DISKUS - Ein Werkzeugkasten für alle Massenspeicher

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Marmeladenbrot mit der Marmeladenseite auf den Teppich fällt, ist umso größer je teurer der Teppich. (Murphys Gesetz)

Das Desktop von DISKUS

Für die meisten Computernutzer ist sie vorbei, jene Zeit, als sie noch wie Diskjockeys ständig von Programm- auf Datendisketten und umgekehrt wechseln mußten. Sie erinnern sich? Ganz schnell schieichte sich beim Jonglieren dieser Massenspeicherscheiben das Gefühl der Unvollkommenheit ein, weil es einem ständig auf den Keks ging, immer nach jener Diskette suchen zu müssen, die man gerade brauchte und selten sofort fand (Murphy’s Gesetz der Computertechnik).

Warum sich also durch riesige Diskettenstapel auf dem Schreibtisch arbeiten (übrigens: unter „Stapelverarbeitung“ ist etwas anderes gemeint), wenn es etwas gibt, das uns all die Wühlarbeit abnimmt und zudem noch schneller ist? Langer Rede, kurzer Sinn: Festplatten sind in! (Reimt sich sogar.)

Dann wird ganz schnell der gesamte Programmbestand auf eine solche Harddisk kopiert und ab sofort kennt der Anwender nur noch einen Handgriff: das Betätigen des Netzschalters (der Glückliche). Ob Sie’s nun glauben oder nicht, es gibt auch Murphy’s Gesetz für Festplatten, Beispiele (freie Assoziationen des Autors aus anderen „Murphy’s“ gefällig?):

  1. Eine Festplatte ist niemals groß genug - sie ist immer voll zu kriegen.
  2. Eine Festplatte gibt allermeistens dann ihren Geist auf, wenn man gerade mitten in einem neuen Programm arbeitet.
  3. Festplatten haben eine eigene Psyche und lassen sich bei der Verwaltung wichtiger Datenbestände nicht dreinreden.
  4. Gehst Du zur Festplatte, vergiß die Peitsche nicht (frei nach Nietzsche).
  5. Wenn eine Festplatte nicht mehr will, dann will sie nicht mehr und das ist ihr einziger Wille.
  6. Festplatten sind wie kleine Kinder, sie machen nie, was Mama und Papa wollen.

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Ganz einfach: Derjenige, der noch nie Probleme mit seiner Festplatte hatte, soll sich melden. Er erhält den „Goldenen Schreiblesekopf“ für unermüdliches Vertrauen in die Unfehlbarkeit der Massenspeicher. Oder anders formuliert: Es wird kaum jemanden geben, der mit der Arbeitsweise seiner Festplatte konform geht - weshalb man ja auch unter anderem brav regelmäßig sogenannte Sicherheitskopien „fahren“ soll - man weiß ja nie, was noch kommt.

Aber wenn das Kind dann in den Brunnen gefallen ist, dann ist guter Rat teuer. Kaum jemand erklärt einem ausführlich und nachvollziehbar, was so in dem eigenwilligen Innern einer Festplatte vor sich geht (außer Sie haben das einzige noch erhältliche Exemplar von „Scheibenkleister“ in der Buchhandlung erwischt). Und Sie glauben nicht, welche Krankheiten eine Festplatte bekommen kann. Die folgenden Beispiele für angehende Festplattendiagnostiker erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit:

Noch immer sehr reichhaltig, aber systematischer aufgeteilt: die Menüs

  1. Die Kapazität hat sich über Nacht verzigfacht, ohne daß die Festplatte Zuwachs erhielt.
  2. Beim Öffnen eines Inhaltsverzeichnisses kann man alle möglichen Zeichen erkennen, nur leider in sinnloser Aneinanderreihung.
  3. Aus Dusseligkeit habe ich beim Löschen einer Datei „OK“ gedrückt, obwohl mein innerstes Ich sich dagegen sträubte (Murphy’s Gesetz der Gehirn-Hand-Interaktion).
  4. Der berühmte „TOS-Fehler #35“ hat seine Aufwartung gemacht und es ist wie beim Roulette: „rien ne vas plus“.
  5. Die liebe Festplatte versagt völlig ihren Dienst und hat ihren tarifvertraglich zugesicherten Krankheitsurlaub genommen.

Wie dem auch sei: Solche Erscheinungen treten dann gehäuft auf, wenn man sie wahrhaftig nie und nimmer gebrauchen kann (Murphy).

In Heft 4/1990 haben wir all diese Probleme schon einmal angesprochen und gezeigt, daß es reichhaltig Medizin für diese Unwilligkeitssymptome mancher Harddisk gibt. Übrigens: Solche Problemchen kann uns naturalmente auch die altbewährte Diskette in gleicher Art und Weise bereiten.

In die altehrwürdige Liste solcher Programme, die wie ein Wunderheiler der Festplatte wieder auf die Sprünge helfen, reiht sich neben „MUTIL“, „T.L.D.U.“, „Sybex1 Powerdisk“ auch DISKUS ein, das im genannten Heft 4/1990 schon einmal unter dem Testmikroskop lag. Dort haben wir schon festgestellt, daß DISKUS fast schon ein „Expertensystem für alle Arten von Festplatten- und Disketten-Unwohl-sein“ ist, also nicht nur ein reiner Diskmonitor, sondern ein Datenrettungstool, ein Optimierer, ein Datentester, ein Backup-Programm, ein Festplattenschreibschutz - kurzum ein Allroundwerkzeug für 99% aller Festplattenunfälle. (Das eine Prozent betrifft regelrechte Hardwarekatastrophen und da kann kein Programm der Welt helfen, dann muß allermeistens mit einer Bauteiletransplantation gerechnet werden.)

Rechtzeitig zur CeBit-Messe legt die Firma CCD uns eine Version 2.0 von DISKUS vor, die nicht nur in wesentlichen Teilen erweitert wurde, sondern auch ein völlig neues Handbuch erhält. Leider konnte ich die neuen Seiten des Handbuches nicht bewundern, aber sie sollen noch besser typografisch aufbereitet sein und intensivere Nutzung von Bildern und Piktogrammen machen, als bisher. Darüber hinaus wurde auch der allgemeine Teil erweitert (darüber später mehr).

Ein wichtiger Punkt der neuen DISKUS-Version ist die völlige TT-Tauglichkeit, also neben dem Ansprechen von ACSI-auch der SCSI-Festplatten, sowie aller HD Diskettenlaufwerke (auch am TT!). Auf den ersten Blick fällt noch auf, daß die ursprünglich starren Arbeitsfensters nun beweglich geworden sind, so daß auch Großbildschirmbenutzer ihre Freude haben werden. Auch arbeitet DISKUS nun vollkommen unabhängig von der Bildschirmauflösung, solange dem Programm mindestens 640x200 Punkte geboten werden. Eines muß man aber von vorne-herein klipp und klar sagen: mit weniger als 1 MByte Arbeitsspeicher hat DISKUS 2.0 nichts mehr im Sinn.

Ein File Selector der besonderen Art

Umfangreiche Testläufe spüren Fehler im Dateizusammenhang auf

Ganz wichtig: Jede Partition kann einzeln behandelt werden

Besonders bei Disketten ist manchmal eine Trackanalyse notwendig

Aber bei der Bedienung ist noch einiges mehr erweitert und verbessert worden. So sind z.B. alle Arbeiten einschließlich Menüs und Dialogboxen (sogar Alarmboxen) per Tastatur steuerbar. Das war notwendig, weil ein Makrorekorder eingebaut ist, der sich im Lernmodus alle Tastatur- oder Mausaktionen merkt und dann auf Wunsch in der Originalgeschwindigkeit oder in der maximal möglichen Geschwindigkeit (hallo TT-Besitzer) alle Befehle abarbeitet. Das dadurch erfaßte Makro kann als eigene Datei abgespeichert werden. Der Clou liegt aber darin: Durch die Desktopfunktion Anwendung anmelden kann mit einem Doppelklick auf die Makrodatei automatisch DISKUS nachgeladen werden, welcher das Makro abarbeitet und dann wieder zum Desktop zurückkehrt. Einem automatisierten Datentest steht nun nichts mehr im Wege.

Werfen wir doch einmal einen Blick auf die inneren Werte von DISKUS. Diskmonitor heißt natürlich auch, daß ein Bearbeiten von Dateien möglich ist. DISKUS bedient sich hier eines File Selectors besonderer Art. Nicht, daß dieser Selector schöner wäre, als der Standard-Selector, dafür sind aber einige besonders pfiffige Aktionen möglich. Manche Dateioperationen (Kopieren, Löschen) können über diesen Selector gleich auf mehrere Dateien angewendet werden. Hierzu können einerseits Wildcards („?“ und hat also nichts mit Spielkarten zu tun) eingesetzt werden. Darüber hinaus darf man aber auch mehrere Dateien gleichzeitig selektieren. Interessant ist die sogenannte „Negativ-Auswahl“. Wird der entsprechende Knopf angeklickt, so werden die ausgewählten und nicht ausgewählten Dateien vertauscht. Dieser Mechanismus ist dann praktisch, wenn es darum geht, eine Operation auf alle Dateien bis auf eine anzuwenden.

Ungewöhnlich ist die Tatsache, daß DISKUS keine getrennten Modi kennt, was die Bearbeitung von Sektoren bzw. Dateien anbetrifft. Das Programm hat jederzeit den Überblick, welcher Sektor zu welcher Datei gehört. Damit der Benutzer auch etwas davon hat, können diese Informationen jederzeit per Mausklick abgerufen werden.

Optimierung

Nachdem wir eingangs bereits auf mehr oder weniger typische Festplatten-Probleme gestoßen sind, gibt es nun eine Zugabe: Wird eine Festplatten-Partition intensiv genutzt, so sinkt mit der Zeit die Geschwindigkeit des Datenzugriffs. Nein, die Platte hat nichts von ihrem Elan verloren und dreht nach wie vor gelangweilt ihre Runden. (Jedenfalls wollen wir das hoffen.) Häufiges Schreiben und Löschen von Dateien sorgt jedoch dafür, daß die Daten nicht mehr zusammenhängend auf der Platte angeordnet sind, sondern ein mehr oder weniger großes Durcheinander vorliegt. Mit Hilfe des in DISKUS integrierten Festplatten-Optimizers, der übrigens auch auf Disketten losgelassen werden kann, können die Dateien wieder zu einer Einheit zusammengesetzt werden, was für nahezu optimale Zugriffsgeschwindigkeiten sorgt.

Wie bitte, nahezu optimal genügt Ihnen nicht? Nun, wenn es sein muß, kann DISKUS bei der Optimierung noch einen Schritt weitergehen. Schließlich ist man meistens daran interessiert, daß auf Programme (also Dateien mit Extensions wie PRG oder TOS) besonders schnell zugegriffen werden kann. Dazu ist es jedoch notwendig, daß diese Dateien innerhalb eines Ordners möglichst schnell gefunden werden. Liegt jedoch ein Ordner vor, der 100 Dateien enthält und befindet sich ein häufig benötigtes Programm als letzte Datei in diesem Ordner (so ist das laut Murphy nun mal), so geht einiges an Zeit alleine für das Suchen des Dateinamens verloren. Um hier Abhilfe zu schaffen, bietet DISKUS die Möglichkeit zum Sortieren von Dateien nach deren Extension. Programmdateien lassen sich so problemlos am Beginn eines Ordners unterbringen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit interessant, die Reihenfolge von Dateien durch gezieltes Vertauschen zu beeinflussen. Besonders praktisch ist dies innerhalb des AUTO-Ordners, da dessen Dateien in der Reihenfolge gestartet werden, in der sie gespeichert wurden. In manchen Fällen ist es notwendig, diese Abfolge ändern zu können.

Datentest

Vorbeugen ist besser als Ärgern. Getreu diesem Motto bietet DISKUS dem geplagten Anwender vielfältige Möglichkeiten, Daten zu testen und Fehler zu diagnostizieren. Dabei stehen nicht nur einfache Lese- oder Schreibtests zur Verfügung. Von diesen werden ja nur physikalische Gebrechen, Verzeihung, Fehler, erkannt. Wichtig ist es, auch logische Fehler erkennen zu können. So kann eine defekte FAT (File Allocation Table, enthält Angaben über die Belegung einzelner Sektoren) empfindliche Datenverluste zur Folge haben. Solche Fehler können von DISKUS rechtzeitig entlarvt werden.

Datensicherung

Gut beraten ist man im Falle eines Datenverlustes dann, wenn man sich beizeiten Sicherheitskopien in Form eines Backups angelegt hat. Je schneller so etwas erledigt werden kann, umso besser. DISKUS bietet aufgrund eines flexiblen Diskettenformats eine schnelle Backup-Möglichkeit für komplette Festplatten-Partitionen. Da es möglich ist, HD-Disketten als Backup-Medium zu nutzen, hält sich die Zahl der benötigten Disketten auch bei großen Partitionen durchaus in Grenzen. Leider unterstützt es DISKUS nicht, Backup-Kopien einzelner Dateien anzulegen.

Wem ein Backup nicht schnell genug gehen kann, dem steht übrigens eine spezielle Programmfunktion zur Verfügung: Der Inhalt einer kompletten Festplatten-Partition kann in wenigen Sekunden auf einer zweiten Partition untergebracht werden. Da bleibt nicht mal mehr Zeit für eine Kaffeepause.

Spezialitäten

Inzwischen sind auch HD-Laufwerke am ST keine Seltenheit mehr. Zwar ist der Floppy-Disk-Controller des ST nicht unbedingt willens, HD-Disketten mit einer Kapazität von bis zu 1.6 MByte anzusprechen, aber er läßt sich mit geeigneter Hardware immerhin dazu überreden. Laut DISKUS-Handbuch ist der TT-Besitzer besonders fein ‘raus: Der TT soll HD-Laufwerke ohne zusätzlichen Hardware-Aufwand unterstützen.

Was den TT betrifft, unterstützt DISKUS dieses Gerät überhaupt in jeder Hinsicht. Zugriffe auf die interne SCSI-Platte stellen kein Problem dar. Ein Festplattentreiber, der für ST und TT geeignet ist und auch Wechselplatten unterstützt, ist im Lieferumfang zu DISKUS neben anderen Hilfsprogrammen enthalten. Dieser Treiber ist kompatibel zu AHDI V4.x, bietet aber einige zusätzliche Spielereien.

Die Option Segmentdaten erlaubt es nun, neben dem Fast-Load-Flag zwei weitere im Kopfteil einer Programmdatei zu setzen. Da der TT zwei unterschiedliche RAM-Arten besitzt, kann mit diesen Flags bestimmt werden, welches RAM dem Programm zur Verfügung gestellt werden soll. Die Einstellung Programm läuft in TT-RAM sorgt für den Transport in den schnellen Arbeitssspeicher, wenn der Platz hierfür ausreicht, während der Schalter Malloc verwendet TT-RAM das TT-TOS bei Malloc-Aufrufen veranlaßt, Speicher im TT-RAM zur Verfügung zu stellen.

Ein Programm für Jedermann?

Gerade das Gebiet Disketten und Festplatten ruft oft Erinnerungen hervor, die der Computer-Anwender gerne verdrängt. Die Rede ist von Datenverlusten vor denen man nie ganz sicher ist. Gerade im Falle eines Falles ist der Einsatz eines geeigneten Utility-Programms die einzige Chance, eventuell noch etwas zu retten. (Murphy’s Gesetz besagt, daß ein Datenverlust nur dann auftritt, wenn man kein solches Programm besitzt.) DISKUS stellt viele Funktionen zur Verfügung, verlorene Daten automatisch zu rekonstruieren. Sei es ein gelöschtes Directory, ein zerstörter Boot- oder gar Rootsektor, eine irrtümlich gelöschte Datei.

Eine programmgesteuerte Datenrettung ist allerdings nicht in jedem Fall möglich. Und genau hier liegt für den nicht so erfahrenen Anwender der Haken: Wie soll man Daten reparieren, von deren Aufbau man keine Ahnung hat? DISKUS versucht, hier unter die Arme zu greifen. Das umfangreiche Handbuch ist in zwei Teile gegliedert. Auf die Besprechung der eigentlichen Programmfunktionen folgt ein allgemeiner Teil, der auf Grundlagen der Datenspeicherung eingeht, aber auch spezielle Themen behandelt. Unter anderem wird die Frage behandelt, wie man Fehler auf Datenträgern lokalisieren und eventuell beheben kann. Praktisch, wenn man nicht auf Anhieb weiß, wie man lapidare Meldungen wie Daten auf Disk A: defekt zu bewerten hat. Auch Hinweise, was es beim Kauf von Festplatten zu beachten gibt, fehlen nicht.

Bücher wie „Scheibenkleister“ kann das Handbuch zu DISKUS natürlich nicht ersetzen. DISKUS V2.0 ist für 179,- DM erhältlich, eine Demoversion gibt es für 10,-. (Ich habe mir sagen lassen, daß es bei dieser Version im Gegensatz zu Demoversionen anderer Programme leider nicht möglich ist, fehlende Routinen auf die Schnelle nachzurüsten und so eine Vollversion zu basteln.) Für Programme, die einzig und allein die Festplatte optimieren, werden häufig schon mehr als 100,-DM verlangt. Somit ist der Preis für DISKUS relativ niedrig angesetzt. Man erhält ein umfassendes Utility-Programm, das gleichermaßen für den normalen Anwender als auch für den Profi geeignet ist.

DK

Bezugsquelle:

CCD Creative Computer Design Hochheimer Straße 5 W-6228 Eltville



Aus: ST-Computer 05 / 1991, Seite 50

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