Drahtgeflecht

Längst ist es da, das Kommunikationszeitalter! War zur Zeit der ersten Garagen-APPLEs und IBM-PCs noch die Eigenständigkeit und Abgeschlossenheit der Systeme ein großer Renner, so geht inzwischen der Trend zur Offenheit, zur Chip-to-Chip-Connection.

Man kann getrost das Zugänglich machen entfernt liegender Datenbasen, den globalen Wissensaustausch und die unbegrenzte Verfügbarkeit von jedweder Information als die Erschaffung eines ‘globalen Gehirns’ betrachten.

Dieses globale Gehirn ist über unzählige Leitungen weltweit verknüpft und stellt als Gesamtheit DAS Kommunikationsnetz, quasi DIE elektronische Potenz schlechthin dar. Wer mehr über diese Betrachtungsweise sowie die neuesten Forschungsergebnisse nachlesen möchte, sollte sich unbedingt die Ausgabe 11/91 der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft besorgen, die sich fast ausschließlich der weltweiten (WAN) bzw. lokalen (LAN) Vernetzung gewidmet hat.

In unserer heutigen Betrachtung geht es aber um Einrichtungen und Dienste, die Sie (entsprechende Hardware vorausgesetzt) sofort ansprechen bzw. nutzen können: die Mailbox. ABER: Mailbox ist nicht gleich Mailbox, es gibt gewaltige Unterschiede! Die ganze Szene ließe sich etwa nach der Kommerzialität, also der Gewinnorientierung, einteilen.

Einteilung

So gibt es a) Unternehmen, die oftmals nur zum Betrieb einer Mailbox gegründet wurden und dementsprechend profitorientiert arbeiten müssen. Andererseits unterhalten b) Großfirmen bzw. Verlage entsprechende Systeme, meist zur Inhouse-Kommunikation oder für den Außendienst und für Betriebsfremde kaum zugänglich. Eine Abart davon wäre c) die gewollt (und meist kostenlos) zugängliche Firmenbox, etwa zum Zwecke der Werbung, Händlerunterstützung oder zur Kundenbetreuung. Dieser Trend ist gerade bei einigen Software-Firmen festzustellen. Dann gibt es noch d) die Club-Mailbox, die ähnlich wie b) eine Insider-Kommunikation sicherstellen soll, aber nicht gewinnorientiert arbeitet (eher im Gegenteil). Unabhängig davon betreiben e) auch einige Privatleute eine Box, meist nur aus Experimentierfreude, als Hobby. Eine Sonderstellung nimmt f) die Universitäts- bzw. Instituts-Mailbox ein, weil sie, öffentlich subventioniert, das Gegenteil von Gewinnorientiertheit darstellt. Wenngleich sie ein vielfältiges Angebot und oftmals am schnellsten die heißesten Neuigkeiten bereithält, ist sie leider meist nicht öffentlich zugänglich.

Eine andere Eingruppierung könnte man nach dem Diensteangebot vornehmen: Die wohl reichlichste Leistungspalette haben sinnigerweise die Kommerziellen (a), weil sie fast für jedes Angebot Geld abverlangen. Hier sollte man unbedingt einen Preisvergleich anstellen und erst nach gewünschten Dienstleistungen forschen. Ebenso einleuchtend dürften die Privaten (d und e) ein eher begrenztes Angebotsspektrum vorweisen. Hier wären solche Anwender gut aufgehoben, denen es fast ausschließlich nur auf einen reinen Texttransfer ankommt.

Was ist denn eigentlich eine Mailbox?

Eine Mailbox ist nichts anderes als ein Zentralrechner mit reichlich Speicherkapazität, in dem jedem Teilnehmer ein Platz reserviert wird, deshalb auch „elektronisches Postfach“ (oder engl. electronic mail) genannt. So werden auf elektronischem Wege, z.B. via DATEX-P oder direkt per Telefon, mittels spezieller Geräte (Modem oder Akustikkoppler) reine Texte gesendet, empfangen und in dem Mailbox-Fach zwischengelagert. Folglich ist die Hauptaufgabe eines Mailbox-Rechners die Zwischenlagerung elektronischer Nachrichten.

Zur exakten Definition sei noch folgende Unterscheidung angemerkt: Eine ‘BOX’ ist im Prinzip der gesamte Rechner, also das ‘elektronische Postamt’ als Ganzes (bzw. stellvertretend die Firma oder der Betreiber), während man mit ‘FACH’ die eigene, private ‘Schublade’ innerhalb einer Box bezeichnet. Dieses Fach ist zudem mit einem Paßwort vor fremdem oder unberechtigtem Zugriff geschützt.

In die Mailbox gelangen Sie entweder direkt per Telefon oder per DATEX-P-Netz mit dem kleinen Umweg vom Telefon bis zum nächstgelegenen DATEX-Knoten. Von diesen DATEX-Knoten (das ist eine normale Telefonnummer, jedoch meldet sich dort direkt ein Vermittlungs-Computer) sind derzeit 19 mit jeweils drei (einige schon mit vier) verschiedenen Übertragungsgeschwindigkeiten (300, 1200, 2400 und 1200/75 Bits per Sekunde) im alten Bundesgebiet verteilt.

Diensteangebot

Die Leistungsvielfalt kommerzieller Mailbox-Betreiber läßt kaum noch Wünsche offen; um nur einige zu nennen (die Liste erhebt wahrlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

1) Textdienste

Schreiben, Senden, Empfangen, Lesen, Vervielfältigen, Umleiten, Verteilen oder Aufbewahren von Texten sind die Standardleistungen, wobei Profis die Texte vorher „offline“ vorbereiten und später meist als gepackte Datei verschicken.

2) Schwarze Bretter (engl. BB = Bulletin Boards)

Das Gegenteil des privaten Nachrichtenversands (PM = Private Mail) ist, wenn Informationen von allgemeinem Interesse, fast wie an einer Pinwand, öffentlich verfügbar gemacht werden. Diese Bretter haben meist einen fest umrissenen Themenkreis, so daß sich dort Nachrichten sehr gut kanalisieren lassen. Mittlerweile existieren Listen, welche Mailbox welche Bretter zur Verfügung stellt. Ebenso existiert die Möglichkeit, sich von seiner angestammten Mailbox an eine fremde durchstellen zu lassen, um dort verfügbare Brettnachrichten oder, umgekehrt, quasi ein Brettabonnement anzumelden, um alle neuen Nachrichten automatisch zugestellt zu bekommen.

3) Geschlossene Benutzergruppen (GBG)

Besonders Firmen mit weitreichendem Außendienst, Personen, die entweder selten telefonisch erreichbar sind oder mit viel Text zu tun haben (Journalisten), werden von ihrer Zentrale per Mailbox bedient Die Berechtigung zum Einrichten und Führen von GBGs wird oft extra berechnet. Vorteil: Es kommen nur Berechtigte in diesen Kreis, und es können auch vertrauliche Mitteilungen gezielt (und verschlüsselt, siehe auch ‘Public Key’) verschickt werden.

4) Intermail/Interswitch

Um den erreichbaren Personenkreis zu erweitern, wurden Verbindungen der Mailboxen untereinander geschaltet (engl. Gateway). Per Intermail (verbunden mit einer internationalen Kennung) sind fast alle Mailbox-Rechner weltweit erreichbar. Derzeit geht der Trend zur Vernetzung der großen, regionalen oder nationalen Mailbox-Systeme untereinander (darüber später mehr).

Die Vermittlung zu einer Fremd-Mailbox kostet zusätzliche Verbindungsgebühr und wird immer gesondert berechnet.

Vorteil: Damit sind auch alle Angebote anderer Rechner aus dem eigenen Fach heraus direkt ansprechbar.

Nachteil: Es entstehen zusätzliche Verbindungsgebühren und oft auch eine Gebühr innerhalb der fremden Mailbox.

5) Diensteübergang Telex

Der Schluß lag eigentlich nahe, Nachrichten, die schon elektronisch Vorlagen, einfach in das Telex-Netz (und umgekehrt) einzuspeisen. Das geht heute noch mit einigen Einschränkungen über London oder San Marino, denn die Post erlaubt den Direktanschluß Mailbox-Telex in Deutschland noch nicht. Aber wenn man die Kosten betrachtet, scheint der Aufwand gerechtfertigt: Eine Telexkennung kostet oft nur 10 DM im Monat. Unbestreitbarer Vorteil: Ein Telex-Hauptanschluß und die Anschaffung eines Telexendgerätes sind nicht nötig, außerdem liegen eingegangene Nachrichten elektronisch vor und können unmittelbar weiterbearbeitet werden (was auch umgekehrt funktioniert).

6) Diensteübergang Btx

Hier zeigt sich die Richtung Btx zu Mailbox als sehr effektiv. Man kann aus dem kostengünstigen Bildschirm text auf seine angebotsreichere Mailbox zugreifen. Von Mailbox nach Btx scheint nur der sogenannte Btx-Mitteilungsdienst erwähnenswert, da Bildschirmtext hauptsächlich mit Grafik und Bildeffekten arbeitet, die per Mailbox leider nicht sichtbar sind. Mittlerweile sind Versuche einer Direktverbindung von Mailbox-Rechnern via Btx zu vermelden, hauptsächlich, um das wesentlich teurere DATEX-P als übertragungsnetz zu umgehen.

7) Diensteübergang Teletex/Telefax

An der Anbindung dieser Netze wird vielerorts noch experimentiert. Teletex (als Computerfernschreiben bekannt) bietet sich geradezu an, da kaum Beschränkungen im Zeichen Vorrat bestehen (anders bei Telex) und viel Ähnlichkeit zum Mailbox-Betrieb erkennbar ist.

Telefax dürfte etwas schwieriger werden, weil man das Umsetzen von Grafikteilen aus Telefax nach Mailbox noch nicht vollkommen gelöst hat (ähnliche Problematik wie von Btx zur Mailbox). In umgekehrter Richtung funktioniert es schon einigermaßen, wenn man völlig auf Grafik verzichtet.

8) Datenbanken

Die Hauptaufgabe von Mailbox-Rechnern ist das Speichern bzw. Zwischenlagern von Informationen jeglicher Art. Es hat sich mittlerweile eine regelrechte Datenbankindustrie entwickelt, die Informationen aus Fachpresse und Wirtschaft, Patent und Weltgeschehen abspeichert, elektronisch lesbar, versteht sich. So war schnell auch der direkte Anschluß dieser Datenspeicher an den Mailbox-Rechner bewerkstelligt.

9) Telecall und Reverse-Charge

Heute müssen Sie nicht einmal mehr als Teilnehmer in dem DATEX-P-Netz gemeldet sein. Per TeleCall können Sie (ähnlich den amerikanischen R-Gesprächen) die Verkehrsgebühren vom DATEX-P-Netz zum Mailbox-Rechner im nachhinein Ihrem Mailbox-Fach anlasten. Für Vielbenutzer sinnlos, weil höhere, zusätzliche Kosten; für Gelegenheitsbenutzer oder Schnupperer sehr empfehlenswert.

10) Intelligent Interface

Da im Verkehr mit dem Ausland und im Kontakt mit Datenbanken oft verschiedene Abfragesprachen benutzt werden, schalten die größten Mailboxen eine Art Übersetzer dazwischen.

Intelligent Interface ‘ii’ (engl. soviel wie: schlaue Schnittstelle oder schlaue Verbindung) nimmt die natürlichsprachigen Anweisungen auf und übersetzt sie in jene Anweisungen, wie die Datenbank sie versteht.

11) File-Transfer

In verschiedenen Mailbox-Rechnern gibt es eigens eingerichtete Fächer, von denen Sie Programme ‘fernladen’, also in den heimischen PC übertragen können. Die Kosten hierfür reichen von kostenlos (siehe PD-Software) bis annähernd zu den Ladenverkaufspreisen (siehe Update per DFÜ). Für die gesicherte Übertragung werden eigene Protokolle (z.B. XMODEM oder Kermit) benutzt, die das DFÜ-Programm auf Ihrem Computer natürlich beherrschen muß.

12) Online-Konferenz (engl. Round Tables)

Es können sich mehrere Teilnehmer im direkten Dialog per Bildschirm miteinander ‘unterhalten’. Hotline-Durchschaltung ist ein ähnlicher Kundendienst, hauptsächlich in der Software-Branche, ist nach dem Kauf sehr beratungsintensiv. So haben die Hersteller schnell geschaltet und einen Telefonanschluß für schnelle Kundenanfragen (eine sogenannte Hotline) eingerichtet.

Fachbegriffe

Account
eine Zugangsberechtigung; sie besteht mindestens aus dem Benutzernamen und einem Paßwort.

Brett
(Echo, Group) ein spezielles Fach, das für alle Nutzer zugänglich ist und allgemein interessierende Nachrichten enthält.

Channel
(Kanal) ein spezielles Programm, das auf Wunsch Nachrichten zu einem festen Themenkreis (Brett oder Round-Table) aus fremden, nicht direkt zugänglichen Mailboxen zusammensucht und zur Verfügung stellt.

Chat
eine Konferenz, die sich entweder zum allgemeinen Plausch (meist zufällig) oder zu einem Round Table (Interessengruppe) online getroffen hat.

EMail (auch: „EM“) electronic Mail
elektronische Nachricht für einen oder mehrere Adressaten (auch Bretter),

Gateway
Verbindung zwischen zwei Mailbox-Betreibern oder auch übergreifenden Netzen

Level
unterschiedliche „Freiheitsgrade“ innerhalb der Box

Login
Anwahlprozedur mit Anruf und Identifikation, oft auch mit Parametereinstellung und Terminalemulation

Network (Netz)
Zusammenschaltung einzelner lokal betriebener Mailbox-Rechner (Points) zum gesteuerten Nachrichtenaustausch

Newsgroup (Special Interest Group)
quasi eine Interessengemeinschaft, die in einem oder mehrerer Bretter über fest vorgeschriebene Themen diskutiert.

NUA (Network Users Adress)
Kennung bzw. Anrufnummer eines Teilnehmers (Mailbox) in einem Datennetz (DATEX)

NUI (Network User Identification)
Zugangsberechtigung um von außen (meist Telefonnetz) in ein Datennetz zu gelangen.

offline
eine Verbindung besteht nicht

online
bei bestehender Verbindung

PMail
persönliche Nachricht, die nur einem festgelegten Adessaten zugeschickt wird. Kann meistens auch verschlüsselt werden.

Point
meistens der Endpunkt in einem weitschweifigen Netz, womit die eigenständige, lokale Mailbox gemeint ist.

Polling
automatischer Anruf einer übergeordneten Box bei einem Point zum Dateiaustausch zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt.

Postmaster
Verwalter einer Mailbox, verantwortlich für den geregelten Dateitransfer und die Benutzerverwaltung

Pseudo
Selten verwenden Maiibox-Nutzer ihren wirklichen Namen. Das Pseudo ist ein beliebiger „Deckname“.

Quoting
Wenn man einer Nachricht einen Kommentar anhängen möchte, zitiert bzw. wiederholt man die Ursprungsnachricht und sendet diese mit seinem Kommentar verknüpft weiter.

Reply
Antwort auf eine öffentliche Nachricht auf einem Brett oder in einer Konferenz ohne Quoting

Requesting
das ferngesteuerte Abfordern einer Datei (meist ein Programm) aus einer Fremd-Mailbox. ohne selbst in diese Box durchgeschaltet zu werden.

Round Table
eine Gruppe (Forum), die sich unter einem speziell vereinbarten Thema zu einer Konferenz online zusammengefunden hat.

Routen
Versenden einer EMail mit einer klaren Zielbestimmung durch die Empfängeradresse (Routing)

Server
ein Zentralrechner, der nicht nur die Mitteilungen zwischenspeichert (die gemeine Mailbox), sondern auch den Transfer unter den angeschlossenen Netzen steuert.

Sysop
der Verantwortliche für den technischen Ablauf des Mailbox-Betriebs. „SysOpa“ ist die liebevolle Umschreibung für einen altbekannten Mailboxfreak.

Die Größen der Branche

1. CompuServe

CompuServe ist unbestritten die größte kommerzielle Mailbox der Welt, die vor geraumer Zeit ihren größten Konkurrenten in den USA, „The Source“, nach längerem Kampf aufgekauft hat. 1979 gegründet, ist dieses Unternehmen seit kurzem mit einem deutschen Büro in München vertreten und schickt sich an, in die weltweit mehr als 750000 gemeldeten Benutzer auch deutsche (allerdings mit englischen Sprachkenntnissen - Betriebssprache) einzureihen.

Ein Account kostet 2 Dollar pro Monat sowie 12,50 Dollar pro Online-Stunde; Sondertarife zu verkehrsschwachen Zeiten (wie in den USA) gibt es für Deutschland leider nicht. Speichernutzung wird nicht berechnet, Sonderdienste kosten extra. Kündigung ist jederzeit möglich. Bezahlung wird nur per Kreditkarte akzeptiert. Erreichbar ist CompuServe über eine deutsche DATEX-P-Nummer, Kundenanfragen per Telefon laufen über eine kostenfreie 0130-Nummer. Es gibt eine eigene DFÜ-Software (CompuServe Information Manager), ein etwa 250 Seiten starkes Benutzerhandbuch und eine monatlich erscheinende Kundenzeitschrift.

Besonders die Durchschaltung zu elektronischen Hotlines der Computerfirmen (ATARI ist beispielsweise mit 3 Abteilungen vertreten), Fern-Update von mehr als 250 Software-Produkten, ca. 10 größere Nutzergruppen mit eigenem Programmangebot, etwa 150 ständige Konferenzen (Special Interest Groups), der Zugang zu etwa 1500 Datenbanken, das alles macht die Nr. Eins auch für deutsche Onliner interessant. Zur Benutzerführung ist zunächst ein Handbuchstudium anzuraten, weil die Brettverschachtelung sehr weitschweifig ist. Es ginge bei bestehender Verbindung zuviel Zeit verloren, sich durch die gesamte Menüstruktur hindurchzutasten. Kurzbefehle sind möglich und ratsam. Die ständige Anzeige der Menüs ist zur Zeit noch nicht abschaltbar.

2. GEnie

Zweifellos die Nummer Zwei ist das Mailing-System des Elektronikmultis General Electric. Es existiert ein deutsches Büro und eine recht hilfreiche deutsche Benutzergruppe. Etwa 270000 Nutzer weltweit sind in GEnie zu Hause. Betriebssprache ist Englisch.

Wenngleich für Anmeldung und Speicherbelegung keine Kosten anfallen, sind die 27 Dollar für eine Online-Stunde doch etwas happig. Ein Nachttarif verlangt dagegen „nur“ 18 Dollars pro Stunde. Festpreisvereinbarungen, die dann noch einmal erheblich günstiger sind, werden nur für Kunden in den USA angeboten. Abrechnungsbasis ist eine gültige Kreditkarte. Kündigung des Accounts ist jederzeit möglich. Zur besseren Einsicht kommt ein englisches Handbuch mit knapp 138 Seiten ins Haus. Deutsche Datenzugänge und eine Telefon-Hotline existieren.

Auch hier sind zahlreiche Computerfirmen online oder per Mail ansprechbar, und es gibt einen Round-Table für ATARI ST-Rechner. Besonders interessant ist der heißeste News-Dienst für die Computerbranche „Newsbytes“. Für Datenbankrecherchen wird zum eigenen Host „Genios“ weitergeschaltet. Interessant sind auch die Online-Multiuser-Spiele mit direkter Beteiligung.

Die Benutzung von GEnie ist der von CompuServe sehr ähnlich, aber in Details sehr verbessert worden. Kein Wunder, wenn fast die gesamte Programmierermannschaft unlängst von CompuServe nach GEnie gewechselt hat. Anstelle von Klartextbefehlen kann man auch die Zahlenkodierung der Brettnamen verwenden, die gleich in der Einlogsequenz (also beim Einstieg in die Box) angegeben werden kann. Außerdem läßt sich die Menüführung abschalten, wenn man Befehle und Brettstruktur auswendig kennt. Das Studium des Benutzerhandbuches ist ebenfalls anzuraten.

3. BIX

1985 als Hilfsmedium der Zeitschrift BYTE geschaffen, hat diese kommerzielle Mailbox inzwischen kaum noch Verbindungen zur Zeitschrift, außer, daß der größte Nutzerkreis der Leserschaft BYTE entstammt. Die Masse der etwa 40000 Teilnehmer ist denn auch von typischen Computerthemen sehr angetan und erhebt BIX damit zur Mailbox für Programmierer und Systemingenieure schlechthin. Das fachliche Niveau in den Diskussionsbrettern ist dementsprechend sehr hoch.

Die Online-Stunde schlägt mit üppigen 23 Dollar zu Buche. Kosten für Speichernutzung gibt es nicht, ebensowenig wie Sondertarife. Bei der Inanspruchnahme einer Firmen-Hotline reduziert sich der Online-Tarif. Ein DATEX-Zugang von Deutschland aus kann über ein Gateway erfolgen. Zahlung ist nur per Kreditkarte möglich; Kündigung jederzeit. Eine kostenlose Telefon-Hotline existiert nur in den USA und ist von Deutschland aus kostenpflichtig. Verkehrssprache ist Englisch.

Das wahrscheinlich größte Angebot an Firmenbrettern ist wohl hier zu finden, weil BIX zu einer Art Geheimtreff der Software-Entwickler geworden ist. Es gibt auch zahlreiche sogenannte thematisierte Hilfsfächer, die systemübergreifend nur eine einzige Programmiersprache zur Diskussionsgrundlage haben. Man kann sich auch in den Foren als Abonnent eintragen lassen und erhält jede neue Nachricht an das Forum auch automatisch im privaten Fach abgelegt.

4. MCI Mail

Seine Existenz verdankt MCI einem gewonnenen Prozeß im Jahre 1983, als der Telefonmulti AT&T es nicht dulden wollte, daß sich reine Textsysteme auf seinen Leitungen tummelten. Schwierig ist es, ‘MCI Mail’ einzuordnen, da dort nicht die Nutzer, sondern die angeschlossenen Fächer gezählt werden, und wieviele Anwender sich dahinter wirklich verbergen, weiß nur MCI allein. Zur Zeit gibt es fast 600000 solcher Fächer.

Die gewaltige Zahl an Fächern täuscht! Denn es wird grundsätzlich jedem Benutzer eine Minimalanzahl von 8 Fächern zugeteilt, die thematisch abgegrenzt sind, z.B. für Informationsablage, Ausgänge, Entwürfe und Ideen, zum Postversand fertige Nachrichten und gelöschte Nachrichten (quasi ein rettender Papierkorb), Verteilerlisten sowie Programm- und Bilddateien.

Die Gebührenstruktur weicht sehr stark von den Angeboten der Konkurrenz ab. So ist ein jährlicher Obulus von 35 Dollars zu entrichten, ansonsten kostet nur noch das Verschicken von Nachrichten je nach Umfang Geld, nicht aber das Lesen. Eingegangene Post wird nur fünf Tage gespeichert. Eine Telexkennung wird automatisch und kostenlos zugeteilt. Das Benutzerhandbuch ist mit 80 Seiten etwas knapp bemessen. Verkehrssprache ist Englisch. Die Software Lotus Express (an MCI-Bedürfnisse angepaßt) wird empfohlen.

MCI Mail will als reines Texttransfermedium verstanden sein und bietet demzufolge keinerlei Bretter oder Diskussionsgruppen an.

Die Super-Mailbox

Oftmals existieren zwischen den kommerziellen Systemen, die ja allesamt Konkurrenten sind, keine direkten Verbindungen. So ist es bei manchen Systemen beim Versand von Nachrichten wichtig zu wissen, über welchen Weg man die Fremd-Mailbox überhaupt erreichen kann. Dieser Gedanke führte 1985 zur Gründung der Firma DASystems, die mit ihrem DASnet eine Art „ÜBER-Mailbox“ erschaffen hat. Dort sind weltweit alle bedeutendsten Mailbox-Systeme (auch die deutschen) angeschlossen. Wenn nun keine Direktverbindung von X-Box nach Y-Box existiert, sollte kurz nachgefragt werden, ob ein DASnet-Anschluß geschaltet ist (was meistens der Fall ist). Nun übernimmt DASnet Vermittlerfunktionen und leitet die Nachrichten an das Zielsystem weiter. Zu diesem Zweck wählt DASnet alle vier Stunden nacheinander die angeschlossenen Systeme an und läßt sich relevante Dateien übergeben bzw. übergibt Dateien von einer anderen Quell-Mailbox.

Grundsätzlich akzeptiert DASnet alle übergebenen Dateien und versucht, diese beim Zielsystem loszuwerden. Wenn die Zieladressierung nicht stimmt, landet die Nachricht mit einer Fehlerquittung wieder im Quellsystem, und das kostet Geld. Ebenfalls Geld kostet es, wenn der Empfänger einer Nachricht sofort per DASnet dem ursprünglichen Absender antwortet. Dann schlagen nicht nur die Transferkosten in die eine Richtung, sondern auch noch die der Antwort zu Buche. Die Abrechnungsmodalitäten werden von den angeschlossenen Svstemen übernommen.

Die Großen in Deutschland

1. GeoNet

Durch einen Trick sind die verschiedenen Einzelfirmen des deutschen Mailboxpioniers Günter Leue wohl zur größten Mailbox in Europa avanciert: Es wurden einfach alle in Deutschland eigenständig arbeitenden Rechner der Betreiber Geomail Haunetal, Mediabox Köln, Deutsche Mailbox Hamburg, Telehaus Nordhorn, Euromail und Bookmail sowie weitere in England, Frankreich, Irland, Luxemburg, Polen, Portugal, Rußland und den USA mit Standleitungen zusammengeschaltet, so daß die physikalische Entfernung aufgehoben wird und alles wie ein einziger Großrechner erscheint. Das hat auch den Vorteil, daß man nur den regionalen Rechner (z.B. im Ausland) an wählen muß und automatisch in seinem heimischen Mailbox-Fach ist.

Neben einer Einrichtungs- bzw. Anmeldegebühr von 100 DM kostet das Fach monatlich 20 DM, und die Verbindung schlägt mit 50 Pfennig am Tag und 25 Pfennig in der Nacht zu Buche. Vertragskündigung ist quartalsweise möglich, Lastschrifteinzug ist obligatorisch. Weitere Kosten entstehen (übrigens bei allen Systemen) durch die Telefonverbindung oder zusätzliche DATEX-Nutzung.

Das Diensteangebot ist eher an Geschäftsleute und Manager sowie spezielle Berufsgruppen gerichtet. So gibt es postalische Dienste wie Fax- und Telex-Versand, Signalaussendung an Europieps oder Cityruf sowie zahlreiche Datenbankdurchschaltungen und Nachrichtendienste. Es existieren Gateways zu UUCP und DASnet, eine internationale X.400-Adresse kostet 20 DM monatlich (warum, weiß kein Mensch). Die Benutzerführung kann auf Deutsch, Englisch oder Französich erfolgen und ist wegen der einleuchtenden und einfachen Menüstruktur schon mehrfach ausgezeichnet worden. Ein Handbuch umfaßt knappe 90 Seiten. Hilfestellung zur Nutzung gibt es per Box und Telefon.

2. COM.BOX

Seit neuestem auch unter dem Namen „WInNet - World Interchange Network“ aktiv, war diese Berliner Box einmal das Eldorado der Journalisten und Korrespondenten. Ursprünglich als Genossenschaft gegründet, mit dem Ziel, alle Angehörigen der schreibenden Zunft zu vereinen, bietet die COM.BOX hauptsächlich Dienste für diese Berufsgruppe an. So sind derzeit die Redaktionscomputer von fast 40 Zeitungen an die COM.BOX gekoppelt und wickeln den Artikelaustausch bis zur Druckerei darüber ab. Aber: Nicht alle Nutzer sind auch direkt über diese Mailbox erreichbar, weil sie sich meistens in einer geschlossenen Benutzergruppe (GBG) tummeln, wovon die anderen Nutzer nichts mitkriegen.

Es existiert neben der Grundgebühr von 40 DM monatlich ein relativ kompliziertes Gebührenschema: Speicherplatznutzung über die Freigrenze von 100 KByte hinaus kostet 6 Pfennig pro KByte im Monat, die Verweildauer in der Box kostet 40 Pfennig pro Minute, und die Art der Übertragungsgeschwindigkeit verursacht weitere Auslagen. Bei 2400 bps (Bit pro Sekunde) zahlt man 12 Pfennig pro Minute, darüber kostet es sogar 70 Pfennig, und wer per DATEX-P hereinkommt, darf 14 Pfennig pro Minute berappen. (Hoffentlich schreibt irgendjemand einmal ein Programm, das die günstigste Zugangsart für verschiedene Dienstleistungen ausrechnet.) Der Nutzungsvertrag ist vierteljährlich kündbar. Die Dienstleistungspalette hält neben Telex und Fax auch verschiedene Nachrichtenagenturen bereit. ADN (ja, die gibt es noch) kostet 5,70 DM pro Minute (zusätzlich). Es gibt nur ein Gateway nach UUCP. Die Benutzerführung ist vorbildlich und hält neben Deutsch, Englisch und Französisch auch Italienisch und Russisch(!) bereit. Eine Handvoll kleiner Heftchen informiert über Nutzung und Dienste, ein Support per Telefon ist vorhanden.

3. Telebox

Natürlich mochte die ehedem hoheitliche Bundespost nicht abseits stehen, konnte sie doch bis noch vor einigen Jahren die Chancen der anderen Anbieter recht restriktiv beeinflussen. Also wurde in Mannheim ein Rechner installiert und vornehmlich den eigenen Dienststellen ans Herz gelegt. Den rechten Durchbruch bei der privaten bzw. geschäftlichen Kundschaft konnte die DBP-Telebox noch nicht verzeichnen. So ist das Gebührengerüst (typisch Post) denn auch sehr vielfältig: Bereitstellungsgebühr einmalig 65 DM, monatliche Grundgebühr für den Einzelkunden 40 DM, Zeitgebühr 30 Pfennig pro Minute Verweildauer, Speicherkosten 3 Pfennig pro 2 KByte pro Tag, 10 Pfennig Grundgebühr für jede Mitteilung und zusätzlich 25 Pfennig für die ersten 2 KBytes dieser Mitteilung. Kündigung ist jederzeit möglich. Eine eigene Software stellt die Betriebssicherheit und einfache Bedienung sicher.

Telebox-400 ist ein reines Nachrichtenübermittlungssystem und für private Anwender wohl am ungeeignetsten, nicht allein wegen der Kosten. Besonders die X.400- und EDIFACT-Möglichkeiten machen die TELEKOM-Mailbox zu einer typischen Plattform für Kleinbetriebe, die den DFÜ-Zug der Zeit nicht verpassen wollen. Über einen X.400-Gateway sind Systeme in ganz Europa und speziell in Japan un den USA erreichbar.

Im Überblick

Die deutsche Mailbox-Szene unterscheidet sich von der amerikanischen ganz grundlegend. War sie in den USA schon immer stark „institutionalisiert“, d.h. die Mailbox-Systeme waren ein Teil großer Elektronikfirmen, Verlage oder Telefongesellschaften oder hatten zumindest das Bestreben, größere Firmen in sich zu sammeln, so ist in Deutschland eher der „privatisierte“ oder „personalisierte“ Charakter dominierend. Will heißen: In Deutschland lag die Mailbox-Nutzung eher auf der Schiene der Einzelkämpfer und Freaks.

Große deutsche Mailbox-Unternehmungen hatten zudem ein viel stärkeres kommerzielles Bestreben als in den USA, was fast schon selbstverständlich eine breiter angelegte Bindung von interessierten Firmen ausschloß. Kaum ein Softwaresupport läuft über eine deutsche Mailbox, weil sie u.a. einfach zu teuer ist und eine restriktivere Gebührenpolitik betreibt. Deutsche Mailbox-Firmen hatten sich auch zu sehr an der destruktiven Politik der damals herrschenden hoheitlichen Bundespost orientiert.

Deswegen sind seit einigen Jahren mindestens zwei daraus resultierende Aktivitäten zu beobachten. Erstens: Amerikanische Mailbox-Systeme drängen mit ihren weit aus attraktiveren Angeboten nach Europa und finden fast kampflos Anklang. Unkenntnis der englischen Sprache ist dabei längst kein Hindernis mehr - wer in der Computerbranche kein Englisch kann, ist selber schuld. Zweitens: Es hat sich neben den Kommerziellen ein weitaus mächtigerer und vom Leistungsangebot her vergleichbarer Parallelmarkt entwickelt, die privaten Mailbox-Betreiber. Sie sind vom Namen her im regionalen Umfeld fast schon bekannter als die Kommerziellen.

Vernetzung

In allen Bereichen der Onliner-Szene ist eine zunehmende Spezialisierung festzustellen. So haben sich die kommerziellen Betreiber, um überhaupt überleben zu können, auf bestimmte Berufsgruppen (beispielsweise Journalisten, Rechtsanwälte, Spediteure) konzentriert und bieten hierfür recht ausgefeilte und nützliche Dienste an. Die privaten Betreiber haben sich mehr auf reine Text- und Filetransfer-Dienste spezialisiert und bieten darin sogenannte Special Interrest Groups an. Und weiterhin drängen firmeninterne Mailbox-Systeme an die Öffentlichkeit, um in verkehrsschwachen Zeiten die Rechnerkapazitäten nicht brachliegen zu lassen, denn sie „produzieren“ ja weiter laufende Kosten, und die hält man dadurch geringer, in dem man Betriebsfremde über die Standleitungen und Satellitenkanäle schweifen läßt.

1. FidoNet

Tom Jennings ist im Jahre 1985, wie viele seiner Alters- und Hobbygenossen, der „Faszination Mailbox“ erlegen und installierte einen kleinen elektronischen Briefkasten. Ständig per Telefon nur zu quasseln, war ihm leid, schließlich „mailte“ er seinen Freunden Texte per Box. Irgendwann war ihm die Arbeit zu viel, immer per Telefon die Kameraden erst anzuwählen und in deren Computer nach Mitteilungen zu suchen - er bastelte eine Software, die das automatisch und ohne sein Zutun erledigen sollte. Als Namensgeber für diese Software mußte Jennings’ Hund FIDO herhalten.

Eigentlich nur zur Sendeabwicklung zwischen zwei Rechnern gedacht, wurde das Prinzip schnell von seinen Kollegen übernommen, und schließlich bildete sich daraus ein Verfahren, das den automatisierten Nachrichtenversand steuerte. Jennings ließ Idee und Realisierung als Warenzeichen schützen und übergab die Nutzungsrechte seiner IFNA - International Fido Net Association.

Die Struktur des weltweiten FIDO-Netzes

Das FidoNet hat weltweit über 5000 und in Deutschland weit mehr als 350 angeschlossene Systeme. Fido hat die Welt in Zonen eingeteilt und die Verantwortlichkeiten stark hierarchisch geordnet. Die Postmaster bzw. SysOps (bei Fido heißen sie „Coordinators“) werden auch nicht gewählt, sondern von der übergeordneten Hierarchie ernannt. Die Zieladressierung erfolgt mit einem Nummerncode, der der Hierarchiestufe entspricht.

Die Angebotspalette im FidoNet reicht von öffentlichen Round-Tables über jedes auch nur denkbare Thema (natürlich in der Hauptsache über Computer) zu EMail, File Transfer und Online-Spielen (Postgames). Gateways existieren zu Zerberus und MausNet. Die EMail-Transferzeit innerhalb des Netzes dauert zwischen 1 und 2 Tagen.

2. Zerberus

Fast zeitgleich kam die Idee des Zerberus auf. Wolfgang Meisner kannte sich in der Szene aus und hatte schon lange Zeit in der ersten Mailbox Deutschlands, der CLINCH in Hamburg, herumgewühlt. Etwas angetan von der Benutzerführung, die einer Abart der GeoMail-Software entstammt, entwickelte er ein Programm zur Mailbox-Steuerung, das er in Anspielung an Jennings’ Hund Fido kurz „Zerberus“ (der dreiköpfige Hund aus der griechischen Mythologie) nannte.

Etwa 200 Mailboxen aus Deutschland haben sich unter dem Namen Zerberus, natürlich unter Benutzung der gleichnamigen Software, in etwas loser Form zusammengefunden. Die Bürokratie ist hier nicht so weit getrieben wie z.B. im Fido-Netz. So sind viele angeschlossene Systeme auch Teil eines anderen Netzes oder bilden untergeordnete und dennoch eigenständige Netze. So bilden COMLINK, GreenNet (Greenpeace), L.I.N.K.S. (Jusos) und BUND eine Untereinheit. Es ist auch unschwer festzustellen, daß in Zerberus die Computerthemen nicht iiberwie-gen, sondern eher die ökologisch-politischen.

Zerberus hält etwa 150 öffentliche Foren bereit, erlaubt EMail in AMnet, Artnet, Fido, Maus-, PC- und SubNet. Auch gibt es Online-Spiele. Besonderheiten in Zerberus sind das Durchsschalten auf ausgesuchte Datenbasen und die Möglichkeit, Pseudonamen zu führen. Die EMail-Transferzeit innerhalb des Netzes dauert zwischen 2 und 3 Tagen.

3. MausNet

Es war wohl im Jahre 1985 (so genau weiß das niemand mehr), als eine Handvoll Programmierer aus der Fido-Szene mit den „kryptischen“ Mailbox-Steuerungen nicht mehr so zufrieden war. Zunächst auf der Grundlage eines APPLE-II-Nachbaus der deutschen Firma BASIS wurde das Maus-Programm auf MS-DOS in der Programmiersprache TURBO-Pascal 5.5 portiert und läuft erst seit 1988 als vollausgebautes Netzwerk.

Derzeit sind im MausNet, das sich aus dem Zerberus abgespalten hat, ca. 40 Systeme auf MS-DOS-Rechnern und 7 auf ATARI-Rechnern (Quark) aktiv. Die Adressierung innerhalb des Networks hat sich stark an die US-Normenempfehlung RF 822 gehalten und benutzt die Autokennzeichen zur Unterscheidung. Das Netz hat die typische Struktur eines Baumes und orientiert sich an einem Hauptrechner in Aachen. Maus AC beginnt nachts um 4 Uhr, alle untergeordneten „Mäuse“ anzurufen und leitet den File-Transfer ein. Damit ist sichergestellt, daß alle neuen Nachrichten am nächsten Tag in den Ziel-Mailboxen liegen. Das MausNet ist damit eines der schnellsten Systeme in Deutschland. Die interessante Gebührenabrechnung, die auch Gutschriften zwischen den Boxen ermöglicht, ist eine Besonderheit. Wenn also eine Box mehr News sendet, als sie empfängt, erhält sie Gebühreneinheiten gutgeschrieben. An Diensten ist im MausNet mit etwa 100 Foren, Programme für ATARI ST, MS-DOS, Amiga und Macintosh, EMail (sowieso) und Gateways innerhalb deutscher Netze und dem UseNet zu rechnen. Das MausNet ist die Heimat der ATARI-Insider.

4. MagicNet

Ebenfalls im Jahre 1985 entstand unter dem Einsatz von Ingo Richardt, einem der großen Pioniere der deutschen Mailbox-Szene, das MagicNET. Zunächst als Zusammenschluß einiger weniger Systeme in Nordrhein-Westfalen geplant, entwickelte es sich sehr schnell zu einem der größten Mailbox-Netze in Deutschland. Nachdem es einige Netzspaltungen überstanden hat, besteht es zum heutigen Zeitpunkt aus etwa 80 Systemen im gesamten Bundesgebiet. Anschlüsse bestehen derzeit zu Zerberus, PCNet, UUCP, Fido, Maus und anderen kleinen Mailbox-Netzen. Das MagicNET hat demokratische Strukturen: Jeder Sysop bestimmt mit, wie die Zukunft des gesamten Netzes aussieht. Kleine Splittemetze wie das „Seven-Net“ oder das „Pro-Net“ sind beispielsweise aus dem MagicNET entstanden.

Im Angebot des Netzes befinden sich derzeit etwa 150 Foren, in denen Nachrichten ausgetauscht werden können. Als weitere Möglichkeiten sind beispielsweise E-Mail oder FAX- und BTX-Übergänge zu nennen. Das MagicNET besitzt mit dem MausNet die schnellste Nachrichtenlaufzeit aller deutschen Privatnetze: Jede Nachlicht ist innerhalb eines Tages im gesamten MagicNET verteilt. Programme existieren für ATARI(MagicBox SL)-, PC- (AlphaBOX)-und Amiga (MegaBox Amiga)-Rechner.

Routings

Beispiele für den User „Mickey Mouse"

AT&T Mail: !MMouse
Connect: mickmous
CIS/CUBEnet: 12345.999 Fido: (net):(node):mickey mouse®FIDO(Ort)
GEnie: Mickey.Mouse
GeoNet: Geo1:m.mouse
Internet: mMouse@disney.world.com
MCI Mail: Mmouse
Telemail: M.Mouse/Disney
UUCP: !wrldwd!disneyworld!mmouse
X.400: C=US, ADMD=MAIL, PRMD=DISNEY, S=MOUSE, G=MICKEY
Zerberus: MICKEYMOUSE@DISNEY.ZER

SMILEYS

Sie werden gerne an irgendwelche Bemerkungen angeheftet, quasi als ..Gesichtsausdruck" ohne viel Worte.

   
:-) Der grinst sich eins.
:-( Der ist schlecht gelaunt
:#) Dieser Spruch ist zensiert.
:<### Oh Mann, hat der ‘nen Bart.
:-O Dieser Meinung bin ich auch
:-)> Der streckt die Zunge raus.
:-
:-c Gähn, deine Witze waren auch schon besser
:-C Der ist ja nicht auszuhalten
:-* Ich sag' dazu nichts!
:-+ ich pfeif Dir was!

(Und wenn Sie nicht wissen wie man die Smileys liest, dann drehen Sie diese Zeitung im Uhrzeigersinn um 90 Grad - Sie werden sehen.)

Tendenzen

Die Mailbox-Szene in Deutschland hat sich völlig anders entwickelt als beispielsweise in den USA. So hat die zu stark gewinnorientierte Ausrichtung der vollkommerziellen Systeme zwei Parallelentwicklungen Vorschub geleistet, und zwar der weit größeren privaten bzw. Hobbymailbox und der Öffnung firmeninterner Systeme. Davon profitieren vor allem die Nutzer.

Weiterhin drängen die US-Networks stärker nach Europa und stellen eine weitere Konkurrenz dar. Einziges Manko: die englische Verkehrssprache. Größter Vorteil: die günstigere Kostenstruktur.

Eine weitere eigenständige DFÜ-Infrastruktur ist im Bereich der Hochschulen und Forschungsinstitute sowie auf der Ebene der Firmenzusammenschlüsse mit EG-Förderung (ESPRIT-Programm) auszumachen.

Wissenschaftsnetze

Auch für Außenstehende interessant dürften die Wissenschaftsnetze in Europa werden, zumal sie oft bestimmten Berufsgruppen kostenlos genutzt werden können. Ist man Student an einer Uni, dürfte es kaum Schwierigkeiten geben in diese Netze einzusteigen.

NetNews ist ein internationaler Kommunikationsdienst, an dem weltweit über 40000 Server-Systeme von Universitäten, Firmen, Forschungseinrichtungen und Privatleuten (Berufsgruppen) mit etwa zwei Millionen Nutzern teilnehmen. Die Gesamtheit aller vorhandenen NetNews-Gruppen nennt man USENET.

Das ursprüngliche Deutsche Forschungsnetz DFN ist unlängst in einem neuen X.25-Wissenschaftsnetz WIN aufgegangen, das selbst in dem europaweiten EARN/BitNet integriert ist. Die Aktivitäten dieser weitverzweigten Netze, die sich allesamt in dem internationalen INTERNET wiederfinden, an dieser Stelle zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Das EUnet ist ein kooperatives Netz von UNIX-Rechnern in Europa, das in der Uni Dortmund verwaltet wird. Es bietet seinen Teilnehmern in der Hauptsache einen EMail-Austausch über ein weltweites Konferenzsystem, aufbauend auf der Software UUCP und TCP/IP. Da die teilnehmenden Organisationen (das können auch Firmen sein) ihre Kosten für Hard- und Software sowie die Verkehrsgebühren selbst tragen, werden nur Gebühren für den Zugang sowie volumenabhängig für die EMail verlangt.

Das INTERNET ist ein weltweiter Verbund von ca. 200000 Rechnern, die auf dem Betriebssystem UNIX laufen. Es gibt Mail- und File-Transfer auf dem Protokoll des UUCP. Über Internet ist das direkte Einloggen in Fremdrechner möglich. Gesammelte News und EMail werden über Kanäle versandt.

Jeder Nutzer eines Fremdrechners, der ein Abonnement auf einen Kanal angemeldet hat, erhält alle Nachrichten, die alle anderen angeschlossenen Systeme in diesen Kanal entlassen, automatisch in sein Fach gelegt. Im Internet treten z.Zt. drei deutsche Anbieter auf: der DFN-Verein, EUnet und Xlink.

ST-COMPUTER per Mailbox

Eine ausführliche Liste von kommerziellen und privaten Mailbox-Betreibem sowie deren Netzanschluß können Leser unserer Zeitschrift gerne aus der MAXON-Mailbox downloaden. Sie steht jeweils montags bis freitags in der Zeit von 20:00 bis 08:00 Uhr und übers Wochenende von freitags 20:00 bis montags 08:00 Uhr zur Verfügung. Bitte benutzen Sie nur zu diesen Zeiten die Rufnummer 06196-437... mit den Parametern 8N1. Als Login benutzen Sie „GAST“ und können dann über das Brett Gast (Befehl >B GAST<) die gewünschte Information auswählen. Gerne können Sie auch Leseranfragen als persönliche Mail an den Sysop senden.

Die MAXON-Box läuft natürlich auf einem ATARI-ST und ist eine rein lokale Mailbox für interne Zwecke der Redaktion. Mit Absicht wurde sie an keines der bestehenden Privatnetze angeschlossen. Der Zugang ist deshalb leider nur über die obige Rufnummer in Direktverbindung möglich.

Der Anfang einer langen Freundschaft

In der DFÜ-Szene tut sich was! Mit diesem Beitrag wollten wir Ihnen nur einen kleinen Vorgeschmack liefern, auf das was sich in Telefonleitungen alles abspielt. Es kommt nicht von ungefähr, wenn die EG-Kommission Nr. XIII in einer breitangelegten Expertise zu dem Schluß kommt, daß die Telekommunikationsindustrie zum Jahrtausendwechsel der Automobilwirtschaft die Führungsrolle in den Industrienationen abgerungen haben wird.

Und in einer dermaßen innovativen Branche wie der Computerindustrie, da gehört es einfach zum guten Ton, eine, oder meistens mehrere, Mailbox-Adressen zu haben. Der neueste Schrei ist die X.400-Adresse auf Briefbogen und Visitenkarte. Wie sagte unlängst ein Mailbox-Pionier: „Von wegen, die Zukunft stünde vor der Tür, die Zukunft spielt sich täglich in den Telefonleitungen ab!“

DK



Aus: ST-Computer 07 / 1992, Seite 120

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