Relax - aktuelle Spiele

Der Patrizier

Hersteller: Ascon
Vertrieb: Leisuresoft

Wenn sogar eine Doppelgängerin der miederverstärkten Pop-Madonna sich in den alten Hansestädten amüsiert, dann kann's so öde nicht sein. Und tatsächlich hat die neue Spielefirma Ascon das düstere Mittel-alter reichlich farbig und lebendig gestaltet. Mittendrin im historischen Ambiente hockt der Spieler und ist „Der Patrizier“. Hoch hinaus will er: erst Bürgermeister werden und dann Ältermann, also oberster Mann des Hansebundes. Natürlich will er, schließlich übt er den Beruf des Kaufmannes aus, massenhaft Geld scheffeln. Bevor die Wirtschaftssimulation so richtig warmläuft, wählt der Spieler den Ort seines Wirkens: Bremen, Hamburg, Lübeck, Stettin, Rostock, Visby, Danzig oder Riga. Im Spiel erscheint dann im Haupt-Screen eine detaillierte Grafik der Stadt, mit Wahrzeichen, Marktplatz und allem Drum und Dran. Außerdem gibt der Spieler an, ober wirklich ein ER oder etwa eine SIE ist - diese Information wird spielintern an den kauzigen Heiratsvermittler weitergegeben und führt später unweigerlich zur Eheschließung mit dem passenden Gegenstück. Aber vorher müssen erst einmal Konto und soziale Stellung aufgebessert werden. Wie gut die Geschäfte gehen, hängt unter anderem davon ab, welche Stadt man als Niederlassung gewählt hat. Dort, in seinem Kontor, hockt man also täglich am Schreibtisch und studiert die Geschäftsbücher: Lagerbuch, Schuldscheine, Verkaufsnotizen. Immerhin kann man seinen Krempel in 17 andere Städte verscherbeln oder dort einkaufen.

Im Gilde-Menüpunkt schaut man nach, was die anderen so, zu bieten haben oder gibt selber Handelsofferten ab. Im Hafen schaukeln schon die Schiffe, die die gewinnbringenden Güter in alle Himmelsrichtungen transportieren sollen. Ascon zeigt sich hier übrigens geschichtsbewußt. Wie in der guten alten Zeit sehen die Hansekoggen aus. Kein Wunder, die Grafiker haben eifrig alte Bilder und Baupläne studiert, um die historischen Pötte realistisch abzubilden. Auch die wirtschaftliche Realität haben die Spieledesigner eingefangen: beim Kaufen und Verkaufen gelten die Gesetze der freien Wirtschaft. Risikostreuung lohnt sich. Überdies will auch die Bürgerschaft mitverdienen, zum Beispiel am Getreidehandel. An Luxusstoffen hat das gemeine Volk kein Interesse und spricht schlecht vom „Patrizier“. I\lee, so wird man nicht Bürgermeister! Schön selbstlos und freigiebig soll der zukünftige Stadtchef sein, Feste soll er organisieren, reichlich Bier und Schweinshaxen besorgen. Wie überall, wo die Geschäfte florieren, möchte auch die Kirche ihr Scherflein abbekommen. Entweder spendet man fleißig in den Klingelbeutel oder gestaltet die Volksfeste etwas frommer - weniger Bier, weniger Weiber... Und dann gibt es da noch ein paar Jungs, die sich gern an den Geschäften beteiligen möchten, freilich auch ohne Arbeit: die Piraten. Als potentieller Bürgermeister muß der Patrizier hier nochmal in einen sauren Apfel beißen und den Freibeutern eine vernichtende Seeschlacht liefern. Dazu setzt der Spieler seine eigenen Schiffe ein, läßt Waffen schmieden, Lebensmittel an Bord tragen und Seeleute anheuern. Dann können sie kommen, die Piraten oder König Waldemar, der auch nicht viel besser ist. Herrlich animiert, farbenprächtig gemalt und actiongepfeffert werden dann Schiffsrümpfe und Bösewichter zerlöchert. Wenn es dem Geschäftmann nur ums Geld und nicht um Ruhm und Ehre ginge, gäbe es auch andere Möglichkeiten: Seeräuber engagieren, Ratsmitglieder im Badehaus schmieren, Bedürftigen Geld zum Wucherzins leihen. Und bei Ebbe in der Kasse? Ja, dann muß man selber um Kredit nachfragen. Ein schlechter Ruf treibt allerdings die Schuldzinsen hoch, bis auf 160 Prozent. Raffiniertes Taktieren führt schließlich zum Spielziel. Der Patrizier räkelt sich erst auf dem Bürgermeistersessel und dann auf dem Stuhl des Ältermannes. Und er kommt auch nicht umhin, eine der vorgeführten Damen schließlich zu ehelichen. Anstrengend ist diese Simulation - und lustig. Viele Gesichter, die wir alle aus dem Fernsehen kennen, grinsen uns als Karikaturen in der Rolle verschiedener Charaktere an. Bei dieser frechen Kombination aus Historie und TV-Kultur kann sich keiner langweilen. Ein Hit!

CBO

Ultima VI: Back to Britannia

Hersteller: Origin
Vertrieb: Leisuresoft

Zweieinhalb Jahre spannte Lord British seine Fangemeinde unter den ST-Usern auf die Folter. Gut Ding will schließlich Weile haben. Jetzt ist es endlich soweit: Ultima VI steht in den Geschäften, und für Rollenspieler brechen wieder einmal schlaflose Nächte an. Für alle Einsteiger in die Welt von Britania ganz kurz die Vorgeschichte. Vor vielen Monden fiel der größenwahnsinnige Zaubermeister Mondain Uber das friedliche Land her. Nur der Avatar war stark und weise genug, ihm Paroli zu bieten.Fünfmal trafen die Streithähne aufeinander. Bislang behielt immer dergute Spieler die Oberhand. Nach so vielen aufregenden Abenteuern war für unseren Helden erst einmal Urlaub angesagt. Am Anfang von Ultima VI genießt er von der heimatlichen Couch aus das Fernsehprogramm. Doch die Ruhe täuscht. Draußen braut sich ein Gewitter zusammen. Von Blitz und Donner alarmiert tritt der Avatar hinaus auf eine kleine Lichtung. Er entdeckt einen der magischen Mondsteine. Durch ein Dimensionstor gelangt er hinüber in die Welt von Lord British, Herrscher über Britannia. Der Ausflug beginnt gleich mit einem Paukenschlag: Eine Horde Monster fällt über den Ankömmling her. In letzter Sekunde retten ihm drei alte Freunde das Leben. Wieder vereint, reist das Quartett an den Hof des Monarchen. Nach dieser stimmungsvollen Einleitung dürfen erfahrene Avatare ihren Charakter aus dem Vorgängerprogramm importieren und loslegen.

Neulinge müssen ihr Bildschirm-Ego erst noch erschaffen. Dazu wählt man eines der zwölf Konterfeis und läuft zum Wohnwagen einer alten Zigeunerin. Einige hochpsychologische Fragen später stehen Stärke, Geschick und Intelligenz der neuen Persönlichkeit fest. Je höher die Werte, umso besser, denn es gibt schlechte Nachrichten für den angehenden Helden. Immer mehr Monster klettern aus ihren unterirdischen Höhlen ans Tageslicht. Meuchelnd ziehen sie durch die Städte. Vom Urheber der Unruhen fehlt jede Spur. Auch Lord British und seine Diener sind ratlos. Also bleibt dem Spieler wohl nichts anderes übrig, als der Geschichte selbst auf den Grund zu gehen. Wie von Origins Abenteurer-Serie gewohnt, erforscht der Avatar seine Umgebung aus der Vogelperspektive. Seine Weggefährten trotten ihm automatisch hinterher.

In dem kleinen Grafikfenster links im Bild erscheinen immer nur die zurZeit sichtbaren Räume. Hinter Mauern und um die Ecke kann nicht einmal die beste Gruppe schauen. Dadurch gewinnt die Entdeckungsreise ganz neue, spannende Aspekte. Wer weiß, vielleicht lauert hinter der nächsten Biegung ja ein schrecklicher Gargoyle? In einem solchen Fall läßt man besser die Waffen sprechen. Mit der Maus pickt der Kämpfer entweder für jedes Gruppenmitglied zugweise eine eigene Taktik oder er greift auf vorgefertigte Muster mit so schönen Namen wie Attack, Berserk oder Retreat zurück. Bei einem Sieg fallen einem nicht nur die Habseligkeiten und Waffen des Gegners in die Hände. Viel wichtiger sind die Erfahrungspunkte, die gesammelt werden. Angesichts einer Armee von Zombies ergreift nämlich auch der schnellste Schwertschwinger die Flucht. Magie heißt das Zauberwort. Doch zur Hexerei bedarf es Experience, einer Formelsammlung und der passenden Kräuter. Der Rest geht fast von allein. Einfach den gewünschten Zauber anwählen, schon erbebt die Erde oder fackelt eine Feuerwand alle Widersacher ab. Wer nun glaubt, ganz Britannien wäre dem Avatar feindlich gesonnen, liegt falsch. 200 Wesen steuert der Computer durch die Dörfer und Städte. Mit Stichworten fühlt man ihnen auf den Zahn, ist die Hilfefunktion eingeschaltet, erscheinen bestimmte Begriffe in den Antworten rot unterlegt. Wie in einem Hypertext-System hangelt sich der Spieler über Klicks von einem Stichwort zum nächsten. Langsam kommt Licht ins Dunkel der Vorkommnisse. Manche Informanten gehen sogar soweit, sich den zunächst vier Abenteurern für einige Zeit anzuschließen. Allerdings muß der Spieler dazu meistens einen kleinen Freundschaftsdienst erledigen, beispielsweise nach einem verschollenen Gegenstand suchen. In Gesellschaft von bis zu sieben Gefährten reist es sich weitaus sicherer, und die eingesammelten Gegenstände können gewichtssparend auf die Mannen verteilt werden. Zusätzlich zum Talk-Symbol beherbergt die Menüleiste neun weitere Aktionen. Darunter befinden sich Piktogramme für Untersuche, Nehme und Benutze, die nach der Point-and-Click-Methode funktionieren. Immer nur auf der Startinsel herumzuwandern, bringt auf Dauer nicht viel. Mit dem Schiff segelt der Trupp daher zu den anderen Landesteilen. Nur die Moongates sind noch etwas praktischer in der Benutzung: Je nach Stellung der beiden Monde teleportieren diese Dimensionstore den Avatar über das gesamte Terrain. Dazu muß man sie natürlich erst einmal finden. Dabei helfen die stets abrufbare Mini-Karte und die aktuellen Koordinaten des Standorts.

Wie ein guter Roman verwickelt auch Ultima VI den Akteur mit jeder Minute mehr in seine Geschichte. Wenn er von falschen Propheten erzählt, stößt Spieledesigner Richard Garriott in literarische Dimensionen vor. Gute Englischkenntnisse gehören daher zum Rüstzeug jedes Britannia-Besuchers. Geduld schadet auch nicht: Erst einmal müssen die drei Installationsdisketten entpackt und auf vier Floppies oder einer Festplatte untergebracht werden. Für diese Prozedur geht gut eine Stunde drauf. Den lahmen Animationen der Spielfiguren hilft nur ein TT auf die Sprünge. Bleibt die Frage, ob sich der technische Aufwand wirklich lohnt. Für Rollenspieler, die in erster Linie Monster verdreschen wollen, sicher nicht. Wer dagegen gerne ohne ein vorgegebenes Ziel drauflos forscht, selbst Entdeckungen macht und vor einer anspruchsvollen Story nicht zurückschreckt, greift besser jetzt als nie zu. Außer dem Klassiker Dungeon Master erzeugt kein anderes Fantasy-Abenteuer eine derart dichte Atmosphäre, nirgends sonst gibt es soviele Überraschungen und Lösungsmöglichkeiten. Zum Schluß eine schlechte Nachricht für alle Avatare: Mit Ultima VI ist auf dem ST Schluß mit der Saga. Alle weiteren Folgen erscheinen nur noch für PCs und Konsolen mit CD-Rom. Schade eigentlich!

CBO


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Computer 10 / 1992, Seite 124

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