TOS 2.06 - Das Update für jedermann

Es ist schon einige Zeit ins Land gegangen, seit ATARI das letzte Mal zu einem Update seines ST-Betriebssystems aufrief. Damals (1989) war das TOS 1.04 schon ein echter Fortschritt gegenüber dem Vorgänger (1.02). Fast drei Jahre hat sich ATARI nun Zeit gelassen, um eine neue Version des Betriebssystems auf seine User „loszulassen“. TOS 2.06 is waiting...

Es erschienen zwar begleitend mit den neuen Rechnern 1040 STE, Mega STE und TT auch neue Versionen des TOS, diese waren aber nicht in den „alten“ STs vom Typ 260-, 520- oder 1040-ST einsetzbar. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen sind die neuen Rechner mit erheblich erweiterten Hardware-Eigenschaften ausgestattet, die natürlich auch vom Betriebssystem unterstützt werden sollen. Dazu wurden die TOS-Versionen entsprechend ergänzt. Die alten STs verfügen natürlich nicht über die erweiterten Fähigkeiten (4069 Farben, 8-Bit-DMA-Sound), so daß eine TOS-Version aus den neuen Rechnern beim Zugriff auf eine nicht vorhandene Hardware einfach abstürzen würde. Zum andern wurde das Betriebssystem durch die Erweiterungen so umfangreich, daß es nicht mehr in das 192KB-ROM der alten STs paßt.

Tic-TEC-Toe?

Was tun? Mit dem Mega STE und dem TT veröffentlichte ATARI zudem ein neues Desktop, das wesentliche Vorteile gegen über seinem Vorgänger aufweist. Welcher ST-Besitzer hat da nicht schon mal neidisch hinübergeschielt? Warum könnte man nicht einfach eine TOS-Version schreiben, die uneingeschränkt auf allen ST/STE-Systemen läuft? Hier hatte die Firma Artifex eine Vorreiterrolle, indem sie bei Atari erreichte, daß das neue TOS 2.06 selbst erkennt, in welchem Computer es läuft, und somit von vornherein den Zugriff auf nicht vorhandene Hardware vermeidet. Damit ist das erste Problem elegant gelöst. Bleibt das Problem, die 256 KB des neuen TOS in den alten STs unterzubringen. ATARI hat seit dem 1040 STE die Basisadresse des TOS von $FC0000 auf $E00000 herabgesetzt, um Platz zu gewinnen. Das neue TOS muß also auch bei den alten STs an dieser Adresse eingeblendet werden. Dies geht leider nicht ohne zusätzliche Hardware. Die Firma Artifex hat in Absprache mit ATARI die sogenannte TEC (TOS-Extension-Card) entwickelt. Auf dieser Karte befinden sich das TOS 2.06 in zwei 1-Megabit-ROMs (zur Zeit noch EPROMs) und ein Logikbaustein, der die Adreßumsetzung durchführt. Kontakt zum Daten- und Adreßbus des ST bekommt die TEC durch zwei Flachbandkabel (28- und 23polig). An einem davon befindet sich ein 28poliger Stecker, der anstelle eines Orignal-ROMs im ST eingesteckt wird. Die restlichen 23 Verbindungen müssen bei 260-. 520- und 1040-ST-Computern an der CPU angelötet werden, was eine recht mühsame und zeitraubende Angelegenheit ist. Wer seine CPU gesockelt hat (z.B. für Turbo-Board oder MS-DOS-Emulator), kann von Artifex eine Version der TEC beziehen, die am zweiten Flachbandkabel eine Platine mit einem CPU-Sockel besitzt. Dadurch entfallt hier die Lötarbeit. Besitzer von Mega-STs können auch eine Version mit Mega-Bus-Stecker erstehen.

Bild 1: Ein neuen Desktop erlaubt viele verschiedene Icons.

Wer nicht löten muß, hat den Einbau also recht schnell erledigt. Leider gibt es keine bestimmte Befestigungmöglichkeit für die ca. 7 x 5 cm große Platine. Artifex liefert zwei ca. 3mm dicke, doppelseitig klebende Schaumstoffstücke in den Maßen der Platine mit, mit Hilfe deren man (natürlich durch die Kabellänge beschränkt) sich einen passenden Platz im Innern des STs aussuchen kann. Das hat aber auch den Vorteil, daß in 1040-STs oder Rechnern mit diversen Erweiterungskarten immer noch Platz für TEC bleibt.Das original TOS kann aus dem Rechner entfernt werden - Artifex beschreibt aber im Handbuch zur TEC, wie man auf einfache Art und Weise beide TOS-Versionen umschaltbar verwenden kann.

Die neuen Features

Auch gegenüber dem TOS 2.05, welches bislang in den Mega STEs zum Einsatz kam, bietet die Version 2.06 einige nützliche Neuerungen. Nach einem Reset fällt zunächst das ATARI-Symbol ins Auge, welches auf dem Bildschirm dargestellt wird. Wurde ein Kaltstart durchgeführt, erfolgt ein Speichertest, der den kompletten RAM-Speicher nach eventuellen Fehlern durchsucht. Durch einen beliebigen Tastendruck kann dieser Test allerdings abgebrochen werden. Die schon von Mega STEs und TTs bekannte Wartezeit für die Festplatte wird nun optisch durch einen schrumpfenden schwarzen Balken unterstützt. Auch die Wartezeit erfolgt nur nach einem Kaltstart und kann jederzeit durch Betätigung einer Taste abgebrochen wer den. TOS-1.04-Anwender werden besonders das neue Desktop zu schätzen wissen. Endlich kann man für jede beliebige Datei ein eigenes Icon definieren. Häufig benutzte Programme, Daten und Ordner lassen sich auf den Desktop-Hintergrund legen und sind damit jederzeit dem Zugriff des Anwenders unterstellt. Alle Funktionen des Desktops lassen sich per Tastatur bedienen, mehr noch, die Tastenkombinationen können sogar in einer Dialogbox beliebig geändert werden. Auch die Funktionstasten fristen von nun an kein Schattendasein mehr, beliebige Tasten-Codes lassen sich ihnen zuordnen.

TOS mit Krümelmonster

Es würde zu weit führen, alle Neuerungen des Desktops aufzuführen. Interessant ist noch die Existenz der sogenannten „Keksdose“ (engl. Cookie-Jar). TOS 2.06 reserviert einen bestimmten Speicherbereich und trägt dort in Form von vier Byte langen ASCII-Kennungen (Cookies) die Ergebnisse der Hardware-Analyse beim Systemstart ein. Dieser Cookie-Jar existiert allerdings schon seit TOS 1.06, erlangt aber gerade jetzt eine wichtige Bedeutung (siehe auch ST-Computer 12/90 und 01/91 - „Das Cookie-Jar Prinzip“). Mit Hilfe dieser ASCII-Kennungen kann jedes Programm feststellen, auf welchem Computer (ST/STE/TT) es läuft und mit welcher Hardware dieser ausgestattet ist. Ist beispielsweise ein mathematischer Coprozessor vorhanden, oder werkelt gar ein 68030er-Prozessor im Rechner?

Neben den eigentlichen Neuerungen ist es sicherlich ebenso wichtig zu erfahren, daß ATARI auch einige Fehler der vorangegangenen TOS-Versionen abgestellt hat. Der berüchtigte RTS/CTS-Handshake-Fehler (RS-232-Schnittstelle), der alle DFÜ-Treibenden mit High-Speed-Modems zur Weißglut brachte, ist nun endgültig beseitigt. Fix-Programme wie POOLFIX, TOS14FIX, VDIFIX usw. können ein für allemal aus dem AUTO-Ordner verbannt werden. Ob (wie so oft) neue, noch nicht entdeckte Fehler vorhanden sind, wird sich in Zukunft zeigen.

Bild 2: Bis zu sieben Fenster lassen sich im Desktop des TOS 2.06 gleichzeitig öffnen.

Einen kleinen Nachteil konnten wir allerdings schon herausfinden. Besitzer von Turbo-Boards mit Fast-ROM-Option (auf das Betriebssystem wird besonders schnell zugegriffen) können von dieser Möglichkeit nicht mehr profitieren, da die Adresse des TOS sich ja nach unten verschoben hat. Lediglich die Turbo-Karten, deren Fast-ROM-Option auf die andere Adresse konfiguriert werden kann, sind davon nicht betroffen. Allerdings macht sich dieses Manko im praktischen Betrieb nicht allzu gravierend bemerkbar, da Zugriffe auf den RAM-Speicher davon nicht betroffen sind.

ATARI verkauft das neue TOS 2.06 für 149,-DM. Dies bezieht sich allerdings nur auf die zwei ROM-Chips(bzw. EPROMs) zum Umrüsten von 1040 STEs bzw. Mega STEs (dort ist die TEC nicht notwendig). TOS 2.06 inkl. TEC kostet I98.-DM. Für die rein steckbare Lösung (TEC-Bridge-CPU bzw. TEC-Bridge-Mega-Bus) werden weitere 25,-DM veranschlagt. Alles in allem kann man sagen, daß sich dieses TOS-Update auf jeden Fall lohnt, allein schon deshalb, um am Ball zu bleiben. Einen unumstößlichen Vorteil hat man auf jeden Fall. Mit dem TOS 2.06 erwirbt man ein Betriebssystem, das offiziell von ATARI unterstützt und auf das sich in Kürze ein Großteil der Software-Entwickler eingestellt haben wird.

CM

Bezugsquelle:

Artifex-Computer GmbH Anton-Burger-Str. 147 W-6000 Frankfurt/Main



Aus: ST-Computer 03 / 1992, Seite 66

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