Nichts dabei gedacht? Das neue (alte) Wordplus

Eine neue Version von Wordplus ist auf dem Markt. Die Versionsnummer 2.02 scheint umfassende Neuerungen gegenüber der alten Version 1.89 anzudeuten. Das Wichtigste in Kürze.

Wordplus ist in den Grundfunktionen nicht umfassend verändert worden. Die gewohnten Menüs sind bis auf das Untermenü »Alles beenden« gleichgeblieben. Hier gibt es die Möglichkeit, auch bei vier geöffneten Fenstern sofort das Textprogramm zu verlassen. Nach wie vor ist Wordplus beim Laden von Dateien, Scrollen im Text und Suchen/Ersetzen entsetzlich langsam und träge. Offensichtliche Mängel der alten Version hat man nicht behoben: die Trennhilfe arbeitet immer noch nicht bei in Anführungszeichen eingeschlossenen Wörtern, die Statistikfunktion suggeriert mehr freien Speicherplatz im RAM als tatsächlich vorhanden ist, und es fehlt ein Fußnotenziffern-Offset für das Verketten von längeren Texten mit Anmerkungen. Ob die neue Version von Wordplus ebenfalls längere Texte »zerstückelt«, konnte bisher noch nicht festgestellt werden.

Grundlegend neugestaltet wurde hingegen die Rechtschreibüberprüfung. Das neue Konzept läßt sich wie folgt umschreiben: ein mitgeliefertes Hauptwörterbuch enthält die wichtigsten Wörter in komprimierter Datenspeicherung. Dieses Wörterbuch kann man erweitern, aber nicht kürzen. Wählt der Anwender »Wort hinzufügen« an, wird das neue Wort zunächst im RAM gespeichert und bei Arbeitsende als Zusatzwörterbuch auf Diskette ausgelagert. Beim nächsten Start lädt man das persönliche Lexikon, bei dem es sich um eine alphabetisch sortierte ASCII-Liste handelt, wieder mit. Allerdings kann das Zusatzwörterbuch nur direkt nach dem Hauptwörterbuch geladen werden: später nicht mehr. Mit Hilfe des Programms »Dicmerge« läßt sich eine ASCII-Datei an das Hauptwörterbuch anhängen. Es empfiehlt sich allerdings, mit dieser Option vorsichtig umzugehen. Wenn nämlich ein falsches Wort ins Hauptwörterbuch aufgenommen wurde, läßt es sich von dort nicht mehr entfernen!

Programmtechnisch läuft das Laden des Wörterbuches und einer Zusatzdatei äußerst langsam ab. Nach dem eigentlichen Ladevorgang erscheint die Meldung »Tabellen in Bau - bitte warten Sie«. Bis zu zweieinhalb Minuten (!) braucht Wordplus, um sein Lexikon im Speicher zu »entkomprimieren«. Nach der Ladeprozedur steht ein neuer Menüpunkt »Ständige Korrektur« zur Verfügung. Wenn dieser aktiviert ist, ertönt ein Signal bei jedem falsch geschriebenen Wort. Auch wenn die Arbeitsgeschwindigkeit ein bißchen darunter leidet, ist der »Online Spelling Checker« sicherlich eine gute Idee, - vor allem für »Blindschreiber«.

Bild 1: Ein neuer Menüpunkt: "Alles beenden"

Aus dem mitgelieferten Hauptwörterbuch (176 KByte) können keine Worte entfernt werden. Das Lexikon bleibt so umfangreich, wie es ist. Als Ballast schleppt der Anwender also ständig auch die Wörter mit, von denen er mit Sicherheit weiß, daß er sie nie brauchen wird. Wir haben im deutschen Wörterbuch so seltene Worte wie »Sulz« (süddeutsch für »Sülze«) oder »Aare« (ein Fluß in der Schweiz) gefunden, während wichtige Begriffe wie »durchgängig«, »insofern«, »desweiteren«, »zwingend« oder »Schutz« fehlen. Schließlich gibt es dort nicht wenige Begriffe aus der Umgangssprache: allein vier Kombinationen mit einem Wort, das wir nicht drucken (»Sch...«), oder: »Sexbombe«, »Kauderwelsch«, »hauruck« und »mausetot«. Wie gesagt, dieses Stammwörterbuch nimmt allein rd. 200 KByte im Speicher ein, beansprucht eine lange Ladezeit und kann nicht gekürzt werden. Alle Versuche, ein leeres Lexikon zu erstellen, das man peu à peu selbst auffüllen würde, scheiterten. Wie erzeugt man etwa ein spanisches oder französisches Wörterbuch?

Ein Schlag ins Gesicht aller Anwender, die schon mit Version 1.89 gearbeitet haben, ist die Inkompatibilität der Lexika von Version 1.89 und 2.02. Wer mit viel Mühe ein eigenes Lexikon unter der alten Version erstellt hatte, kann damit jetzt nichts mehr anfangen. Wenn man schon ein neues Aufzeichnungsformat verwendet, wäre es ein Gebot des Anstands und der Fairness, für alle betroffenen Wordplus-Benutzer ein Konvertierungsprogramm beizugeben, das aus dem alten Lexikon ein neues erstellt!

Zusammenfassend sind es sechs Punkte, die GST und ATARI schleunigst umsetzen sollten, um zu retten, was noch zu retten ist:

Meine Meinung: Die Programmierer von GST haben ein Jahr damit verbracht, ein fragwürdiges Lexikonkonzept zu entwickeln. Das Programm ist um keinen Deut schneller oder besser geworden. Anwenderwünsche wurden schlichtweg ignoriert. In diesem Jahr erscheinen WordPerfect, StarWriter und Tempus-Word für den Atari ST. Hoffen wir, daß eines der drei Programme den Nachfolger für Wordplus abgibt.

Bild 2: Das neue Wörterbuch

Michael Spehr
Aus: ST-Computer 03 / 1988, Seite 58

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