Polypal, eine atarisierte Firma

Der technische Zeichner Herr Fricke am CAD-Arbeitsplatz

In den Büros renommierter Firmen wird die EDV traditionell von PCs erledigt. Die große Büromaschinenfirma und ihre Kompatiblen haben dieses Marktsegment Test im Griff. Das ganze Marktsegment? Jede große Firma? Nein, es gibt auch einige Betriebe, die sich für eine andere Lösung entschieden haben.

Die Firma Polypal Europe ist ein Regalhersteller, der zu den Pionieren im Bereich der Schwerlastregale zählt. Die Systeme dieser Firma sind in Europa und Übersee ein Begriff und werden in Deutschland von Firmen wie Otto Versand, Procter & Gamble, EDEKA, Leitz, Granini, Bertelsmann und Braun in Ihren Hochregal lagern eingesetzt. In der Bundesrepublik konzipiert und vertreibt die Tochterfirma Polypal GmbH in Hattersheim bei Frankfurt die Hochregale.

Daß dort im täglichen Betrieb nicht der Industriestandard rotiert, sondern sämtliche EDV-relevanten Aufgaben ATARI-Systeme erledigen, macht die Firma Polypal für ein Computermagazin interessant. Um mir das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine anzusehen, habe ich mich auf den Weg nach Hattersheim gemacht. Die Mitarbeiter der Polypal waren sofort bereit, sich über die Schulter schauen zu lassen, als sie hörten, worum es ging.

Herr Thrun von der Technik hat sich Zeit genommen, um mir die Firmentätigkeit und die EDV-Werkzeuge etwas näherzubringen. Die angenehm großen und hellen Räume in denen sieben ständige Mitarbeiter der Firma Polypal GmbH arbeiten, sind vom für Büros ungewöhnlichen ATARI-Design geprägt. An jedem Arbeitsplatz befindet sich ein Mega ST4 mit eigener Festplatte. Damit jeder Mitarbeiter ständig Zugriff auf dieselben und die aktuellsten Daten hat, sind die Computer durch das eLAN-Netz von GTI miteinander verbunden.

Alle anfallenden Aufgaben wie Angebotserstellung, Auftragsbearbeitung und Rechnungstellung übernehmen Computer. Die Bearbeitung eines Auftrages beginnt immer mit der Erstellung einer Angebotszeichnung. Die Polypal-Regalsysteme bestehen aus flexibel kombinierbaren Komponenten. Diese Komponenten lassen sich der räumlichen Situation individuell anpassen. Eine Regalkonfiguration beruht auf dem Grundriß der Halle, die dem Kunden zur Verfügung steht. Dieser wird in das CAD-System CADja übernommen. In ihm fügt Herr Fricke, der technische Zeichner der Polypal GmbH, die Regalsysteme maßstabsgetreu ein. Mit einem ATARI-SLM-804-Laserdrucker wird die Zeichnung ausgegeben und in Verbindung mit einem Angebot dem Kunden vorgelegt. Ist ein Angebot akzeptiert, wird eine endgültige Fertigungszeichnung erstellt und mit einem Hewlett Packard Plotter in hoher Qualität auf Transparentpapier ausgegeben. Herr Fricke: „Bevor ich zur Polypal kam, hatte ich keine Erfahrung mit CAD-Systemen und kannte auch den ATARI nicht. Die Anwendung dieses Rechners und der Software ist jedoch so benutzerfreundlich, daß ich innerhalb von zwei Wochen die Vorteile der Computer-Technik voll ausschöpfen lernte.“ Dieses Argument nimmt Herr Thrun gerne auf, um deutlich zu machen, weshalb bei Polypal mit ATARI gearbeitet wird: „Für uns stand Ende ’87, Anfang ’88 die Entscheidung an, welches Rechnersystem wireinführen. Die Entscheidung für ATARI mit dem GTI-eLAN-Netzwerk fiel einerseits, weil der Geschäftsführer, Herr Thissen, schon persönlich mit einem ATARI arbeitete, andererseits weil die Anforderungen an das System klar Umrissen waren. Die Erstellung und Ausgabe der Zeichnungen ist nicht die einzige Aufgabe der Rechner. Sämtliche Komponenten der Regalsysteme stehen in Datenbanken zur Verfügung. Aus Stücklisten, welche sich aus den Fertigungszeichnungen ergeben, werden automatisch die Kalkulationenerstellt. Bestellungen, Lieferscheine und Rechnungen müssen sich aus den vorliegenden Informationen schnell zusammenstellen und ausgeben lassen. Neben der Fähigkeit all diese Aufgaben lösen zu können, war Voraussetzung, daß die Computer leicht zu bedienen sind. In einem kleinen Betrieb ist es unmöglich, Spezialisten zu beschäftigen, die sich nur um das System kümmern. In dieser Zeit war das ATARI-System das einzige mit einer grafischen Benutzeroberfläche und leicht erlernbarer Bedienung des Betriebssystems.“

Der Rechner darf natürlich nicht losgelöst von der Software betrachtet werden. Der leistungsfähigste Computer ist absolut nichts wert ohne eine leistungsfähige und komfortable Software, die ihn zu einem wertvollen Werkzeug macht. „Das ist natürlich richtig, an Software benutzen wir das BSS Plus-System von Bavaria Soft, CADja als CAD-System und natürlich die Netzwerk-Software von GTI. Mit dem BSS Plus wird die gesamte Angebots- und Auftragsbearbeitung erledigt, die Rechnungsstellung, Statistiken und die Buchhaltung. Mit CADja werden, wie schon erwähnt, die Entwürfe und Reinzeichnungen erstellt. Das Netzwerk verbindet die Computer untereinander und mit dem Server.“

Das „Relikt“ aus alter Zeit, ein ATARI 260 ST

Insgesamt existieren sechs ATARI-Arbeitsplätze. Diese bestehen alle aus einem MEGA ST4 und einer eigenen Festplatte. Als Server, und zwar nur als Server, kommt ein PC zum Einsatz. Es handelt sich hier um einen 386er, der mit 20 MHz getaktet ist und die netzrelevanten Programm- und Datendateien auf der Festplatte installiert hat. Die eLAN-Software schickt Dateien von der Festplatte zu einem der Netzknoten. Der Computer dieses Knotens führt Programmdateien aus oder ließt Daten in eine Datenbank ein. Die zweite Aufgabe des PCs ist die Datensicherung. Mit einem Streamer können sämtliche Daten in einem Zug gesichert werden. Auf diesem Computer läuft kein Programm außer der Netzwerk-Software!

Schwierigkeiten bei der Integration unterschiedlicher Hard-und Software hat es keine gegeben. Dies zeigt sich daran, daß innerhalb von zwei Wochen der Einsatz der gesamten Anlage in den täglichen Betriebsablauf integriert wurde. An dieser Stelle macht Herr Thrun den beteiligten Software Häusern und Hardware-Herstellern ein großes Kompliment: „Die Unterstützung während der Installation und Inbetriebnahme war wirklich vorbildlich. Die Firmen GTI, Bavaria Soft und CADja haben jederzeit bei Fragen Rede und Antwort gestanden und darüberhinaus in kürzester Zeit Funktionen der Software überarbeitet und sofort zur Verfügung gestellt.“ Die Entscheidung fiel für das GTI-Netzwerk, da von Anfang an klar war, daß die Bürodatenverarbeitung mit BSS Plus von Bavaria Soft realisiert werden soll. Die Software mußte netzwerkfähig sein, damit jeder Mitarbeiter jederzeit Zugriff auf identische und aktuelle Daten hat. Die Netzwerklösung für BSS Plus ist das eLAN von GTI. Durch den modularen Aufbau ist dieses branchenneutrale Paket an die individuellen Anforderungen anzupassen. Das Netzwerk-Konzept ist in sich geschlossen, nicht nachträglich aufgesetzt und die Entwicklung von BSS Plus erfolgte auf dem eLAN-Netz. Diese beiden Produkte gehören einfach zusammen.

Herr Thrun äußert sich sehr zufrieden über die ATARI-Hardware, das GTi eLAN-Netz und die BSS Plus Software von Bavaria Soft.

Eine weitere Stärke des eLAN ist die Systemunabhängigkeit bei den zu vernetzenden Komponenten. Nur so ist es möglich, als Server einen PC zu benutzen. Zu der aktuellen Diskussion über Hard- und Software-Performance im Stile von schneller, höher, weiter hat Herr Thrun eine eigene Haltung. Die Datensicherheit ist ihm wesentlich wichtiger als die Geschwindigkeit, worauf er den zudem System existierenden Vorurteilen deutlich entgegentritt. Außerdem gibt es noch einen wichtigen Aspekt der leider zu oft nicht berücksichtigt wird. „Wo soll das denn hinführen, schließlich sitzen Menschen vor den Rechnern. Die Vorstellung, alle gewünschten Daten auf Knopfdruck präsent zu haben, ist sehr reizvoll. Wer jedoch acht Stunden täglich mit Computern arbeitet, hätte überhaupt keine Zeit mehr einen anderen Gedanken zu fassen als solche, die sich auf die Arbeit beziehen. Wer freut sich denn nicht über die Möglichkeit, zwischendurch einmal aus dem Fenster sehen zu können oder einen Schluck zu trinken, wenn der Rechner Dateien öffnet oder ein CAD-Programm einen Bildneuaufbau durchführt."

Trotz dieser moderaten und menschenfreundlichen Haltung denkt man bei Polypal darüber nach, wie die Arbeit komfortabler gestaltet werden kann. In diesem Zusammenhang ist ein möglicher Umstieg auf TTs diskutiert worden.

Unterschiedliche ATARI-Zusatzhardware wie ein M110-Großbildschirm von Matrix am CAD-Arbeitsplatz oder ein EIZO VGA-Monitor am Arbeitsplatz von Frau Müller, ebenfalls in der Abteilung Technik, bereitet im Verbund keinerlei Schwierigkeiten. Sofern die Kompatibilität gewährleistet ist und ein neuer Computer da ansetzt, wo sein Vorgängermodell aufhört, ohne Leistungsverluste zu verursachen, ist die Firma Polypal an Neuheiten interessiert. Der Geschäftsführer Herr Thissen hat an seinem Arbeitsplatz einen neuen Mega STE stehen.

Einen Raum weiter findet sich sogar noch ein Relikt aus den Anfängen. Der Computer, mit dem alles begann, ist ein ATARI 260 ST. Dieses „Schätzchen“ von 1985 ist zwar nicht dem Netzwerk angeschlossen, aber immer noch im Einsatz. Mit diesem Computer erledigen die vier Außendienstmitarbeiter der Polypal ihre Korrespondenz.

Alle Polypal-Mitarbeiter sind mit den Systemen und der Software zufrieden. Selbst in der Zeit der grafischen Oberflächen auf PCs ist die Benutzerführung des STs immer noch am einfachsten. Es ist kein Thema eine Teilzeitkraft, die nicht acht Stunden täglich mit dem Computer umgeht, mit EDV-Aufgaben zu betreuen. Ist die Philosophie, die hinter der Benutzung des GEM steht, einmal verstanden, ist es nicht nötig, immer wieder neu zu lernen. So sollte ein Computer sein, nicht komplizierter als ein Toaster. Es gäbe keine Berührungsängste und selbst die „älteren Leute“ hätten es leichter, noch den Einstieg in die Computerwelt zu schaffen ...

Zum Abschluß gibt es noch eine kleine Kuriosität am Rande. Das neue Lager, das ATARI plant, wird unter Umständen von der Polypal GmbH konzipiert. Herr Thrun verriet mir, daß man sich auf jeden Fall schon im Angebotsstadium befände. Als in der ST-Computer von der Planung berichtet wurde, nahm die Polypal GmbH sofort Kontakt mit ATARI auf. Ob es zum Abschluß kommt, ist allerdings noch völlig offen. Es wäre jedoch schön, wenn die Mega STEs, Notebooks, UNIX TTs und PADs mit einer neuen, schnellen und multitaskingfähigen GEM Version in einem von Ihren Ahnen geplanten Regal (hoffentlich nicht allzu lange) ruhen würden.

H. Wendt



Aus: ST-Computer 03 / 1992, Seite 14

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