Editorial: GEM - Kleinod oder Modeschmuck?

Der Graphics Environment Manager, kurz GEM genannt, dient, wie die meisten ST- und TT-Besitzer wissen, zur Grafikdarstellung auf unseren Ataris. GEM wurde ursprünglich von Digital Research als grafische Benutzeroberfläche entwickelt, und es ist auch nicht weiter verwunderlich, daß man es (oder ihn?) auch auf PCs finden kann. Dort hat es neben dem übermächtigen Konkurrenten Windows allerdings nicht sehr viel zu melden. Aber auch auf dem Atari ist es nicht ganz unangefochten. Immer wieder tauchen Programme mit der schlichten Extension TOS auf. Das hat mehrere Gründe: Zum einen bietet GEM eine solche Fülle von Grafikroutinen, die in vielen Fällen aufeinander aufbauen, daß sich Anfänger damit schwertun, solche grafisch aufgepeppten Programme zu erstellen. Zum anderen gibt es auch eine ganze Anzahl von Programmierern, die lieber ohne GEM arbeiten, sei es, daß es Ihnen zu langsam ist oder nicht deren speziellen Bedürfnissen genügt oder ein toter Standard (auf dem PC) ist, der nicht mehr weiterentwickelt wird, oder ... Nun, es gibt sicherlich viele Argumente dagegen. Allerdings bietet GEM auch wieder viele Vorteile wie z.B. die leichte Bedienbarkeit in jeglicher Hinsicht im Gegensatz zu TOS-Programmen.

Leider hat es Atari am Anfang versäumt, definitive Richtlinien zu schaffen, so daß es eine Vielzahl von Programmen gibt, die sich nicht an die mittlerweile herausgebildeten Standards halten. Auch in der ST-Computer haben wir immer wieder mit Artikeln versucht, diese Standards zu unterstützen. Man darf aber auch nicht all die Programmierer vergessen, die GEM auf dem Atari immer wieder weiter zu verbessern versuchen, allen voran Julian Reschke, der mit seinen Flydials quasi einen neuen Standard geschaffen hat.

Sicher ist, daß GEM auf dem Atari lebt und auch ohne Digital Research immer wieder neue Erweiterungen erfährt. Somit kann man in der Regel sagen, wenn Programme den GEM-Standard - auf dem Atari ist es unbestreitbar der Standard - unterstützen und einwandfrei programmiert sind, sind sie zukunftskompatibel. Sie sollten mit Sicherheit auch auf allen zukünftigen Rechnern der ST/TT-Reihe laufen. Seit dem Programm MultiGEM kann man sogar in etwa testen, ob sie einmal auf einem Multitasking-TOS laufen werden. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.


Harald Egel
Aus: ST-Computer 02 / 1992, Seite 3

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