ATonce - der ST wird zum ATari

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Atari hat es versäumt, dem ST einen vernünftigen Standard mit auf den Weg zu geben. Obwohl sich der ST zu einem eigenen Standard entwickelt hat, wollen immer mehr ST-Anwender dem "Industriestandard" nacheifern schneller, weiter, höher.

Die bisherigen PC-Emulatoren für den ST setzten auf den 8086-, 8088- oder V30-Prozessor von Intel bzw. NEC. Daß diese Prozessoren inzwischen vom ebenfalls veralteten 80286 bzw. 80386 abgelöst wurden, hat sich herumgesprochen. Wieso sollte man also nicht auch einen Emulator anbieten, der mit einem solchen Prozessor arbeitet" Vortex setzte diese Frage in die Tat um und stellte zur CeBIT'90 den ATonce vor - den ersten AT-Emulator für den ST. Einige Zeit später war er tatsächlich erhältlich und traf auch in der Redaktion ein. Einem ATonce- Paket entnehmen wir eine Platine, ein Handbuch und eine Diskette mit der Installations- und Betriebs-Software und einen gedrehten Präzisionssockel. Die Platine ist sauber aufgebaut. Auf ihr befinden sich ein 80L286- Prozessor voll kompatibel zum 80286 , ein GateArray und vier SMD-Chips sowie zwei Pfostenreihen zum Einbau.

Der Einbau

Wer bereits einen PC-Speed eingebaut hat, kennt die Installationsprozedur. Der ATonce muß auf den 68000-Prozessor aufgelötet werden. Wer das nicht mag und einen Mega ST besitzt, kann auch die lötfreie "SpeedBridge" benutzen. Aber auch STE-Besitzer können aufatmen, denn Vortex bietet (gegen Aufpreis) einen Steckadapter an, der den Betrieb des ATonce im STE möglich macht. Auf knapp 30 Seiten wird im DIN A6großen Handbuch überaus ausführlich das Auspacken und Einbauen des Emulators beschrieben - damit dürften selbst Laien keine Probleme haben. Leider sindjedoch die Installation und Inbetriebnahme auf lediglich sechs Seiten beschrieben und sehr dürftig. Das Installationsprogramm ist jedoch recht komfortabel und schwächt das Manko ein wenig ab. In das Handbuch sollte Vortex allerdings noch etwas Zeit invesitieren. ATonce unterstützt problemlos den SLM804-Laserdrucker. Dabei ist auswählbar, ob man den Diablo-Treiber von Atari oder den Laserbrain-Treiber von DMC installieren will. Weiterhin befinden sich auf der nicht kopiergeschützten Systemdiskette diverse Treiber, Beispieldateien, Programme zur Einstellung der Grafikemulation und zum Zurückkehren in den ST-Modus.

Die Installation...

... ist recht einfach zu bewerkstelligen. Hier sind Diskettenlaufwerke (1 oder 2, 3,5 oder 5,25 Zoll, 40 oder 80 Tracks, Laufwerk A oder B) und Festplatten auszuwählen. Alle ATARI-Partitionen können auch von ATonce ausgenutzt werden, bis zu 24 Stück (C-Z) können installiert werden. Damit ist ATonce voll kompatibel zu MS-DOS. Eine Partition darf höchstens eine Größe von 32 MB besitzen. Das ist zwar nicht ganz MS-DOS-konform, aber noch erträglich.
Auch bei den Grafikemulationen darf man seine Auswahl treffen. Neben CGA- und Hercules-Modus können auch der Toshiba T3100- oder Olivetti- Modus gewählt werden. Ist zusätzlich auch OverScan im Rechner installiert, ist ATonce sogar in der Lage, die gesamte Hercules-Auflösung (720x348) auf einmal anzuzeigen. Auf einem Farbmonitor läßt sich allerdings nur die CGA-Auflösung benutzen. Booten ist entweder von Diskette oder von Festplatte möglich. Das Festplattenforrnat ist kein eigenes (wie beim SuperCharger), es kann also auch von der Atari-Seite auf die Partition zuge- griffen werden, ohne einen kompletten Absturz zu riskieren. Letztlich läßt sich im Installationsprogramm noch einstellen, wie der vorhandene Speicher aufgeteilt werden soll. Die bei einem Mega 4 verbleibenden 3 MB lassen sich dem Expanded- oder Extended-Memory zuweisen.

Durchstarten

Nach dem Start des eigentlichen Emulators glaubt man wirklich, einen AT vor sich zu haben - der Speichertest deutet darauf hin. Nach dem Booten stehen bis zu zwei Druckerschnittstellen zur Verfügung (der Laser liegt auf LPTI:, alle anderen dann auf LPT2:), auf jeden Fall jedoch zwei serielle Schnittstellen. Auf COMI befindet sich die Atari-Maus, die hier als Microsoft-kompatible benutzt werden kann, an der anderen läßt sich ein beliebiges anderes serielles Gerät anschließen. Vortex liefert leider den Maustreiber nicht mit, so daß man ihn sich anderweitig besorgen muß. Der Treiber ist allerdings ohne Maus nicht erhältlich - fragwürdig ist also, wo er beschafft werden kann.

ATonce ist merklich schneller als PCSpeed und SuperCharger. So beträgt der Norton-Faktor denn auch 6,7. Die theoretische Geschwindigkeitssteigerung von 1,5 zum SuperCharger wird praktisch allerdings nicht erreicht. Trotzdem ist es wesentlich komfortabler, mit der schnelleren Geschwindigkeit zu arbeiten. Die anderen Meßwerte entnehmen Sie bitte der Tabelle.

Mit Programmen hat der ATonce kein Problem. GEM, Wordstar, Word, Lotus, DBASE und Windows 3.0 funktionieren einwandfrei. MS-DOS wurde in der Version 3.3 und 4.01 getestet und bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Der ATonce weiß auch, wie er mit Extended und Expanded Memory umzugehen hat. Das einzige kritische Programm, das wir gefunden haben, ist Telix, das auf dem ATonce nur empfangen kann. So muß der DFÜler hier auf Procomm zurückgreifen.

Fazit

Der ATonce ist ein guter AT-Emulator. Wenn man bedenkt, daß Vortex solcherlei Geräte niemals vorher gebaut hat, ist es überraschend, wie betriebssicher die erste Version des Emulators funktioniert. Für DM 498,- ist derzeit kein anderer ATEmulator erhältlich - damit bietet der ATonce ein sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis. Kein anderer AT-Emulator bietet zur Zeit eine solches Angebotssprektrum.

MP

Bezugsaddresse:
Vortex Computersysteme GmhH
Falterstr. 51-53
7101 Flein bei Heilbronn

Das Benchmark-Programm "PTIME"

Zuerst wurde ein Programm gestartet, das einige Prozessorbefehle hintereinander ausführte und danach die Zeit maß. Es wurden gemessen: Loop, Inc, Dec; Mov Const -> Reg; Mov Byte -> Reg; Mov Word ->Reg; Add; Sub; Imul Word; Idiv Word; Not -> Reg; Ror -> Reg; Cmp; Push/Pop; Call; Call -> Parameter; Int/Iret, Shr (diese Tests jeweils....... mal); 1 MB Memory Move, 20 s. Timing Loop; Single Precision Test; Double Precision Test jeweils einmal). Die Zeit, die die Emulatoren jeweils insgesamt benötigt haben, finden Sie in der Tabelle unter "Benchmark". Die Ergebnisse dieses Tests spiegeln vor allem wider, wie schnell der Prozessor die Befehle abarbeitet.

Die Timer-Taktung

Im dritten Test wurde getestet, ob alle Timer richtig getaktet werden. Dazu wurde mit einem einschlägigen Programm die angebliche Taktfrequenz des Prozessors gemessen. Die Ergebnisse finden Sie in der Tabelle. Die Werte sind natürlich keine richtigen CPU-Geschwindigkeiten, sondern sollen nur verdeutlichen, was ein "normales" Meßprogramm herausfindet.

Der Wordstar-Test

Wordstar ist eines der am häufigsten benutzten Textverarbeitungsprogramme für PC- und AT-kompatible Computer. Deshalb starteten wir auch mit diesem Programm einen Test. In einem 48 kB langen Text tauschten wir 5180mal ein "e" gegen ein "a" aus. Dabei wurden alle Austauschungen auf dem Monitor angezeigt. Zum Vergleich: Tempus braucht für die gleiche Aktion 2,85 Sekunden (und ist damit über 20mal schneller), Wordplus bezwingt Wordstar mit 43,75 Sekunden (1,29mal so schnell).

Der Norton-Faktor

Der Norton-Faktor ist der Standard-Test, um -die Geschwindigkeit eines MS- DOS-Rechners feststellen zu können. Mit ihm wird eindeutig gezeigt, wie schnell ein PC (bzw. in diesem Fall ein Emulator) im Vergleich zu einem original-IBM-XT ist. Der IBM-XT würde beim Norton-Faktor ein Ergebnis von 1,0 liefern.

Die Tests

Um die Emulatoren miteinander vergleichen zu können, unterzogen wir sie einigen harten Tests. Mit dem Benchmark-Programm "PTIME" stellten wir fest, wie lange die Prozessoren für die Abarbeitung der Befehle brauchen. Schließlich kann man keinen schnell getakteten Prozessor gebrauchen, wenn die Befehle nur langsam weitergegeben werden.

Der nächste Test sollte zeigen, inwieweit man mit einem normalen Geschwindigkeitsmeßprogramm die Taktfrequenz des Prozessors feststellen kann. Dazu müssen nämlich alle Timer exakt nachprogrammiert sein. Das überraschende Ergebnis: Die wirkliche Taktfrequenz hat das Programm nicht herausgefunden. Erstaunlich ist auch, daß bei diesem Test der SuperCharger nur unwesentlich langsamer ist als der ATonce. Die genauen Ergebnisse entnehmen Sie bitte der Tabelle.

Der letzte Test war ein Praxis-Test. In einem 48 kB langen Text tauschten wir jeweils "e" gegen "a" aus. Die Austauschstellen wurden jeweils angezeigt. Dadurch erhalten Sie auch einen realitätsnahen Praxiswert, den kein Norton-Faktor oder Landmark-Test angeben kann!

MP

Benchmark (s) Disk-Transfer(bps) CPU (MHz)* Wordstar Norton-Faktor
ATonce 80,427 133086 15,00 55,75 6,7
SuperCharger 91,491 95254 13,58 61,00 4,0

Tabelle 1: Die einzelnen Testergebnisse auf einen Blick



Aus: ST-Computer 09 / 1990, Seite 191

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