Bit Ports organisiert. Jeder Port kann als Input oder Output deklariert werden. Das mitgelieferte Demoprogramm läßt eine bedienerfreundliche Einstellung der Ports zu. Die Anzeige der Ports kann hexadezimal oder binär erfolgen.

Bild 2:Die Anschlußkabel

Die Zähler

Selbst professionelle Industriekarten können in diesem Punkt kaum mit der ST-I/O-Karte mithalten. Es stehen in allen Versionen 8 Kanäle für Frequenz-, Periodendauer- und und Pulsbreitenmessung zur Verfügung. Weitere 4 Kanäle dienen als Vorwärts/Rückwärts-zähler. Frequenz-, Periodendauer- und Pulsbreitenzähler arbeiten mit 32 Bit Auflösung, d. h. Frequenzen können z. B. mit 91/2 Dekaden erfaßt werden. Alle Kanäle sind getrennt und unabhängig voneinander einstellbar. Torzeiten von 1 ms bis 16 s sind für die Frequenzmessung zulässig. Ist ein Kanal als Periodendauer- oder Pulsbreitenmesser geschaltet, so wird statt der Torzeit die maximale Perioden- (Puls-) Messzeit eingegeben, da bei dieser Einstellung von Flanke zu Flanke gemessen wird und ein vorzeitiges Meßende bei nur einer erkannten Flanke (Ausschalten der angelegten Frequenz) herbeigeführt werden muß. Periodendauer und Pulsbreiten werden mit einer Abtastrate von 1 us und einer maximalen Meßperiode von 232 us erfaßt. Die Vorwärts/Rückwärtszähler haben eine Kapazität von 2'6 Bit. Sie können auf einen beliebigen Wert gesetzt werden. Das mitgelieferte Demoprogramm stellt alle beschriebenen Funktionen übersichtlich und bedienerfreundlich dar.

Bild 3: Menü Uhr-ADW-Parts

Die Frequenzgeneratoren

Von den vier auf der Karte implementierten Frequenzgeneratoren werden drei von dem universellen Timer-Baustein 82C53 abgeleitet. Als CMOS-IC sorgt der 82C53 für saubere Pulsformen und Flanken. Zu jedem Frequenzgenerator gehört ein Clock-Eingang, zur Einspeisung einer Grundfrequenz, ein Gate-Eingang, zur hardwaremäßigen Triggerung von Einzelimpulsen, sowie der Generator-Ausgang. Die Clock-Frequenz kann extern angelegt oder von den auf der Karte befindlichen Oszillatoren abgezweigt werden. In der Karten-Grundversion steht hierfür ein 4 MHz und 250 kHz-Takt zur Verfügung. Die Industrie-Variante enthält zusätzlich einen Quarz-Oszillator mit 8 Teilerstufen zwischen 4 MHz und 16 kHz. Diese Option kann natürlich auch nachbestückt werden. Mit den Frequenzgeneratoren lassen sich Frequenzen mit symmetrischen und asymmetrischen Taktverhältnissen, sowie hard- und softwaremäßig getriggerte Einzelimpulse erzeugen. Durch Verschaltung der einzelnen Generatoren untereinander können Sonderfunktionen wie pulsbreitenmodulierter D/A-Wandler, Pulsbreiten- und Wobbelgenerator realisiert werden. Die absolute Auflösung der Frequenzerzeuger hängt von der eingespeisten Grundfrequenz ab, sie beträgt relativ + - 1 Takteinheit (TE) des Clock-Signals. Bei unseren Tests haben wir die verschiedenen Möglichkeiten probiert und die erzeugten Frequenzen mit den Frequenz- und Periodendauerzählern der Karte vermessen. Dabei zeigten sowohl die Frequenzzähler, wie auch die Generatoren die beschriebene Genauigkeit.

Die Digital-Analog-Wandler

Die auf der ST-I/O-Karte integrierten D/A-Wandler arbeiten nach einem preiswerten, aber dennoch genauen Verfahren, das den Einsatz komplexer D/A-IC’s überflüssig macht. Über einen 8-Bit Port wird ein R2R-Netz-werk angesteuert. Dieses Widerstands-Netzwerk besitzt die Eigenschaft, eine dem angelegten 8-Bit Wert analoge Spannung zu generieren. Diese wird dann von einem Operationsverstärker mit Abgleichmöglichkeit verstärkt. So lassen sich beliebige Ausgangsspannungsbereiche zwischen + - 10 V einstellen. Um das Verhalten von A/D-und D/A-Wandlern zu überprüfen, haben wir bei unseren Tests die von den D/A-Wandlern erzeugte Spannung über verschiedene A/D-Wandler der Karte gemessen. Die ausgegebenen Werte stimmten mit den gemessenen exakt überein.

Bild 4: Menü Frequenzgeneratoren

Down-Load-Option

Dies ist eine von den WBL-Ingenieuren implementierte, sinnvolle Möglichkeit, um entweder Eigenentwicklungen zu betreiben, oder Spezialsoftware für bestimmte regelungstechnische Applikationen schnell wechselbar zur Verfügung zu haben. Auf der ST-I/O-Karte kann ein RAM eingesetzt werden, in das über die RS 232-Schnittstelle vom ATARI Software für den Karten-Prozessor heruntergeladen werden kann. Das Board arbeitet dann mit diesem „Down-Load-Programm“.

Software

In Vorbereitung befinden sich verschiedene Applikationsprogramme für den ATARI ST, wie z. B. ein komfortabler Frequenzzähler und -generator, regelungstechnische Anwendungen, Langzeit-A/D-Meßwerterfassung mit Druckerdarstellung und einer reichhaltigen Programm-Bibliothek für die ST-I/O-Karte, sowie ein 7810 Cross-Assembler. Außer dem detaillierten Manual wird zur ST-I/O-Karte eine Demo- und Anwendungssoftware für ATARI mitgeliefert, die das Arbeiten mit dem Board kinderleicht macht. Das Programm ist in GfA-BASIC geschrieben und liegt als Source vor.

Fazit

Die ST-I/O-Karte von WBL-Systemtechnik stellt eine gelungene Hardware-Erweiterung zum ATARI ST dar. Mit ihren zahlreichen Funktionen erreicht sie ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis (448,- DM) und öffnet dem ATARI ST den weiten Bereich der Meß- und Regelungstechnik. Die Verwendung der Hochleistungs-CPU 7810 verleiht der Karte das Prädikat „intelligent“, was an den Funktionen Frequenz-, Periodendauer-, Pulsbreitenmessung und Frequenzgenerierung sehr deutlich wird. Hardware-Peripheriekarten dieser Art mit eigenem Mikroprozessor sind nicht nur für den ATARI ST eine Seltenheit. Die Karte ist solide aufgebaut, für „Hardwerker“ wird sie auch als Bausatz angeboten (378,- DM). Positiv fallen die verschiedenen möglichen Ausbaustufen auf, die eine exakte Anpassung an die gestellte Aufgabe ermöglichen. In der Grundversion sind 24 Ein/Ausgänge, 8 A/D-Wandler (8-Bit), 1 D/A-Wandler (8-Bit), 8 Frequenz/Periodendauer/Pulsbreitenzähler und 4 Frequenzgeneratoren vorhanden. Die Aufrüstungen können schon bestückt und getestet, oder als Teilesätze zum Selbstbestücken bestellt werden. Das Board bietet weiterhin die Möglichkeit zur Entwicklung von Mikroprozessor-Software für den 7810 und kann damit als 7810-Entwicklungs-Kit bezeichnet werden (Cross-Assembler in Vorbereitung). Alles in allem dürfte die ST-I/O-Karte von WBL-Systemtechnik eine interessante Möglichkeit für alle Anwender darstellen, die sich nicht nur auf Software beschränken wollen.

Bezugsquelle:

WBL-Systemtechnik Sophienstraße 44 6000 Frankfurt 90

(UB)

Bild 5


Aus: ST-Computer 11 / 1986, Seite 12

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