Atari goes DOS: Vortex ATonce 386SX

MS-DOS-Emulatoren für den ST sind schon seit einiget Zeit bekannt. Nachdem reine Software-Lösungen (PC-Ditto) recht bald wegen mangelnder Geschwindigkeit von den ersten Hardware-unterstützten Emulatoren (PC-Speed) abgelöst wurden, sind mittlerweile auch Geräte auf dem Markt, die sich AT-kompatibel schimpfen.

Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dadurch zu begründen, daß Intels 80286-Prozessoren zu Spottpreisen zu haben sind. Ein wenig Logik drumherumgestrickt, in den ST eingebaut und mit der nötigen Treiber-Software versehen, schon ist der AT-kompatible ST fertig. Neu ist allerdings ein Emulator, der auf dem schnellen 32-Bit-Prozessor 80386SX basiert. Auch hier hat sich nun ein erstes Gerät marktreif eingefunden. Die Firma Vortex, früher bekannt durch ihre Festplattenserie für den ATARI-ST, hat nach ihrem AT-Emulator ATonce, der noch den 80286 benutzt, einen weiteren MS-DOS Emulator, den ATonce 386SX, entwickelt und erstmals auf der ATARI-Messe in Düsseldorf der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Wie der Name schon erkennen läßt, werkelt auf der Zusatzkarte ein Intel 80386SX-Prozessor, der mit 16 MHz getaktet wird. Das uns zur Verfügung gestellte Gerät ist allerdings nur in Computern der Mega-STE-Serie ersetzbar. Inzwischen hat Vortex auch eine Version angekündigt, die in allen ST-Modellen lauffähig sein soll. Zum Erscheinungstermin dieser Ausgabe der STCOMPUTER sollte dieses Gerät bereits im Handel sein.

Der Einbau

Wie bei den andern Vertretern der PC-Emulatoren, muß auch der ATonce 386SX direkte Verbindung zum Prozessorbus der 68000er-CPU aufnehmen. Da der ATARI-Mega-STE serienmäßig mit einer 16 MHz 68000er-CPU im PLCC-Gehäuse ausgerüstet ist, braucht hier aber nicht gelötet zu werden. Dieser quadratische Baustein ist glücklicherweise mit einem entsprechenden Sockel versehen worden, so daß es selbst für den Laien kein großes Problem darstellen sollte, den Prozessor herauszuhebeln und in den gleichartigen Sockel der ATonce-Platine hineinzustecken. Die Platine findet wiederum Platz in dem nun freien Prozessorsockel auf dem STE-Motherboard. Hilfreich ist hierbei, daß der aus den älteren ST-Modellen bekannte „Blechverhau“ beim Mega-STE durch eine Speziallackierung im Innern des Gehäuses ersetzt wurde. Damit ist der Einbau eigentlich schon erledigt. Vortex bietet den AT-Emulator mit optionalem Fast-RAM an. Dafür sind vier Sockel zur Aufnahme von 51-4-256-RAMs vorhanden. Auf diesen 512 KB großen Speicher kann der Emulator ohne Waitstates, d.h. mit der vollen Geschwindigkeit zugreifen. Aber auch ohne dieses RAM ist das Gerät einsetzbar.

Abb.1: Mit dem Installationsprogramm können alle wichtigen Einstellungen für den DOS-Betrieb vorgenommen werden.

Die Installation

Ist der Einbau erfolgreich vollbracht, d.h. der Rechner bootet nach dem Einschalten normal ins GEM-Desktop, kann die zum Betrieb des ATonce 386SX notwendige Software installiert werden. Zwei Programme sind dabei wichtig. Zunächst muß das Programm INSTALL ausgeführt werden (Abb. 1). Hiermit kann der Anwender diverse Einstellungen bezüglich der verwendeten Hardware wie Diskettenlaufwerke, Festplatten, Tastatur, Maus und Grafiksystem vornehmen. Vortex hat versucht dabei alle denkbaren Möglichkeiten zu beachten. Selbst 3.5"- und 5.25"-HD-Diskettenlaufwerke werden unterstützt. Sehr praktisch ist die Zuordnung der DOS-Festplattenpartitionen. Da es aus technischen Gründen nicht möglich ist, die Bootpartition C: des ATARI ebenfalls zum Booten unter DOS zu benutzen, kann man die Kennungen der DOS-Partitionen beliebig vergeben (Abb.2). Im Klartext heißt dies, daß die TOS-Partition D: als DOS-Partition C: fungieren kann. Von dieser kann dann auch das DOS gebootet werden. Bis zu 24 Partitionen können so für DOS zugeordnet werden. Dabei ist es ebenso möglich, weitere, extern angeschlossene Festplatten zu unterstützen. Auch in der Wahl der Grafikemulation hat der Benutzer eine reichhaltige Auswahl. Herkules-Monochrom, CGA, EGA und sogar VGA (monochrom) werden unterstützt. Bei letzterer wird die volle vertikale Auflösung von 480 Punkten allerdings nur durch Scrollen erreicht. Bekanntlich kann der ST ja nur 400 Punkte vertikal darstellen. Analog dazu findet ein horizontales Scrolling bei der Herkules-Emulation statt, um die 736 Punkte horizontal darzustellen.

Abb.2: Festplatten-Partitionen können unter DOS eine andere Kennung zugeordnet bekommen als unter TOS.

Knappes RAM?

Jeder DOS-User weiß ein Lied davon zu singen. 640 KB DOS-Speicher, mehr ist nicht. Jedenfalls nicht ohne weiteres. Die 4 Megabyte des Mega-STE müssen aber nicht tatenlos rumliegen. Dieser Speicher kann als Extended- oder Expanded-RAM genutzt werden, sofern entsprechende Treiber dafür vorhanden sind. Hier hat Vortex mitgedacht und gleich einen solchen mitgeliefert. Im Installationsmenü Memory/ Mouse kann eingestellt werden, wieviel Speicher als Extended- und Expanded-Memory reserviert werden soll. Um den Festplattenbetrieb zu beschleunigen, empfiehlt Vortex den Einsatz des Harddisk-Caches Smartdrive, welcher ebenfalls Speicher aus dem zusätzlichen RAM-Bereich anfordert.

Los geht’s mit MS-DOS

Nach erfolgreicher Installation könnte der geneigte DOS-User eigentlich schon anfangen, wenn er ein DOS-Betriebssystem hätte. Und das ist der erste Knackpunkt, Vortex liefert kein DOS mit. Man kommt also nicht umhin, weitere 200,-DM für MS-DOS 3.3 oder höher auszugeben. Natürlich läuft auch das bekannte DR-DOS 5.0, aber auch dies muß erst einmal erstanden werden. Diese Ausgabe muß der Käufer also in die Kalkulation einbeziehen. Um MS-DOS (oder DR-DOS) von der Festplatte booten zu können, müssen die Partition C: (wohlgemerkt, die DOS-Partition C:) logisch formatiert und die DOS-Systemdateien installiert werden. Dies kann man leicht mit dem DOS-Befehl FORMAT C: /S erledigen. Dabei muß man allerdings berücksichtigen, daß alle Daten und Programme auf der entsprechenden TOS-Partition verlorengehen. Wurde auch im Installationsprogramm unter dem Menüpunkt Harddisk die Festplatte als Boot-Meduim angegeben, startet das System beim nächsten Reset von der Harddisk. Dies läuft wesentlich schneller und sicherer ab als von Diskette.

Das erste, was der frisch gebackene DOS-User nun ausprobiert dürfte wohl der obligatorische Landmark-CPU-Speed-Test sein, um herauszufinden, wie schnell denn nun sein 386SX/Mega-STE arbeitet. Der Wert von 19.4 MHz bzw. einen Faktor von 10.4 (relativ zu einem IBM-PC mit 4.77 MHz Taktfrequenz) kann sich wirklich sehen lassen.

Unser Redaktions-AT, ein 20MHz-386er erbrachte bei diesem Test 24.6 MHz und einen Faktor von 13.1, ist also gar nicht so viel schneller. Sicher, diese Tests sind umstritten. Um sicher zu gehen, sollte man einige Applikationen installieren und damitarbeiten. Der bekannte Norton^Commander verrichtet seine Arbeit problemlos und ist flüssig zu bedienen. Lediglich ein leichtes „Nachhinken“ beim Scrollen ist zu erkennen. Doch so richtig ans „Eingemachte“ geht es erst, wenn man Windows 3.0 installiert. Spätestens seit der Comdex’9l im vergangenen Oktober ist es klar, daß auf MS-DOS-kompatiblen Computern nichts mehr ohne Microsoft-Windows geht. Und auch auf dem ATonce 386SX läßt sich Windows 3.0 installieren.

Programme wie Word 5.0 für Windows, Excel oder das brandneue Visual Basic bereiten keine Probleme. Bis auf eine manchmal hakelige Maus (besonders während Diskettenzugriffen) lassen sich diese Programme gut und flüssig bedienen. Der Windows-Benchmark der Zeitschrift PC-Magazin sollte genauere Ergebnisse liefern.

Windows-Programme lassen sich leicht mittels VISUALBASIC unter dem ATonce entwerfen.

Besonders bei BitBlit-Operationen, beispielsweise beim Kopieren rechteckiger Bildschirmausschnitte, kommt der ATonce 386SX schon verdächtig nahe an den 20MHz-386er heran. Bei der Ausgabe von Rechtecken mit Füllmustern ist der ATonce 386SX sogar doppelt so schnell. Dies wird wahrscheinlich durch direkte Blitter-Programmierung erreicht. Eine Nachfrage bei Vortex ergab, daß die komplette Bildschirmausgabe vom 68000er übernommen wird, der gerade bei solchen Dingen Geschwindigkeitsvorteile gegenüber dem Intel-Prozessor aufweist. Für die Steigerung seiner Rechenleistung ist aber ebenfalls gesorgt.

Ein Sockel für den mathematischen Coprozessor 387SX macht dem Intel besonders bei rechenintensiven Programmen so richtig Beine. Viele Anwendungen (z.B. AutoCAD) sind auf einen solchen Coprozessor zwingend angewiesen, hier kann also der Benutzer selbst entscheiden, ob er den optionalen Coprozessor nachrüsten will oder aus Kostengründen lieber darauf verzichtet.

Geschwindigkeitstest nach dem Programm MIPS

  ATonce 386SX ATonce 386SX PC-386
Mips normal Fast-RAM 20MHz
4,77 MHz-PC: 6,14 7,63 10,90
8 MHz-AT: 1,48 1,84 2,63
Compaq 386: 0,73 0,90 1,29
Mips: 1,52 1,85 2,61

Der Landmark-CPU-Speed-Test

  ATonce 386SX ATonce 386SX PC-386
Landmark normal Fast-RAM 20MHz
MHz: 17,0 MHz 19,4 MHz 24,7 MHz
Faktor rel. zu 4,7 MHz-PC: 9,1 10,4 13,1

Einige Testergebnisse des Windows Benchmark

Windows ATonce 386SX ATonce 386SX PC-386
Benchmark normal Fast-RAM 20 MHz
Bit-Blit: 1,37 ms 1,35 ms 0,96 ms
Overlap
horizontal: 2,02 ms 1,91 ms 2,15 ms
vertikal: 2,00 ms 1,87 ms 2,15 ms
Scr to Scr: 4,14 ms 3,69 ms 2,45 ms
Scr to Mem: 4,18 ms 4,11 ms 2,97 ms
Rechtecke
quadratisch: 6,05 ms 4,62 ms 8,05 ms
runde Ecken: 78,89 ms 71,97 ms 37,81 ms
Füllmuster: 30,45 ms 28,13 ms 59,13 ms

Wie kompatibel ist er?

Über mangelnde Geschwindigkeit braucht man sich also nicht zu beklagen, doch wie sieht es mit der Kompatibilität aus? Daß Windows 3.0 problemlos und sogar im erweiterten 386er-Modus läuft, haben wir schon erfahren, aber laufen auch Problemkinder wie der Turbo-Debugger von Borland oder das bekannte „mega“-Terminal-Programm Telix? Die Antwort heißt: ja! Auch mit solchen etwas zeitkritischen Anwendungen kommt der ATonce 386SX gut zurecht. Mit dem Terminal-Programm Telix gelang es uns sogar ohne weiteres, High-Speed-Verbindungen, bei denen die Datenübertragung zum/vom Modem mit 19200 Baud ablief, aufzubauen. Gerade dies bereitete MS-DOS-Emulatoren bislang heftige Schwierigkeiten. Schnelle Zmodem-Downloads sind somit durchaus machbar. Bei Uploads allerdings zeigte sich das alte Problem des Hardware-Handshakes. Dieser scheint noch nicht richtig zu funktionieren. Bei Verbindungen bis 2400 Baud tritt dieses Problem aber nicht zutage. Auch der Turbo-Debugger versagt seinen Dienst nicht, und so sollten auch die Programmierer unter Ihnen auf Ihre Kosten kommen.

Wir konnten natürlich nicht alles testen, man kann aber durchaus behaupten, daß der ATonce 386SX sehr kompatibel ist. Es wird mit Sicherheit das ein oder andere Spiel geben, was nicht laufen will; alle wichtigen Anwendungen, soweit wir sie getestet haben, bereiten aber keine Schwierigkeiten.

Wir testeten auf dem Vortex-Emulator u.a. Microsoft EXCEL 3.0 unter Windows, einer der wohl gängigsten Tabellenkalkulationen auf dem PC.

Aus eins mach acht

Quasi als Zugabe hat Vortex noch ein Programm entwickelt, das sich Hyper-Switch (Abb.3) nennt. Wie der Name vermuten läßt, handelt es sich hierbei um einen Programm-Switcher. Als Accessory installiert, kann es den Mega-STE in 8 STs aufteilen, welche völlig unabhängig voneinander arbeiten und konfiguriert werden können. Wahlweise kann der vorhandene RAM-Speicher zum Switching benutzt werden, wobei er sich dann auf die 8 installierten Geräte aufteilt, oder es wird jeweils beim Umschalten der komplette Speicher auf Festplatte ausgelagert. Das Bonbon bei der Sache ist aber, daß auf einem oder mehreren solcher „virtuellen STs“ ATonce 386SX gestartet werden kann. Per Tastendruck kann man dann einfach zwischen DOS und TOS umschalten, ohne daß irgend ein Programm dabei verlassen werden muß. Eine theoretische Kombination wäre zum Beispiel: 3 virtuelle STs mit jeweils 4 Megabyte RAM, auf dem ersten läuft Calamus, auf dem zweiten Word für Windows unter ATonce, und der dritte beherbergt den Turbo C-Editor für MS-DOS. Natürlich kann immer nur eine Anwendung gleichzeitig Rechenzeit beanspruchen. Alle anderen befinden sich im eingefrorenen Zustand auf der Festplatte. Eine schnelle Festplatte sollte man dafür allerdings schon besitzen. Vier Megabyte speichern und anschließend wieder laden kostet seine Zeit. Außerdem wird genügend freier Speicherplatz auf der Platte benötigt; wer wirklich 8 virtuelle STs mit jeweils 4 Megabyte Speicher installieren will, muß also 32 Megabyte Festplattenkapazität reservieren. Glücklicherweise kann man diesen Platz über mehrere Partitionen verteilen. Der Switcher funktioniert übrigens auch ohne ATonce.

Abb.3: Mit HyperSwitch lassen sich bis zu 8 virtuelle STs installieren.

Fazit

Die Entwicklung der DOS-Emulatoren hat nicht haltgemacht. ATonce 368SX ist der eindeutige Beweis, daß noch mehr an Geschwindigkeit und Kompatibilität herauszuholen ist, als es die bislang gängigen Geräte schon praktizierten. Die Verbindung aus Mega-STE mit seiner 16MHz-68000er-CPU plus Cache und dem Intel 386SX-Prozessor plus Fast-RAM harmoniert sehr gut. Bei einem Preis von ca 800,-DM plus den Kosten für ein DOS-Betriebssystem ist man allerdings schon sehr nahe an dem Preis eines kompletten ATs (wenn auch nur mit 80286-Prozessor). Wer aber wenig Platz auf seinem Schreibtisch hat, und sowohl ST als auch DOS-Software nutzen muß, ist mit dem ATonce 386SX gut bedient.

Das Handbuch gibt ausreichende Hilfestellung für Einbau und Installation so daß auch Laien damit zurechtkommen sollten. Man vermißt lediglich tiefergehende Hinweise für den Programmierer, wie: Läßt sich das 512KB fassende Fast-RAM auch vom ST aus nutzen? Kann ich aus ST-Programmen heraus den mathematischen Coprozessor 387SX ansprechen? Lassen sich VME-Bus-Grafikkarten für den ST auch unter DOS benutzen?

Vortex arbeitet aber weiter an diesem Produkt, und man kann erwarten, daß auf diesem Sektor noch einiges an Entwicklungsarbeit geleistet wird.

CM

Bezugsquelle: Vortex-Computersysteme Falterstraße 51-53 W-7101 Hein bei Heilbronn

Auch die Textverarbeitung WORD lief auf dem Emulator unter Windows ohne Probleme.


Aus: ST-Computer 01 / 1992, Seite 38

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