Grüße aus der Ionosphäre: Datenfernübertragung einmal anders

Zwar kommt der Atarianer auch hier nicht ohne die 25polige Modemschnittstelle aus, jedoch enden genau an dieser Stelle die Gemeinsamkeiten mit der herkömmlichen Telekommunikation. Die Rede ist von BASICODE, der Übertragung von BASIC-Programmen über Rundfunksender, die jedermann empfangen kann.

Wer sich schon einmal mit BASIC beschäftigt hat, wird wissen, daß davon unzählige Dialekte existieren. Allein die Auswahl in bezug auf den ST ist bereits beträchtlich, es seien hier nur das ursprüngliche, langsame ST-BASIC, GFA-BASIC und Omikron.BASIC genannt, die untereinander nur wenig kompatibel sind.

Als der holländische Sender NOS/Hilversum Ende der 70er Jahre seine ersten Computerprogramme hinausschickte, waren diese demzufolge an jeweils einen Rechnertyp gebunden und die erreichbare Hörerzahl entsprechend gering. Hinzu kam außerdem, daß diese Programme im typenspezifischen Aufzeichnungsformat der mit Kassettenschnittstellen versehenen Computer (Diskettenlaufwerke waren zu jener Zeit noch Luxus) übermittelt wurden, was bei zweien der damals vier Modelle, die bedient wurden, zu erheblichen Problemen mit der Datensicherheit führte.

Es galt also, zwei Dinge anzupacken: Erstens sollte ein relativ sicheres Aufzeichnungsverfahren gefunden werden, und zweitens sollte das BASIC so beschaffen sein, daß das auf dem Computer A geschriebene Programm auf dem Rechner B ebenfalls liefe. So entstand im Zuge mehrmonatiger Entwicklungsarbeit die „Programmiersprache“ BASICODE.

BASICODE, sozusagen ein Computer-Esperanto, stellt gewissermaßen den kleinsten gemeinsamen Nenner (fast) aller BASIC-Dialekte dar. Da dieser Nenner - um weiter in diesem Bilde zu bleiben - jedoch nur aus 53 BASIC-Schlüsselwörtern besteht, mithin lediglich primitivste Progrämmchen möglich wären, fügte der Entwicker, Klaas Roberts (NOS), der Programmumgebung gleich zu Anfang sogenannte „Standard-Unterprogramme“ hinzu. Diese Subroutinen (germish) gehören zur maschinenspezifischen BASICODE-System-Software und emulieren Funktionen oder Befehle, die in BASIC nicht einheitlich definiert sind. So gibt es beispielsweise für das Löschen des Bildschinns sehr verschiedene BASIC-Lösungen wie „CLS“, „CLEARW“ etc. In BASICODE hingegen heißt es einheitlich „GOSUB 100“, d.h. es wird ein systemspezifisches Unterprogramm zum Löschen des Bildschirms aufgerufen. „GOSUB 100“ ist sicherlich nicht sehr einprägsam, jedoch hat diese Methode einen unschätzbaren Vorteil: Da ja nur entsprechende neue Standard-Unterprogramme in der System-Software (mit der der Anwender nichts zu tun hat) ergänzt werden müssen, ist BASICODE zukunftssicher, kann also leicht an neue technische Entwicklungen angepaßt werden. So wurde Anfang der 80er Jahre der erweiterte „BASICODE-2“-Standard aus der Taufe gehoben, gefolgt vom gegenwärtigen, grafik- und soundfähigen „BASICODE-3“. Da dies allerdings noch keine Farbe kennt, arbeitet man z.Z. an „BASICODE-4“.

Der Lese-Dialog von BASICODE

Zurück zur eigentlichen Datenübertragung per Funk. Die einzelnen Bits werden - wie könnte es anders sein - durch verschiedene „Töne“ dargestellt, eine logische 0 durch einen vollen 1200 Hz Schwingungszug, eine logische 1 durch zwei volle Perioden mit 2400 Hz, so daß letztendlich jedes Bit die gleiche Zeit für sich beansprucht.

Ein „Byte“ wiederum setzt sich zusammen aus:

1 Start-Bit (logisch 0)

7 Daten-Bits, LSB zuerst

3 Stopp-Bits (logisch 1)

Die Programmübermittlung läuft folgendermaßen ab:

Das klingt nun alles ungeheuer kompliziert. Der Leser braucht sich jedoch diese Arbeit nicht mehr zu machen, mittlerweile existieren bereits drei (!) System-Software-Pakete mit und ohne Interface für den Atari ST, die in der Lage sind, die auf Band aufgenommenen Programme binnen kürzester Zeit in brauchbare Omikron-BASIC-Programme zu verwandeln.

BASICODE beschreibt sogar den notwendigen Anschluß

Ja: Omikron-BASIC und nicht GFA! Letzteres kennt leider keine Zeilennummern und ist deshalb grundsätzlich für BASICODE ungeeignet. Die Programme lassen sich in der Regel mit dem Omikron-Compiler ohne Änderungen sofort kompilieren, so daß man sogar direkt vom Desktop aufrufbare Programme erhält. An dieser Stelle fragt sich der Leser gewiß, welche Programme zu empfangen sind, und auch, auf welchen Wellen er denn „reiten“ muß, um diese zu erhalten. Geboten werden von zwei Sendeanstalten auf drei Frequenzen zu drei verschiedenen Sendezeiten (siehe Kasten) Spiel- und Lernprogramme, Hilfsprogramme für den Kurzwellen- und Satellitenempfang etc. Außerdem werden auf diesem Weg auch eine Bildschirmzeitung (NOS), die sich mit den Themen Raumfahrt, Telekommunikation, Computer befaßt, sowie eine Kontaktbörse für Computer-Interessierte (DS-Kultur) übermittelt.

Sender | Sendezeiten (MEZ/MESZ) | Frequenzen(kHz) ------ | ---------------------- | -------------- NOS/Radio Hilversum | montags, 22.00-22.20 | 891, 1008 NOS/Radio Hilversum | mittwochs, 18.10-18.20 | 891, 1008 Deutschlandsender Kultur | jeden 2. Mittwoch, z.B. am 4.9.1991,18.9.1991, 23.05-23.20 | 177
Adresse Bemerkungen
Deutschlandsender Kultur,
Joachim Baumann,
"REM-Spezial“, Nalepastraße 18-50,
O-1160 Berlin
hier kann man z.B selbstentwickelte Programme hinschicken
Stichting BASICODE
Postbus 1410
NL-5602 BK Eindhoven
Informationen zu BASICODE
NOS Scoop NL-1200
BE Hilversum
Informationen sowie Postbus 1200 BASICODE-System Software (auch) für Atari ST. Die Software arbeitet mit Hilfe eines speziellen Interfaces. Interface und Software („BASICODE-pakket“ für Atari ST) kosten zusammen ca. 60 Gulden (ohne Versandkosten).
TROS-Radio
„BASICODE-3“
Postbus 450
NL-1200 AL
Informationen zu BASICODE
Thomas Mäurer
Duisburger Str. 296
W-4200 Oberhausen 1
Informationen sowie PD-BASICODE-System-Software, für die kein Interface erforderlich ist. Zwei verschiedene Pakete, eines voll in Assembler mit Quellcode (!) und Echtzeitdarstellung der eingelesenen ASCII-Zeichen auf dem Bildschirm, das andere mit GEM-Oberfläche, jeweils DM 10,- (incl. Versandkosten) Informationen nur gegen ausreichend frankierten Rückumschlag.

Thomas Mäurer
Aus: ST-Computer 01 / 1992, Seite 16

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