Früher. Ganz, ganz früher: Die Geschichte des Leiterplatten-CAD

Bild 1: Schaltplanzeichnung am professionellen CAD-Arheitsplatz

Vor vielen Jahren, als es den C64 noch gar nicht gab und es mit dem heute so beliebten Industriestandard auch noch nicht weit her war, mußten bereits elektronische Leiterplatten hergestellt werden; für Fernsehgeräte, Telefone, Radiogeräte usw. Wie wurde es damals und wie wird es heute angestellt, hochwertige Leiterplatten mit einer hohen Bestückungsdichte zu entwerfen?

Eine Möglichkeit, eine Schaltung aufzubauen, ist die (hoffentlich) durchdachte Anordnung der einzelnen Bauteile auf einer Lochrasterplatine und dann die Verdrahtung von Hand. Doch eignet sich dieses Verfahren höchstens zur Fertigung von Prototypen, bei denen so wieso noch einige technische Änderungen zu erwarten sind. Es muß also eine Vorlage her, von der Leiterplatten, die zum einen als Träger der Bauteile fungieren und zum anderen deren elektrische Verbindung übernehmen, in (fast) beliebiger Anzahl produzierbar sind.

Layouten von Hand

Also setzte sich damals der Ingenieur und manchmal heute noch der Hobby-Elektroniker an seinen Arbeitsplatz, legte alle auf diesem befindlichen überflüssigen Sachen auf den Fußboden, kramte eine Folie, ein Skalpell und einige Abreibsymbole aus der Schublade hervor und fing mit dem Layouten an.

Dabei half ihm der zuvor ebenfalls mit der Hand gezeichnete Schaltplan. Als er nach 6 Stunden konzentrierter Arbeit und 14 Tassen Kaffee feststellte, daß er eine Leiterbahn falsch verlegt hatte, hieß es ärgern und ärgern... Also mußte der Übeltäter (gemeint ist die Leiterbahn) wieder vorsichtig von der Folie abgehoben und erneut verlegt werden. Problematisch wurde es auch, als dieser Ingenieur im Laufe der Layout-Arbeit sich selbst den Weg für eine weite Verbindung verbaut hatte. In diesem Falle mußte in der Regel die Arbeit von vorn begonnen werden.

War die Arbeit beendet, steckte er das neue auf der Folie entstandene Layout in eine Plastikhülle und heftete es in einen Ordner, den er sodann hochkant zurück in das Regal stellte. Nach einigen Tagen, als das Layout nun benutzt werden sollte, waren zwar alle Leiterbahnen und Lötau gen noch da, aber sie hatten sich zu den anderen ihrer Sorte an den unteren Rand der Plastikhülle gesellt. Kurzum, sie waren von der Folie abgefallen. Und ärgern und ärgern... Beim dritten Versuch passierte unserem beharrlichen Menschen ein kleines Mißgeschick - ihm rutschte das Skalpell aus und hinterließ einen tiefen Kratzer in der Folie. Unbrauchbar, denn Kratzer dieser Dimension beeinträchtigen die Qualität der (vielleicht noch entstehenden) Platine. Und ärgern und ärgern...

Was machte der Ingenieur? Er kündigte seinen Job, kaufte sich von seinem letzten Geld ein Ticket für den Orient Express und fuhr weit, weit weg. Einige 1000 Meilen, entfernt von jeglicher Zivilisation.

Ernst beiseite

Nun ja, zugegeben, das eben Erzählte trifft wahrscheinlich nicht ganz zu und ist ein wenig übertrieben. Auch wenn nicht alle diese Fehler bei ein und demselben Layout passierten, so waren diese Punkte tiefgreifende Schwachstellen in der Produktion von Leiterplatten, die nicht nur Nerven, sondern vor allen Dingen auch Geld kosteten. Schaltpläne, die vor einem Entflechten der Platine natürlich vorhanden sein müssen, wurden während der ganzen Entwicklungszeit von Hand und nur mit Bleistift gezeichnet, um später noch Änderungen vornehmen zu können. Das Papier konnte auch noch so stark sein - irgendwann war es durchradiert. Sollte die Handskizze trotz alledem endlich fehlerfrei sein, wurde da von eine Reinzeichnung am großen Zeichenbrett erstellt. Diese Reinzeichnung diente dann dem Layouter als Arbeitsunterlage, um die Platine zu entflechten.

Nach der Fertigstellung des Layouts (Maßstab 2:1 oder gar 4:1) wurde davon ein Repro („Film“) erstellt, das dem end gültigen Maßstab 1:1 entsprach. Dieses Repro, wiederum eine Folie, wurde auf eine kupferkaschierte, mit einer UV-empfindlichen Schicht versehene Leiterplatte gelegt (Ränder mit Klebefilm fixiert) und mittels UV-Licht belichtet. Danach er folgten das Entwickeln (all die Flächen, die durch die Folie belichtet worden sind, wurden von der widerstandsfähigen UV- Schicht befreit), das Ätzen und anschließend noch das Reinigen der Platine. Jetzt mußte noch gebohrt und Durchkontaktierungen (wenn die Platine von beiden Seiten belichtet wurde) mittels feiner Nieten hergestellt werden. Das alles war, wie gesagt, ziemlich zeit intensiv und somit auch teuer. Fehler schlichen sich leicht ein, und der Bauteilegröße waren enge Grenzen gesetzt - ein Mensch kann halt nicht genauer als genau sein. An SMD-Technik war also überhaupt noch nicht zu denken. Der Gegenwart entgegen Die Zeit der Mikrocomputer brach an. Was liegt also näher, als den Computer mit der Aufgabe des Schaltplanzeichnens und der Entflechtung der Leiterplatte zu be auftragen? Also machten sich einige kluge Köpfe an die Programmierung der Software, die bis heute viele Zwischenstufen durchmachte. Immer bessere und erschwinglichere Computertechnik schuf einen neuen Begriff: CAPCBD - Computer Aided Printed Circuit Board Design (verstehen Sie jetzt den Grund der Abkürzung ?). Der Computer unterstützt den Anwender von der Zeichnung des Schaltplans bis hin zur Fertigung der Leiterplatte in einer Geschwindigkeit und Grafikauflösung, daß die Adjektive „bequem, schnell und günstig“ zutreffen.

Platinenherstellung heute

Eine typische Computeranlage zum Entwerfen von Leiterplatten (Schaltbild und Layout) könnte aus einem 386er-AT mit Coprozessor, Festplatte, 19"-Farbbild- schirm und einer VGA-Karte (768*1024 Bildpunkte, mehrere Farben gleichzeitig darstellbar) bestehen. Da fehlt dann noch die Software, die sich durch alle Preisklassen zieht: Sie können für ein Layout- Programm 1000 DM oder aber auch 50.000 DM bezahlen - Sie haben „die freie Wahl“.

Solche „Layoutsoftware“ ist eigentlich nichts anderes als ein CAD-Programm für einen speziellen Einsatz; nämlich zum Entflechten von Platinen (Leiterplatten). Warum aber die hohen Preise?Nun, zum einen stecken in solchen Programmen unzählige Programmierstunden, und zum anderen ist dies ein Bereich, wo die Verkaufszahlen nicht so hoch wie bei Computerspielen sind -ein gutes CAD-Programm kostet für den Atari ST auch schon zwischen 1000 DM und 2000 DM.

Das Prinzip

Als erstes zeichnet man einen Schaltplan - ja, auch das ermöglicht jede bessere CAPCBD-Software. Dazu stehen dem Anwender viele schon vordefinierte Bauteile zur Verfügung, die er „nur“ noch auf dem Arbeitsfeld plazieren und die entsprechenden Verbindungen herstellen muß. Hat man sich von der Korrektheit des Schaltplans überzeugt, wechselt man in den Layout-Teil des Programmes und findet irgendwo auf dem Bildschirm einen Haufen vieler Striche, die einem Chaos gleichen. Dabei handelt es sich im günstigen Fall um die vorher im Schaltplan verwendeten Bauteile oder im schlechten Fall um einen Programmabsturz (grins - sollte eigentlich nicht passieren). Der Computer hat also schon alle Bauteile für den Anwender aus der Bibliothek herausgesucht und stellt sie zum Plazieren bereit. Dabei fallen dann die „Gummibänder“ (Linien, die beim Bewegen eines Bauteils mitgezogen werden) auf, die die Verbindungen verkörpern, die der Anwender zuvor im Schaltplan eingezeichnet hat. Sind alle Bauteile plaziert, könnte man glauben, ein Spinnennetz vor sich zu haben, denn die Bauteile sind mittels der Gummibänder auf dem kürzesten Weg, also kreuz und quer, miteinander verbunden. Die eigentliche Layout-Arbeit beschränkt sich also auf das ordnungsgemäße Verlegen dieser Gummibänder, bis sie sich nicht mehr kreuzen (wäre ja ein Kurzschluß). Durch diese Methode wird schon die Fehlerquelle „Vergeßlichkeit“ stark eingeschränkt. Einige Software-Pakete bieten zusätzliche Kontrollmöglichkeiten, auf die wir später noch zu sprechen kommen.

Es gibt auch Bestrebungen, sich jegliche Layout-Arbeit vom Computer abnehmen zu lassen - das Programm besitzt dann einen sogenannten „Autorouter“. Aller dings konnte man in dieser Hinsicht noch nicht viel Erfolg verzeichnen; selbst ein Programm für ca. 50.000 DM besitzt keinen brauchbaren Autorouter. Auf der an deren Seite kann der Computer natürlich auch nicht wissen, daß die und die Leiter bahn ein HF-Signal führt und deshalb so kurz wie nur irgend möglich ausfallen sollte.

Die Ausgabe der Platinen-Layouts geschieht meist nicht mehr über Drucker oder Plotter. Es wird eine sogenannte Gerber-Datei auf Diskette geschrieben, die alle für die Platinenherstellung benötigten Daten enthält. Diese Diskette wird einfach dem Platinenservice gegeben, und man erhält so Platinen, die in einer unheimlich hohen Präzision gefertigt wurde.

Bei einem Ausdruck auf Papier muß die Herstellerfirma die einzelnen Bohr- sowie Fräskoordinaten erneut ausmessen. Hat solch eine Firma aber eine Gerber-Datei zur Verfügung, kann direkt davon ein Film belichtet und auch die CNC-Maschine (bzw. deren Steuerungscomputer) direkt mit den entsprechenden Daten gefüttert werden. Das ist letztlich natürlich viel genauer als das manuelle Ausmessen.

Nach einigen Wochen (allerdings nicht zum zugesagten Termin - eher später) be kommt der Auftraggeber dann seine Platinen geliefert und führt vor Glückseligkeit einen Freudentanz auf.

Bild 2: Die Platine auf dem Bildschirm. Deutlich sind die „Gummibänder“ zu erkennen, die verlegt werden müssen.

Layout mit dem ST

Von der oben angesprochen Software- Sparte gibt es bei den PCs eine fast unüberschaubare Anzahl an Programmen. Aber da der Hobbyanwender, der ab und zu mal eine Platine entwerfen will, sich bestimmt keine teure CAD-Anlage auf Basis eines 386er-ATs leisten kann, haben wir uns ein wenig für Sie auf dem ST- Markt umgeschaut und einige CAPCBD-Vertreter herausgesucht. Einer dieser Vertreter, das schon vorweg, hat uns so fasziniert, daß wir ihm in dieser Ausgabe einen ausführlichen Testbericht widmen.


Robert Osten
Aus: ST-Computer 05 / 1991, Seite 56

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite