Lars Blumenhofer
Der sichere Einstieg in die Datenfernübertragung
Markt & Technik, Haar
343 Seiten
DM 69,-
ISBN 3-89090-930-2
Daß man per Telefonleitung und entsprechender Gerätschaften (z.B. Modem oder Akustikkoppler) die Isolation der heimischen Computerstube überwinden kann, um auch andere EDV-Absolventen an seinen Gedanken teilhaben zu lassen, dürfte sich allmählich herumgesprochen haben. Dieser Volkssport, der so neu auch gar nicht mehr ist, nennt sich DFÜ (Datenfernübertragung). Der Verlag Markt & Technik hat aufs neue den Versuch gewagt, uns durch ein Buch über das weite Feld der DFÜ aufzuklären.
Kapitel Nr. 1 ergeht sich über fast 7 Seiten in grundsätzlichen Überlegungen zur DFÜ, legt die Gründe dar, warum Firmen nicht mehr auf DFÜ verzichten können, und hält eine flammende Fürsprache für BTX, das bildorientierte DFÜ-Medium der DBP-Telekom.
In Kapitel 2 erhalten wir einen Grundlehrgang über Modems, wie man sie unterscheidet, daß sie eine ZZF-Nummer haben müssen, wie man sie modifiziert und installiert, und was beim illegalen Anklemmen an das DBP-Telefonnetz zu beachten ist. Diese 17 Seiten sagen mehr über Modems aus als manch herstellerseitige Bedienungsanleitung. So darf auch ein kurzer Abriß des MNP-Fehlerbereinigungsprotokolls nicht fehlen - durchaus interessant.
Es folgt ein Kapitel, das die Theorie der DFÜ umspannen soll. Sehr lobenswert ist der Versuch, das OSI-Schichtenmodell aufzeigen und erklären zu wollen. Aber es bleibt beim Versuch, wenn selbst der Autor zugibt, daß „das OSI-Modell leider viel zu vielschichtig ist, um es hier umfassend darstellen zu können“ (Zitatende). Alles, was sonst für die Theorie noch übrig blieb, sind fast 7 Seiten Lexikon, die die wichtigsten Begriffe kurz erklären. Kapitel 3 ist bedauerlicherweise auf halber Strecke stehengeblieben.
Ausführlicher sind die anschließenden 66 Seiten über ein Terminal-Programm namens „Telix“, das als Shareware aus verschiedenen Mailboxen „gezogen“ werden kann. Es gibt wohl kein gedrucktes Handbuch zum Programm, weshalb der Autor ihm sehr viel Platz in seinem Buch einräumte. Was machen bloß alle diejenigen, die schon ein anderes DFÜ-Programm besitzen oder keinen MS-DOS-Rechner betreiben? So gesehen, hätte man das Buch gerechterweise „Der sichere Einstieg in die DFÜ mit TELIX“ nennen sollen. Und: Warum liegt dieses Programm oder evtl, ein ähnliches dem Buch nicht auf Diskette bei?
Auf den ersten Blick erscheint das Kapitel Nr. 5 erfreulicher. Es führt in das weite Feld der Mailboxen ein. Alles ist sehr ausführlich und sinnvoll beschrieben. Sehr schön zu lesen ist auch die Erklärung von 3 Mailbox-Netzen (FIDO, Zerberus und MagicNet), bei denen sich die privaten Box-Inhaber zum regelmäßigen Datenaustausch zusammenschließen. Aber was ist das: Muß man wirklich 9 1/2 Seiten verwenden, um ein Sitzungsprotokoll im FIDO-Netz, und ebenso 9 1/2 Seiten, um einen Zerberus-Ausdruck aufzuzeigen?
In ein paar wenigen Zeilen erfahren wir, daß es nebenbei auch noch kommerziell betriebene Mailboxen gibt, und was externe Datenbanken sind. Hier hätte ich mir etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht, aber scheinbar interessieren diese Themen den Freak nicht so sehr, weil es ja zusätzliches Geld kosten könnte. Auch wären deutlichere Aussagen zu Qualitätsunterschieden und Leistungsspektrum zwischen privaten und kommerziellen Boxen sinnvoll gewesen.
In Kapitel 6 lernen wir das Programm „CO/Session“ kennen. Jetzt plötzlich soll der geldergeizende Anfänger, für den kommerzielle Mailboxen nach Ansicht des Autors zu teuer geraten könnten, fast 800 DM für ein Fernwartungsprogramm übrig haben? Mit solchen Remotecontrol-Programmen kann man seinen Computer zu Hause fernbedienen.
Ich gebe zu, daß solche Fernwartungsprogramme wirklich faszinierend sind - nur, welcher DFÜ-Freak nutzt sie wirklich und ist bereit, knappe 800 DM auszugeben, nur um aus der Ferne eine Telefonnummer im heimischen PC zu suchen (Buchbeispiel)? Verbesserungsvorschlag: Gibt es nicht schon ein relativ einfaches BASIC-Listing, mit dem man ähnliche Ergebnisse hätte erzielen können?
Kommen wir zu Kapitel Nr. 7. Hier wird ein völlig anderer Telecom-Dienst beschrieben: Bildschirmtext. Ein bild- und vor allem farborientierter Datenübermittlungsdienst, der in Deutschland trotz hoher Subventionen des Staates nie den Kinderschuhen erwachsen ist. BTX ist zwar auch ein DFÜ-Dienst, aber mit den 24 Seiten in diesem Druckwerk völlig überrepräsentiert. Wo bleiben hier die Programmbeispiele und evtl, ein Software-Dekoder auf Diskette?
Kapitel 8 stellt uns die Frage, ob DATEX-P, der Datenpaketvermittlungsdienst der DBP-Telekom, ein sinnvolles Kommunikationsmedium sein könnte. Diese Abhandlung hat mir nun einigermaßen gefallen, wobei auch hier kaum Skizzen oder Abbildungen zu finden waren, außer dem schon bekannten OSI-Modell und einigen Protokollausdrucken. Es grenzt schon fast an Blasphemie, das Kapitel mit einem Kommentar über die Zukunft der Post auf knappen 17 Zeilen zu beenden.
Kapitel 9 umfaßt ganze 3 Seiten und erklärt, was ein „Nullmodem“ ist, und daß Markt & Technik das Programm „Lap-link“ anbietet. Wer nun nicht völlig verwirrt ist, kann sich in Kapitel 10 belehren lassen, wie man seine eigene Mailbox aufbaut, welche Programme es dafür gibt, und daß man als Mailboxer wahnsinnig kreativ werden kann. Schlimm ist das Kapitel 11, das ein Herr Less-ner beigesteuert hat. Da wird ein „3COM“-LAN auf 5 Seiten beschrieben. LAN heißt „local area network“ (Lokales Netz) und hat mit Datenfernübertragung überhaupt nichts zu tun.
Alles in allem: Für all jene Anwender, die wirklich von nichts wissen, ist dieses Werk als erster Anhaltspunkt durchaus geeignet. Leider fehlen aber auch hier - was für Bücher, die sich an Anfänger richten, wichtig ist - die zahlreichen Abbildungen, die mancherorts umschweifende Beschreibungen erspart hätten.
DK