Atari '89 - Wo geht’s hin? Interview mit Alwin Stumpf

ST-Computer: Herr Stumpf, ATARI war im letzten Jahr sehr erfolgreich. ATARI hat kräftig Umsatz gemacht, zum Großteil wohl mit den ST-Modellen.

A.Stumpf: Ja, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Umsatzmäßig wird sich das sicherlich etwas in Richtung der PC-Clones verschieben.

Aufgrund der bestehenden Marktverhältnisse und unserer Distribution muß es zwangsläufig umsatzmäßig etwa fifty-fifty ausgehen, sonst machen wir etwas falsch. Obwohl wir noch keine MS-DOS-Werbung gemacht haben, haben wir 17500 PCs verkauft. Etwa 16500 XT-und etwa 1000 AT-Versionen, obwohl wir mit dem AT erst im Dezember angefangen haben.

ST-Computer: Über die neuen Maschinen mit 68030-Prozessor, den TT und den TTX, ist schon viel gesprochen worden. Hier auf der CeBIT sind sie auch nicht zu sehen. Das liegt wohl an der neuen ATARI-Politik, nur Produkte zu zeigen, die unmittelbar vor der Auslieferung stehen bzw. sich in Produktion befinden. Wann wird nun der TT der Öffentlichkeit gezeigt?

A.Stumpf: Wir planen die Ankündigung der TT-Maschine auf der ATARI-Messe in Düsseldorf, die am letzten Wochenende im August stattfindet.

ST-Computer: Wie werden die über 300000 ST-Anwender unterstützt, wenn die TT-Maschine da ist?

A.Stumpf: Der jetzige ST ist sicherlich nicht der ST in seiner Endform. Ich glaube auch nicht, daß wir den ST mit dem 68030 ausstatten können, weil wir dann einen Großteil unseres Marktes vom Preis her verlassen müßten, und das wollen wir nicht. D.h. der ST in seiner heutigen Form wird sicherlich noch eine ganze Weile so bleiben und auch entsprechend mitgepflegt werden, denn er bleibt ja kompatibel.

ST-Computer: Wie kompatibel bleibt er?

A.Stumpf: Ein Großteil der Entwickler, die bis jetzt die Chancen hatten, ihre Software auf einem Entwicklungssystem zu testen, konnte nur ganz geringe Inkompatibilität feststellen und zwar dann, wenn nicht sauber programmiert wurde. Ein sauber programmiertes ST-Programm läuft auf dem TT.

ST-Computer: Was ist ein sauber programmiertes Programm? Denn es gibt für den ATARI ST keine ausführlichen Programmierrichtlinien.

A.Stumpf: Das ist genau das Problem. Wir haben damals auf diese Dinge zu wenig Wert gelegt. Auf der anderen Seite waren wir dazu auch gar nicht in der Lage. Bei der Individualität der Softwareschreiber, damals '85, '86, war es gar nicht möglich, das zu reglementieren.

ST-Computer: Wann ist damit zu rechnen, daß man als Programmierer Systemhandbücher zum ST bekommen kann, ähnlich wie sie zum Macintosh existieren?

A.Stumpf: Das ist mit Sicherheit eine der Aufgaben, die die Entwicklerkonferenz als erstes zu lösen hat. Auf der anderen Seite ist das eine unserer Stärken. Wir haben sehr viele äußerst kreative Programmierer, die sich unheimlich schwer zügeln lassen. Aber dies kann sich bei einer neuen Betriebsystemversion bitter rächen.

ST-Computer: Soll das heißen, daß es in naher Zukunft keine 1.4. Release des TOS gibt?

A.Stumpf: Das kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten. Es gibt einerseits ein Materialproblem und andererseits die Überlegung, ob das zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnvoll wäre. Aber die TOS-Entwicklung geht kontinuierlich weiter, und ich sehe im Moment noch nicht, wo sich die TT- und die ST Ebene teilen werden, weil für Multitasking, Multiuser und all diese Dinge der ST nicht gedacht ist. Wir gehen sicherlich auf der TT-Ebene weiter, aber das, was auf dem ST möglich ist, werden wir im ST mit Sicherheit implementieren.

ST-Computer: Herr Stumpf, Sie sagten, daß der ST unabhängig vom TT Modell weiterentwickelt wird.

A.Stumpf: Ja sicher!

ST-Computer: Heißt das, daß es auch neue ST-Maschinen geben wird?

A.Stumpf: Neue Features, nicht grundsätzlich neue Maschinen, sondern Dinge, die man hineinpackt, um die Rechner leistungsfähiger zu machen.

ST-Computer: Das könnte dann z.B. so etwas wie die PAK-Karte sein, also eine Erweiterung mit 68020-Prozessor für den ST?

A.Stumpf: An so etwas wie PAK habe ich momentan nicht gedacht, damit verlassen Sie automatisch die Preisgruppe, in der wir sind.

ST-Computer: Liegt STACY, der ATARI ST Laptop, in diesem Bereich?

A.Stumpf: Der Laptop liegt in diesem Bereich, aber bei ihm gibt es ein anderes Problem: CMOS-Technologie ist sehr teuer.

ST-Computer: Was soll er kosten?

A.Stumpf: 3400,- DM mit einem eingebauten Laufwerk und mit 1 MByte Speicherkapazität. Ich glaube nicht, daß wir die 512 kByte-Version bringen.

ST-Computer: Wie sieht es mit einem optionalen zweiten Laufwerk aus?

A.Stumpf: Es gibt zwei Versionen: 1 MByte Speicher mit einem Laufwerk wie der 1040 STF und die 2 MByte-Version mit Harddisk und Laufwerk für etwa 5000,- DM. Vielleicht wird es irgendwann noch eine 4 MByte-Version von STACY geben.

ST-Computer: Ist das Laufwerk doppelseitig?

A.Stumpf: Es gibt keine anderen mehr, wir verkaufen nur noch doppelseitige Laufwerke mit 720 kByte Kapazität.

ST-Computer: Welche ST-Modelle werden weiter geführt?

A.Stumpf: Das bestehende Programm: 520 STFM, 1040 STFM, Mega 1, Mega 2 und Mega 4. Neu kommt jetzt der Laptop hinzu. Daran wird sich auch nichts ändern. Mittelfristig gesehen kann es sein, daß der Mega ST2 aus dem Programm genommen wird, weil der Trend zum 4 MByte Modell geht.

ST-Computer: Liegt das daran, weil ATARI mit einer großen deutschen Firma einen Abnahmevertrag über DRAM Chips (Anm. d. Red.: dynamische RAM Speicher) geschlossen hat und jetzt nicht genügend Speicherchips verbraucht?

A.Stumpf: Nein, das wird vom Markt bestimmt. Die Programme werden aufwendiger. Wenn Sie z.B. an Calamus denken: Calamus läuft fast ausschließlich auf 4 MByte-Maschinen. Wie sinnvoll der Mega ST2 ist, werden wir überdenken, wenn die Preise für DRAMs im zweiten Halbjahr dieses Jahres fallen.

ST-Computer: Die Produktpalette von ATARI wird sich in diesem Jahr noch stark erweitern. Kann es da nicht zu Überschneidungen bei den Anwendergruppen kommen? Die 8-Bit-Rechner mal ausgelassen, existieren da als preiswerte Einsteigermodelle der 520 STFM und der 1040 STFM und die Mega STs für die professionellen Anwendungen, im Herbst soll dann das TT- und TTX-Modell kommen.

A.Stumpf: Gut, aber das TT-Modell wird zumindest vorübergehend, so für die nächsten 12 Monate etwa, in einer anderen Preisregion liegen, deutlich über dem Mega ST4.

ST-Computer: Wird der Preis noch eine vierstellige Zahl sein, also unter 10000.-DM?

A.Stumpf: Das will ich hoffen. Aber er wird halt doch deutlich teurer als der größte Mega ST.

ST-Computer: Gut, aber dann gibt es da noch den ATW (Anm. d. Red.: ATARI Transputer Workstation) und die PC-Clones PC1 bis PC5.

A.Stumpf: Den ATW muß man völlig separat sehen, das ist ein Markt für sich. Und dann gibt es die PC-Range. Aber das belastet ja nicht marketingmäßig, denn alle Händler verkaufen sowieso PCs, dann können sie auch unsere verkaufen.

ST-Computer: ATARI hat gute Erfahrungen mit der Mega-Serie gemacht, aber trotzdem bleibt der 1040er in der mittleren Preisklasse der ST-Maschinen der Renner.

A.Stumpf: Ja, natürlich.

ST-Computer: Inwieweit wird der 1040 STFM durch den Mega ST1 ersetzt?

A.Stumpf: Gar nicht, denn die Preisklassen bleiben auf jeden Fall bestehen. D.h. es wird immer eine Preisklasse bis zu DM 1000,- und eine um DM 1500,- und Preise darüber geben.

ST-Computer: Nachdem ATARI einige Softwareprodukte in den Vertrieb übernommen hat, gibt es Gerüchte, daß ATARI auch ein eigenes Netzwerk anbieten wird.

A.Stumpf: Nein, für den ST nicht. Es gibt mittlerweile so viele, daß es unsinnig wäre die Entwickler, die dort viel Zeit und Geld investiert haben, mit einem eigenen Netzwerk kaputtzumachen.

ST-Computer: Das schließt aber nicht aus, daß Sie sich irgendwann für eines der vorhandenen Netzwerke entscheiden. Sie haben sich ja auch bei den DTP-Programmen erst nach geraumer Zeit für Calamus entschieden.

A.Stumpf: Man muß das so sehen: Wenn eine Entwicklung führend ist am Markt, dann sind wir geneigt, diese zu übernehmen. Wenn es mehrere gleichwertige Produkte gibt, würden wir nur den Markt stören, wenn wir uns für eine Entwicklung entscheiden würden, weil die anderen zwei oder drei Anbieter dann nur noch geringe Chancen hätten. Sicher, Konkurrenz belebt das Geschäft und den Markt. Wir sind nun mal auf das Umfeld angewiesen, und wenn wir dieses Umfeld nicht mehr haben, sieht es sehr Finster aus, und insofern gibt es eine gewisse Verpflichtung. Denn egal, ob unser Programm oder auch unsere Hardware besser oder schlechter ist, wir haben die besseren Distributionsmöglichkeiten, und wir können das Produkt ganz anders forcieren. Diese Chancen hat kaum jemand, weil es sich im Gegensatz zu uns meistens um kleinere Firmen handelt. Wenn dann der Hersteller einseitig in den Markt eingreift, zerstört er sein Umfeld. Das ist ein sehr Filigranes Spiel. Ich meine, wir haben nicht zuletzt deswegen z.B. bei 1st Word so lange gewartet und eigentlich in den letzten Jahren nichts gemacht, um anderen die Chance zu geben, hier mitzuziehen. 1st Word war vor zwei Jahren dabei, den gesamten Textverarbeitungs-Softwaremarkt totzumachen. Wenn Sie sich jetzt den neuen Softwarekatalog ansehen. Finden Sie dort neben 1st Word eine ganze Reihe erstklassiger Textverarbeitungsprogramme.

ST-Computer: Trotzdem haben Sie jetzt einen Großbildschirm (SM194) in den Vertrieb genommen. Ist das der Matrix-Bildschirm?

A.Stumpf: Nein, es ist nicht der Matrix-Bildschirm. Natürlich, wenn ein Hardwareprodukt eine strategische Bedeutung hat oder bekommt, dann können wir nicht anders und müssen die Distribution sicher stellen. Das ist bei Hardware anders als bei Software.

ST-Computer: Wann wird der Großbildschirm SM 194 lieferbar sein, und was wird er kosten?

A.Stumpf: Ich schätze, daß wir die ersten Geräte so in vier bis sechs Wochen ausliefern. Kosten wird er etwa 4300,- DM.

ST-Computer: Läuft alle Software auf diesem Monitor?

A.Stumpf: Alle Software, die wir bisher getestet haben, läuft.

ST-Computer: Wird es diesen Monitor nur in Deutschland geben?

A.Stumpf: In Deutschland, Benelux ganz sicher, Frankreich und England. An sich ist es ein weltweit verfügbares Produkt. Die örtliche ATARI-Gesellschaft entscheidet letztendlich, ob es sinnvoll ist.

ST-Computer: Wie sieht es im europäischen Ausland mit den Softwareprodukten wie z.B. Calamus oder Omikron. BASIC aus?

A.Stumpf: Calamus ist mittlerweile in vier Sprachen fertig, und das wird sicher noch weitergehen. Das unterstützen wir natürlich. Omikron.BASIC wird meines Wissens nur in Frankreich und England noch nicht mitgeliefert.

ST-Computer: Gibt es das Omikron. BASIC in Amerika?

A.Stumpf: Das weiß ich nicht, das liegt außerhalb meines Zuständigkeitsbereiches.

ST-Computer: Sind Sie für Europa zuständig?

A.Stumpf: Teilweise, für Zentral-, Ost-und Nordeuropa.

ST-Computer: Verkaufen Sie auch Geräte in die DDR?

A.Stumpf: Ja, wir verkaufen auch in die DDR, aber nur 8-Bit-Geräte und unsere PC XT-Modelle. Bisher noch keine ST-Maschinen. In Polen verkaufen wir den ST jetzt schon in größeren Stückzahlen.

ST-Computer: Ein interessantes Produkt ist das Wechselplattenlaufwerk Megafile 44. Ist es als Streamer für den ST gedacht?

A.Stumpf: Ja, es ist sicherlich auch als Streamer verwendbar. Die gesamte Konzeption wird dadurch sehr viel einfacher. Man hat quasi ein Diskettenlaufwerk mit 44 Megabyte, aber der Performance und der Geschwindigkeit einer Festplatte. Denn das Medium ist ja eher eine Diskette als eine Harddisk, und es läßt sich dementsprechend behandeln: Man kann es mitnehmen, einschließen oder auch feuersicher verpacken.

ST-Computer: Wann ist das Megafile 44-Laufwerk lieferbar, und was wird es kosten?

A.Stumpf: Es ist in Produktion und somit in einigen Wochen lieferbar. Kosten wird die Wechselplatte 2498,- DM und das Medium, die Wechselplatte 298,- DM. Die Anfangsinvestition ist relativ hoch. Wenn man dann aber mal höher aufstockt auf mehr als 44 Megabyte, geht sie ganz schnell runter.

ST-Computer: Ist bei dem Preis von 2498,- DM eine Wechselplatte enthalten?

A.Stumpf: Diese Frage versuche ich gerade zu klären. Ich vermute es aber, denn sonst würde die Sache keinen Sinn machen.

ST-Computer: Was ist eigentlich aus dem ATARI-Matrixdrucker SMM 804 geworden?

A.Stumpf: Der ist durch die hohen Einfuhrzölle völlig uninteressant geworden und deshalb schon lange nicht mehr im Programm.

ST-Computer: Apropos Zoll, wir haben gehört, daß das CD-ROM aufgrund der hohen Zölle in der Unterhaltungselektronik eventuell ohne Audioteil ausgeliefert werden soll, ist das richtig?

A.Stumpf: Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber nach Informationen, die wir von Leuten aus dieser Branche bekommen haben, ist der Audioteil völlig uninteressant. Für den Konsumenten sieht das natürlich anders aus. Andererseits gibt es heute Audio-CD-Spieler für 298,- DM.

ST-Computer: Wir würden es bedauern, wenn das CD ROM ohne Audioteil auf den Markt käme, denn wir entwickeln gerade eine kleine Hardware Schaltung, mit der es möglich ist, die digitalen Daten einer Audio-CD in den Rechner zu laden, diese dann im Rechner zu manipulieren, ähnlich einem Sound Sampler, um sie dann über das Audioteil im CD-ROM wiederzugeben. Das wäre der perfekte 16 Bit-Sound-Sampler.

A.Stumpf: Also benötigen wir den Audioteil?

ST-Computer: So gesehen ja, vor allem wenn man bedenkt, daß der ATARI ST bei Musikern eine absolute Vormachtstellung hat.

A.Stumpf: Ja ich weiß. Also zur Zeit existieren vom CD-ROM zwei Versionen, eine mit und eine ohne Audioteil. Ein weiteres Problem neben den hohen Zöllen für die Unterhaltungselekronik ist, daß wir eventuell in die Quotenregelung reinkommen, d.h. irgendwann sagt die europäische Zollbehörde, es dürfen keine Audio-CD-Player mehr eingeführt werden, weil das Kontingent erschöpft ist. Da werden bestimmte Kontingente mit Taiwan, mit Korea usw. zu einem bestimmten Zollsatz vereinbart, und wenn die Geräte eingeführt sind, dann ist Schluß.

ST-Computer: Was wird das CD-ROM kosten? Uns sind Preise von 1000,- DM bis 2000,- DM zu Ohren gekommen. Oder gibt es aufgrund der ausstehenden Entscheidung über den Audioteil noch gar keinen Preis?

A.Stumpf: Ein Preis von DM 2000,- ist definitiv falsch. Der ursprünglich festgelegte Preis in Amerika mit Audioteil beträgt 599, US Dollar. Dazu kommen noch Zoll, Mehrwertsteuer und diese Dinge. Ich schätze, daß wir einen Preis mit Audioteil von 1298, DM realisieren können, wobei mir 998, DM lieber wären, dann allerdings ohne Audioteil.

ST-Computer: Ist in der nächsten Zeit mit der Einführung des CD-ROMs in großen Stückzahlen zu rechnen?

A.Stumpf: Das Problem liegt nicht bei der Hard-, sondern bei der Software. Wir sind dabei, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, damit möglichst schnell Software entsteht. Die Hardwareentwicklung ist fertig, jetzt geht es darum, eine Basis zu schaffen - nicht, daß wir jetzt eine Hardware bringen und versuchen zu verkaufen, die auf einen absolut jungfräulichen Markt stoßen würde. Man könnte dann das Gerät kaufen und hätte zusammen mit einem Kopfhörer bloß einen teuren CD-Spieler. Die Zollgeschichte ist in dem Zusammenhang eine Kleinigkeit, im Extremfall wird das Ding halt 200,- DM teurer.

ST-Computer: Sie sagten uns in einem Gespräch vor der CeBIT, daß es eventuell das Multitasking/Multiuser-Betriebssystem UNIX für den ST gehen wird. Was ist daraus geworden?

A.Stumpf: Ja, wir planen ein UNIX-ähnliches Betriebssystem für den ST. Wir werden es auf dem ST bringen, wir haben auch schon eine Vereinbarung mit einer Softwarefirma, die ihre gesamte Software darauf portiert, und ich bin ziemlich sicher, daß wir noch im nächsten Quartal mit dem Vertrieb dieser Geräte beginnen, d.h. kleine Mehrplatzsysteme mit einer sehr bekannten und guten Software anbieten werden. Diese Software ist dann identisch mit dem, was zur Zeit in der UNIX-Welt erhältlich ist, und sie wird mit zwei, drei, maximal vier Benutzern arbeiten können.

ST Computer Aber dieses UNIX wird sich nur auf einem Mega ST installieren lassen?

A.Stumpf: Nicht zwingend, es wird auch auf einem 1040 STF laufen. Wir werden dieses Betriebssystem auch einzeln anbieten, als sehr preisgünstiges Entwicklungssystem für Leute, insbesondere für Studenten, die sich UNIX mal anschauen möchten.

Wir meinen, daß MINIX (Anm. d. Red.: MINIX ist auch ein UNIX-ähnliches Betriebssystem) zwar von der Idee her super, aber sehr eingeschränkt ist. Dort gibt es zwar die Sources, aber es fehlen die Pipes und einiges mehr.

ST-Computer: Ist die TTX-Maschine von vornherein eine UNIX-Maschine?

A.Stumpf: Ja, der TTX ist so ausgestattet, daß er quasi full blown UNIX-fähig ist, d.h. die TTX-Maschine ist für den Einzelbenutzer überdimensioniert.

ST-Computer: Aus dem Gespräch wird deutlich, daß das TT-Modell im Oktober wohl die Neuerscheinung für das Jahr 1989 werden wird ähnlich wie es der ST vor knapp vier Jahren war.

A.Stumpf: Ja, aber auf einem höheren Niveau - auch preislich.

ST-Computer: Dann ist der TT zur Zeit die wichtigste Entwicklung für ATARI, noch wichtiger als der ATW?

A.Stumpf: Ja, wesentlich wichtiger als der ATW. Sie sind überhaupt von der Wichtigkeit her nicht vergleichbar. ATW ist ein völlig neuer Markt, wo noch kein Mensch sagen kann, wie groß dieser Markt sein wird. Es ist ganz einfach eine Entwicklung, um auch Know-how zu gewinnen in anderen Technologien. Hier haben wir den Vorteil, daß wir schon einen gewaltigen Vorsprung haben. Wir werden zusammen mit INMOS auch auf der Industriemesse nur mit dem ATW sein. Daß man bei drei Anbietern uns ausgesucht hat, zeigt, daß wir hier einen deutlichen Vorsprung haben.

ST-Computer: Herr A.Stumpf, letztes Jahr gäbe es ungefähr das gleiche Problem. ATARI wußte nicht, welchen Markt man mit dem ATW ansprechen wird. Wie sieht das heute aus?

A.Stumpf: Gut, wir wissen das heute sehr viel genauer. Nur, wenn man mich heute fragt, welchen Markt, dann meine ich, welchen Markt außerhalb dieser Spezialgebiete wie: Simulation, Verpackungsindustrie, Design. Überall dort, wo riesige Rechenleistung nötig ist. Das war von vornherein klar. Was unklar war, war, wie weit diese Zielgruppen diese Technik akzeptieren. Das kann Ihnen auch heute noch kein Mensch sagen. Es wäre doch vermessen zu sagen, wir kommen mit einem völlig neuen Betriebssystem, das ganz anders ist als bisherige Computertechnologie, und sagen, das ist unser Markt

ST-Computer: Wie weit ist die Entwicklung des ATW?

A.Stumpf: Die Grundentwicklung des Gerätes ist abgeschlossen. Es ist jetzt im Preproduction-Status. Wir bauen jetzt Entwicklungsgeräte, die höher ausgestattet sind als die normalen Endgeräte.

ST-Computer: Wenn man die Verkaufszahlen weltweit betrachtet, dann müßte ATARI keine amerikanische, sondern eher eine deutsche, zumindest aber eine europäische Firma sein.

A.Stumpf: Sicherlich, vom Umsatz her ist das richtig. Ich meine, man hat sich jetzt von dem Ballast der Federated Stores getrennt. (Anm. d. Red.: Jack Tramiel hatte 1987 die Federated Stores, eine amerikanische Computer-Ladenkette aufgekauft.) Das war aus meiner Sicht eine sehr vernünftige Entscheidung, endlich den Schlußstrich zu ziehen. Man hat diese Ladenkette komplett auf Null abgeschrieben, deswegen erscheint natürlich buchmäßig ein Riesenverlust, der aber durch ein fast gleichgroßes Barvermögen ausgeglichen ist. Dies zeigt sich auch ganz deutlich an der Reaktion der Börse. Die Aktie hat 1,50 US Dollar, das sind fast 30 Prozent, zugelegt.

ST-Computer: Europa bleibt aber auf jeden Fall umsatzstärker als Amerika?

A.Stumpf: Ich hoffe nicht, daß die Einseitigkeit Europa / USA in Zukunft so bleiben wird. Ich meine, nicht, daß wir in Europa schlechter werden, sondern daß die Amerikaner aufholen. Die Amerikaner haben es natürlich im Augenblick schwer, sie brauchen ein neues Produkt. Sie können nicht mit einer Maschine, die vor vier Jahren herausgekommen ist, neu in den Markt gehen, das ist Unsinn.

ST-Computer: Ja gut, aber die Amerikaner bekommen doch jetzt ein neues Produkt, den TT.

A.Stumpf: Es gibt ein paar interessante Produkte, die typisch für den amerikanischen Markt sind, auch der neue PC Folio. Er schafft erst einmal den Basisumsatz, den man braucht, um einen so großen Markt bearbeiten zu können. Sie können diese Umsätze nehmen und aus den Erlösen ihr Marketing finanzieren. Ich meine, wir haben ja das ST Marketing auch mit den Erlösen der 8-Bit-Computer und Videospiele finanziert.

ST-Computer: Herr Stumpf, wir bedanken uns für das Interview!



Aus: ST-Computer 05 / 1989, Seite 18

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