Eigentlich brauchte man über den Klassiker der Textverarbeitungen in dieser bit- und bytevollen Zeit kein weiteres Wort zu verlieren. Jeder kennt es, viele arbeiten damit und einige mögen es sogar. Auf den Herbstmessen der Computerbranche wurde es noch als kleine Sensation hochgehandelt, da der Methusalem der Textverarbeitungen nun auch in einer zum Standard kompatiblen Version auf den ST-Rechnern implementiert worden ist.
Lange Zeit schien sich auf dem Sektor Textxerarbeitungen hier wenig abzuspielen. Signum oder Wordplus, bei allen Unterschiedlichkeiten, die zwischen beiden Software-Produkten bestehen, haben beinahe schon einen so langen Bart wie der altehrwürdige Herr aus Amerika mit Vornamen “Word” und mit Nachnamen "Perfect”. Viele Anwender mit hieb- und stichfesten Ansprüchen an ein einsatzfähiges Textsystem mit Fußnotenverwaltung, Layout-Optionen oder Spaltensatz kamen in den letzten Jahren aber einfach zu kurz. Die aversierten Software boten zwar so lukrative Features an wie Einbindung von Grafikzeichensätzen in erstellte Texte oder eine Bemessung von Zeilenabständen in 1/10 Zoll-Schritten. Wer in den letzten Jahren die Schreibmaschine mit dem Bildschirmarbeitsplatz vertauscht hat und Examensarbeiten, Manuskripte oder Referate mit eben diesen bekannten Textverarbeitungen, Signum bzw. Wordplus, geschrieben hat, kam auch immer mit den vollkommen verschiedenen Schwächen der beiden dominanten ST-Textsysteme in Berührung. Von einer guten Textverarbeitung muß man einfach Unkompliziertheit in der Einführung, Zuverlässigkeit im Umgang und durchgängige Leistungsfähigkeit während der Arbeit voraussetzen. Außerdem spielt der Faktor Zeit eine nicht gerade unerhebliche Rolle. Denn eine Textverarbeitungs-Software ist unbedingt als Werkzeug zu betrachten, als Werkzeug für Textarbeiter, die keine Sekunde ihres kreativen Tuns mit überflüssigen Operationen vergeuden können.
Ob diese Spezial-Software WordPerfect ST den nicht gerade unerheblichen Anforderungen an kreatives Schreiben am Computer gerecht wird, habe ich herauszufinden versucht. Man weiß: Scheinbar Neues im alten Gewand bringt außer einem Quäntchen an Abwechslung wenig Nennenswertes. Ehe ich aber ins Lamentieren verfalle, schreite ich mit meiner Rezension weiter, mit der ich nach dieser launigen Vorbemerkung beginne. Als ich diesen Artikel zu erarbeiten begann, mußte ich sofort Anstoß nehmen, als ich feststellte, daß keine vom WP-Programm gesteuerten Grafik- und Hardcopy-Einbindungen vorgesehen sind. Man mag sich wohl bei der Entwicklung überlegt haben, daß Materialien zur Illustration in computererzeugten Texten allgemein mit DTP-Software eingerichtet werden müssen, und ein Textsystem sei schließlich für die vielen Varianten der Texterstellung und nichts anderes zu gebrauchen. Außerdem bedenke man, daß WP ein typisches US-Produkt ist, womit ich sagen möchte, daß die Programmierer garantiert nicht die Grafikoption an deutsche Standards angepaßt hätten. Dies stellt für Computerjournalisten ein großes Manko dar, das bloß mit dem Ausweichen auf Altbekanntes in Sachen Hardcopy abgewendet, aber nicht aus der Welt geschafft wäre. Wünschenswert wäre in Zukunft, daß man in WP eine Grafik-Schnittstelle integrierte. Trotz mancher Nachteile der klassischen Textverarbeitungen auf dem ST kann man die Grafik-Schnittstelle schon vermissen. WP mutet bestimmten Benutzergruppen eine wesentliche Beschränkung bei der Einbindung eines integrierten Text-Grafik-Layouts zu. Nach der Detailkritik gleich zu Beginn komme ich nun auf die Beschreibung des Textsystems WordPerfect ST zu sprechen.
Zum Lieferumfang der aktuellen Version 4.1 von WordPerfect ST gehören insgesamt drei doppelseitig formatierte Disketten. WP läßt sich als Minimalkonfiguration mit einem Laufwerk betreiben. Der Einsatz einer Harddisk ist optional, muß aber dringend, schon wegen der relativ langen Nachladezeiten vom Datenträger, empfohlen werden. Ein Kopierschutz besteht nicht. Es gehört allerdings noch ein Backup-Programm dazu, mit welchem in altbekannter Weise Sicherheitskopien anzufertigen sind. Neben der Systemdiskette gehören zum System eine zweite Diskette, die das Lexikon und den Thesaurus beinhaltet, und eine dritte mit nahezu zweihundert verschiedenen Anpassungen für alle möglichen Druckertypen. Besitzer einer Harddisk können das System auch gleich auf einer Partition mit mindestens zwei MByte freier Kapazität installieren, wobei man berücksichtigen sollte, daß man gleich am Anfang seine spezielle Druckeranpassung auswählt. So spart man Speicherplatz. Bis zu sechs verschiedene Druckertypen können parallel oder seriell vom System beschickt werden. Für die spezielle Angleichung von System und Drucker nehme man sich etwas Zeit und Geduld. Für den WP Einsteiger mag es etwas kompliziert erscheinen, vom Zeilen- und Seitenformat über Absatzproportionen bis zur Festsetzung von Überschriften oder der Verwaltung von Fußnoten sich zum gewünschten Seitenend-Layout durchzufinden. Für den Anfänger stellt die Komplexität der vielen angezeigten Funktionen, Optionen und sonstigen Angebote, mit denen WP allmählich zum reibungslosen Verlauf getrimmt werden muß, ein wirkliches Risiko dar. Wer sich einfach dransetzt und ausprobiert, wird wohl Schiffbruch erleiden. Trotzdem, keine Furcht! Wenn die eine oder andere Parametereingabe nicht stimmt, eine Option in einen chaotischen Zeichensalat hineinführt, dann muß man das Kind trotzdem nicht mit dem Bade ausschütten. Es gibt per Stornotaste F1 die Möglichkeit, Befehle zurückzunehmen.
Gleich zu Anfang, als ich das Software-Paket zum ersten Mal in Händen hielt, und mir das geschmackvoll vorgelegte Handbuch ansah, vermutete ich, ein Textsystem mit einer professionellen Dokumentation angeliefert bekommen zu haben. Dieser Eindruck hat sich in mancher Hinsicht bestätigt, auch wenn hier und da aus der Sicht des ST-Anwenders ein Wermutstropfen das Bild trübt. In mehreren Lektionen führt das Handbuch von der einfachen Eingabe eines Briefs bis zu komplizierteren integrierten Text- und Datenbankoperationen ein. Ein typisches Datenbankproblem wie Adreßverwaltung, also Archivieren von Personendaten und automatisches Einlesen in den Briefkopf von vorbereiteten Formularen (“Mischoption”), läßt sich relativ problemlos organisieren.
Trotzdem, beginnen möchte ich zunächst mit dem Einfachsten: WP, wie es nach dem Start leibt und lebt. Meine Version trägt das Datum der Fertigstellung vom 7. Dezember 1989. Also hochaktuell, was ich da auf dem Monitor sehe. Offensichtlich hatte man in vorweihnachtlicher Eile am Installationsprogramm und an der Druckeranpassung Korrekturen vornehmen müssen. Während meiner diversen Testdurchgänge verhielt sich aber alles einwandfrei. Das Installationsprogramm besorgt das automatische Einladen einer Vorwahldatei, es legt Makroaufrufe fest, und man kann das Zeitintervall für die Sicherung eines on-line-bearbeiteten Textes auf Datenträger einstellen. Nach dem Aufruf von WP.PRG erscheint die Benutzeroberfläche mit der einzeiligen Menüleiste von WP. Praktisch könnte jeder sofort die Texteingabe mit dem Editor beginnen. Der Texteditor von WP ist ohne Frage leistungsfähig und komfortabel. Wechsel zwischen Einfüge- und Überschreibmodus, Zeilenumbruch mit Trennhilfe oder verschiedene Textmodi sind selbstverständlich über Tastatur steuerbar.
Einschränkungen bestehen jedoch - und das vermißt man leicht, wenn man mit grafischen Zeichensätzen wie Times, Antik oder Bodoni vertraut gewesen ist, denn die Übergabe von Druckmodi benutzt den ASCII-Modus. Ein WP-Dogma! Kompliziertere Druckeranpassungen mit speziellen Zeichensätzen im Text müssen berücksichtigen, daß die das Druckbild justierenden Parameter im Dialog mit einem Druckerhandbuch “von Hand” definiert werden. Stattdessen kann WP Proportionalschrift, und das versöhnt. Die bindende Festlegung an den ASCII-Zeichenmodus hat seinen Vorteil nicht nur in der schnelleren Druckerausgabe, sondern auch für die laufende Arbeit, bei der die verarbeiteten Texte im normierten Zeichencode erfaßt werden. Zeichenkonvertierungen zu alternativen Textverarbeitungssystemen im Zuge der anwachsenden Bürokommunikation per Datentransfer, verspricht WP, werden hinfällig. Es ginge auch geradezu mühelos, WP-Dateien selektiv in eine Datenbank einzuschleusen und dort mit der ganzen dargebotenen Komfortabilität an Verwaltungsprozeduren als Textfragment weiterzuverarbeiten. Für Datenbanken und erweiterte Informationssysteme erweist sich WP als darauf spezialisiert und kooperiert als Basismodul in einer Phalanx bürokommunikativer Systeme. Aber eins nach dem anderen!
Wer zum ersten Mal am typischen GEM-Bildschirm von WP sitzt, möchte gar nicht erwarten, was alles in dem Programm steckt. Nach dem Eingeben der ersten Sätze, egal ob simple Floskeln oder Weltbewegendes, der Computer nimmt alle subjektiven Anwender Motivationen kommentarlos hin. Dann tauchen die ersten Fragen auf. Wie formatiere ich einen Absatz, Zeilenabstand, Sonderzeichen und dergleichen mehr? Bequem kann man sich auch das beim angestrengten Texterfassen hinderliche Hantieren mit der Maus abgewöhnen. Vorbildlich ist WP durch festgelegte Tastenkombination (wahlweise Crtl., Shift und Alt. + eine der zehn Funktionstasten) über Tastatur steuerbar. Eine mitgelieferte Schablone, die man oberhalb der Funktionstasten positionieren kann und die dreifarbige Kombinationscodes zeigt, hilft präzise, das gewünschte Angebot aufzurufen.
Auch an die Leute, die die Computermaus zu ihrem Lieblingstier erkoren haben, dachten die Programmierer. Mit dem Tippen der rechten Maustaste, ansonsten selten benutzt, darf, ganz gleich, wo der Mauszeiger auf dem Desktop plaziert ist, das obenstehende Menü aktiviert werden.
Automatisch springt der Mauszeiger in die Menüleiste und dient wie gehabt zur Menüauswahl. Während längerem Arbeiten mit WP vergißt man dann sein elektronisches Haustier und laboriert nur noch auf der Tastatur.
Neben den vielen noch erwähnenswerten Feinheiten stellt die endlich einmal in eine Arbeitsumgebung einbezogene STORNO-Taste (F1) eine Besonderheit dar. Wenn, und bei anfänglichen Gehversuchen in Sachen Textverarbeitung soll das keine Seltenheit sein, ein chaotischer Zeichensalat sich über den Bildschirm verteilt, weil verschiedene Befehlsaufrufe Verheerendes angerichtet haben, dann genügt das Betätigen der nämlichen STORNO-Taste, und der seit der zuletzt erfolgten Zeicheneingabe erhaltene Text wird reaktiviert. Man kann sogleich seine Arbeit fortsetzen und um einiges vorsichtiger die ein oder andere Funktion neuversuchen. Allerdings ruft man bei sämtlichen Formatangelegenheiten, bei der Fuß- und Endnotenverwaltung oder bei der Druckersteuerung, Submenüs auf, die teilweise wiederum in Unterregionen verzweigt werden. Hier wird es dann erforderlich, die entscheidenden Parametereinstellungen vorzunehmen, um eine Textdatei wunschgemäß zum Output vorzubereiten.
Eine sehr sympathische Funktion, die ihren praktischen Nutzen in der Etikettierung von Manuskriptblättern hat, erlaubt, spezielle Vermerke in die Kopfzeilen jedes generierten Blattes einzutragen. Das macht vor allem dann Sinn, wenn Loseblattsammlungen weitergegeben werden sollen. Durch den gemeinsamen Kopftext werden die Blätter als einheitliches Opus gekennzeichnet. Man kann auch durch einen einfachen Tastenbefehl Datum und Uhrzeit an eine beliebige Stelle im Text einkopieren, also auch in den Kopftext.
Das hervorragend in die vielen Spezifikationen und stark differenzierten Parameterjustagen von WP einführende Handbuch hat eindeutig Arbeitscharakter. Während der ersten Einarbeitungszeit muß es immer wieder konsultiert werden, um Vorgabeparameter für ein Brief-Layout zu ermitteln, oder einfach, um am Leitfaden der Lektionen in die Geheimnisse professioneller Textverarbeitung einzudringen. Das Wort "professionelle Textverarbeitung" stellt sich unterdessen nicht als bloße Worthülse und Leerformel heraus. Wenn der Initialfunke zum Verstehen des Procederes von WP einmal auf den Anwender übergegangenen ist, wird er/sie sich mechanisch auf den verschiedensten Arbeitsebenen mühelos bewegen können. Sollten trotzdem noch Fragen bleiben, weiß das per HELP-Taste abrufbare Hilfsmenü Rat. Es kann als parallele Dokumentation zu den ausgeführten Arbeitsschritten befragt werden und gewährleistet einen hohen Standard an Bedienungsfreundlichkeit.
Was ich bis hierher zu berichten wußte, darf man heutzutage von jedem mittelklassigen Texteditor erwarten. Formatorganisation, Fußnotenverwaltung oder die üblichen Such- und Ersetzoptionen runden das Bild ab und verwandeln den Texteditor in eine respektable Textverarbeitung.
Nachdem ich diesen einführenden Teil beschrieben und absolviert habe, fängt für mich das Vergnügen, mit WP arbeiten zu können, erst an. Nicht jeder Schreiber und noch weniger jeder Vielschreiber ist sein eigener verläßlicher Korrektor. Das heißt, daß verarbeitete Texte zwar ästhetisch proportioniert aussehen, aber mitunter Schwächen in Orthografie oder flüchtige Wortwiederholungen zeigen. Die Korrigierbarkeit solcher Flüchtigkeitsfehler ruft WP auf den Plan. Auf der zweiten Diskette liefert man ein eintragsreiches deutsches Lexikon. Mit dem speziellen Editor kann ein Text auf dem Bildschirm nach Falschschreibungen und Orthografiefehlem untersucht werden. Kommt ein unbekanntes Wort vor, das keine Entsprechung im Lexikon aufweist, kann es online in die Lexikondatei integriert werden und steht bei späteren Lexikonabfragen als Kontrollwort zur Verfügung. Die Vorstellung, daß per Computerlexikon ganze Wortgruppen klassifiziert werden können und der persönliche Wortschatz planerisch verwaltbar ist, ruft enorme Möglichkeiten der Aufbereitung von Sprachdaten hervor. Man könnte sich mit viel Fleiß und Intelligenz ein eigenes Sprachlaboratorium mit sämtlichen Wörtern in eigenen textverarbeitenden Texten zusammenstellen. Auch gegen die Geschwindigkeit, mit der Vokabeln on-line verglichen werden, tritt kein Vorbehalt auf. Es ging rasant vor sich, bis mein kleiner Probetext im Dialog abgefragt worden war. Anscheinend hat man sich auch hier die Vorzüge des 68000ers zunutze gemacht.
Seitdem sich Textverarbeitungen als unverzichtbare Helfer in den Schreibwerkstätten etablieren, kursiert es wie ein Lauffeuer, daß Texterstellung und Korrektur zwei notwendige Arbeitsgänge sind, die zusammengehören. Die Idee, die zu einem Gedanken führt, entsteht zwar im Kopf, überprüft wird das Ganze aber mit dem Auge. Zu erzählen, was sich zwischen Idee und Auge alles abspielen kann, bis ein Gedanke die feste Form gefunden hat. würde ganze Bibliotheken füllen. Am einfachsten ist da schon die Ausrede, daß der Fehlerteufel im Detail hocke. Denn man kann allerhand falschmachen. bevor ein Manuskript sich aus der Druckerausgabe windet. Alarmiert und Fehlern auf der Spur muß man üblicherweise lesen, Korrektur lesen, was man als fertiges Blattwerk in Händen hält. Weil solche Probeausdrucke wegen geringfügiger Nachlässigkeiten oftmals aufs Ganze gesehen und gegengewogen tropische Regenwälder lichten lassen, wäre es doch zweckdienlich und auch arbeitszeitsparend, Korrekturen am Bildschirm zu erledigen. Der Vorteil liegt auf der Hand, man erhält einen Gesamtausdruck anstatt Unmengen von Makulatur, die man dann dem Papierkorb anvertraut. Ein Zuwachs an Arbeitsökonomie bewirkt einen kleinen ökologischen Beitrag, der sich allerdings als doch nicht so klein entpuppt. Tja, es hieß schon immer, daß Zeichen die Well verändern. Hier als ökologische Variante, nicht schlecht! Das komfortable Korrigieren am Monitor darf nicht allein auf die einfache Zeichenmanipulation per Texteditor beschränkt werden. Es müßten Sinneinheiten als solche rezipiert und im Bedarfsfall verändert werden können. Uneindeutige Stellen, sachlich fehlerhafte dargestellte Inhalte können nachträglich aus einer Textmasse mit der Durchstreichen-Option gekennzeichnet werden, um zu einem späteren Arbeitszeitpunkt darauf wieder zurückzukommen und sie inhaltlich zu verändern. Bei größeren Textmengen sehe ich in der Durchstreichen-Option eine große Hilfe, auf während der Nachlektüre bemängelte Textpassagen zurückzukommen und sich in Ruhe mit der Neu- oder Umformulierung zu befassen.
Viele Menschen mögen bei der schriftlichen Abfassung von Briefen, kleineren Referaten oder anderen Mitteilungen um Worte verlegen sein. Jeder kennt das Problem. Das einfachste, dieses Problem zu lösen, wäre, ein Spezialwörterbuch zu befragen. Man hat zum Beispiel ein Substantiv wie “Arbeit” und schreibt einen Text, in dem es scheinbar nicht zu vermeiden ist, daß das Wort “Arbeit" häufiger erscheint. Der beste Rat, den man dann erteilen kann, ist die Benutzung eines Synonymwörterbuchs. Ein solches Wörterbuch enthält zu einem Eintrag wie “Arbeit" eine Liste mit den entsprechenden Wortbedeutungen, die da wären: Anstrengung, Werk, Maloche, Plackerei usw. Der kompetente Sprecher des Deutschen hätte dann in seinem Text das wegen seines zu häufigen Vorkommens beanstandete Wort “Arbeit" durch ein bedeutungsgleiches, etwa “Werk", zu ersetzen. Der Text erhielte dann durch die Bedeutungserweiterung eine sprachliche Nuance. Selbstverständlich können synonyme Bezeichnungen nicht unkontrolliert gegeneinander ausgetauscht werden. Sie müssen mit der vom Autor beabsichtigten Textaussage abgeglichen sein. Beispielsweise bedeutete es einen peinlichen Fauxpas, in einem Bewerbungstext in einem Satz wie “Die Arbeit in Ihrem Betrieb würde die höchsten Ansprüche an mich stellen", “Arbeit" durch die synonyme Wortbedeutung “Maloche" ersetzen zu wollen. Der WP-Thesaurus (Thesaurus heißt einfach griechisch “Wörterbuch") liefert die Möglichkeit, sich sowohl synonyme als auch antonyme (d.s. entgegengesetzte Wortbedeutungen) ausgeben zu lassen. Synonyme und Antonyme sind als Bedeutungsalternativen zu vorkommenden Substantiven, Adjektiven oder Verben im aktuell organisierten Text zu betrachten, als Angebote, einen Brief o.ä. durch die Vermeidung von Bedeutungsverdoppelungen inhaltsreicher zu machen. In der Hand des Sprachbegabten ist so ein Synonymwörterbuch wie ein blankes Schwert, das zwischen sprachliche Undeutlichkeiten, Monotonie und Ungereimtheiten fährt, um damit aufzuräumen. Vorsicht ist aber, zumal die Kapazität des Thesaurus beschränkt ist, geboten. Nicht jeder Text verträgt seine Überarbeitung als Synonymverschnitt, und man muß analytisch sehr genau abwägen, welche Bedeutungsnuance man denn nun wählen möchte. Lexikon und Thesaurus, beides erweiterbare Teilsysteme, dürften den WP-Anwender, wobei ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob sich alle von den Vorzügen beeinflußt zeigen, zur Spracharbeit und Sprachkontrolle animieren. Und damit wäre schon viel gewonnen, wenn nicht nur “perfekt" textverarbeitet würde, sondern auch eine nahezu “perfekte" Manipulation und Überarbeitung von mit WP erstellten Texten erfolgen könnte.
Es wird auch ein flexibler Spaltensatz mit bis zu fünf Spalten pro Seite zur Verfügung gestellt, mit dem Kreative, die Layout-Vorschriften ihrer Redaktionen beachten müssen, beste Erfahrungen machen dürften.
Nachdem im letzten Abschnitt die inhaltsreorganisierenden Vorzüge von WP erläutert wurden, komme ich nun zu einem Kapitel, das einem hartgesottenen Vielschreiber wie ein Schlaraffenland der Textverarbeitungen anmuten muß. Kein Blätterwald, und sei er noch so klein, kann seine expressiven Vorzüge unter Beweis stellen, wenn er nicht, geordnet, durchnumeriert und mit Glossar versehen ist. Jahrhundertelang zählte die Dokumentation eines zur Edition vorbereiteten Manuskripts zur Pflicht des Autors. Mit Verwunderung erfährt man aus dem Handbuch, daß die abschließende Textdokumentation von WP halbautomatisch übernommen und erledigt wird. Ob Inhaltsverzeichnis, Liste oder Index, durch einfaches Markieren von Einzelwörtern, Wortketten oder Sätzen wird eine nachträglich sortierte Sonderausgabe als ausgedrucktes Seitenexemplar gewährleistet. In einem Artikel, in dem das Substantiv “Arbeit” und synonyme Bedeutungen häufig auftreten, können solche Signal -Wörter markiert werden, um sie sich schließlich zu einem Wortfeld vereinigt als Indexeintrag ausgeben zu lassen. WP erfaßt die korrekte Seitenzahl und ordnet sie automatisch dem Wort zu. Zwar kann es manchmal zu Fehlzuordnungen kommen, trotzdem, eine hübsche Funktion die Innovation auf dem Sektor Textverarbeitungsknow rasant vollzieht. Nachträgliche Überprüfung also!
Wer trotzdem immer wieder und mit peinlicher Regelmäßigkeit Blätterverschnitt produzieren muß, weil seine Optik nicht dem Papier entsagen kann, dem wird die Möglichkeit eingeräumt, synchron zum publizistischen Überwurf und ohne Menümanipulation einen Drucker-Output zu befehlen. PostScript (nicht zu verwechseln mit der Sprache PostScript) nennt man das. Es wird auch seine höchst schätzenswerten Vorteile haben.
Früher fragte man manchen Literaten, auf Englisch, versteht sich: “Who is afraid of Virginia Woolf?” Heute ersetzt man die Neugier besser mit: “Wer hat Furcht vor Parameterübergaben?” (zumindest bei der textverarbeitenden Bevölkerung). Für manches arme Individuum in seinen ersten Stunden vor dem konkurrierenden Denkgehirn verheißen unkontrollierte Parameterjustagen das bittere Los der Stunde. “Wie sag ich’s meinem Drucker?” oder ähnlich lautet manches Lippenbekenntnis. Der gewiefte Computerspezialist wird zu erwidern wissen: “Dafür gibt es doch Makros”. Ja, es gibt Makros, frei definierbar und hilfsbereit. Mehrere Tastaturbefehle oder Menüaufrufe lassen sich zu Makros zusammenfassen und als ein zusammengekoppelteter Befehl auslösen. Insgesamt gesehen wird man durch Makroverwaltung in der Lage sein, mit WP schneller und vor allem fließender zu arbeiten. Denn die Makros beinhalten ja konstante Befehlsfolgen, die auf vom Benutzer genormte Parameter zurückgreifen. Zur Auffindung einer ausgeklügelten Makrostruktur. der man sich mit ergonomischem Nutzen bedienen kann, muß das “Textsystem” inkl. sämtlicher Parameterübergaben installiert sein. Dann würden bloß im Bedarfsfall Makros ersetzt, aufgelöst oder ergänzt werden müssen. Ansonsten pariert das “Textsystem” mit Makroverwaltung wie ein Dressurpferd an der Longe.
An den Ausgang meiner Rezension gehört die kritische Bemerkung zum Drucker-Output. Soweit das Handbuch informiert, werden mit dem Fixieren jedes Textattributs im Tipptext Steuerzeichen für den Drucker registriert. WP zeigt in einem separaten Screen die Steuercodes, mit denen ein Text für den Export präpariert wird. Programmierern von Drucker-Schnittstellen wird hier ein Forum geboten, per Editor ihren Drucker zu manipulieren. Selektiv mit dem Druckerhandbuch kann hier die Palette angebotener Druckerbefehle wie Spezialzeichensatz, variable Zeilenabstände und vieles mehr eingestellt werden. Bei sehr speziellen Anwendungen, wie bei Texten mit alt-griechischem Zeichensatz, können Probleme virulent werden, die dann nur mit speziellen Druckerkonfigurierungen beigelegt werden könnten. Am besten meditiert man dann schon einmal über die passende Druckeranpassung. Mit Sprachexoten mag WP anscheinend nicht vorurteilsfrei kommunizieren.
Wem das alles noch zu wenig ist, der kann sich mit der Dateiverwaltung und den verschiedenen Mischfunktionen inkl. der arithmetischen Rechenoperationen befassen. Man sollte es als freiwillige Zugabe zum Textsystem WP betrachten, trotzdem wird sie bei manch schneller Kalkulation und manch überhitztem Geschäftsbrief wertvolle Dienste leisten.
Für Rezensenten ist es fast schon Pflicht, über WordPerfect, den IBM-Klassiker, zu schreiben. Ein weltweites Netz von lokalen Stützpunkten signalisiert den Verbreitungsraum von WP. WP - ein Symbol geht um die Welt, und wie die Werbeslogans alle heißen mögen. WP, in der aktuellen Version 4.1, setzt mit verhaltenem Jubel einen neuen Textverarbeitungsstandard auf dem ST. Profitieren wird davon nicht allein ATARI, denn über Nacht besitzt die ST-Familie eine vollgültige Legitimation zur freundlichen Aufnahme in die Vorzimmer der Industrie und die Sekretariate von Geschäftspraxen und Schreibbüros. Das Losungswort lautet WordPerfect. In Tageslehrgängen erlernen viele lohnarbeitende Menschen die Anwendung von WP. Der Umstieg von der teuren IBM-Workstation auf ein preiswerteres ST-System wird für flinke Tipphände mit Leichtigkeit zu bewerkstelligen sein. Die ökonomische Option zum Um- und Einstieg ist also vorgezeichnet. Doch das klingt eher wie Semmel mit Hackfleischeinlage. Bei meinen verschiedenen Textverarbeitungen mit WP fesselte mich mehr das Interesse, festzustellen, wie bedienerfreundlich der Umgang mit dem Software-Paket ist, und welche Varianten und Perspektiven mir das (semi-)professionelle Textsystem WP eröffnet, die ich vorher in Kooperation mit typischen ST-Textverarbeitungen nur erträumen durfte.
Nachdem ich meine Erkundungen nun abgeschlossen habe, stelle ich ein ganzes Bündel von Novitäten fest, die ich in Zukunft wohl schwerlich vermissen möchte. Gerade rechtzeitig, bevor der Trend zur MS-DOS-Emulation auf den STs zu schnurren beginnt, erscheint die am PC-Standard gemessen nicht mehr aktuelle ST-Version 4.1. Allerdings soll sie weitestgehend mit der IBM-Version 4.2 kompatibel sei. Der internationale WP-Standard zählt aktuell die Versionsnummer 5.0. Was diese Version 5.0 an neuen Features bringt, habe ich nicht ermitteln können, trotzdem spiegelt sich hierin eine kontinuierliche Produktentwicklung wieder. Die Implementation von WP auf GEM-Rechnern wird in Zukunft im Bereich Textverarbeitung die Spreu vom Weizen trennen. Mit einer reichhaltigen Angebotsskala, die von einer zuverlässigen Textedierung und über komfortable Fuß- und Endnotenverwaltung, Inhaltsüberwachung mit Lexikon und Thesaurus und Mehrspaltensatz bis zu einfachen Dateiverwaltungsaufgaben reicht, läßt sich schon eine Menge beginnen. Allerdings gibt es, und das darf nicht unerwähnt bleiben, einige Kritikpunkte. Vor allem beziehe ich mir hierauf die manchmal schildkrötengemütliche Geschwindigkeit bei der Abarbeitung einzelner Befehlen. Hin und wieder kam es vor, daß nichts auf dem Monitor geschah, obwohl ein Arbeitsschritt ausgeführt wurde. Manche Benutzer können da schon in Panik geraten. Auch das Bildschirmscrollen erinnere ich mich schon schneller gesehen zu haben. Beim Bewegen von größeren Textmengen verzögert das Nachladen von Diskette das Arbeitstempo. Auch die zahlreichen Menüleisten werden nach jeweils kurzen Dialogen mit der Hardware zur Befehlsauswahl im Speicher reinstalliert. Es wäre sicherlich kaum machbar, ein so umfangreiches Programm wie WP komplett und resident im Hauptspeicher zu halten. Es sei denn, man hätte seinen Speicher auf mindestens drei MByte erweitert. Man könnte mit dem Gesamtvolumen von WP besser in einer großen RAM-Disk arbeiten. Weil die Programmierer bei der Druckersteuerung möglichst vielen Gerätetypen gerecht werden wollten, also man WP zur Kooperation mit vielen verschiedenen Systemen auslegte, scheinen hier im Speziellen Probleme zu erwachsen. Das altbekannte Problem mit altgriechischen, arabischen oder alternativen Zeichensätzen kratzt am guten Eindruck. Es mußte ja auch für Entwickler vorstellbar sein, daß es Anwender geben wird, die für ihre Textproduktionen nicht mit internationalen Verkehrsschriften drucken.
Wenn man zum ersten Mal die Software startet, ist man nicht eines längeren Lernprozesses enthoben, während dessen man das Textsystem seinen Arbeitsschwerpunkten entsprechend anpaßt. Dazu wäre wohl noch einige Detailinformation nachzuliefern, insbesondere zur Druckersteuerung und zur Dateiverwaltung, die den motivierten Anwender in die Geheimnisse der Datenmanipulation einführen. Und da wäre, wie bereits moniert, noch die fehlende Hardcopy-Routine, an die in der Word Perfect-Welt überhaupt kein Gedanke verwendet zu werden scheint.
WP stellt sich schließlich dem ST-Anwenderpublikum als solide programmierte Textverarbeitungs-Software vor, die für sehr spezielle Aufgaben die notwendigen Werkzeuge anbietet, wovon man in der Vergangenheit nur träumen konnte. Dafür muß man aber andere Probleme in Kauf nehmen, wie, daß man auf vorgegebene Zeilenabstände fixiert ist oder grafische Zeichensätze von der Einbindung quasi ausgeschlossen bleiben. Manche Benutzerkreise, die die Vorteile von WP erwartet haben und jetzt anwenden können, müssen sich entscheiden, entweder optional auf grafische Zeichensätze zu verzichten oder anwendungsspezifisch mit zwei Textverarbeitungssystemen zu laborieren. Beide Alternativen sind eine Überlegung wert.
WordPerfect selber verspricht, daß erstellte Texte vollkompatibel zu alternativen Rechnersystemen seien. Mit WP läßt sich der Dialog mit der Außenwelt aufnehmen. Mit DM 700.- sind Sie dabei.
Bezugsadresse:
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