Multiterm pro - BTX in Farbe

Auf der diesjährigen CeBIT wurden auch einige neue BTX-Programme bzw. neue Versionen bereits vorhandener BTX-Decoder vorgestellt. Für viele Anwender hat das lange Warten damit ein Ende, denn die beiden Programme arbeiten nun erstmalig auch mit Farbdarstellung. Lesen Sie hier, was Multiterm pro leistet.

Bevor ich Sie mit den ersten Ergebnissen des Tests bekanntmache, muß ich Ihnen einiges über den BTX-Standard erläutern, um Sie in die Problematik der BTX-Farbdarstellung auf dem ST einzuweihen. Das Bildschirmtextsystem der DBP Telekom arbeitet mit 4096 Farben, davon sind 32 gleichzeitig darstellbar. Damit sind wir bereits beim ersten und zweiten Problem: Der heimische ST kann nur 16 Farben aus einem Spektrum von 512 gleichzeitig darstellen. Weiterhin besitzt das BTX-System wesentlich mehr darstellbare Zeichen in seinem Vorrat, als man auf dem ST darstellen kann. Diese müssen also vom ST direkt auf den Bildschirm geplottet werden. Damit nicht genug, wem die riesige Auswahl an Zeichen noch immer nicht reicht, der kann eigene Zeichen definieren. Von diesen selbstdefinierten Zeichen können, je nach Darstellungsmodus, bis zu 94 gleichzeitig auf den Bildschirm gebracht werden. Das allerdings wiederum in verschiedenen Modi, als da wären: normal, breit, hoch, blinkend, kombiniert usw. Die Download-Zeichensätze müssen allerdings im Speicher behalten werden, bis neue definiert werden, da sie auf der nächsten angewählten Seite wieder benötigt werden könnten. Als ob das System damit noch nicht genug zu tun hätte, muß nach jedem von BTX gesendeten Block eine CRC-Checksumme zur Bestätigung des korrekten Empfangs gesendet werden.

Das Programm

Nun wissen Sie ungefähr, was das BTX-System von einem Software-Decoder verlangt. Unglaublich, aber wahr: Multiterm pro hält diese Vorgaben ein. Nach dem Start des Programms präsentiert sich dem Benutzereine Oberfläche mit Menüleiste und einigen anwählbaren Icons.

Werden die Menüleisten aktiviert, fällt sofort auf, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann: Der Rechner reagiert wesentlich langsamer, als man es normalerweise gewohnt ist. Die Erklärung zu diesem Phänomen lesen Sie etwas weiter unten. Unter dem Menüpunkt “Modem-Einstellungen" lassen sich Anwahl- und Abwahlkommandos angeben. Hier erscheint eine Dialogbox, die sich nach dem zweiten Hinsehen ebenfalls nicht wie eine normale Dialogbox verhält, denn nach einem Druck auf Enter wird nicht etwa der “OK”-Button angewählt (er ist Default), sondern in der Eingabezeile erscheint ein “CR” - auf diese Weise ist es einfach möglich, hinter das Anwahl-Kommando noch ein Return zu setzen, das das Modem ja unbedingt benötigt. Verlassen kann man die Box nur mit einem Mausklick auf “OK” oder der Return-Taste. Alle anderen Boxen, die auf dem Bildschirm erscheinen, sind nach dem gleichen Schema konstruiert und werden anscheinend durch eine eigene Form Do-Routine bearbeitet.

Soviel zu den größten Eigenheiten des Programms. Sie werden sich fragen, wozu das notwendig ist. Die Antwort ist ganz einfach: Auch während man sich in einer Menüleiste oder Dialogbox befindet, kann Bildschirmtext eine CRC-Checksumme anfordern. Bei Multiterm pro ist das durch die eigene Verwaltung eben dieser Events möglich, denn die Checksummen-Routine wird einige Male pro Sekunde angesprochen.

Multiterm pro wird über Menüleisten gesteuert, an einigen wichtigen Stellen genügt auch eine Tastenkombination mit der Alternate-Taste, so zum Beispiel bei der Umschaltung zwischen dem Menü- und dem eigentlichen BTX-Bildschirm. Der Aufbau der Menüleisten ist sehr übersichtlich gestaltet und GEM-konform. In der Datei-Leiste finden sich einige Einstellungen für Pfade. Abgespeichert werden können Seiten als Text oder Grafik, Telesoftware (im Postformat) und Makros. Die ersten Funktionen dürften klar sein, sie erläutern sich von selbst. Ein Makro online abzuspeichern, mutet dagegen schon recht ungewöhnlich an. Was hat es also damit auf sich? Multiterm pro hat eine Funktion eingebaut, mit der Makros auf einfachste Art und Weise erstellt werden können. Hierzu existiert die Funktion Makro erlernen. Nun können Sie sich wahrscheinlich schon denken, was die Funktion bewirkt. Richtig, Multiterm arbeitet in einem Lernmodus. in dem all das mitprotokolliert werden kann, was der Benutzer des Programms eingibt. Bei vielen Programmen beinhaltet dieser Lernmodus nur die Tastenkommandos, hier allerdings wird auch jede Bewegung der Maus protokolliert, selbst Eingaben in Dialogboxen werden festgehalten. Das wird ermöglicht durch die eigenen Form_Do-Routinen. Auf diese Art und Weise ist es überhaupt kein Problem mehr, sich funktionale Makros zu erstellen. Zum Beenden eines Makros bewegt man sich einfach auf den Menüpunkt Makro beenden und hat danach ein sofort lauffähiges Makro. Von dieser Funktion könnten sich viele Programme mehrere Scheiben abschneiden, denn sie ist wirklich überaus komfortabel. Ist das Makro komplett erstellt, kann es auf eine beliebige Funktionstaste gelegt werden und steht fortan immer zur Verfügung, wenn es gebraucht wird. Außer der Möglichkeit der Auslagerung auf eine Funktionstaste existiert eine nützliche Einrichtung namens Kurswahl, die sich mittels Alt-K aufrufen läßt. In das Kurzwahlverzeichnis können Makros oder normale Anwählnummern eingetragen werden, der Platz ist dabei so umfangreich, daß man als normaler Benutzer wohl nie an die Grenze seines Fassungsvermögens stoßen wird. Die Anwahl des BTX-Systems erweist sich als überaus einfach. Ein Klick auf das Anwahl-Symbol läßt das Modem losrattern. Gleich nach der Login-Sequenz sieht man die ersten Farben. Die Implementation der Farben scheint also tatsächlich geklappt zu haben. Einige Testseiten bestätigen die Vermutung. Multiterm pro stellt alle Farben zufriedenstellend dar, obwohl dem BTX-System eigentlich 4096 Farben zur Verfügung stehen. Leichte Probleme treten lediglich dann auf, wenn sehr viele Farben in einer Zeile vorhanden sind. Dann erscheinen während des Bildaufbaus weiße Streifen auf dem Monitor, die waagerecht flackern. Sie treten jedoch recht selten auf und verschwinden wieder, sobald der Bildaufbau abgeschlossen ist und die komplette Seite sich auf dem Bildschirm befindet, so daß die Störung nicht von langer Dauer ist und sich weder auf den Komfort, noch auf die Qualität des Programms auswirkt. Die Streifen entstehen durch die Umschaltung der Farbpalette im Interrupt. Der Autor des Programms hat nach dem Vorsatz “lieber 32 Farben und ab und zu Striche als 16 Farben ohne Striche" gearbeitet und ist damit recht gut gefahren. Läßt man das Programm allerdings auf einem STe laufen, treten keinerlei Störungen mehr auf, da dieses Gerät von Haus aus 32 Farben unterstützt.

Eine Funktion, die in anderen Decodern bisher fehlte, erfreut jeden Benutzer sicher sehr. Durch Druck auf Alt-Y wird das aktuelle Bild gezoomt. also größer dargestellt. Diese Funktion ist auch dringend notwendig, da das Bildschirmtext-System eine höhere Auflösung hat als der ST. Durch den Zoom werden alle Einzelheiten. die man normalerweise nicht lesen konnte (kleine Buchstaben etc.) in ihrer Originalgröße dargestellt. Auch der Zoom- Modus arbeitet mit 32 Farben.

Farbe ist für Multiterm kein Problem
Multiterm im Zoom-Modus
Die Menüleiste von Multiterm

Programmiersprache MPL

Multiterm Programming Language MPL nennt sich die Sprache, mit der man Multiterm programmieren kann. Das Wort “programmieren" ist nicht etwa zu hoch gegriffen, sondern es wurde ein BASIC-ähnlicher Interpreter eingebaut, mit dem man 99% der Programmabläufe steuern kann. Ausgaben über die Schnittstelle, Abtasten des Bildschirms, bedingte und unbedingte Sprünge, bis zu 2000 Variablen (auch String-Variablen), Datei- und Rechenoperationen, einfach alles, was man zum Erstellen einer BTX-Anwendung benötigt, ist in der Programmiersprache enthalten. Die Programme können entweder mit dem nicht gerade schnellen eingebauten Editor oder mit einem beliebigen anderen erstellt werden. Wird das Programm gestartet und als Parameter der Name eines Skripts übergeben, wird das Programm automatisch ausgeführt. Auf diese Weise ist es sogar möglich, Datenbankanwendungen zu programmieren, die z.B. ein Börsenprogramm nutzen kann, das Aktienkurse o.Ä. verwaltet. Ein Beispiel für ein Programm, das BTX und die Seite 389004 um 17:40 automatisch anwählt, sehen Sie in Listing 1. Vorher wird noch die aktuelle Zeit angezeigt und dem Benutzer mitgeteilt, daß um 17:40 eine BTX-Anwahl stattfindet. Das Listing soll Ihnen einen ersten kleinen Einblick in die leicht zu erlernende Sprache MPL geben.

Für ST-Anwender, die keinen Farbmonitor bzw. ein äquivalentes Gerät besitzen, kann Multiterm pro auch mit einem SM 124 betrieben werden. In diesem Fall bietet das Programm eine Graustufen-Umsetzung. Weiterhin läßt sich nicht zwischen Menü- und BTX-Bildschirm umschalten, sondern beide befinden sich auf einer Monitorseite. Das sichtbare BTX-Fenster nimmt dabei ungefähr zwei Drittel ein, den Rest des Platzes belegen die Icons für Kurzwahl, Anwahl, Abwahl, Makros etc. Die Graustufenumsetzung kann auch abgeschaltet werden, was manchmal von großem Vorteil ist. Sofern nämlich Buchstaben oder frei definierte Grafikzeichen auf dem Bildschirm erscheinen, die in einer anderen Farbe als Weiß dargestellt werden sollen, kann man sie nicht mehr lesen. Hier muß man sich also entscheiden, ob man entweder Grafik sehen möchte oder aber die Schrift lesen will. Natürlich kann man auch mit einem Tastendruck (Alt-R) zwischen Graustufen und s/w-Darstellung umschalten. Unverständlicherweise funktioniert in der s/w-Darstellung die Zoom-Funktion nicht mehr. Auch wenn bei einem s/w-Bild alle Details hinreichend dargestellt werden können, würde die Zoom-Funktion dem Programm nicht schlecht zu Gesicht stehen. Ein Wort muß allerdings noch zu den Makros gesagt werden: Makros, die im Farbmodus erstellt wurden, funktionieren nicht in der hohen Auflösung und umgekehrt. Das rührt daher, daß sich die Icons, die ja auch per Makro angeklickt werden können, jeweils an einer anderen Bildschirmposition befinden. Doch auch dieses Manko kann man leicht verschmerzen, wenn man bedenkt, wie leicht die Erstellung eines Makros in Multiterm pro ist.

Schlußgedanken

Eigentlich war geplant, Ihnen in einer Gegenüberstellung auch die neue Version des Btx/Vtx-Managers V4.0x vorzustellen. Eine erste Version befindet sich auch schon in der Redaktion, doch die Programmierung ist noch nicht so weit fortgeschritten. um einen gerechten Vergleich wagen zu können. Die Ansätze des Btx/Vtx-Managers sind bereits überzeugend, es fehlt aber noch die Benutzeroberfläche. Wir werden Sie weiter über die Fortschritte in diesem Bereich unterrichten.

Multiterm pro ist ein ausgereiftes BTX-Programm. Durch die leicht erstellbaren Makros und die eingebaute Programmiersprache ist es ein leicht bedienbares, leistungsfähiges Tool für jeden BTX-Anwender. Die Farbdarstellung setzt Maßstäbe, an denen sich nicht nur zukünftige Farb-BTX-Decoder messen müssen, sondern alle Programme, die intensiv mit Farben arbeiten. Als eines der ersten Programme ist es auch speziell an den STe, ATARIs Stiefkind, angepaßt worden und nutzt die Fähigkeiten dieses Rechners aus. Das Handbuch zu Multiterm pro ist gut geschrieben und leicht verständlich. Auch der Preis sticht positiv hervor. Mußte man bisher noch mindestens DM 300,- für Bildschirmtext-Decoder zahlen, kostet Multiterm pro für Besitzer einer DBT-03 (Postbox) nur noch DM 236,-, für die Benutzer eines “normalen” Modems sogar nur DM 158,-.

MP

Bezugsadresse:

Telekommunikation Kaben Riis Projensdorfer Straße 14 2300 Kiel

 1: split(1) 
 2: while TIME$ <> "17:40" 
 3: locate(22,0) 
 4: sleep(1000) 
 5: print "Anwahl um 17:40, aktuelle Zeit: ";TIME$; 
 6: wend 
 7: split(0) 
 8: ANWAHL 
 9: wait(1,0,0,40000) 
10: send("#") 
11: sleep(500) 
12: send("12345#") 
13: 
14: send("*389004#”) 
15: wait(1,0,0,30000) 
16: send("1") 
17: wait(1,0,0,10000) 
18: send("#") 
19: wait(1,0,23,5000) 
20: send("9999999") 
21: sleep(200) 
22: send("12345") 
23: wait(1,0,24,5000) 
24: send("19") 
25: end

Listing 1: Ein Einblick in die Script-Sprache MPL



Aus: ST-Computer 05 / 1990, Seite 166

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