K-Spread 4 - Das Leben in der Zelle

Sagte doch Heinz Erhard: „Das Leben beginnt, auf alle Fälle, in einer Zelle und endet oft, bei Strolchen, in einer solchen“ Und wenn wir es genau nehmen, findet das „Leben“ einer Tabellenkalkulation auch in Zellen statt. Nun stellt sich uns die Frage: „Wat is egentlich ene Tabellenkalkulation?“ Worauf die Antwort folgt: „Dat isene Programm, da kann man wat reintun, nämlich Daten.“ (Zitate aus dem Handbuch -geistiger Vater unbekannt).

Diese besagten Daten nun aber, es kann beispielsweise ein Text, eine Zahl oder eine Formel sein, schreibt man nicht wahllos auf den Bildschirm, sondern sie werden von jenen Zellen aufgenommen, die das gesamte Rechenblatt ausfüllen. Zellen sind also eine Art Speicherfächer innerhalb dieses Programms. Apropos: Computerprofis benutzen in diesem Zusammenhang gerne auch den aus der Datenbankterminologie entlehnten Begriff „Felder“, der natürlich ebenso seine Gültigkeit hat.

Wozu braucht man denn nun typischerweise ein Tabellenkalkulationsprogramm? Um vielleicht gerade einmal kurz einige Zahlen zu addieren, dafür gibt es bekanntermaßen Taschenrechner beliebiger Bauart, auch Kopfrechnen soll wieder in Mode kommen. Der gefürchtete Dreisatz dürfte mit ein wenig Papier und Bleistift schneller gelöst sein, als wenn ein Großcomputer hierzu beansprucht werden würde. Für alles das lohnt es sicher nicht, den Computer nebst Festplatte Warmlaufen zu lassen.

Andererseits gibt es ganz spezielle Rechenbeispiele, die auch schon die Grenze eines Tabellenprogramms sprengen. Obwohl solche Software durchaus mit viel Zeit und Speicherplatz in der Lage wäre, eine Industriebilanz oder eine umfangreiche Konzernbuchhaltung zu bewältigen.

Wie dem auch sei, man kann sich durchaus eine Vielzahl von Anwendungen vorstellen. bei denen eine Tabelle genau die richtige Arbeitsplattform ist. Gerade wenn es darum geht, regelmäßig gleichverlaufende Rechenarbeit zu delegieren, also z.B. die Gehaltsabrechnung mit ihren verschiedenen Abhängigkeiten zu Sozialabgaben und Steuern, den Lohnsteuerjahresausgleich mit den verschiedensten Höchst- und Mindestsätzen oder gar eine Auftragsabwicklung durchzurechnen (halt wirklich zu „kalkulieren“), dann wird die „Tabelle“ wahrscheinlich genau das richtige sein.

Bild 1: Das Antlitz von K-Spread: typisch Tabelle
Bild 2: In der Hauptmenüleiste ist es wegen Befehlsgedränge schon fast zu eng geworden.
Bild 3: Die Menüs der Grafikabteilung sind sparsam ausgestattet, oft mit nur einer Funktion.

Alte Namen - neue Namen

Kaum eine andere Branche ist so schnellebig, wie die der Computer und ihrer Anwendungen (wem sag ich das). So gab es auch in der Atari-Welt klangvolle Titel von Tabellenprogrammen, wie VIP Professional, Logistix, LDW-Powercalc, Basicalc. Mit ein Programm der ersten Stunde war K-Spread von der englischen Firma KUMA. (Übrigens gesprochen wird K-Spread: „Käsbrett“.) Nunmehr legt uns die Firma OMIKRON aus Pforzheim „K-Spread 4“ vor, wobei der Name signalisiert, daß es sich hierbei um eine Weiterentwicklung des bekannten KUMA-Produktes handelt.

Auf den ersten Blick erkennt man durchaus Ähnlichkeit im Aussehen der Arbeitsoberfläche mit dem der Mitbewerber (man möge mir diese Bemerkung verzeihen). Da haben wir die typische Anordnung der Zellen in einem Fenster, Zeilen haben Kennummern, Spalten haben Kennbuchstaben, sehen oben unsere Menüzeile, auch einige Icons zieren das Bild. Aber bald ist es mit der Ähnlichkeit vorbei.

Globale „innere“ Werte

Sehen wir uns doch gleich einmal die technischen Daten von K-Spread an: Pro Arbeitsblatt sind bis zu 8192 Zeilen mal 256 Spalten, also 2097152 Zellen definiert. „Definiert*' heißt, es gibt so viele Bezeichnungen für Zeilen und Spalten, das bedeutet aber noch lange nicht, daß diese auch bis zum Rand mit Daten gefüllt werden können. Gerade das ist das Haupt Problem aller Tabellenprogramme, daß sie uns ein astronomisch großes Arbeitsblatt Vortäuschen, das überhaupt nicht völlig ausgenutzt werden kann. Sehr oft macht uns eine physische Grenze im Computer einen Strich durch die Rechnung: der freie Arbeitsspeicher.

Testen wir doch K-Spread einmal: Am besten eignet sich hierzu die sogenannte Fill-Funktion. Mein Mega ST2 meldete mir 1619 kByte freien Arbeitsspeicher, wovon 370 kByte durch K-Spread und weitere 16 kByte durch das offene, noch leere Arbeitsfenster beansprucht wurden. Dann ließ ich die Fill-Funktion einfach die Zellen „A0" bis „Z5000" mit fortlaufenden Zahlen (Iteration 1) vollschreiben, was eine Gesamtanzahl von 130025 Zellen betraf. Das Programm benötigte dafür 4 Minuten 35 Sekunden und meldete mir hernach „Out of Memory" (was eigentlich zu erwarten war). Fast wäre also die gewünschte Operation vollständig abgelaufen, denn es wurden effektiv 109785 Zellen vollgeschrieben.

Hierdurch sieht man sehr deutlich, daß der sogenannte nutzbare Tabellenraum in Wahrheit viel kleiner ausfällt als der theoretisch definierbare (siehe oben). Aber dafür kann K-Spread nun wirklich nichts, das ist eine typische „Berufskrankheit" aller Tabellenprogramme. Letztenendes fallen die meisten Tabellenanwendungen nicht so umfangreich aus, daß in der Tat mehr als 100000 ansprechbare Zellen (bei meinem Mega ST2) oder gar über 2 Millionen (theoretisch) wirklich nötig sind.

Auch am Arbeitsspeicher orientiert sich ein weiteres Kriterium: K-Spread erlaubt, übrigens als einzige Tabellenkalkulation auf dem ST/TT, beliebig viele Arbeitsblätter offenzuhalten, womit wohl mehr das gleichzeitige Offenhalten von Datendateien gemeint ist. Darstellbar sind dann maximal 8 gleichzeitig offene Fenster. Eine Funktion des Programms nutzt dies nun aus. Es ist eine „übergreifende Cut-and-Paste". So kann ein markierter Block in einem Rechenblatt unmittelbar in ein anderes (offenes) übertragen werden. Der Umweg über ein Klemmbrett oder gar ein Export-Import wie bei anderen Programmen ist nicht mehr nötig. Abgesehen davon ist auch ein Zugriff auf Werte oder Inhalte anderer (ungeöffnete) Tabellen, z.B. aus Formeln heraus, problemlos möglich.

Das Menü bitte

Also einmal einen Sprung in die Menüleiste gewagt (Bild 2). Das sind nicht gerade wenig Einträge, die ihre Funktionen dort verstecken. Trotz der Fülle sind die Pull-Down-Menüs den GEM-Restriktionen gemäß geordnet, beispielsweise durch Trennstriche abgegrenzt. Sehr sinnvoll ist die Anmerkung bei den meisten Menüeinträgen, daß die dortigen Arbeiten auch per ALT- oder CTRL-Tastenfunktion startbar sind. (Früher oder später kehren Sie ohnehin zu den Tastaturkürzeln zurück.) Wenn wir dann noch in den Grafikmodus schalten oder ein Grafikfenster aktivieren, tut sich uns eine weitere Menüleiste auf, die nunmehr Grafikfunktionen offenbart. Diese Praxis zeigt, daß den Programmierern die normale Menüleiste schon zu voll geworden ist (ein altes Lied).

Mehr durch Zufall (weil ich das Handbuch nicht lese) bin ich auf eine zweite, direkt zugängliche Menüleiste (Fn Tr Op Lo Tm Db Fi S1 S2 Ex) gestoßen. Sie „verbirgt" sich unmittelbar unter der obersten Hauptleiste und heißt Funktionenmenü. Hier ist nun aber die Bezeichnung mit den „Funktionen" wirklich angebracht, denn es sind dort eben die über 100 mathematischen, logischen, Finanz-, String- und Datenbankoperationen untergebracht (siehe Bild 3). Bemerkenswert: Es können beliebig viele weitere Funktionen bzw. Operationen vom Benutzer frei definiert und abgespeichert werden.

Und nun gibt es auch noch am untersten Bildrand eine Funktionstastenleiste. Dort sollen laut Handbuch die am häufigsten benutzten Aufgaben zu finden sein. Nun, was „Ändern" (Fl), „Eingeben" (F2) und „Gehe zu“ (F5) anbelangt, glaub’ ich das gerne, aber kommt es denn so oft vor, daß man ständig zwischen globaler Neuberechnung des gesamten Arbeitsblattes (F9) und Neuberechnung eines definierten Bereiches (Fl0) wählen muß? Da hätte man doch sicher weit sinnvollere Tätigkeiten finden können, die einer Beförderung zur Funktionstaste wert gewesen wären. Mein Urteil: Noch einmal darüber nachdenken.

Links und rechts vom Funktionenmenü sind noch einige Anzeigeelemente und winzige „Schalterchen“ zu sehen, die uns im Moment (weil leeres Rechenblatt) nicht viel zu sagen haben. Ganz schnell ins Auge fällt - die Edit-Zeile, weil sie sich über die ganze Bildschirmbreite erstreckt. Sie reflektiert eine bevorstehende Eingabe, wenn man gerade schreibt oder einen wahren Inhalt, wenn der Cursor auf einer belegten Zelle steht.

Als Fazit zu diesem Kapitel läßt sich durchaus ein kleiner Minuspunkt vermerken: K-Spread hat verwirrend viele Bedienungselemente, was andere Rezensenten (je nach Standpunkt des Betrachters) auch wieder positiv auslegen können: „Das Programm kann eben viel“. Dennoch stoßen die Riesenauswahl in den Pull-Down-Menüs, die zweite Menüleiste sowie eine zusätzliche Ausnutzung von Funktionstasten, Icons und Schaltern in meinen Augen an die Grenze der Übersichtlichkeit. Es liegt der Verdacht nahe, daß neu hinzugekommene Programmfunktionen einfach zusätzlich in die Menüs verfrachtet wurden, so wie zwangsweise neue Bedienungselemente hinzuerfunden werden mußten.

Bild 4: Die Auswahl an Operatoren
Bild 5: Eine kleine Auswahl der Grafikmöglichkeiten

Hinein ihr Daten

Dort, wo sich eine Tabellenzeile und eine Tabellenspalte treffen, liegt die obligatorische Zelle. Mit dem Cursor (hier sehr vornehm „Zellzeiger“ oder „Feldzeiger“ genannt) steuert man im Rechenblatt eine bestimmte Zelle an. Die Auserwählte darf sich jetzt „aktuelle Zelle“ nennen, denn alles, was nun über die Tastatur Eingang findet, wird nur in diese Zelle geleitet. Es gibt also immer nur eine aktuelle Zelle, wie bei einem riesigen Essensspender im Automatenrestaurant, wo nach Münzeinwurf auch nur ein Klappfensterchen geöffnet werden kann.

Apropos Cursor: Sie haben zwei verschiedene auf dem Bildschirm! Schreibmarke Nr. 1 (auch Edit-Cursor genannt) gibt sich in weißer Farbe und ist zur besseren Sichtbarkeit als kleiner Rahmen dar gestellt. Er verdient den Namen zurecht, denn er ist für Eingaben in die aktuelle Zelle vorgesehen und wird ausschließlich mit den Cursor-Steuertasten bedient. Zellzeiger Nr. 2 wird sinnvollerweise auch Markierer genannt und bleibt in schwarzer Farbe auf dem Bildschirm. Ihm ist die Aufgabe zugedacht, u.a. für Markierungen von Bereichen, Bewegungen im Arbeitsblatt oder Zellkopien da zu sein und wird ausschließlich mit der Maus bedient. Das Hantieren mit zwei verschiedenen Cursoren (oder heißt das „Cursors“?) ist anfangs stark gewöhnungsbedürftig, wohl auch deshalb, weil es so etwas in anderen Tabellenprogrammen nicht gibt. Dennoch finde ich diese Idee genial.

Und hier gleich zu weiteren drei Pluspunkten von K-Spread:

  1. Die Feldbreite darf bis zu 80 Zeichen groß werden (mehr geht in normaler Systemschrift ohnehin nicht auf den Schirm).
  2. Es gibt eine sogenannte Feldhöhe(!), die bis zu 14 Zeilen umfassen darf. Genau dieser Umstand ist eines der herausragenden Merkmale von K-Spread. denn bei keiner anderen Tabellenkalkulation gibt es mehrzeilige Felder.
  3. Innerhalb eines Mehrzeilen-Textfeldes gibt es eine Wortumbruchfunktion (engl. wordwrap). Damit ist eine ausreichend nützliche Textverarbeitung möglich.

Tabellenprofis wissen es schon, es gibt drei verschiedene Datentypen, die unser Programm akzeptiert: Text, Zahl oder Formel. Sehr schön ist in diesem Zusammenhang eine Automatik, die sofort nach der ersten Zeicheneingabe feststellt, um welchen Datentyp es sich handelt (Kunststück). Wenn also eine Buchstabentaste als erstes gedrückt wird, liegt für diese Zelle der Datentyp Text fest. Eine Zelle kann bis zu 128 Zeichen aufnehmen. Abweichend von den Typen Text und Zahl bringt die Formel nicht zwangsläufig auch ihren wahren Inhalt (also die geschriebene Formel selber) auf den Bildschirm, sondern das schon errechnete Ergebnis. K-Spread 4 kennt drei verschiedene Arten von Operatoren, die übrigens durchaus bunt gemischt in einer Formel vertreten sein dürfen: arithmetische, logische und Textoperatoren.

Absolut ist relativ

Jede Zelle trägt die Kennzeichnungen der sie kreuzenden Zeile (eine Zahl) und Spalte (Buchstaben). Diese Angabe lokalisiert eine einzelne Zelle eindeutig gegenüber anderen, weshalb man diese Koordinatenangabe auch „Lokalisator" nennt. Nun kann es in einer Formel (durchaus typisch und nicht gerade selten) Vorkommen, daß mit der Koordinaten einer anderen auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Will heißen: Man braucht deren Inhalt zum Weiterrechnen. Also wird einfach die Koordinate eingetragen.

Jetzt kommt aber der Clou: Es gibt zwei verschiedene Typen von Koordinaten: relative und absolute. Der Unterschied macht sich beim Kopieren oder Verschieben der Zelle (mit der Formel drin) bemerkbar. Eine absolute Koordinate in einer Formel, z.B. „D9“ bezieht sich immer und jederzeit auf diese Zelle D9, gleichgültig wo sie im Arbeitsfenster sonst noch hinkopiert wurde. Eine relative Kennzeichnung verändert sich, wenn sich ihre Lage verändert. Wenn man also die Formel mit der „D9“ um drei Zeilen nach unten verschiebt, ändert sich die „9" in eine „12“. Beim Kopieren um eine Spalte nach rechts wird aus dem „D“ ein „E“ werden. Der sogenannte Bezugsabstand hat sich verändert, und die relative Angabe in der Formel ändert sich entsprechend.

Bild 6: Hier sieht man die Wirkung der verschieden großen Zellen besonders gut.
Bild 7: Das Ziel der Arbeit: sinnvolle Grafik, komplett mit automatischer Beschriftung

Datenbank

Da sich bei einer Tabellenkalkulation ohnehin alles in geordneten Kolonnen abspielt, lag der Schritt nahe, neben reinen Rechenaufgaben auch Datenbankfunktionen zu bescheren. So ist es auch problemlos möglich, die Tabelle als Datenbank, allerdings nur in der Listenform, zu verwenden. Besonders die geschickte Kombination von Datenbankbereich und Tabellen- bzw. Rechenbereich läßt Raum für sinnvolle Eigenentwicklungen.

In K-Spread besteht ein Datensatz grundsätzlich aus einer Tabellenzeile, die einzelnen Datenfelder sind die Zellen. Die oberste Zeile nimmt dabei eine Sonderstellung ein, sie gibt die maßgeblichen Feldnamen vor. Um nun beispielsweise nach einem bestimmten Namen suchen zu lassen, muß vorher fernab vom Datenbereich ein Kriteriumsbereich definiert werden. Dort müssen sowohl der Feldname als auch das Suchkriterium (also der gesuchte Name selber) explizit untereinander in einen freien Bereich der Tabelle geschrieben sein. Als Suchbegriff sind natürlich nicht nur Zahlen und Text zugelassen, sondern auch eine Formel, die beispielsweise eine logische Bedingung sein kann. In solchen Formeln sind alle mathematischen (größer, kleiner ...) und logischen Operatoren (alles, nichts, oder ...) zugelassen, die auch gemischt und ver schachtelt definiert sein können.

Des weiteren gibt es spezielle Datenbankfunktionen, die auf einen fest vorbestimmten Datenbereich oder die ganze Tabelle anwendbar sind: Durchschnittsberechnung, Anzahl der Datensätze, größter oder kleinster Wert einer Datenreihe bis hin zur Standardabweichung (um nur einige zu nennen).

Grafik

Jetzt müßte der Standardspruch wieder kommen: „Ein Bild sagt mehr...“ Natür lieh ist es sinnvoll, sich Ergebnisse langer Kolonnen. Vergleiche verschiedener Resultate oder einfach nur Gegenüberstellungen ähnlicher Sachverhalte grafisch ausgeben zu lassen. So gibt es wahlweise Torten-, 3 verschiedene Balken- und 2 Liniengrafiken, die aus dem Zahlenmaterial ansehnliche Diagramme fabrizieren. Die Beschriftung mit Titeln, Zahl- oder Prozent werten sowie einer Legende erfolgt automatisch. Auch beliebiger zusätzlicher Text kann eingebaut werden. Eine Grafik, ist sie erst definiert, wird sich auch bei Zahlenänderungen selbständig mitverändern. Die Grafikfenster können sogar als Vektorgrafik (Metafile) abgespeichert werden, um sie z.B. in Calamus oder SciGraph weiterzuverwenden.

Zugegeben, die Auswahl an Grafikmöglichkeiten ist nicht gerade groß, und der Hinweis im Handbuch, daß man ja mit anderen Programmen Weiterarbeiten könnte, zeigt, daß den Schöpfern von K-Spread nur ein Mindestmaß an Präsentationsgrafik vorschwebte. Aber einmal Hand aufs Herz, ist es wirklich nötig, zwischen unzähligen Variationsmöglichkeiten der Grafik wählen zu müssen? Schön wäre es zwar, aber in 80-90% aller Anwendungsfälle dürfte die derzeitige Ausstattung reichen. Vielmehr haben sich die Konstrukteure dieses Programms sinnvolle Arbeitshilfen einfallen lassen (z.B. völlig automatische Beschriftung der Grafikteile), die stärker zu Buche schlagen. Fazit zum Grafikteil: eherein Plus.

Makros

Oft kann man sich dabei erwischen, daß die selben Arbeitsabläufe mehrmals Vorkommen. Das wird natürlich dann ärgerlich, wenn es ganz stupide Wanderbewegungen im Arbeitsblatt sind; gehe zu, kopiere. markiere, gehe zu ... usw. Um diesem Frust abzuhelfen, gibt es eine recht nützliche Makrosprache, die es mit einer normalen Programmiersprache aufnehmen könnte. Sinnvoller wird diese Einrichtung, wenn es z.B. darum geht, bestimmte Formeln regelmäßig in gleicher Art und Weise anzuwenden, ständig wiederkehrende Rechen-, Such- oder Vergleichsvorgänge zu starten, oder auch, wenn es nur darum geht, eine regelmäßige Datensicherung zu fahren. Im Extremfall ließe sich mit der Makrosprache eine eigene Benutzerführung basteln, so daß Datentypisten, die nichts anderes tun, als nur Daten einzugeben, vom Arbeitsblatt selbst nicht viel zu wissen brauchen, die richtigen Positionen steuert das Makro wie von Geisterhand selbständig an.

K-Spread kennt zwei Wege, um ein Makro zu definieren. Entweder man weiß, was man will, und schreibt die einzelnen Makrobefehle in ein speziell vorbereitetes Fenster von Hand, oder man überläßt dem Makrorekorder diese Arbeit. Gerade die Arbeit mit diesem Makrorekorder ist für Anfänger sehr angenehm: Aufzeichnung starten, alle Arbeiten ausführen, Aufzeichnung anhalten, fertig. Selbst für nachträgliche Änderungen ist der Makrotext jederzeit zugänglich, was bei umfangreichen (aufgezeichneten) Arbeitsvorgängen sehr nützlich ist. Übrigens: Makros können andere (und sich selbst Achtung Endlosschleife - nützlich für Vorführungen) aufrufen, sogar ein Abarbeiten nach vorheriger Prüfung einer Bedingung ist machbar. Also alles fast wie eine große Programmiersprache, denn immerhin kennt die Makrosyntax fast 150 Befehle. Zusätzliches Bonbon: Auch die Grafik- und sogar GDOS-Funktionen sind per Makro steuerbar.

Beurteilung: Irgendwie müssen die K-Spread-Programmierer von den schlechten Beispielen der Branche durchaus Gutes gelernt haben. Bisher war es doch im mer so, daß ein Makro im eigentlichen Arbeitsblatt definiert sein mußte (siehe LOTUS 1-2-3 u.ä.). In K-Spread wird ein eigenes Arbeitsblatt für Makros verwendet. das dann auch eigenständig abgespeichert und von anderen Rechenblättern aus verwendet werden kann. Urteil: sehr sinnvoll und der Befehlsvorrat kann sich sehen lassen.

Bild 8: Nur ein Beispiel für die umfangreichen Dialogboxen

GDOS in Verantwortung

Das hinlänglich (un)bekannte GDOS, eigentlich ein Grundbestandteil des Digital Research GEM, erhält in K-Spread 4 neue Ehren. Ursprünglich hätte GDOS ebenso wie die GEM-Benutzeroberfläche in den ROM-Bausteinen Ihres Atari-Computers Einzug halten müssen. Weil aber das Rahmenbetriebssystem TOS (wer kennt es nicht?) viel zu umfangreich geworden ist (warum wissen die Götter) hat man großzügigerweise auf GDOS verzichtet. Programme die nun absolut nicht auf GDOS verzichten wollen (ironisch gemeint!), müssen dieses eben mit ausliefern und den Anwendern eine relativ umständliche Installationsprozedur aufzwingen. Glücklicherweise oder besser gesagt: nichtsdestotrotz haben die Erzeuger von K-Spread dem grafischen Gerätetreiber GDOS einige wichtige Aufgaben zugewiesen.

Um es aber gleich hier festzustellen. GDOS ist zum Betrieb von K-Spread nicht zwingend vorgeschrieben. Ist GDOS aber vor dem K-Spread-Start geladen worden (üblicherweise aus einem Auto-Ordner heraus), kann man alle GDOS-Fonts in die Arbeitsblattgestaltung mit einbeziehen. Sogar Proportional-Fonts und aufwendige Outline-Schriften werden korrekt behandelt.

Bis zum Jahresende wird die Firma Atari (hoffentlich) ihr neues FSM-GDOS der Allgemeinheit zugänglich gemacht haben. K-Spread hat seinen Test unter FSM-GDOS schon bestanden. Damit steht sogar der Verwendung von beliebig großen Vektor-Zeichensätzen nichts mehr im Wege.

Absolutes Bonbon unter GDOS: Jedem einzelnen Feld im Arbeitsblatt kann ein eigener GDOS-Font zugeordnet werden. Damit sind der freien Gestaltung Tür und Tor geöffnet. Überschriften erscheinen in wuchtig großen Lettern (wie es sich gehört), Randbemerkungen dürfen dagegen in winzigen Buchstaben ihre Information verbreiten, wichtige Ergebnisse könnten dann unterstrichen oder kursiv sein. Ein mitgeliefertes GDOS-Ausgabeprogramm bringt dann die ganze Kreation „WYSIWYG“ (muß ich die doofe Abkürzung wirklich noch erklären?) auf das Druckerpapier. Das ist schon fast DTP (Desk Tabellen-Publishing - kleiner Scherz des Autors).

Mein Urteil: Es ist nicht mehr als konsequent, daß die Programmierer nicht davor zurückschreckten, GDOS überhaupt zu verwenden. Vielen anderen Programmen wurde durch den GDOS-Mangel einiges an grafischer Vielfalt genommen, was die GEM-Oberfläche eigentlich von anderen Systemen abhob (nun gut, von Apples Mac und von Windows wollen wir erst gar nicht reden). K-Spread hat durch GDOS einiges an grafischer Reichhaltigkeit hinzugewonnen. Wertung: absolut positiv!

Jetzt kommt Farbe ins Spiel

Gerade in Richtung Farbenspiel hat der Produzentenkreis von K-Spread die Phantasie galoppieren lassen. Nicht nur, daß das Programm alle Groß- und Farbbildschirme unterstützt. Es läuft auch unter allen Auflösungen der Atari ST- und TT-Geräte. Aber in Richtung Farbenspiel hat man sich noch mehr ausgedacht. So kann man z.B. wahlweise negative Zahlen in der Tabelle automatisch rot darstellen lassen. Weiterhin sind die Schrift- und die Tabellenhintergrundfarbe für jede einzelne Zelle frei einstellbar. Nützlich würde so etwas sein, wenn man beispielsweise jede zweite Zeile mit einem anderen Farbhintergrund versähe, um eine große Tabelle mit kleiner Schrift übersichtlicher zu gestalten.

Insgesamt stehen vier verschiedene Farben mit jeweils vier Intensitätsabstufungen (Raster) zur Auswahl. Wertung: „Farbe ins Spiel“ bringt dieses Programm wahrhaftig. Wenn die Farbwahl durch die Benutzer sinnvoll gehandhabt wird, kann sich dies als sehr nützlich für das Gesamtbild erweisen.

Auf gute Zusammenarbeit

„Sag', wie hältst es Du mit der Kompatibilität?“ K-Spread kann nicht nur ASCII-Werte (und natürlich auch Texte) einlesen und automatisch den Zellen zuweisen, es hat sogar einen „Entwirr-Algorithmus“ eingebaut. D.h. wenn eine Datei importiert werden soll, sieht K-Spread nach, ob irgendwelche Strukturen in der Datei auf eine gewissen Ordnung schließen lassen. Wird eine solche Ordnung (z.B. bestimmte Trennzeichen, absonderlich viele Leer-, oder ASCII-Zeichen, die weder numerisch noch alphanumerisch sind) erkannt, so können diese sogenannten „zusammengeklebten“ Datensätze automatisch wieder auseinandergepflückt und auf einzelne Zellen verteilt werden.

Weiterhin versteht K-Spread das DIF-Format verschiedener Datenbankprogramme oder WKS/WRK von Lotus, LDW-Powerkalc sowie dergleichen aus den Programmen Lotus Symphony, DG-Calc und Easy Base, sowie verschiedener anderer Datenbanken und Omikron-BASIC. Diagramme übergibt K-Spread als Vektorgrafik an Calamus, als Metafile an SciGraph, und SciGraph macht daraus sogar eine PostScript-Datei.

Kleinigkeiten am Rande

Es sind (wie so oft) die Kleinigkeiten, die das Besondere eines Programms ausmachen. Bei K-Spread überwiegen etwas die „Plus-Kleinigkeiten“:

  1. Das Programm liegt in einer 285 kByte-Version gepackt vor, die sich auf 435 kByte „entblättert“. Beide Versionen sind direkt startbar, wobei die gepackte (logischerweise) etwas länger braucht.
  2. An die zwei Cursoren (stimmt diese Pluralform vielleicht?) muß man sich zwar erst gewöhnen, aber sonst sind sie sehr nützlich.
  3. Auch das „Farbenspiel“ dürfte der Übersichtlichkeit dienen und ist deshalb empfehlenswert, sofern man einen Farbmonitor betreibt.
  4. Mit einem Paßwort kann der Zugriff auf einzelne Arbeitsblätter gesperrt werden.
  5. Ein kleines Speicherinfofensterchen gibt Auskunft über den bisher verbrauchten und den noch freien Arbeitsspeicher. Diese Auskunft ist wichtig bei rasch anwachsenden Arbeitsblättern.
  6. Zeileninhalte können in Spalten und umgekehrt transferiert werden. So könnte es z.B. Vorkommen, daß man eine horizontal angeordnete Zahlenkolonne aus der Datenbank vertikal in der Tabelle haben möchte.
  7. Die Weitersprungfunktion ist in alle vier Richtungen einstellbar. D.h. wenn nach einer Eingabe die Return-Taste gedrückt wird, würde das Programm lediglich die Zelle schließen, und der Cursor bliebe stehen. Bei der Weitersprungfunktion geht der Cursor nach der Return-Taste in eine Nachbarzelle weiter. Sehr nützlich beim Eingeben langer Zahlenreihen.

Kommen wir aber auch einmal zu den „Minus-Kleinigkeiten“:

  1. Es gibt keine Hilfe-Funktion. Vielleicht, so dachten sich die Programmierer, ist sie auch gar nicht nötig, quasi als Rechtfertigung für das außergewöhnlich beleibte Handbuch? (Übrigens: In der großen weiten MS-DOS-Welt sind die sogen. Online-Hilfen ohnehin wieder out.)
  2. Beim Ausstieg aus dem Programm wird die Tabelle „gecleart“. D.h. es dauert eine geraume Zeit (je nachdem, wie voll die Tabelle war), bis K-Spread alles weggeräumt hat. Warum das so ist, konnte ich nicht ergründen.
  3. K-Spread unterstützt nicht den arithmetischen Coprozessor 68882 im Atari TT, und damit steht es in trautem Einklang mit allen anderen Tabellenprogrammen für den ST/TT.
  4. Das oben (5.) erwähnte Speicherinfofensterchen sollte unbedingt als permanent in der Arbeitsoberfläche sichtbar sein.

Epilog

K-Spread ist fast schon ein integriertes Paket. Ausgehend von der Tabellenkalkulation, stellt es ausreichend viele Funktionen für eine Datenbank und als Textverarbeitung zur Verfügung. Der Grafikteil ist im Umfang durchaus als befriedigend einzustufen. Ein sehr ausführliches Handbuch erklärt auf über 300 Seiten alles, was wichtig ist. Für einen ausreichenden Bilderdurchsatz, der die Theorie angenehm auflockert, ist gesorgt.

Ich scheue mich davor, so subjektive Aussagen wie „hohe Rechenzeit“, „schnelles Scrolling“, „guter Grafikteil“ oder „sauber programmiert“ in eine abschließende Bewertung mit einfließen zu lassen. Da müßte ein Vergleichstest zeigen, wie relativ diese Metaphern wirklich sind. Für den Anwender ist einzig und allein interessant, ob ihm mit K-Spread 4 ein nützliches Werkzeug an die Hand gegeben wird, und ob es ihm bei seiner Problemlösung behilflich sein kann.

Die kleinen Schwächen, die K-Spread 4 in seiner englischen Version noch hatte, sind nun völlig ausgemerzt, und es darf mit Fug und Recht behaupten eine runde Sache zu sein. Die, noch verbliebenen kleinen Schönheitsfehler (wer hat sie nicht?), tun dem durchweg positiven Gesamtbild keinen Abbruch und für DM 248 stellt sich hier ein Herausforderer, mit dem zu rechnen ist (im zweideutigen Sinne des Wortes).

DK

Bezugsquelle

Omikron Soft- und Hardware GmbH Sponheimstraße 12 W-7530 Pforzheim



Aus: ST-Computer 07 / 1991, Seite 20

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