CyPress - Klimawunder aus Flensburg

Der Atari ST ist für Textverarbeitung prädestiniert. Diese Weisheit ist nichts neues. Dennoch scheint es immer noch kein „perfektes“ Schreibsystem für unseren Lieblingscomputer zu geben, da es auch jetzt noch - immerhin mehr als fünf Jahre nach dem Erscheinen des 520 ST - ständig Neuerscheinungen in Sachen Textverarbeitung gibt. Dieses Mal habe ich mir ein Programm herausgepickt, das für sich in Anspruch nimmt, es sei die Textverarbeitung.

CyPress - die eigenwillige Schreibweise wird im Handbuch nett begründet - möchte nicht nur Nischen füllen, es will Textverarbeitung für Neueinsteiger und Power-User gleichermaßen sein. Wie es diesem Anspruch gerecht zu werden versucht, soll hier beleuchtet werden.

Geliefert wird CyPress in einem stabilen Schuber, der das ausführliche Handbuch, drei doppelseitige Disketten und die Registrierkarte enthält sowie eine Bestellkarte für weitere Zeichensätze und andere Produkte, die Shift vertreibt.

Dank Installationsprogramm geht das Einrichten des Programmes auf Festplatte oder auf Disketten mühelos vonstatten, und man hat kaum Zeit, einen ersten Blick in das Handbuch zu werfen. Ich habe Gelegenheit zum Test auf zwei Rechnern gehabt, einem nackten 1040 ST und einem gut ausgebauten Mega ST 4 mit großer Platte. Dabei fiel sofort auf, daß CyPress viel Speicherplatz benötigt. Zur Verwendung des Korrektursystems benötigt man mindestens 2 MB Speicher. Doch gehen wir der Reihe nach vor.

Das Handbuch, von dem man doch einige Seiten lesen muß, will man CyPress sicher beherrschen, ist nicht nur drucktechnisch von sehr guter Qualität. Lobenswerterweise wurde auf Umweltschutzpapier gedruckt; dennoch wirkt es sehr professionell, da ein besonders starkes Papier mit sehr glatter Oberfläche benutzt und der Text ordentlich ausbelichtet wurde. Tippfehler sind (fast) keine zu finden. Inhaltlichen Unstimmigkeiten des Handbuches wird das Programm nach und nach angepaßt. Mir persönlich war das Handbuch an einigen Stellen zu ausführlich, aber ein Anfänger wird auf viele Informationen nicht verzichten wollen. Das Handbuch verfügt über einen Index, der etwas umfangreicher sein könnte (mehr Synonyme), und ein Inhaltsverzeichnis, das sehr ausführlich ist. Insgesamt findet man sich gut zurecht, auch wenn manche Informationen an mehreren Stellen zusammengesucht werden müssen. Die Schreibe ist angenehm sachlich, aber locker. Positiv zu erwähnen sind auch die Abschnitte, die dem angehenden Schreiberling eine Einführung in die Gestaltung von Dokumenten im allgemeinen und von Briefen im besonderen geben. Gefehlt hat mir eine Beschreibung der möglichen Fehlermeldungen und wie man auf sie reagieren sollte.

Beim ersten Start von CyPress war ich von der Fülle der Menüs schier erschlagen. Immerhin sind die Menüs in Gruppen gegliedert, und auch sonst erinnert die Bedienoberfläche sehr an ein bekanntes Buch eines inzwischen noch bekannteren Zwillingspaares. CyPress verfügt über eine sehr komfortable Benutzeroberfläche, die nur auf den ersten Blick wie das GEM des Atari aussieht. Die gesamte Oberfläche ist neu programmiert und ergänzt das Bekannte um viele sinnvolle Funktionen.

So lassen sich alle Dialogfelder verschieben, was ja inzwischen nichts neues mehr ist. Aber... die Dialogfelder werden dabei durchsichtig und man kann lesen, was normalerweise durch das Feld überdeckt wird. Das freut besonders den Besitzer, der nur einen kleinen Monitor sein eigen nennt. Viele Funktionen lassen sich einstellen. Wenn man sich mal an die vielen Ergänzungen gewöhnt hat, vermißt man sie schnell in anderen Programmen. Die Benutzeroberfläche von CyPress soll auf alle Produkte übertragen werden, die im Vertrieb von Shift sind. Ob andere Software-Hersteller jedoch bereit sind, dieser speziellen Vorgabe zu folgen, darf bezweifelt werden.

Einen Nachteil der neuen Oberfläche möchte ich hier nicht verschweigen. Da das Programm keine GEM-Standard-Menüleiste benutzt und keine evnt_multi()-Aufrufe, können Accessories nur aufgerufen werden, nachdem in einen speziellen Modus umgeschaltet wurde. Diese Umschaltung klappt bei allen offiziellen TOS-Releases von Atari, nur das umstrittene KAOS entschwindet ins Nirwana. Wohl dem KAOS-Anwender, der Besitzer von 1st-Address ist. Nachdem man von diesem Accessory über die Serienbrieffunktion die Feldbezeichner gelesen hat, klappt der Zugriff auf die Accessories nämlich problemlos. Dafür wird dann nach Beendigung des Programmes der Rechner wegen AES-Problemen angehalten. Ähnliche Probleme können auftreten, wenn man MultiDesk Deluxe installiert hat (beliebig viele Accessories verfügbar). Nach Beenden von Cypress erscheint dann nur noch das fleißige Bienchen. Inzwischen scheint ein Weg gefunden worden zu sein, dieses Problem zu beheben.

Beginnen wir jetzt aber mit der Besuchstour. Beim Programmstart fällt zunächst das eigene Desktop ins Auge, wie es jetzt von vielen Programmen verwendet wird. Jeder geladene Text wird durch ein Symbol repräsentiert, dazu kommen noch ein Diskettenlaufwerk, ein Drucker und ein Abfalleimer. Am unteren Bildschirmrand ist die Belegung der Funktionstasten eingeblendet. Die Menüs sind vollgepackt, wobei einige sehr ähnliche Funktionen vielleicht besser in Dialogen zusammengefaßt wären, aber das ist wohl Geschmackssache.

Interessant sind die vielen Einstellmöglichkeiten, die man über das Menü Optionen erreicht. Von der Reaktionsweise der Menüleiste (Atari-Standard, Mac, PC GEM3) über die Maßeinheit, die Anzeige von Zusatzinformationen während langwieriger Operationen, spannt sich der Bogen der Einstellmöglichkeiten bis zur Antwortgeschwindigkeit der Tastatur und dem Aussehen des Cursors. Allein 12 Standardformate für Papier kennt das Programm, und wem das nicht reicht, der kann sich ein eigenes Blattformat definieren. Das programmeigene Dateiauswahlfeld - es bietet sehr viele interessante Möglichkeiten - läßt sich abschalten.

Die Menüs von CyPress

Doppeltes Lottchen

CyPress kennt zwei Arbeitsmodi. Es kann entweder als Text-Editor benutzt werden oder als Textverarbeitung. Die Unterschiede liegen in den zur Verfügung stehenden Funktionen. So ist es nur im Editor-Modus möglich, in Abhängigkeit von Kontrollstrukturen (z.B. BEGIN und END oder [ und ]) Textabschnitte ein- oder auszuklappen. Dafür muß auf die typischen Textverarbeitungsfunktionen wie verschiedene Zeichensätze und ähnliches verzichtet werden. Beide Betriebsarten haben ihre Daseinsberechtigung, wobei sich die Frage nach dem Sinn stellt, einen 500 kB großen Text-Editor zu laden, von dem nur eine Minderheit der implementierten Funktionen benutzt wird. Ein Umwandeln eines Editor-Textes in ein Dokument der Textverarbeitung ist ebenso wie der umgekehrte Weg jederzeit möglich. Bei der Umwandlung in einen ASCII-Text gehen alle Formatinformationen verloren.

Die Textver- und -bearbeitung mit CyPress gestaltet sich schnell und einfach. Das Programm arbeitet zur Zeit mit Signum!-Zeichensätzen, die ja in großer Zahl und hoher Qualität vorhanden sind. Eine spätere Version von CyPress soll auch mit dem neuen FSM-GDOS von Atari arbeiten, das Vektorzeichensätze benutzt. Doch vorher muß das FSM-GDOS erst einmal von Atari freigegeben werden (und wer Atari kennt...). Einige Zeichensätze im Signum!-Format befinden sich auf den Auslieferungsdisketten, weitere sind nicht nur bei Shift erhältlich. Neben den Signum!-Fonts wird auch der Systemzeichensatz benutzt, der beim Ausdruck entweder durch einen druckerinternen Zeichensatz oder einen Zeichensatz im Signum ! -Format ersetzt werden kann. So lassen sich auch im Textverarbeitungsbetrieb einfache Dokumente erstellen.

Bis zu 16 Zeichensätze dürfen gleichzeitig in einem Dokument verwendet werden. Zwischen den ersten 10 kann per Tastaturbefehl umgeschaltet werden.

Auch bei der Anzahl der Texte werden bei CyPress alte Grenzen durchbrochen. Bis zu zehn Texte dürfen gleichzeitig bearbeitet werden. Dabei wird die Summe der Textlängen begrenzt. So ist das Programm von Haus aus auf 1000 Textzeilen (ca. 20 Textseiten) eingestellt, eine Textmenge, die sich eher an den 1-MB-Maschinen orientiert.

Handling

Der Arbeitsbildschirm

CyPress reagiert angenehm schnell auf Eingaben und hat einen flüssigen Bildschirmaufbau. Es läuft auch nichts nach. Die Tastaturbefehle zum Bewegen des Cursors sind vollständig und halten sich im wesentlichen an die bekannten Standards. Eine Hilfefunktion steht in den meisten Dialogfeldern zur Verfügung, nicht jedoch in der Menüleiste. Eine Rarität unter den Textverarbeitungen für den ST/TT ist die Dokumentenverwaltung. Spätestens beim ersten Speichern eines Dokumentes fragt Cypress nach einigen Zusatzinformationen: Autor, Bearbeiter, Titel, Stichwörter. Trägt man diese Daten ein, kann man später schnell nach Dokumenten suchen, ohne alle öffnen zu müssen. Doch zurück zur Textbearbeitung.

Leicht verbesserungsfähig ist das Markieren von Blöcken. Ein Einfachklick selektiert ein Zeichen, ein Doppelklick ein Wort - auch über Control-I - und ein Dreifachklick eine Zeile. Ein Absatz wird mit Control-Shift-I selektiert. Zum Selektieren einer Zeile kann man auch einmal in den linken Rand des Textfensters klicken oder zweimal zum Selektieren eines Absatzes. Auch das Aufziehen eines Gummibandes funktioniert. Leider läßt sich eine Selektion (noch?) nicht mit Shift-Klick (eine Shift-Taste gedrückt halten und mit der Maus klicken) erweitern. Ärgerlich ist auch, daß, sobald der Cursor im Text bewegt wird, die Blockmarken gelöscht werden.

Gut gelungen ist die Suchfunktion (höchstens der Aufruf desselben Dialogfeldes Über zwei Menüeinträge...). Die Joker können beliebig gewählt werden; die Suche nach Textstil und Zeichensatz ist ebenso möglich wie das Ersetzen dieser Parameter. Die Arbeitsgeschwindigkeit ist in Ordnung. Immerhin gestaltet sich hier die Suche etwas aufwendiger als in einem ASCII-Editor.

Specials

Eine Tabelle als Rohtext

Neben den bisher beschriebenen Grundfunktionen gibt es noch eine ganze Reihe anderer, die das Programm für verschiedene Anwendergruppen interessant machen. Für alle, die wissenschaftlich arbeiten, sei auf die Fußnotenverwaltung, den Tabellensatz und die Formelbereiche hingewiesen. Die Fußnoten werden automatisch verwaltet, die Numerierung findet beim Seitenumbruch statt. Fußnoten können auch als Endnoten verwaltet werden. Eine gemischte Behandlung ist nicht möglich. Formelbereiche sind allen naturwissenschaftlich interessierten Textverarbeitern schon aus alten Signum!-Zeiten bekannt. Das Konzept von CyPress ähnelt dem von Signum! aber nur entfernt. Bei CyPress ist es möglich, einzelne Objekte zu erstellen, die aus beliebigen Zeichen bestehen können. Diese Objekte lassen sich zu Gruppen zusammenfassen. Es dürfte nicht lange dauern, bis es Bibliotheken mit den verschiedensten Objekten gibt: Wurzelzeichen und Klammern in verschiedenen Größen, chemische Strukturelemente, elektronische Bauteile... Es lebe die Phantasie.

Ein echtes Bonbon ist der Tabellensatz. Die einzelnen Elemente der Tabelle werden durch ein (definierbares) Zeichen getrennt eingegeben, der Tabellensatz aktiviert, einige Parameter eingestellt, und fertig ist die Laube... pardon, die ordentlich aussehende Tabelle.

Eine Tabelle nach der Umwandlung

Nicht nur für Wissenschaftler interessant ist die Möglichkeit, Grafiken in den Text einzubinden. Auch hier sind Konzepte anderer Programme analysiert, aber nicht nur verbessert worden. Nach dem Laden einer Grafik kann der Ausschnitt bestimmt werden, der angezeigt werden soll, und die Auflösung in dpi (Punkten pro Zoll) angegeben werden. Anschließend wird die Grafik im Dokument plaziert. Erst jetzt ist es möglich, mit Ctrl-Doppelklick einen Dialog aufzurufen, in dem man eine Größe auch unabhängig von der Auflösung festlegen kann. Daß diese auflösungsunabhängige Skalierung meist nicht sehr sinnvoll ist, weiß jeder, der schon mal versucht hat, ein Bild mit einer Auflösung auszudrucken, die nicht ein ganzes Vielfaches des zur Verfügung stehenden Druckers ist. Häßliche Streifen sind oft die Folge. Natürlich ist dies nur ein Problem des Anwenders, immerhin weist das Handbuch auf diese Problematik hin. Neben dem hauseigenen Format von Arabesque lassen sich Grafiken im Doodle-Format, aus STAD sowie GEM-Image-Dateien laden. Eine geladene Datei kann im Arabesque-Format gespeichert werden. Vermißt habe ich die Möglichkeit, bei einer geladenen Grafik nachträglich den angezeigten Ausschnitt verändern zu können. Mir passiert es ziemlich häufig, daß ich den Rahmen um ein Pixel verkehrt setze, so daß ich öfter mal nach bearbeiten muß. Grafiken im Text werden fast verzögerungsfrei dargestellt, so daß das Arbeiten mit dem Programm nicht behindert wird. Es ist auch möglich, über Grafiken hinweg zu schreiben, z.B. um nachträglich Beschriftungen anzubringen.

Ein Formular im Formularmodus

Auch für viele interessant ist die Fähigkeit CyPress’ zu rechnen. Der eingebaute Taschenrechner verfügt unter anderem auch über trigonometrische Funktionen. Es ist möglich, einen Textabschnitt, der eine gültige Rechenvorschrift enthält, zu markieren und das berechnete Ergebnis an der gewünschten Position in den Text zu integrieren. Das Ergebnis läßt sich sehr flexibel runden.Eine schicke Erweiterung der Rechenfähigkeiten sind die Rechenvorschriften. Mit diesen ist es möglich, zeilen- und spaltenweise zu addieren und zu multiplizieren. Dazu lassen sich den einzelnen Tabulatorpositionen Feldnamen zuweisen, mit denen dann gearbeitet wird. Auch lassen sich Variablen definieren. Mit diesen Hilfsmitteln ist es kein Problem, auch umfangreichere Rechnungsformulare zu erstellen.

In diesem Zusammenhang sollte man auch die Textbausteine nennen. Textbausteine sind Textabschnitte, die, einmal definiert, immer wieder in verschiedenen Dokumenten verwendet werden und über ein Kürzel aufgerufen werden können. Das müssen jedoch nicht nur Brieffloskeln sein. Man kann diese Funktion auch als Minidatenbank für eine Produktliste mißbrauchen und zum Schreiben von Rechnungen benutzen, falls man nicht die Datenbankschnittstelle der Serienbriefe einsetzen will. Zum Ablegen eines Textbausteins definiert man einen Block und weist diesem ein Kürzel zu. Textbausteine werden mit den Zeichensatzdefinitionen gespeichert. Beim Einsetzen werden alle Zeichensätze mitgeladen, wobei in den getesteten Versionen die Zeichensätze jedesmal neu gesucht werden mußten, obwohl alle Pfade richtig eingetragen waren und beim Laden des Dokumentes alle Zeichensätze gefunden wurden.

Außer den Textbausteinen lassen sich auch 10 Makros definieren. Diese Makros können beliebige Tastendrücke enthalten. Da alle Dialogfelder auch über Tastenkombinationen zu bedienen sind, kann man im Prinzip auch Makros erstellen, die die Funktionen des Programmes benutzen. Allerdings erfordert das eine gewisse Übung im Umgang mit der Makrofunktion und ist nicht universell einsetzbar. Sehr schön ist, daß man Makros noch nachbearbeiten kann. Versehentlich gedrückte Tasten können aus dem Makro entfernt, fehlende eingebaut und falsche ersetzt werden.

Tastaturbelegung und Zeichensatzauswahl

Teamwork

Wie bereits erwähnt, lassen sich mit CyPress auch Serienbriefe erstellen. Wer 1st-Address oder 1st-Base besitzt, hat es besonders einfach, da eine Schnittstelle für diese Datenbankprogramme in CyPress integriert ist, die direkt auf die Accessory-Versionen zugreifen kann. Darüber hinaus ist auch der Import von Daten aus anderen Programmen möglich, wobei die Elemente eines Datensatzes in einer ASCII-Datei stehen müssen. Die Datenfelder müssen entweder eine definierte Länge haben oder durch ein zu definierendes Zeichen getrennt sein. Im Dokument müssen Platzhalter für die Datenelemente eingetragen werden. Diese Symbole haben eine Entsprechung in der Datenbank. Auch Datum und Zeit können in verschiedenen Formaten als Symbol eingetragen werden, so daß beim Drucken des Briefes immer das richtige Tagesdatum gedruckt wird, wenn die Systemuhr stimmt. Den Datenelementen wird in einer Tabelle je ein Platzhalter zugewiesen. Damit steht dann der persönlichen Massenpost nichts mehr im Wege. Die Möglichkeiten des Datenimports sind ausreichend und nach kurzer Einarbeitungszeit problemlos zu handhaben. Schließlich ist es auch noch möglich, Formulare zu definieren. Als Beispiel liegt ein Überweisungsformular bei. Wirklich hübsch. Im Formularmodus lassen sich Textänderungen nur in den dafür vorgesehenen Bereichen durchführen, alle wesentlichen Textverarbeitungsfunktionen stehen zur Verfügung.

Bisher haben wir nur über die Funktionen von CyPress gesprochen; wie steht es jedoch mit den Möglichkeiten der Textgestaltung? Hier ist vorwegzuschicken, daß CyPress eine Textverarbeitung und kein DTP-Programm ist. Dennoch sind die Möglichkeiten zur Textgestaltung ziemlich vielseitig. Wir wissen inzwischen, daß wir mit verschiedenen Zeichensätzen arbeiten können. Alle Zeichen des Systemzeichensatzes sind über einen Dialog zugänglich, oder durch Eingeben des ASCII-Codes auf dem Zahlenfeld bei gedrückter Alternate-Taste. Zu jedem Absatz kann ein Lineal definiert werden. Um die Einstellungen des Lineals zu ändern, selektiert man den Absatz, den man bearbeiten will, und klickt dann in die Linealzeile über dem Text. CyPress kann mehrere solcher Lineale verwalten, so daß man sich für verschiedene Texttypen je ein Lineal erstellen kann. Möglichkeiten sind z.B. ein Absatzformat für ein Anschriftenfeld, eines für Fußnoten, für Überschriften verschiedener Ebenen und für normalen Text. Hat man sich einmal die Mühe gemacht, ist das Schreiben auch aufwendigerer langer Texte kein Problem mehr.

Natürlich kann kein Programm alle Wünsche befriedigen. So wäre eine Indexgenerierung und die halbautomatische Erstellung von Inhaltsverzeichnissen ein schönes weiteres Feature, oder eine automatisierte Generierung mathematischer Formeln. Doch das sind Spezialfunktionen, die man vielleicht später einmal als Modul erwarten darf, ähnlich wie jetzt das Korrektursystem oder die Rechenfunktionen. Schön wäre es aber, wenn der Bildschirmschoner auch auf Umschalttasten reagieren würde (Shift, Ctrl ...), dann bräuchte man nicht jedesmal zur Maus zu greifen oder eine eingegebene Leertaste wieder zu löschen. Als alter Signum!-Benutzer würde ich auch einen halbautomatischen Zeilen- und Seitenumbruch sehr schätzen, da er noch mehr Einflußmöglichkeiten bietet als der wirklich sehr gute Umbruch von CyPress. Die Liste wird jeder wohl irgendwie fortsetzen können, aber an dem Programm wird weiterentwickelt, und auf die Neuerungen darf man sich freuen.

Dialog zur Textverwaltung mit Hilfetafel

Der geplagte Tester wird auch immer wieder von Fehlern heimgesucht, wobei CyPress da keine Ausnahme macht. Nur waren es wirklich sehr wenige Fehler, die auftraten. Ein kurzer Anruf mit einer Beschreibung, wie der Fehler zu reproduzieren sei, führte in der Regel schon wenige Tage später zu einer Diskette mit einer überarbeiteten Version im Briefkasten, ohne den oder die Fehler. CyPress darf eine hohe Absturzsicherheit bescheinigt werden, auch bei Programmfehlern verabschiedet es sich oft noch mit einem Hinweis ordentlich. Nur zum Sichern des Textes hat man keine Gelegenheit mehr. Manchmal scheint CyPress mit der internen Verwaltung der Zeichensätze durcheinanderzukommen. Nach dem Benutzen von Hilfefunktionen in den Dialogen ging es manchmal im falschen Zeichensatz weiter. Das läßt sich aber mit einem Tastendruck schnell beheben. Einziges wirkliches Problem ist der Speicherhunger einzelner Funktionen. So kam es auf dem 1040 vor, daß ein Hinweis erschien, für die gewünschte Funktion stehe zu wenig Speicher zur Verfügung. Danach fielen dann zwei Bomben. Ein Anruf ergab, daß einige Teile des Programmes in GfA-BASIC geschrieben seien, und dieses komme mit der dynamischen Speicherverwaltung nicht klar. Man sei dabei, die entsprechenden Routinen in eine andere Sprache umzukodieren, so daß dieses Thema bald keines mehr sei.

Fazit

Abschließend möchte ich feststellen, daß CyPress seinem Anspruch weitestgehend gerecht wird. Hat man sich einmal an die teilweise vom bisherigen Standard abweichende Bedienung gewöhnt - das geht sehr schnell ist ein schnelles und effektives Arbeiten mit CyPress möglich. Durch die vielen Funktionen werden weite Bereiche der Textverarbeitung gut abgedeckt. Die hohe Absturzsicherheit und der gute Service von Shift tun ein übriges, um dieses Programm empfehlenswert nennen zu dürfen. Auch im Preis-/Leistungsverhältnis steht CyPress mit seinem Preis von 298,- DM gut da.

CSM

Bezugsadresse:
Shift
Unterer Lautrupweg 8
W-2390 Flensburg



Aus: ST-Computer 10 / 1991, Seite 30

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite