DFÜ-Ecke: Please Let Me Introduce Myself

Ich heiße Sie willkommen zu unserer neuen DFÜ-Ecke. Hier werden wir Ihnen Neuigkeiten in der “Szene”, Grundlagen (wie XModem), Informationen und neue Mailboxen vorstellen. Sicherlich werden nicht alle von Ihnen wissen, was man mit der Datenfernübertragung alles machen kann. Aus diesem Grunde werde ich Ihnen in dieser ersten Folge erst einmal eine kleine Einführung bieten, damit später auch alle interessierten Leser mitlesen können.

Die Datenfernübertragung ist prinzipiell die Umwandlung von Daten in Töne. Diese Töne können beispielsweise über das heimische Telefonnetz überspielt werden. Auf der Empfängerseite werden die Töne wieder zurückgewandelt in Daten und können so wieder verarbeitet werden. Welche Arten der DFÜ gibt es nun? Diese Frage läßt sich sehr vielfältig beantworten. Da existieren zum einen die...

... Mailboxen,

in denen Sie auch als Privatperson anrufen können, um Daten zu lesen und/oder zu senden. Eine Mailbox kann man sich vorstellen wie einen Raum mit vielen Pinwänden. Jede Pinwand hat eine andere Überschrift, z.B. “Allgemeines”, “Umweltschutz”, “Politik” etc. An diesen Wänden hängen nun viele kleine Zettelchen, die die anderen Raumbenutzer geschrieben haben. Sie können diese Zettel lesen, aber auch eigene Zettel an die Wand hängen.

Bevor Sie jedoch überhaupt in den Raum gelangen, müssen Sie sich auf einer “Raumbenutzungsliste” eintragen, die vor der Tür hängt. Dadurch bekommen Sie einen eigenen Briefkasten, in dem Sie persönliche Post von den anderen Benutzern bekommen können. Wenn Sie den Raum wieder verlassen, geben Sie eine bestimmte Menge Geld an den Türwächter “Grün-Dollar”. So sind Mailboxen aufgebaut. Allerdings bestehen die Pinwände hier aus sogenannten “Brettern”, und die Raumbenutzer nennen sich “User”. Die Zettel entsprechen den einzelnen Nachrichten in den Brettern, während der Türwächter Oberpostminister Schwarz-Schilling ist.

Es gibt verschiedene Arten von Mailboxen. Die einen sind kostenlos, die anderen kosten eine bestimmte Menge Geld pro Monat. Größere Unterschiede gibt es jedoch bei der Bedienung der Mailboxen: Verschiedene Menüsysteme machen es dem Einsteiger nicht leicht, sich zurechtzufinden; deshalb werde ich Ihnen die wichtigsten Mailboxoberflächen näherbringen:

Menüsysteme

IMCA/GEONET nennt sich das (momentan) beliebteste System. Bei dieser Oberfläche müssen Sie alle Befehle als klarschriftliche, deutsche oder englische Befehle eingeben. Die Mailboxen, die dieses System benutzen, sind meist sehr komfortabel, weil durch die klarschriftlichen Befehle die Bedienung recht einfach wird. Eine Übersicht der wichtigsten Befehle (hier: Magic BOX/MagicBOX ST) finden Sie in Bild 1.

File- oder Zahlensystem nennt sich das andere, (noch) weit verbreitete System. Bei dieser Oberfläche werden alle Befehle durch Zahlen repräsentiert. Für den Einsteiger ist dies ideal, weil er sich nur drei “Befehle” merken muß. Mit der Zahl an sich (z.B. 280) wählt man ein File an, etwa “Allgemeines”. Hat man das gewünschte File angewählt, muß man “01” zum Schreiben oder “02” zum Lesen eingeben. Weiß man gleich, daß man im File 280 lesen möchte, kann man auch die Zahlen addieren. Gibt man dann beispielsweise “282” ein, wird ins File 280 gesprungen und sofort gelesen. Hieraus ist zu erkennen, daß dieses System zwar wenig komfortabel ist, jedoch sehr einfach zu erlernen.

Mischsysteme sind auch noch im Umlauf. Hierbei können Sie beispielsweise “R 280” eingeben, um File 280 zu lesen (R=”Read”), oder “S”, um durch neue Nachrichten zu scannen. Leider kann ich Ihnen zu diesem System keine weiteren Erklärungen geben, da diese Programme sich so stark unterscheiden, daß die Befehle nur für eine bestimmte Mailbox gelten würden.

     
? gibt eine Befehlsübersicht aus
Brett * zeigt eine Brettübersicht
Brett ** zeigt eine ausführliche Brettübersicht
Brett <name> wählt das Brett <name> an
Hilfe gibt einen Hilfstext aus
Hilfe <befehl> gibt den Hilfstext zum Befehl <befehl> aus
Inhalt zeigt den neuen Inhalt eines Bretts an
Inhalt * zeigt den gesamten Inhalt eines Bretts an
Inhalt x- zeigt den Inhalt ab Nachricht x an
Inhalt -x zeigt den Inhalt bis Nachricht x an
Inhalt x-y zeigt den Inhalt von Nachricht x bis y an
Inhalt <name> zeigt alle Nachrichten von User <name> an
Lesen liest alle neuen Nachrichten
Lesen * liest alle Nachrichten
Lesen X liest Nachricht Nummer x
Lesen x- liest alle Nachrichten ab Nummer x
Lesen -x liest alle Nachrichten bis Nummer x
Lesen x-y liest alle Nachrichten von Nummer x bis y
Lesen x,y,z liest die Nachrichten x, y und z
Logoff beendet die Verbindung
Senden an das aktuelle Brett senden
Senden <name> an den User <user> senden
Senden <brett> an Brett <brett> senden

Bild 1: Die wichtigsten Befehle nach IMCA/GEONET (hier: MagicNET)

Vernetzung

Da Mailboxen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, konnten nicht alle überleben. Aus diesem Grund haben sich viele Mailboxnetze entwickelt. In diesen Netzen sind viele Mailboxen zusammengeschlossen und tauschen allmorgendlich ihre neuen Daten aus, damit mehr Benutzer etwas davon haben. Leider entstehen momentan immer mehr neue Netze. Dies ist eine schlechte Sache, da wir in Deutschland lieber EIN großes Netz haben sollten als viele kleine. Einige Netzkoordinatoren stellen sich jedoch quer und möchten dies auf keinen Fall. Die Zukunft wird zeigen, wer in der Netzvielfalt überleben wird. Ich stelle Ihnen die wichtigsten Netze vor und gebe zu jedem meine subjektive (!) Meinung wieder:

Das MagicNET entstand 1987 durch Ingo Richardt, den man getrost einen Pionier der deutschen Mailboxszene nennen kann. In diesem Netz, an dem zur Zeit über 45 Systeme teilnehmen, existiert die größte Befehlsvielfalt mit über 80 komfortablen Befehlen. Immer mehr Mailboxen treten diesem Netz bei. weil sie die Benutzeroberfläche als die beste empfinden. Das MagicNET ist zum größten Teil in Nordrhein-Westfalen verbreitet, allerdings existieren auch Mailboxen in Mannheim und Hamburg. Im MagicNET ist die Möglichkeit gegeben, "Point” zu werden. Als Point erhält man alle Netznachrichten über den normalen Netztransfer in gepackter Form und kann sie in aller Ruhe zu Hause durchlesen, ohne Telefongebühren zahlen zu müssen. Dies ist bei keinem anderen deutschen Mailboxnetz möglich (nur im Fido-Net, das aber nicht deutsch ist). Ein weiterer großer Vorteil dieses Netzverbunds ist, daß die Sysops (_SYS_tem _OP_erator = Systembetreiber) sich bemühen, andere Netze in ihr eigenes mit aufzunehmen. Dafür existiert eine eigene Mailboxebene, “Gate" genannt. Hier tummeln sich momentan Nachrichten aus dem Zerberus- und dem Fidonet. Wenn Sie also eine große Nachrichtenvielfalt, verschiedene Netze in einem und eine gelungene Benutzeroberfläche suchen, wählen Sie das MagicNET. Übrigens: Dieses Netz läuft auch mit ATARI ST-Rechnern! Den Netzplan des MagicNET finden Sie in Bild 2.

Das PCNet existiert ebenfalls seit ca. 1987 und wurde auch von einem der Mailboxpioniere Deutschlands gegründet, von Dirk Gazic. Von ihm stammt auch das weithin bekannte Programm “64sysop” für den C64, das heute überall als Quellprogramm erhältlich ist und in vielen abgewandelten Formen sein Dasein fristet. Das PCNet kann momentan nur mit IBM-kompatiblen Rechnern betrieben werden, eine Umsetzung für den ST ist jedoch bereits in Arbeit. Als Benutzeroberfläche ist hier eine abgewandelte Form von IMCA/GEONET gewählt worden: dem Standard entspricht sie jedoch in keinem Fall. Auch die Befehlsvielfalt läßt in manchen Teilen zu wünschen übrig, ebenso die unansprechend gestaltete Benutzeroberfläche. Das PCNet ist ebenfalls im Großraum Nordrhein-Westfalen (Köln) vertreten. Nach einem Streit des Netzkoordinators mit dem Sysop der Foto-Box hat sich ein anderes Netz mit dem gleichen Programm gebildet, das WWM-Netz. Da dieses nur eine Absplitterung des PCNet ist, brauche ich darauf wohl nicht weiter einzugehen.

Das ZerberusNet ist das größte deutsche Netz. Weit über 70 Mailboxen nehmen daran teil. Leider läßt auch hier die Benutzeroberfläche etwas zu wünschen übrig, ist jedoch noch akzeptabel. Hier werden viele Möglichkeiten geboten, die das MagicNET nicht hat: Batchfiles können aufgerufen werden, Brett-Unterbretter (die nicht dem IMCA/GEONET-Standard entsprechen) können eingerichtet werden etc. Über das ZerberusNet kann auch LINKS (eine “linke” Vereinigung) erreicht werden. Auch hier ist der Vorteil, daß das Programm auch mit einem ATARI ST betrieben werden kann, leider existieren aber keine Points (s.o.), vielleicht ändert der Programmautor dies noch ab? Für die, die das Programm schon kennen, habe ich noch eine Information: Das Zerberus-Programm wird momentan in C umgeschrieben und dürfte damit das schnellste aller deutschen Programme werden. Als der Hit ist in das Programm eine Programmiersprache eingebaut, die vergleichbar mit dem Commodore-Basic V2 (C64) ist: Damit lassen sich beispielsweise Batchfiles in ungeahnter Qualität erstellen! Man darf gespannt sein. Das ZerberusNet ist über das gesamte Land verteilt und verfügt auch über Außenstellen in anderen Ländern.

Weitere Netze sind das AMNet II (AMIGA), das seine Benutzeroberfläche dem MagicNET abgeguckt hat (man merkt es gleich), das StarNet (ATARI ST) mit einer keinem Standard entsprechenden Benutzeroberfläche, die zudem noch recht kompliziert zu überblicken ist, sowie das FidoNet (über 6000 Mailboxen in aller Herren Länder), welches aber keinem Anfänger zu empfehlen ist, da die Befehle hier doch recht kompliziert sind.

Bild 2

Andere DFÜ

Natürlich gibt es nicht nur Mailboxen, sondern auch noch andere Anwendungsbereiche der Datenfernübertragung. Bestes Beispiel hierfür ist der immer weiter verbreitete Telefax. Ein Telefaxgerät ist nichts weiter als ein Thermo-Transfer-Drucker, mit dem man seine Texte an einen anderen Thermo-Transfer-Drucker senden kann. Ganz so einfach ist es aber auch nicht: Eine Vorlage, meistens ein Schriftstück, wird in das Telefaxgerät gelegt. Dann wählt man die Nummer eines anderen Geräts an. Sobald eine Verbindung zustandegekommen ist, wird die Vorlage abgescannt, also digitalisiert. Digitalisierte Werte kann man sehr einfach in Töne umwandeln (Ton/kein Ton). Genau das geschieht auch: Die gescannten Bildpunkte werden in Töne umgewandelt und über die Telefonleitung geschickt. Auf der Empfängerseite werden sie wieder in Daten zurückgewandelt. Diese nimmt nun der empfangende Thermo-Transfer-Drucker in Empfang und spuckt zeilenweise die empfangene Seite aus. Diese Art der DFÜ ist zwar stark eingeschränkt, man kann sie aber immer noch DFÜ nennen. Sicherlich existieren noch weit mehr Anwendungsmöglichkeiten der DFÜ, auf die ich aber hier nicht eingehen kann.

Damit bin ich auch schon am Ende der ersten Folge der DFÜ-Ecke angelangt. Wenn Sie Fragen zu einem beliebigen Thema der DFÜ haben, schreiben Sie mir: Ich werde versuchen, alle Fragen entweder im Rahmen der DFÜ-Ecke oder privat zu beantworten. Sie können auch Wünsche äußern, was besprochen werden soll: Ich bin für alle Wünsche offen. Schreiben sie an

MAXON Computer GmbH
Redaktion ST-Computer
Stichwort: DFÜ-Ecke
Industriestraße 26
6236 Eschborn



Aus: ST-Computer 10 / 1989, Seite 169

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