Script 2 - The Easy Way of Writing

Vor knapp einem Jahr stellten wir in der ST-Computer mit Script ein Textverarbeitungsprogramm vor, das sich in vielen Dingen von seinen Mitbewerbern abhob. Inspiriert wurde man bei Application Systems vom Macintosh-User-Interface, also der Einfachheit und der Anwenderfreundlichkeit eines Macintosh, die in der Praxis den meisten ST-Programmen auch heute noch etwas Vormacht. Nun ist der große Bruder von Script auf den Markt gekommen, der die bisherigen Features noch einmal erweitert.

Um es gleich vorwegzunehmen, Script I wird auch weiterhin verkauft (für 198 DM) und bietet so einen preisgünstigen Einstieg in den Way of Script. Die Aufrüstung zur “großen” Version kann man, falls gewünscht, für 100 DM als Update erhalten.

Rückblick

Nachdem die Firma Application Systems Heidelberg mit Signum! seit 1987 einen Akzent in der Atari-Textverarbeitung setzte, kam zur Atari-Messe 1989 Script. Es unterschied sich von Signum! in wesentlichen Punkten. Es war auch nie als Weiterentwicklung oder gar als Ersatz für Signum! zu verstehen, es sollte eine ganz andere Anwenderschicht ansprechen. Man wird es wohl nie ganz vermeiden können, daß Erstlingswerke einer Firma (Signum!), besonders wenn sie wertvolle Impulse für die ganze Branche setzen, als Maßstab für weitere Produkte herangenommen werden.

So stand eine wesentlich leichtere Bedienbarkeit von Script im Vordergrund, ein wichtiges Argument für Textverarbeitungseinsteiger. Abgesehen davon, daß fast alle Bedienungselemente auch auf Tastaturkürzeln liegen, wird die Maus als Hilfsmittel klar favorisiert. Besonders angenehm ist die Übernahme von Sign um!-Zeichensätzen, von denen mittlerweile mehr als 900 verfügbar sind. Auch die hohe Qualität beim Ausdruck, selbst bei 9-Nadel-Druckem suchen noch heute einen Vergleich. Weiterhin hat sich die OnLine-Formatierung als sehr nützlich erwiesen. Der Zeilenumbruch erfolgt unmittelbar während des Schreibens. Script kann maximal vier Texte gleichzeitig im Speicher halten. Außerdem sind im Gegensatz zu Signum! alle Accessories erreichbar.


Bild 1: Praktisch! Beim Setzen eines Tabulators wird ein Lot gefällt, damit man ihn leichter positionieren kann.

Überblick

Nach fast einem Jahr liegt nun eine Version Nr. 2 von Script vor, die neben Änderungen und Fehlerverbesserungen selbstverständlich auch neue Funktionen aufweist. Daß ein Produkt lebt, getragen von den Verbesserungsvorschlägen der bisherigen Nutzer und neuen Ideen der Entwickler (evtl, auch der Konkurrenz?), zeigt sich insbesondere darin, wie stark eine neue Version von der Vorgeneration abweicht. Dabei kommt es in erster Linie auf die Nachbesserung kleiner Unzulänglichkeiten an. Für Script 1-Nutzer seien folgende Bedienungselemente hervorgehoben:

Typisch Script ist die Bedienerleiste über dem Textfenster. Lineal genannt. Mit einem Klick auf diese Leiste wird sie aktiviert. Jetzt kann man Tabulatoren einstellen: Linksbündiger, rechtsbündiger. Zentrier- und Dezimaltabulator. Ähnliche Formatierungen kann man für Textabschnitte erreichen, wenn sie vorher selektiert wurden. Bemerkenswert: Für jeden Absatz kann eine eigene Formatierung definiert werden: Linksbündig, rechtsbündig, zentriert oder Blocksatz. Beim direkten Anklicken des Lineals wird der aktuelle Absatz selektiert. Sehr praktisch!


Bild 2: Jetzt sind auch Seriellbriefe mit Script möglich.

Ausblick

Daß ein Produkt lebt, zeigt sich in zweiter Linie auch darin, wenn die gewohnte Bedienerumgebung um markante Elemente erweitert wird. Auch hier kann der Wunsch der bisherigen Nutzer wesentlich dazu beitragen, “Ihr” Produkt um wichtige Optionen zu erweitern. Genau das ist bei Script 2 geschehen - bewährte Umgebung, bekannte Funktionen und neu:

Serienbriefe

Ein Serienbrief ist ein Dokument, das im wesentlichen aus zwei unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt ist. Das ist einerseits der Pauschaltext, also all jene Textteile, die sich von Adressat zu Adressat nicht ändern, z.B. Briefkopf, Absenderangaben und feststehende Textpassagen. Andererseits gibt es noch den Individualtext, der sich von Adressat zu Adressat unterscheidet, z.B. die Adreßangaben, persönliche Anrede und weitere personenbezogene Daten.

Ein Textverarbeitungsprogramm zeichnet sich nun im besonderen dadurch aus, wie komfortabel es das Mischen von Pauschal- und Individual-Textteilen steuert. Die Vorgehensweise mag zunächst etwas kompliziert aussehen, mit etwas Übung aber, ist es kein Problem mehr: Zunächst wird der reine Pauschaltext geschrieben, also jener Text, der für alle Empfänger gleich bleibt. An all jene Positionen, die später (beim Ausdruck) individuelle Angaben aufnehmen sollen, stehen erst einmal sogenannte Platzhalter. Dies sind in aller Regel jene Sammelbegriffe (Feldnamen), wie man sie vom Datenbankprogramm her kennt. Man stelle sich eine Karteikarte vor, da steht auf jeder immer “Name”, “Vorname”, “Straße”, “Ort” usw. und genau diese Feldnamen stehen nun als Ersatzbegriffe (Platzhalter, Stellvertreter) an den individuellen Textpositionen. Damit das System diese als Stellvertreter erkennt, beginnt jeder Feldname mit einem “&”-Zeichen. Im Gegensatz zu diesem Brieftexl steht nun eine Datendatei. Diese nimmt zeilenweise alle individuellen Angaben auf. Wichtig ist in dieser Datei aber die erste Zeile. Dort stehen die Platzhalter-Feldnamen schön nebeneinander, wie sie in den darunter folgenden Zeilen als wirkliche Adreßangaben zu finden sind.


Bild 3: Ob OnLine-Wortüberprüfung oder nachträgliche Kontrolle. Script beherrscht beides.

Wenn nun die Serienbrieffunktion gestartet wird (vorher muß der Name der Datendatei angegeben sein), wandert Script die Textvorlage durch und bleibt beim ersten “&”-Zeichen hängen.

Daraufhin nimmt es den Platzhalternamen und öffnet die Datendatei. In dieser Datei zeigt die erste Zeile, in welcher Reihenfolge (durch Komma getrennt), die einzelnen Feldinhalte stehen. In unserem Bildbeispiel stehen alle Vornamen immer an erster Stelle. Das System weiß, daß es ein erstes Mal in die Datei wechselte und nimmt demzufolge Daten aus der ersten Zeile unter der Titelzeile. Jetzt wird der wirkliche Vorname des ersten Datensatzes in den Brieftext transportiert. Als nächstes bleibt Script am “&"-Zeichen von “NAME” hängen und wiederholt den beschrieben Weg wie eben. Erst wenn das Vorlagendokument bis zum Ende abgearbeitet wurde, wird Script in der Datendatei nachsehen, ob weitere Zeilen (- Datensätze) vorhanden sind und das Abarbeiten des Pauschaltextes von oben neu beginnen. Jetzt kämen die Daten aber von der zweiten Datenzeile und so weiter.

Script erlaubt nun aber nicht nur das stupide Übernehmen von Daten aus einer Datei in einen Vorlagentext. Interessant sind die Selektionsmöglichkeiten. So können in einem eigenen Auswahlfenster Kriterien für die gezielte Datenzusammenstellung getroffen werden. Man kann die spätere Abarbeitung auf bestimmte Datensätze einschränken. Beispiel: Nur alle Namen, die mit einem "M” beginnen (NAME = M*), die in München wohnen (PLZ = 8000) und nicht älter sind als 20 Jahre (ALTER <= 20). Abgesehen davon, daß Dateneingaben direkt in Script möglich sind, übernimmt es auch aus Adimens (per Export oder Mischen) und dBASE oder dBMAN. Auch die andere Richtung ist machbar: Daten in Script geschrieben an ein Datenbankprogramm übergeben.

Die Wörterbuch-Fee

Es gleicht einem leichtfüßigen Elfentanz, wie Script mit falsch geschriebenen Wörtern umgeht. Nicht von ungefähr kommt denn auch der Name dieses nützlichen Zusatzprogramms: Elfe. Die gute Fee kann auf zwei Arten an die Arbeit gehen.

Entweder man startet gleich zu Anfang per Doppelklick auf Elfe, das danach Script dazulädt. Jetzt lauert die Wortprüfung im Hintergrund und wartet nur darauf, daß man etwas falsch schreibt. Mit einem leichten “Ping” aus dem Monitorlautsprecher kann der Nutzer dann vernehmen, daß Elfe mit der Schreibe nicht einverstanden ist.

Andererseits kann aber auch die Wortprüfung nach der Schreibarbeit wie ein Scanner über den Text geschickt werden. Dort zeigt Elfe mit einer eigenen Dialogbox das unbekannte Wort an und bittet um Angabe, ob es dies (weil richtig geschrieben) lernen soll. Ist das angezeigte Wort falsch geschrieben, bietet Elfe eine Liste mit Ersatzvorschlägen an.

Script kennt zwei getrennte Wörterbücher: 1. das Grundwörterbuch mit 180000 Wörtern des deutschen Sprachraums, die in gepackter Form auf dem Massenspeicher nur etwa 200 KByte beanspruchen. Es ist vom Hersteller schon fest vorgegeben und nicht veränderbar. 2. gibt es ein Additionswörterbuch, in das alle neuen Wortschöpfungen aus dem Text aufgenommen werden. Vor dem Programmende warnt Script, daß neue Wörter in einer besonderen Datei noch unkomprimiert gesammelt sind und diese mit einem kleinen Verwaltungsprogramm hernach in das Zusatzwörterbuch übertragen werden sollen. Für diese Sammeldatei kann man zunächst eine begrenzte Kapazität von 10 KByte, d.h. für ca. 500 Wörter vorsehen. Dieser Wert ist jederzeit in dem Verwaltungsprogramm änderbar, beispielsweise wenn man längere Texte mit vielen neuen Wörtern einzugeben beabsichtigt. Alle neu aufgenommenen Wörter liegen nach der Arbeit des Verwaltungsprogramms komprimiert im Zusatzwörterbuch vor, das ebenfalls nocheinmal 180000 Wörter aufnehmen kann.


Bild 4: Durch die eingebaute Preview-Funktion kann man sich auch ohne Ausdruck ein Bild über das Seitenlayout machen.

Die Seitenvorschau

Die Schwarzweißmonitore von Atari haben einen entscheidenden Vorteil: durch die hohe Bildfrequenz sind sie absolut flimmerfrei und gerade für Textverarbeitung gut geeignet. Sie haben aber (wie die gängigen Farbmonitore auch) einen großen Nachteil: Man sieht die Texte in Originalgröße nie komplett auf dem Bildschirm. Es ist also bislang schwierig gewesen, sich einen Gesamtüberblick über das spätere Aussehen des Textes zu machen (wer kennt noch nicht “WYSIWYG” - was Du siehst, ist, was Du kriegst?). Immer jedesmal einen Probeausdruck machen, ist nicht sehr papiersparend, sondern umständlich und zeitraubend gewesen, in Script gibt es nun die Funktion Seitenvorschau. Dort werden immer drei Seiten nebeneinander maßstäblich verkleinert auf den Bildschirm gebracht. Jetzt kann man sich einen besseren Eindruck vom Druckwerk machen.

Kleinigkeiten, die auffielen

Oft sind es die Feinheiten am Rande, die, wenn man sie nicht braucht, auch kaum auffallen. Aber wenn man sie einmal braucht, dann ist man froh, daß es sie gibt.

Mit Script konnte man schon immer Bilder der verschiedensten Grafikformate in den Text einbauen. Das geladene Bild erscheint in einem separaten Fenster und per Gummibandfunktion kann man einen Ausschnittsrahmen aufziehen und dieser Bildteil an die aktuelle Cursorposition verlegen. So kann es durchaus auch mal wünschenswert sein, diese Bilder nachträglich mit Text zu versehen. Beispiel: Ein Schaltplan wurde in das Dokument importiert, und man möchte ihn mit Beschriftungen versehen. Oder es ist dem Anwender wichtig, in eine Zeichnung Anmerkungen einzubauen.

Ein entscheidender Vorteil von Script ist es, die in den Text importierten Bilder fest als Textbestandteil zu behandeln und deswegen auch mit dem Text abzuspeichern. Nun ist es Tücke des Objektes, daß die Bilddateien nicht unbedingt große Platzsparer sind, will heißen: sie würden den Text gewaltig mit Kilobytes aufblähen. Deswegen speichert das Programm die eingebauten Bilder komprimiert ab (die Festplatte hat noch Luft).

Die Druckausgabe erfolgt noch weiter nach bewährter Script-Manier direkt über die schnelle Centronics-Schnittstelle. Alternativ steht jetzt der Weg über das BIOS offen, womit externe Druckerspooler und Netzwerke bedient werden können.

Sehr schön ist das wahlweise Ausdrucken gerader und ungerader Seiten. Das werden all jene Anwender begrüßen, die beidseitigen Druck bevorzugen.

Für meinen Geschmack eine der wichtigsten “Kleinigkeiten” - die Undo-Funktion. Wie oft ist es denn schon passiert, daß ich durch Löschen ganzer Zeilen wichtige Textteile in die Ewigkeit geschickt habe. Da hätte ich gerne die entschwundenen Buchstaben wieder zum Feben erweckt, besonders wenn ich diese gewichtigen Worte vergaß. Mit der Undo-Taste wird nun die letzte Tätigkeit (reuevoll) rückgängig gemacht. Übrigens: ündo selbst kann man auch wieder durch Undo rückgängig machen.

Bei Script spielen sich viele Funktionen nach dem Selektieren ab. Mit der Maus kann man also einen ganzen Absatz “überziehen”, dieser ist dann markiert. Neben den Ausrichtungen könnte nun der Zeilenabstand verändert werden. Von 5mm bis 99mm reicht der Spielraum. Interessant ist die Zeilenautomatik. Ist sie eingeschaltet, paßt sich der Zeilenabstand automatisch dem gewählten Zeichensatz an.

Neben den Fußnoten verfügt jetzt Script auch noch über Endnoten, so daß auch professionelle Schreiber restlos überzeugt werden sollten.

Nicht zuletzt konnten wir Script auf einem Großbildschirm und einem TT testen: “Null problemo” würde eine aus Funk und Fernsehen bekannte Person sagen. Auch Farbmonitorbesitzer können mit der neuen Version aufatmen, denn Script mag’s jetzt auch bunt.

Ein kleiner Wermutstropfen, der nicht verschwiegen werden soll: Script hat noch keine automatische Trennhilfe. Hier muß man noch selbst die Hand anlegen.

Zwei kleine Zusatzprogramme erlauben das Konvertieren von ASCII-Texten aus der MS-DOS-Welt auf den Atari ST und umgekehrt.


Bild 5: Script 2 hat Erbarmen mit Druckerspoolern und Netzwerken und druckt jetzt wahlweise auch über das BIOS.

Das Handbuch

Schon immer vorbildlich sind die Handbücher aus dem Hause Application Systems. So hat man für Script 2 das Konzept beibehalten. Die einzelnen Kapitel sind wohlstrukturiert: Grundlegendes zur Bedienung im 1. Teil, Erläuterung der einzelnen Funktionen in Teil 2, 3. ein alphabetisch geordnetes Referenzkapitel. Es schließt sich eine ausführliche Beschreibung der Druckertreiber an. Besonders interessant ist jener Part mit Fragen und Antworten. Hier werden Bedienungshemmnisse, Fehlermeldungen und deren Abhilfe ausführlich erklärt. Bilder sind überreichlich vorhanden, was besonders dem Einsteiger viel Kopfzerbrechen abnimmt. Was mich persönlich immer wieder freut ist der lockere, oft etwas humorvolle Schreibstil. Viele Handbuchschreiber gehen zu tierisch ernst an die Sache heran, vielleicht weil ihnen ein Handbuch als notwendiges Übel erscheint - nicht bei Application Systems Heidelberg.

Ein schwieriges Thema ist die Verwendung von Piktogrammen. Diese kleinen Symbole erhöhen den Wiedererkennungswert im Textverlauf und machen alles noch übersichtlicher. Nur sind sie für meine Begriffe eine Nuance zu winzig geraten.

Fazit

Script 2 hat mir sehr gut gefallen. Es schließ eine (zugegebenermaßen kleine) Lücke zwischen Script I und Signum!. Besonders die Tatsache “einschalten -arbeiten”, also die kurze Einarbeitungszeit machen aus Script 2 eine runde Sache, wie gesagt: “Script - Easy Way of Wri-ting”. Es war Absicht dieses Berichtes, die Besonderheiten von Script 2 herauszustellen, weil es die anderen Programme, so auch Script 1 weiterhin geben wird. Für Umsteiger von der Version 1 auf 2 gibt es - wie ja bereits oben erwähnt - einen Update-Service für 100 DM.

DK

Bezugsquelle: Application Systems Heidelberg Postfach 10 26 46 6900 Heidelberg



Aus: ST-Computer 10 / 1990, Seite 36

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