GFA-BASIC-Entwicklertreffen in Gevelsberg: Des Königs neue Kleider

Die am meisten verbreitete Programmiersprache für ATARI-Computer ist auch heute immer noch das GFA-BASIC. Bereits 1986 erschien die erste Version dieses BASICs, das im Gegensatz zum mitgelieferten ST-BASIC wesentliche Vorteile in Sachen Befehlsumfang und Geschwindigkeit bot. Bis zur Version 3.6 (mit Anpassungen an die TT-Serie) war das Produkt fest in der Hand der GFA-eigenen Programmierer. Die Firma GFA hat nun die Weiterentwicklung der ATARI-Version gestoppt und konzentriert sich auf die MS-DOS- und Windows-Versionen. Lange Zeit dachten viele Anwender, daß damit das Ende von GFA-BASIC für ATARI-Computer gekommen sei. Weit gefehlt.

Am 03.10.1992 (Tag der deutschen Einheit) trafen sich in Gevelsberg bei H. Richter Distributor ca. 15 erfahrene GFA-BASIC-Programmierer, um zusammen mit den Software-Entwicklern des Hauses Richter das Grundkonzept für eine neue Version des GFA-BASICs festzulegen.

Die Diskussion wurde sachlich und mit konkreten Vorschlägen seitens der Teilnehmer geführt. Punkt für Punkt konnte dabei abgehakt werden. Auch per Fax kamen im Laufe des Tages interessante Anregungen, die ebenfalls aufgegriffen wurden. Der Interpreter wird von den Programmierern des Hauses H. Richter Distributor neu entwickelt. Support und Pflege des Systems sind dadurch auch in Zukunft und unabhängig von der Firma GFA sichergestellt. Trotzdem wird der Name GFA-BASIC beibehalten und der Interpreter unter der Versionsnummer 4.0 entwickelt. Im Lieferumfang wird sich ein Compiler befinden, der lauffähige Stand-alone-Programme erzeugen kann.

Man einigte sich auf folgende vordringliche Änderungen:

Die Variablen Verwaltung wird neu organisiert, so daß alte, bekannte Probleme mit der Speicherverwaltung und wandernden Adressen von Variablen besser in den Griff zu bekommen sind.

VDI wird großgeschrieben

Viele Befehle werden überarbeitet und entsprechend der allgemeinen Programmierrichtlinien angepaßt. Alle bisherigen Befehle bleiben allerdings vorerst verfügbar, um die Kompatibilität zu den alten Interpretern zu gewährleisten. Insbesondere wird die LINE-A-Library weiterhin unterstützt, intern aber alle Aufrufe in die verträglicheren VDI-Aufrufe umgewandelt. Die Dokumentation zum neuen GFA-BASIC wird Empfehlungen zur Programmoptimierung enthalten, so daß auch alte Programme nach und nach den neuen Standards und Programmierrichtlinien für sauberes Programmieren angepaßt werden können.

Neue Speicherverwaltung

Frühere mit GFA-BASIC erzeugte Programme belegten grundsätzlich bei Programmstart sämtlichen verfügbaren Speicher. Die neue Version wird nur den Speicher belegen, der unabdingbar notwendig ist. Weitere Speicheranforderungen werden z.T. für den Programmierer unmerkbar von GFA-BASIC selbst organisiert, aber auch durch Betriebssystembefehle zur Speicherallozierung für den Programmierer verfügbar sein.

Es wird ein neuer Variablentyp mit dem Namen LONGSTRING eingeführt. Solche Longstrings können etwa 4 GB (Gigabyte) lang sein. Damit sind u.a. GET-/ PUT-Befehle für Großbildschirme und Grafikkarten wieder benutzbar. Der alte String-Typ (begrenzt auf 32767 Bytes) bleibt aber wegen der Kompatibilität erhalten.

„Echte“ lokale Variablen

Ein Problem der alten GFA-BASIC-Versionen war die Behandlung der lokalen Variablen. In GFA-BASIC 4.0 wird es „echte“ lokale Variablen geben, die in Unterprozeduren nicht bekannt sind, sofern sie nicht explizit übergeben werden. Auch hier wird der alte Typ trotzdem erhalten bleiben.

Modulare Programmierung

Es wird möglich sein, GFA-Programme in Module zu zerlegen, die separat bearbeitet werden können. Dadurch wird modulare Programmierung wie z.B. in C oder MODULA möglich. Zudem ist für spätere Versionen vorgesehen, auch Strukturen in GFA-BASIC definieren zu können, deren Elemente ähnlich wie in C über Element-Pointer angesprochen werden. Ebenso lassen sich Funktionsbibliotheken (Libraries) anlegen, die bereits im Interpreter-Modus nachgeladen werden.

Auf vielfachen Wunsch der GFA-BASIC-Programmierer wird es neue Funktionen zur Ermittlung der GEMODS-Datei-Handles geben, und Funktionen für Dateizugriffe werden die üblichen GEMODS-Fehlercodes zurückgeben. Dadurch werden enorme Probleme bei der Fehlerbehandlung während Dateizugriffen entfallen.

Der Editor des neuen Entwicklungssystems ist natürlich ein sauber in GEM eingebundener Interpreter-Editor mit allen bekannten Vorzügen des bisherigen Editors. Einige schon jetzt festgelegten Features sind: viele Setup-Schalter zum Voreinstellen des individuell gewünschten Editor-Verhaltens, mehrere Quelltexte in mehreren Fenstern gleichzeitig bearbeiten, integrierte Online-Hilfe etc.

Wann kommt’s?

Die GFA-BASIC-Entwicklerkonferenz hat sich einen sehr engen Zeitplan gesetzt, der jedoch aufgrund der Möglichkeit, im Team und modular zu arbeiten, realistisch ist. In den nächsten Wochen wird daher verständlicherweise nicht viel Neues zu GFA-BASIC aus dem Hause Richter dringen. Die Programmierer müssen die knappe Zeit nutzen, um zügig voranzukommen. Entwickler, Beta-Tester sowie Dokumentatoren hoffen aber, schon kurz nach dem Weihnachtsfest eine verkaufsfertige Version präsentieren zu können.

Ansprechpartner für alle GFA-BASIC-Anwender, die sich schon jetzt für die neue Version registrieren lassen wollen, ist:

H. Richter Distributor Hagener Str. 65 W-5820 Gevelsberg

Für die DFÜ-Betreibenden ist im MAUS-Netz Ulf Dunkel @ OS nach wie vor der Koordinator für Fragen, Anregungen und Wünsche zum neuen GFA-BASIC 4.0 - er übernimmt ebenfalls den Dokumentationsteil der Entwicklung, d.h. Handbuch und Programmier-Empfehlungen für GFA-BASIC.

Alles in allem ist durch diese Konferenz ein neuer Grundstein für GFA-BASIC gelegt worden. Besonders die vielen tausend GFA-BASIC-Entwickler in aller Welt können erleichtert aufatmen. GFA-BASIC wird es weiterhin geben, und der so wichtige Support ist für die Zukunft gewährleistet.


Ulf Dunkel
Aus: ST-Computer 11 / 1992, Seite 14

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