Moderne Zeiten - Mit Tempus Word ins neue Zeitalter der Textverarbeitung

Sie haben das schon tausendmal gelesen: ‘Wollte man alle Funktionen des Programms aufzählen, dann... das ganze Heft...' Aber im Ernst: So einfach ist das mit Tempus Word wirklich nicht. Und trotzdem wagen wir mit dem folgenden Beitrag den Schritt in die Ungerechtigkeit.

Vor einiger Zeit beglückte CCD seine Kunden mit einer verheißungsvollen Botschaft. Tempus Word, so hieß es darin, sei nun verfügbar. Zwar eine 0.9-Version, in der noch einiges fehle. Aber immerhin: Der Preis betrage nur 450 DM, die Version 1.0 würde 200 Märker mehr kosten. Entscheiden sollte man sich zügig, denn nur 500 0.9-Exemplare sollten ausgegeben werden.

Und nun ist es tatsächlich soweit: Mittlerweile befindet sich die 0.91-Version von Tempus Word auf meiner Platte, und ich habe die ehrenvolle Aufgabe, Ihnen dieses Programm näherzubringen. Eigentlich müßten Sie sich jetzt wundern. Denn es widerspricht den Gepflogenheiten dieser Zeitschrift, Beta-Versionen zu besprechen. Wir haben uns trotzdem dazu entschlossen. Denn erstens warten sehr viele Leute auf dieses Programm, und zweitens ist das Produkt in dieser Form ja wirklich käuflich. Bevor wir uns aber dem Neuling zuwenden, noch einige Bemerkungen zum Thema des Tages: Textverarbeitung.

Habe ich’s mir doch gedacht! Wir beginnen sofort, uns zu streiten. Denn mit 100%iger Sicherheit driften unsere Vorstellungen von der idealen Textverarbeitung völlig auseinander. Und Sie da hinten in der vorletzten Reihe: Was, nur Formulare soll Ihr Traumprogramm beherrschen, ob das auch geht?

Heiße Wünsche

In kaum einem Bereich der Computerei werden solche erbitterten Grabenkämpfe ausgetragen wie bei dem ewigen Streit um die richtige Textverarbeitung. Das kommt ja auch nicht von ungefähr. Während eine Datenbank tatsächlich nur dazu benutzt werden kann. Daten zu sammeln, wird ein Textprogramm viel flexibler eingesetzt, muß sich in vielen verschiedenen Anwendungen bewähren. Noch eins: Den Umgang mit Datenbank und Tabellenkalkulation lernten wir erst mit dem Rechner kennen. Unsere Arbeitsweise ist geprägt vom rechnerorientierten Vorgehen. Doch Texte verfaßt und mit der Schreibmaschine zuwege gebracht, das haben wir schon in den grauen Tagen der computerfreien Vergangenheit. Will sagen: Hier wie sonst nirgends hat sich die Software unseren Vorgaben anzupassen, und daran scheitern die meisten Programme.

Ich brauche keine Namen zu nennen. Bei manch selbsternannter ‘Software’ scheitert‘s doch schon an der Trennung. Also sprach Zarathustra: Was soll's dann? Wir meinten doch immer, daß die Software für uns denkt. Zumindest so weit, wie sie es mit ihren Algorithmen kann. Genug der Polemik.

Da wir also unsere Wünsche nicht artikulieren können, weil's zuviele sind, werfen wir einfach mal alles in einen Topf, was man so bekommen kann im Bereich Textverarbeitung. (Diesen Begriff muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: ‘Textverarbeitung’. Also meine Phantasie läßt mich mit Texten vieles anstellen. Doch hübsch der Reihe nach.) Ich teile die Vorgänge in einzelne Häppchen.

Erfassen

Bevor’s überhaupt was zu verarbeiten gibt, muß der Text getippt werden. Da führt nun mal nichts dran vorbei. Denn mit Spracherkennung soll es auf dem ST noch Probleme geben. Der Geübte schreibt mit bis zu 10 Fingern und ist in der Lage, sich Tastaturbefehle zu merken. Das Springen auf Zeilenenden, Absätze etc, Setzen von Blockmarkierungen usw. - alles das muß per Tastatur geschehen können. Bei diesen Vorgängen sind Proportionalzeichensätze eher ein Hindernis, verwirren sie doch nur das Positionieren der Schreibmarke (landläufig: Cursor).

Die Gedanken sind meist schneller als die Finger, Textbausteine sollen per Blockbefehle schnell gegeneinander verschoben werden können. Tastaturmakros, die auf Tastendruck z.B. die Anrede ein-spielen - sie helfen, dem Elaborat die klare gedankliche Linie zu verleihen, ohne wie früher alles noch einmal zu tippen. Eine solche Hilfe ist auch das pure Abschreiben (sorry: Kopieren) aus anderen Texten. Mehrere Texte sollten also gleichzeitig bearbeitet werden können.

Bild 1: Der Desktop von Tempus Word
Bild 2: Darstellungen von voller Grafik...
Bild 3: ... bis hin zu kargem Text

Gestalten und Verfeinern

Die Schrift auf dem Papier, sie hat ja ein Format: Ränder von der Blattkante, einen bestimmten Font, der das Aussehen bestimmt, einen Zeilenabstand, Formate wie Blocksatz oder Flatterrand. Bestimmte Passagen sollen durch Kursivschrift her vorgehoben, die Überschrift unterstrichen werden. Hier öffnet sich der weite Bereich der Schriftattribute.

Doch oft genug reicht das nicht. Ein Absatz soll eingerückt werden, für die Adresse muß der Text ein wenig über den linken Rand ragen, oder, oder. Spezielle Absatzformate müssen her, für die sämtliche Parameter die das Aussehen des Textes bestimmen, noch einmal gesondert festgelegt werden können.

Spaltensatz wäre auch nicht schlecht, macht allerdings mehr als sonst noch Trennung erforderlich. Die sollte wiederum ohne Eingriff von außen möglichst fehlerfrei arbeiten. Mehrere Fonts gleichzeitig in einem Dokument zu benutzen -Natürlich alle in Proportionalschrift und das in echtem “wie-man’s-sieht-so-wird’s” am Bildschirm angezeigt. Das ewige Problem: Das Seitenende trennt einen Absatz. Oder die Überschrift ist hüben, der Text dazu drüben. Immer wieder das lästige Setzen des Seitenendes zu Fuß. Das könnte das Programm in seiner Quasi-Intelligenz eigentlich selbst tun. Man legt nur fest, in welchem Bereich Absätze getrennt werden dürfen, die Entscheidung liegt dann bei der Software.

Illustrieren

Ach ja, Bilder sollten natürlich auch noch hinein. Sie sollen aus jedem Malprogramm zu übernehmen sein, Ausschnitte sollen gesetzt und gezoomt werden können. Aber auch Vektorgrafik gleich einbinden zu können, das wär' nicht übel. Es bringt uns allerdings auch fast schon in den Bereich des DTP. Aber es gibt noch etwas Grafisches: das freie Positionieren von Text à la Signum!, das Formelsatz erst möglich macht. Das heißt: die Zeichen können am Schirm verschoben werden, sind dennoch als solche zu identifizieren.

Drucken

Die Ausgabe ist eigentlich das wichtigste. Denn letztlich zählt das gedruckte Ergebnis und nicht die Arbeit, die man aufwandte, um dahinzukommen. Als Ausgabegerät werden bei heutigen Qualitätsansprüchen fast nur noch 24-Nadel- oder Laserdrucker in Frage kommen. Auf deren Fähigkeiten muß eingegangen werden. Für den Korrekturabzug reicht allemal die druckerinterne Schrift. Doch die finale Qualität erreicht man nur per Grafikdruck. Zumal so auch die verschiedenen Fonts ermöglicht werden. Das hat rückwirkend natürlich Einfluß auf das Gesamtkonzept des Programms. Denn nun müssen Font-Formate gefunden. Anbindungsmöglichkeiten an bereits bestehende geprüft werden etc...

Am laufenden Band

Soweit, so gut. Der Text ist gedruckt. Das Programm hat seine Schuldigkeit getan. Oder auch nicht. Sinn und Nutzen der computergestützten Textverarbeitung beginnen oft erst hier: Das Anschreiben hunderter Kunden sollte eine Serienbrieffunktion ermöglichen. Dabei tritt das Problem der Datenübernahme aus anderen Programmen auf. Denn die Adressen sind in einer Datenbank gespeichert.

Bild 4: Der Zeichensatzeditor von Tempus Word
Bild 5: Hier werden Druckertreiber erstellt
Bild 6: Zu jedem Text die volle Information

Formulare

Während beim Serienbrief die Software den Text einsetzt, sind bei Formularen nur bestimmte Stellen überhaupt beschreibbar. Der restliche Text bleibt fest. Beim Rechnen werden Zahlen, die an bestimmten Tabulatorpositionen stehen, über Rechenfunktionen miteinander verknüpft. Anwendung findet die Kombination beider Funktionen beim Schreiben von Rechnungen.

Verwalten

Doch damit nicht genug. Was nützt mir eine Platte mit Megabytes an Texten, wenn ich mich darin nicht zurechtfinde? Das Programm sollte in der Lage sein, die Archivierung der Texte zumindest zu erleichtern. Suchfunktionen auch für nicht geladenen Texte etc. ermöglichen das Aufspüren bestimmter Passagen und verbinden so, daß Dinge nochmal geschrieben werden.

Bedienung

Über alledem steht jedoch die Bedienbarkeit der Funktionen. Alles muß klar, einprägsam und im logischen Kontext serviert werden. Sonst schmecken die Menüs nicht, und all die schönen Möglichkeiten bleiben ungenutzt. Ob nun mit Maus oder Tasten bedient wird, sei dahingestellt. Am besten unterstützt das Programm alle Eingabevarianten. Häufig wiederkehrende Bedienungsabläufe sollten zu Makros zusammengefaßt werden können. Die Makros kann man mit Bedingungen und Sprüngen zu einer Quasi-Programmiersprache ausbauen. Das klingt zwar spinnig. Doch auf diese Weise können Bedienung und Funktion auf sehr spezielle und individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden. Und das macht eine Software erst flexibel.

Intelligente Hilfen

Bis hier sind die Funktionen, die ein Textsystem zur Verfügung stellen sollte, rein formaler Art. Sie beziehen sich nicht auf den Inhalt des Textes. Dergleichen ist ja den Rechnern auch ungleich schwerer beizubringen. Doch welcher Rechtschreibschwache wünscht sich nicht eine automatische Fehlererkennung, vielleicht sogar schon beim Schreiben? Sie erfordert ein Lexikon, gerade für die deutsche Sprache eine nicht triviale Aufgabe für Programmierer. Ein Thesaurus sucht nach Worten ähnlicher oder konträrer Bedeutung. Nicht nur für Leute mit geringem Wortschatz geeignet. Lassen sich Bemerkungen in den Text schreiben, die nicht gedruckt werden? Das ist eine Hilfe für alle, deren Texte am Rechner korrigiert werden.

Wiederum formaler Art sind Funktionen wie Fuß- und Endnoten. Der Rechner kann hier - sofern ausreichend zu parame-trisieren - eine Menge Arbeit abnehmen. Zu diesem Bereich gehören ebenso Indexlisten und Inhaltsverzeichnisse.

Bild 7: Luxuriös: Das Seiten-Layout
Bild 8: Absatz-Layouts für jeden Geschmack
Bild 9: So bearbeitet man Blöcke.

In medias res

Soweit allgemein zum Thema Textverarbeitung. Wahrscheinlich haben Sie im Kopf eine Checkliste gemacht und angekreuzt, wieviel davon Sie benötigen und wieviel davon Ihr momentanes Textprogramm beherrscht. Die Differenz dieser Kreuzmengen ist direkt proportional zu Ihrer Unzufriedenheit. Oder? Vielleicht hilft Tempus Word Ihnen. Ich werde also im folgenden nicht das herausstellen, was Tempus Word an Außergewöhnlichkeiten bietet (das wäre zuviel). Stattdessen werde ich die Möglichkeiten, die sich mit den Funktionen bieten, in den Vordergrund stellen.

Tempus Word verfolgt konsequent das Prinzip der grafischen Anzeige des Textes. Da mit verschiedenen Zeichensätzen gearbeitet wird, ist das auch notwendig. Von daher ähnelt es dem Prinzip von Signum!. Doch wie bereits angesprochen, ist beim Erfassen der Texte weniger Schönheit als Übersichtlichkeit gefragt. Bei Tempus Word gibt's noch einen ASCII-Modus, bei dem der Systemzeichensatz verwandt wird. Natürlich unproportional. Das Programm kann von der vollen grafischen Anzeige bis zur Kargheit des Tempus-Editors abgespeckt werden (siehe Bilder 2 und 3). Verwendet werden übrigens Fonts im eigenen Format. Signum!-Fonts können benutzt, allerdings nicht verändert werden.

Grundsätzliches

Wer - wie der Autor - bereits mit dem Tempus-Editor arbeitet, der wird zumindest mit dem ASCII-Modus keine Probleme haben. Sehr viele Tastenbefehle sind identisch. Die schnelle Eingabe der Texte stellt kein Problem dar. Ein satter Vorrat an Positionier- und Blockbefehlen, alle auch auf der Tastatur, läßt kaum einen Wunsch offen. Wer lieber im optisch reizvolleren ‘Tempus Word'-Modus arbeitet, wird sich über den schlauen Cursor freuen. Der ist nämlich immer so breit wie der Buchstabe, auf dem er steht.

Wie steht's mit der Geschwindigkeit? Der Name Tempus steht ja für High Speed. Subjektiv würde ich sagen, daß im Grafikmodus Tempus Word ein wenig schneller ist als Signum!. Im ASCII-Modus muß man bedenken, daß der verwandte Zeichensatz immer als Berechnungsgrundlage für den Zeilenumbruch dient. Und formatiert wird bei Tempus Word ständig. Kommt dann noch die voll automatische Trennung hinzu, wird erheblich gerechnet. Daher reicht die Geschwindigkeit nicht an die des Editors heran. Trotzdem - für eine Textverarbeitung ist es allemal sehr gut. Ein Nachlaufen findet nicht statt. Ich habe einige Zeiten gestoppt und zeige sie in der Tabelle. Das ist zwar nicht ganz fair (Script z.B. zeigt jeden Such/Ersetz-Vorgang am Schirm), mag aber als Anhaltspunkt dienen.

Das Konzept des Arbeitens im Grafik- oder Textmodus birgt aber Haken. Man möchte neben der einfachen Darstellungsweise auch eine ebenso einfache Druckweise nutzen können. Denn der klassische ASCII -Druck mit den Fonts des Druckers ist um ein Vielfaches schneller als der grafische. Besonders bei Nadeldruckern. Nun haben aber die Zeichensätze des Druckers meist andere Zeichenbreiten als die Tempus Word-Fonts. Blocksatz in Proportionalschrift mit den Drucker-Fonts fällt also aus, oder?

Dem ist nicht so. Im Druckertreiber gibt man für alle Drucker-Fonts die Zeichenbreiten an. Lädt man den Treiber, ist Tempus Word in der Lage, den Text nach diesem Font umzubrechen, zeigt allerdings wahlweise den grafischen oder den System-Font an. Kompliziert, gell? Nach einigem Probieren blickt man aber durch. Der Vorteil dieser Zweiteilung liegt einfach darin, daß man sich Probedrucke in sehr guter Qualität erstellen kann, ohne ewig darauf warten zu müssen. Trotzdem stimmt das Druckbild - was die Positionierung des Textes betrifft - haargenau mit dem endgültigen Druck überein. Das verdient Lob.

Bild 10: Ganzseitenansicht und Textlupe für den Umbruch
Bild 11: Läßt keine Wünsche offen: Suchen und Ersetzen

Externa

Der Font-Editor ist ein ausgelagertes Programm. Sie sehen seine Oberfläche in Bild 4. Es liegt jedem Tempus Word-Font ein Master-Font mit der doppelten Auflösung eines 24-Nadlers (720 DPI) zugrunde. Aus diesem errechnet der Editor in guter Qualität die Fonts für die verschiedenen Drucker und den Bildschirm. Dieses Konzept macht das Font-Format völlig inkompatibel zu allem üblichen, vor allem zu Signum!. Es sind außerdem in einem Tempus Word-Zeichensatz mehr Zeichen enthalten als in einem von Signum! Bleibt zu hoffen, daß es CCD bald schafft, mehr Fonts als die momentanen anzubieten. Denn mit deren Vielfalt steht und fällt die Gestaltbarkeit eines Textes.

In Bild 5 sehen Sie das Programm zur Erstellung der Druckertreiber. Es redet mit dem Anwender über ein simples Formular. Die Eingabe ist einfach, und es können einem kaum Fehler unterlaufen, zumal die lustigen Symbole geradezu motivierend wirken. Der Smiley ‘compiliert’ den Treiber, den man Tempus Word dann mundgerecht serviert.

Text-Styling

Ich werde nun einen neuen Text anlegen. Dann wird nicht nur ein Fenster geöffnet, und los geht's. Nein, zuerst müssen diverse Informationen über den Text und evtl, ein Paßwort eingegeben werden (Bild 6). Der Sinn dieser Informationen über Autor und Zweck nebst der Suchwörter zeigt sich dann, wenn man erst einmal die halbe Platte voller Texte hat. Dann ist jede Chance, ein bestimmtes Werk anhand seines Namens wiederzufinden, vertan. Auf dem Desktop von Tempus Word (Bild 1) ruft man eine Box auf, die von allen Texten eines Pfades jeweils nur diese Informationen zeigt. Dort kann dann auch nach Stichworten gesucht werden. Wie gesagt - für den Vielschreiber eine große Erleichterung.

Daran anschließend sollte man das Seiten-Layout festlegen (Bild 7). Auch hier präsentiert Tempus Word eine Dialogbox, die fast den Rahmen der Übersichtlichkeit sprengt. Doch wie bei so vielem: Man gewöhnt sich dran und sieht bald nur noch das Wesentliche. Leider trübt sich der Blick mit Wehmut, denn momentan sind nur einspaltige Layouts drin. Doch läßt die Box auf Mehrspaltensatz hoffen. Ein Hauch von DTP kommt auf. Apropos: Grafikeinbindung geht momentan auch nicht. Wer sich vor größerer Formatierarbeit bewahren will, der widmet sich jetzt schon den Absatzformaten (Bild 8). Diese Formate haben eine höhere Prioriät als das Seiten-Layout und auch als die globalen Einstellungen, die man mit Icons auf dem Desktop (warum eigentlich dort?) trifft. Die Sache mit den Absatzformaten hat gleich zwei gute Seiten:

Erstens ist das einheitliche Formatieren eines Dokuments kein Thema mehr. Denn auf Tastendruck ‘gießt’ man den Absatz in eine festgelegte Form. Die Formate werden gespeichert und stehen so jedem Dokument (und jedem Autor!) zur Verfügung. Gleiches gilt natürlich auch für das Seiten-Layout. Arbeiten in einem Betrieb oder Institut mehrere Personen an einem Schriftstück, ist dessen gleichmäßige Form unproblematisch. Gefällt eine bestimmte Formatart nicht mehr, klickt man sich durch die Box, variiert sie ein wenig und formatiert den Text neu. Fertig.

Zweitens weiß das Programm auf diese Weise, ob ein Absatz eine Überschrift oder ein Text ist. Beides bekommt eine Gewichtung zwischen Null und Neun. Damit legt man fest, ob z.B. eine Überschrift nur auf einer ungeraden Seite oben stehen darf, oder auch mitten auf der Seite. Oder: Paßt beim Seitenumbruch die Überschrift noch auf die Seite, jedoch nur noch eine Zeile eines Absatzes von hoher Gewichtung, so wird alles auf die nächste Seite verfrachtet. Wer kennt sie nicht, die grausigen Überraschungen immer dann, wenn der Text mal mehr als 10 Seiten und man wieder etwas übersehen hat? Richtig dosiert kann Tempus Word helfen.

Oft genug reicht auch das Absatzformatieren nicht. Dann sollen einzelne Wörter hervorgehoben werden, z.B. durch doppelte Unterstreichungen. Tempus Word hat einiges Exotische auf Lager. Bei der mächtigen Blockformatierfunktion (Bild 9) bleibt kein Auge trocken: Attribute und Fonts werden gesetzt oder gelöscht oder unberührt gelassen - gerade so, wie man es braucht. So wie hier geht’s einem oft mit Tempus Word: zuerst das undurchsichtige Chaos auf dem Schirm; hat man sich dran gewöhnt, dann eröffnen die so völlig parametrisierbaren Funktionen neue Dimensionen.

Weiter geht’s

Nachdem mein Phantasietext, den ich gerade vor Ihren Augen bearbeite, nun die richtige Form hat, will ich ihn noch einmal komplett umbrechen. Dabei hilft mir die ‘Textgestaltung’. Sie erledigt jetzt noch die Arbeit des Seitenumbruchs. Doch halt. Zwischen zwei ganz bestimmten Absätzen wollte ich eine freie Seite haben, denn dort soll später ein Bild hinein.

Also wähle ich ‘Seitenumbruch edieren’, und schon erscheint Bild 10. Die Doppelseite ist verkleinert, und ich brauche nur zu klicken, wohin das harte Seitenende soll. Doch auf meinem 640x400-Monitor (Tempus Word läuft auch auf allen Großbildschirmen) seh' ich leider nicht viel. Das Autorenteam hilft. Der Text, über dem der Cursor gerade steht, wird per Lupe vergrößert. So ein Service und ein nützliches Detail.

Zur Verdeutlichung der Detailwut bei CCD ist im Bild 11 die Suchen/Ersetzen-Dialogbox dargestellt. Es werden alle Passagen, an denen das Wort ‘Tempus’ auf einem linksbündigen Tabulator steht, ersetzt durch das Wort ‘Tempus Word’ auf einem rechtsbündigen Tabulator. Dabei werden nur die beachtet, bei denen mindestens das Attribut 'Heller Text’ gesetzt ist. Es wird in der Ersetzung ‘Fett’ gesetzt und alle anderen Attribute gelöscht. Noch Fragen?

In den Händen...

...halten möcht’ ich ihn den Text. Demnach steht jetzt das Drucken an. Über die verschiedenen Modi hab ich mich oben schon ausgelassen. Integriert ins Programm ist ein Spooler (Größe und Geschwindigkeit variabel, logisch!), in dem das Dokument erst einmal landet. Geduldet man sich mit dem Ergebnis, kann tat sächlich ganz gut nebenbei gearbeitet werden. Ach ja, gedruckt wird auf drei Ports: parallel, seriell und DMA. Und gleichzeitig. OK - ich hab' nur einen Drucker. Das Ergebnis ist beeindruckend, genauso gut wie Signum! halt. Aber mein P6plus hat wunderbare eingebaute Proportional-Fonts. Und mit denen kommt Tempus Word ja auch zurecht. Und es geht schneller. Und es sieht auch toll aus.

Apropos Signum!. Tempus Word - der Signum!-Killer? Die Frage stellen sich sicherlich viele. Zumal momentan der Preisunterschied nicht sehr groß ist. Die Features, die Tempus Word mal haben wird, lassen Signum! sicher verblassen. Bis auf das Definieren grafischer Blöcke und deren Bearbeitung gibt es keinen Unterschied. Die Mikroschritte sind drin, genauso wie die Zeichensätze. Darüber hinaus wird Tempus Word über eine ganze Reihe Mehr-Funktionen verfügen. Doch momentan hat Application Systems mit ihrem Produkt noch die Nase vom. Denn sie bieten ein komplettes Programm. So elementare Dinge wie Fuß-/Endnoten, Grafikeinbindung aber auch Spaltensatz beherrscht Tempus Word noch nicht.

Zubehör

Neben all den reinen Hilfsmitteln beim Schreiben, Formatieren und Drucken reicht uns CCD noch Taschenrechner, Notizbuch, Lexikon und Wecker an die Hand. Fehlt nur die Lesestütze. Das Lexikon arbeitet wohl wie eine Dateiverwaltung, verwaltet aber auch Stichworte... In meiner Anleitung stand leider noch nichts darüber. Das Notizbuch ist ganz nützlich. Aber ich arbeite auch mal mit anderen Programmen, und da fehlt es dann. Dann muß ich doch Papier und Bleistift nehmen. Es sei denn, das Notizbuch wird eines Tages auch als Accessory zur Verfügung stehen...

Sehr nützlich sind viele der Details, auf die die CCD-Mannen so stolz sind: der variable Cursor, das Erstellen von Inhaltsverzeichnissen, die Ganzseitenanzeige usw. Eine On-Line-Hilfe spielt auf Tastendruck Hilfstexte zu den Funktionen ein. Acht Texte passen in den Speicher, ein einziger kann in vier Fenstern gleichzeitig dargestellt werden.

Vermißt habe ich die UNDO-Funktion, an die mich der Tempus-Editor doch sehr gewöhnt hat. Warum so häufig gebrauchte Menüpunkte wie ‘Tempus-Word-Modus’ oder ‘Textgestaltung’ keine Tastencodes erhielten - wer weiß. Ebenso unklar, warum sich das Programm einige Pfade nicht merkt. Die Trennfunktion mit Ausnahmelexikon funktioniert gut, die Trenntiefe ist leider nicht variabel. Mir ist es auch nicht gelungen, bereits gesetzte Trennungen aus einem Text zu entfernen. Kommen wir also zu ein paar Dingen, die der Version 0.91 fehlen.

Versprochen ist versprochen

Liebe Leute von CCD! Euer Programm ist schon ganz toll, doch bis zur Version 1.0, da wollen wir noch: Fuß-/Endnoten: Makroerstellung, denn einige Vorgänge erfordern dermaßen viele Tastendrücke, daß einem vor Dialog auf- und zuklappen schwindlig wird; Indexlistenerstellung; Seitenlayout, mehrspaltig und mit Kopf-und Fußzeilen: Grafikeinbindung; Serienbriefe; Formulare: Rechnen im Text. Die Gliederung ermöglicht das Einklappen von Absätzen ähnlich der Prozeduren bei GFA BASIC 3.0.

Das sind keine Spinnereien von mir. Das verspricht uns CCD tatsächlich. Also wohlan und frischen Muts ans Werk!

Weiterführend ist ein Korrekturlexikon nötig. Vielleicht läßt sich auf dem ST auch eine On-Line-Korrektur realisieren? Und dann der Thesaurus. Davon haben alle etwas. Denn dann sind meine Elaborate nicht mehr gar so eintönig.

Ende gut, alles...

Tja, nun bin ich wohl berufen, die Endwertung zu treffen. Also mal ganz im Emst: Tempus Word ist ein begeisterndes Programm. Ich denke, nicht zu übertreiben, wenn ich die Lage auf dem Textverarbeitungssektor beim ST mit der Wasserversorgung in der Sahel-Zone vergleiche. Tempus Word ist dabei die Oase. Alle Funktionen, die momentan geboten werden, arbeiten sauber und schnell. Aber wie gesagt - da muß noch kräftig dran gearbeitet werden. Die Perspektive, die sich bietet, ist enorm: ein Programm, das über die reine Schreibmaschinenemulation mit Sonderausstattung hinausgeht. Vergleicht man die maximalen Möglichkeiten, die eingangs umrissen wurden, mit dem, was Tempus Word können wird: Hut ab. Ich kann damit Texte wirklich VERARBEITEN und nicht nur tippen. Der Vielschreiber wird Tempus Word nutzen; wer alle 14 Tage einen Brief schreibt, für den ist Tempus Word zuviel des Guten.

Bleibt letztlich nur die Frage, ob der Kunde als Beta-Tester der richtige Weg ist, Software an die Frau/den Mann zu bringen. Der Lohn für den Anwender beträgt 200 DM. Und früher mit Tempus Word arbeiten zu können.

IB

  Tempus Word 0.91 Tempus Editor 2.0 Signum! 2.0 1st Wordplus 3.15 Script
Laden des Programms 64 s 17s 29 s 22 s
Laden 35128 Bytes 9 s 5 s 7s 18 s
Speichern 35128 Bytes 18 s 12 s 16s 34 s
Scrollen 866 Zeilen 33 s / 24 s (*) 17s 42 s 132 s
Ersetzen 3078 Zeichen 8s 2s D 26 s

(*) Die zweite Zeit im ASCII-Modus (**) Signum! stürzte leider ab.

Kleiner Benchmarktest

Bezugsadresse:

CCD Burxstr. 9 6228 Eltville



Aus: ST-Computer 06 / 1990, Seite 38

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