Cubase 3.0 (Teil 2)

Nach einer kurzen Sommerpause folgt nun der zweite Teil des Cubase-Testberichtes. Zur Erinnerung an den ersten Teil noch einmal ein kurzer Abriß der dort schon erläuterten Themen. Zur Sprache kamen bereits das Arrange-Window, der List-, Drum- und Key-Editor.

Cubase soll angeblich auf einem 1-MB-Rechner lauffähig sein, ist es auch, aber ein komfortables Arbeiten mit allen aktiven Modulen ist dabei nicht möglich. Diese lassen sich zwar installieren, erlauben dann aber keine allzugroßen Songs im Arbeitsspeicher. Eine Minimalkonfiguration von 2 MB ist auf jeden Fall zu empfehlen. Aber wie es nunmal im Leben ist, steht mehr Arbeitsspeicher zur Verfügung, wird der Wunsch nach Accessories und Hintergrundprogrammen, die die Arbeit erleichtern sollen, immer größer und macht eine erneute Aufrüstung erforderlich. Der Aufpreis für eine Speichererweiterung bei einem Neukauf steht in keinem Verhältnis zum Aufwand bei einem nachträglichen Umbau, darum an dieser Stelle der Tip an alle, die sich einen neuen ATARI zulegen wollen; lieber 4 MB Arbeitsspeicher und 1 MB ungenutzt, als 2 MB Arbeitsspeicher und 1 MB zuwenig. Sollen alle Cubase-Möglichkeiten gleichzeitig griffbereit sein, steht ein großer Speicher außer Frage. Dies betrifft besonders den Score-Editor, der diesmal unter anderem zur Sprache kommt.

Die „Menüleiste“

Abbildung 1: Die Menüleiste ist die Cubase-Schaltzentrale.

Die Menüleiste ist der Dreh- und Angelpunkt. Von hier aus erreicht man die Editoren und hat Zugriff auf eine stolze Anzahl von Funktionen. Unter „FILE“ befinden sich die direkten Diskettenzugriffe zum Laden eines neuen Stückes, Löschen eines Files und Formatieren einer Diskette. „NEW" öffnet eine neues Arrangewindow, verwirft den alten Song aber nicht, sondern hält ihn im Arbeitsspeicher und trägt den Namen in eine unter „Windows“ zu findende Liste ein. Es können also mehrere Songs direkt ohne Diskettenzugriff nacheinander aktiviert werden. Ein Klick auf „OPEN" öffnet eine Fileselector-box mit 7 Auswahlmöglichkeiten. 1 =Song, 2=Arrangement, 3=Part , 4=24 Song, 5= MIDI File. 6= Drum Map. 7= Set Up. Unter „Save" findet man bis auf den Eintrag „24 Song" dieselben Optionen. Des weiteren werden unter „File“ der Printer eingestellt und der Ausdruck gestartet. "Preferences“ erlaubt das Einstellen einer automatischen Sicherung. Eine sehr nützliche Einrichtung, da das Sichern des öfteren in Vergessenheit gerät. Der Mousespeeder und die Maustasten (vertauschen) werden hier ebenfalls eingestellt. „Use Crosshair Cursor" stellt ein Fadenkreuz als Hilfe zum Verschieben der Parts bereit. Standardmäßig öffnet der Doppelklick auf einen Part den Key-Editor. Wer aber den Score- oder List-Editor vorzieht, vermag dies hier ebenfalls einzustellen. Unter „EDIT" werden die oben schon erwähnten Editoren aufgerufen. Alle sind auch durch direkte Tastatureingabe verfügbar.

„Info“ zeigt Informationen zum aktiven Part und stellt den MIDI-Filter ein. Zur Wahl stehen Note On, Poly Pressure, Controller, Program Change, After Touch, Pitch Bend und Sys Ex.

Im Logical Editor hat der Benutzer die Möglichkeit, bestimmte MIDI-Daten umrechnen zu lassen. Dies geschieht durch Presets oder eigene Einstellungen, die zusammen mit dem Song abgespeichert werden. Mit den gewählten Daten addiert, subtrahiert oder multipliziert und dividiert man einfach Werte. Eine Zufallsfunktion sorgt hier und da für interessante Effekte. Der „Logical Editor“ ist gleich zweimal vorhanden, nämlich als Expert- und als Easy-Editor. Der Unterschied liegt lediglich in der Anzahl der Beeinflussungsmöglichkeiten. Wer zum Beispiel ab einer bestimmten Notenhöhe einen Velocity-Wert hinzufügen will, weil erst dann der gewünschte Sound richtig erklingt, kann die Unzulänglichkeiten seines Einspiel-Keyboards hiermit schnell ausgleichen. Sollte es einmal Vorkommen, daß nur ein bestimmter Notenbereich zu verändern ist, wählt man in der Filtersektion „oujside“ oder „i nside“, um entweder außerhalb oder innerhalb eines Datenfensters zu beeinflussen. Dieser nicht zu unterschätzende Editor birgt unzählig viele Möglichkeiten.

Im „FILE Menü“ findet man noch eine besondere Aufnahmespur, „Mastertrack“ benannt. Sie dient lediglich der separaten Aufnahme von Tempo- und Taktartänderungen. Wie der Name schon sagt, ist diese Spur, falls gewählt, maßgebend für das Tempo.

Unter „Structure“ befinden sich die direkten Zugriffsmöglichkeiten auf die Tracks, Parts undGroups. Das Menü „Functions“ stellt die Quantisierungen bereit, die bis zu vierundsechsigstel Triolen einstellbar sind. Je höher der Quantisierungswert eingestellt ist, desto geringer ist die musikalische Korrektur. Bei einem zu niedrig gewählten Wert besteht die Möglichkeit, daß die Veränderungen so gravierend ausfallen, daß ein weiteres Arbeiten unsinnig erscheint. In diesem Fall ist noch nicht alles verloren, da mit UNDO Quantize das Original wieder zum Tragen kommt und die mißglückte Aktion verworfen wird. Die Originaleinspielung bleibt immer in einem dafür reservierten Puffer vorhanden und steht jederzeit wieder bereit. Die Logical Presets sind hier im Functions-Menü direkt aufrufbar. Die weiteren Parameter dienen ebenfalls der direkten Beeinflussung der Abspielparameter.

Im Menü „Options“ werden globale Einstellungen durchgeführt, die der Anpassung des MIDIequipments dienen und die Synchronisation regeln. Unter anderem sind hier auch die Mixermaps nachladbar, auf die wir aber später noch zu schreiben (sprechen) kommen. Unter „Windows“ wird die Darstellungsform auf dem Bildschirm eingestellt und bei Bedarf das Transportfeld ausgeblendet. Die speicherresidenten Songs sind hier ebenfalls aufgelistet, wobei der aktive Song durch einen vorangestellten Haken gekennzeichnet ist.

Abbildung 2: Der „Logical Editor“ ist ein mächtiges Werkzeug zur Beeinflussung von MIDI-Daten.

MIDI MIXER und MIXER-Tracks

Wieder mal ein echtes Highlight von Cubase 3.0. Der MIDI-Mixer steuert wie ein richtiges Mischpult, eben nur auf M1DI-Ebene, die angeschlossenen Geräte. Nicht, daß hiermit nur die Lautstärke eingestellt wird, es ist sogar möglich sein komplettes MIDI-Equipment damit zu editieren. In Abbildung 3 ist zum Beispiel ein Roland D50-Editor realisiert. Im Options-Menü sind unter „Setup Mixermaps“ zahlreiche Applikationen zu finden, die mit den Additionals-Disketten zum Lieferumfang gehören.

Fertige Mixer-Einstellungen sind zum Beispiel für den Dl 10, D50, DMP7, DWEX 8000, Kl, K4, JX8P und viele mehr vorhanden. Wer die Zeit hat, selbst welche zu erstellen, kann sie selbstverständlich auch abspeichern. Eine Mixer-Map muß sich auf einer Spur befinden, die als eine solche deklariert ist. Ohne Mixer-Track keine Mixer-Map. Experimentierfreudige Komponisten werden an diesen Mixern, von denen mehrere aktiv sein können, ihre helle Freude haben. Mal eben alle Effektgeräte anders einstellen oder die Lautstärken wie auf einem Audiomischpult justieren, alles kein Problem mehr.

Abbildung 3: Mischpulte und Editoren liefert Cubase als Mixer-Maps frei Haus.

Der MIDI-Prozessor

Ein Effektgerät mit integriertem Chorus, Echo und Pitch-Shifter kostet in der Regel schon fast 1000,-DM. Cubase kostet ebenfalls knapp 1000,-DM. Warum also ein Effektgerät kaufen, wenn alles gleich mitgeliefert wird? Ganz so einfach kann man sicherlich nicht rechnen, aber immerhin sind sehr interessante Einstellungen möglich. Der durchschlagende Vorteil des MIDI-Prozessors liegt darin, daß das Effektsignal auf digitaler Ebene abgespeichert werden kann. Dies ist bei einem analogen Signal nur mit erheblich höherem Aufwand (A->D-Wandlung) möglich.

In Abbildung 4 sind die als Schieber ausgelegten Regler zu sehen. Sie dienen der Einstellung der Wiederholungen (Re-peats), der Pause zwischen den Wiederholungen (Echo), dem Quantisierungswert und den dynamischen Effekten. Die dynamischen Effekte, mit Vel Dec, Echo Dec und Note Dec abgekürzt, erlauben die Beeinflussung der Echophasen, indem die Pausen oder der Velocity-Wert kontinuierlich verändert werden. Mit „Note Dec“ sind sogar Harmonielinien und Arpeggien möglich, da es in diesem Fall zu einer Addition bzw. Subtraktion zur/von der eingespielten Note kommt.

Bereits bespielte Spuren gelangen direkt zum MIDI Effect Processor, wenn der Trackoutput auf MROS gestellt ist, (siehe Abbildung Inspector). Voraussetzung ist die Prozessor-Input-Einstellung auf MROS. MROS verwaltet als eigenes Betriebssystem die MIDI-Daten im Hintergrund und leitet sie auf die entsprechenden Programme und Programm-Module um. Ist der Prozessor-Output ebenfalls auf MROS gestellt, ist die Aufnahmemöglichkeit auf eine separate Spur (falls auf MROS geschaltet) gegeben. Bei Verwendung der Variante Input und Output auf ATARI gelangt das Siganal des MIDI-INs über den Effekt-Prozessor zum MIDIOUT.

Abbildung 4: Digitale Effekte auf digitalen Spuren sind keine Zukunftsmusik mehr.

DER IPS

Der Interactive-Phrase-Synthesizer, so die vollständige Bezeichnung, erzeugt keine neuen Klänge, sondern manipuliert die Events eines Tracks, die zuvor mit „COPY to PHRASE“ in einen der 32 Slots des IPS kopiert wurden. Die Veränderung des Notenmaterials geschieht vergleichbar mit der Programmierung der Klangfarben eines Synthesizers. In Abbildung 5 sind einige Parameter zu sehen, die für das Generieren neuer Phrasen verantwortlich sind. Auf Diskette sind mehrere Kompletteinstellungen zu finden, die einige Möglichkeiten veranschaulichen.

Wie und was letzendlich vom IPS verbogen werden soll, bestimmt der Benutzer selbst. Die zunächst etwas unübersichtlich erscheinende Benutzeroberfläche ist nach einer kurzen Einarbeitungszeit schnell zu durchschauen und läßt sehr schnelle Veränderungen zu. Die einzelnen Werte werden durch die Maus oder sich öffnende Pop-Up-Menüs geändert. Das Herumsuchen in irgendwelchen Untermenüs entfällt. Um die Sache noch effizienter zu gestalten, sind gleich 2 IPS-Module vorhanden, die mit den Buttons am unteren rechten Bildschirmrand umzuschalten sind. Die Beeinflussung der Noten ist nicht auf vorhandene Parts beschränkt, sondern geschieht auch bei direktem Einspielen. Es ist wichtig, darauf zu achten, wie die Input- und Output-Schalter gesetzt sind. Da der IPS-Output eine MROS-Stellung zur Verfügung stellt, ist es möglich, die Phrasen direkt auf einem MROS-Track aufzunehmen. Der IPS verändert die Tonhöhen, bildet Skalen, manipuliert die Velocity-Werte und vieles mehr. Alle Möglichkeiten aufzuzählen, die aus den zahlreichen Parametern entspringen könnten, würde mir beim Schreiben einen unlösbaren Knoten in den Fingern einbringen. Allein die Random-Generatoren liefern so viele Varianten, daß keine genauen Angaben möglich sind.

Abbildung 5: Der programmierbare Synthesizer im ATARI

Score-Editor

Cubase ist eines der wenigen Sequenzerprogramme, das einen professionellen Notendruck gewährleistet. Nicht nur der Ausdruck, sondern auch die Editierparameter lassen nicht zu wünschen übrig.

Prinzipiell funktioniert dieser Editor genauso wie die anderen, mit dem Unterschied, daß die Form und Darstellungsweise der Ereignisse gestaltbar sind. Um eine bessere Übersicht zu schaffen, ist es möglich, das Notenblatt im Page Mode zu zoomen. Die Zoom-Faktoren 50, 75, 100 und 200 % sind rechts neben dem unteren Scroll-Balken einstellbar. In einer speziellen „Staff Settings-Dialogbox“ stellt man für jeden Part unabhängig die Darstellungsweise ein. Dies entfällt bei aktivierter „Polyphonic Voice-Function“, die es erlaubt, Akkorde in Zweierpaaren auseinanderzunehmen. Der profihaft ambitionierte Komponist findet in diesem Editor alle Funktionen, die einen professionellen Ausdruck gewährleisten. Eigentlich liegt für die Notenbearbeitung ein komplettes eigenständiges Programm vor, was schließlich der Preis von knapp 1000,-DM bestätigt.

Satellite

Dieses nützliche Hilfsprogramm ist als Accessory oder als normales Programm lauffähig. Durch einfaches Ändern der Extension in SATELLIT.ACC bzw. SATELLIT.PRG ist dies schnell zu bewerkstelligen. Eine ganze Reihe von gängigen Setups erwerben Sie bereits zusammen mit dem Programm. Satellite dient zum Senden und Empfangen von Sounds oder ganzen Sound-Bänken, die im Synthworks-Format vorliegen müssen. Es ist sogar möglich, während einer laufenden Sequenz, Sounds an ein Gerät zu senden, ohne vorher zu stoppen. Der integrierte „Macro Editor“ erlaubt sogar das Modifizieren der im Synthesizer befindlichen Sounds. Dies soll noch nicht alles sein, denn ein universelles „DUMP UTILITY“ erlaubt das Lesen und Empfangen nahezu jedes MIDI-Gerätes.

Abbildung 6: Der ATARI-Monitor kann nur annähernd die Qualität des Notendrucks darstellen.

MROS-Switcher...

... oder Multitasking auf dem ATARI. MROS ist die Abkürzung „MIDI REALTIME OPERATING SYSTEM“ und stellt eine Erweiterung des ATARI-Betriebssystems dar. Es erlaubt das gleichzeitige Arbeiten mit bis zu 10 verschiedenen Programmen, falls diese ausreichend Platz im Arbeitsspeicher finden. 2MB sollten auf jeden Fall vorhanden sein, um wenigstens mit 2 oder 3 Programmen hantieren zu können. Hier machen sich, wie eingangs schon erwähnt, 4 MB schnell bezahlt. Leider ist mir der MROS Switcher nicht mitgeliefert worden, so daß ich hier keine Erfahrungswerte weitergeben und nur auf die Bedienungsanleitung verweisen kann. Eventuell holen wir dies bei Bedarf an anderer Stelle nach.

Am Ende sind wir noch lange nicht...

... aber für einen Einblick in die Cubase-Organisation soll es für diesmal reichen. Auf jede Einzelheit genauestens einzugehen, hätte zu weit geführt. Dies soll die Betriebsanleitung und evtl, das in der vorherigen Ausgabe vorgestellte Cubase-Buch übernehmen. Die übersichtliche Bedieneroberfläche und das Handling bei laufender Sequenz gestalten den Einstieg auch für Anfänger sehr leicht. Eigene Fonts, ein sehr guter Noteneditor und weitere spezielle Editoren lassen keine Wünsche mehr offen. Aber das haben wir vor ein paar Jahren auch schon mal gedacht. Nun stellen wir fest, daß das längst noch nicht alles war. Wir werden sehen, was ein nächstes Update aus dem Hause Steinberg noch alles zu bieten hat.

Bezugsquelle: Steinberg (Hamburg)
Vertrieb: TSI
Neustr. 12
W-5481 Waldorf


Wolfgang Weniger
Aus: ST-Computer 10 / 1992, Seite 130

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