Salonfähig gemacht: Jet Set bindet SLM-Drucker an

Die beiden ATARI-Laser mit den SLM...- Bezeichnungen haben einen riesigen Vorteil: sie erhalten ihre Daten vom DMA-Port des Rechners. Tragischerweise haben sie auch einen eklatanten Nachteil: sie hängen am DMA-Port des ATARI.

Der Vorteil - jeder, der mit solch einem Gerät arbeitet, weiß es -liegt in der sehr hohen Geschwindigkeit, die diese Drucker entwickeln. Der Nachteil ist der, daß sie immer eine Sonderstellung einnehmen. Aufgrund ihrer Ansteuerung können Sie praktisch nicht als normaler Drucker benutzt werden, auf den man eben mal einige wenige Zeilen ausgibt.

Das wiederum findet seinen Grund darin, daß ATARI es nie geschafft hat, die Ausgabe an die DMA-Drucker ins Betriebssystem zu integrieren bzw. einfachen Programmen eine Schnittstelle zu diesem Drucker zur Verfügung zu stellen. So kann die SLM-Drucker nur derjenige nutzen, der alles und jedes mit einer Textverarbeitung (von denen die meisten einen DMA-Treiber besitzen) druckt.

Das Etiketten-Druckprogramm aus der Public-Domain-Sammlung oder die FIBU, sie bleiben außen vor. An dieser Stelle kommt Jet Set zu Hilfe. Jet Set ist ein äußerst nützliches Hilfsmittel, das Ausgaben auf die parallele Schnittstelle abfängt und auf den DMA-Laser umlenkt.

Retter in der Not

Jet Set besteht aus einem CPX-Modul und einem Auto-Ordner-Programm. Letzteres dient dazu, sich in die entsprechenden Ausgabefunktionen des Betriebssystems überhaupt erst einzuklinken und erledigt auch sonst die Arbeit. Das CPX-Modul übernimmt die Steuerung.

Die Installation ist schnell erledigt, und als allererstes druckt man das Handbuch aus, das als Datei mit auf der Diskette kommt. Meine weiterere Versuche galten der ASSIGN.SYS-Datei, die über die Desktop-Funktion , Drucken1 sauber und mit allen Zeichen auf dem Blatt landete. Weiter mit einem Harlekin-Manager-Eintrag und einer BTX-Seite (nur Text!). Alles kein Problem! Jet Set funktioniert reibungslos. In wirklichen sehr ansehnlichen Lettern gesetzt, verlassen die Dokumente meinen SLM 605.

Es liegt eine Treiber-Datei für Word Plus bei, auch hier gibt’s nichts zu beanstanden, sogar der Tigerkopf (IMG-Bild) kommt anständig heraus. Mit Spoolern jedoch gerät Jet Set selbstverständlich aneinander, denn die wollen im Hintergrund ja an die gleichen Daten.

Hier könnte mein Bericht eigentlich zu Ende sein. Doch ich bin sicher, auch Ihr nimmermüder Forschergeist drängt danach, mehr über die Funktion von Jet Set zu erfahren. Gut so. Zu diesem Zwecke widmen wir uns der Grafik, die Jet Sets Arbeitsweise verdeutlicht.

So tun als ob

Das im Hintergrund lauernde Jet Set fängt also die Bytes ab, die den Drucker erreichen sollten. Nun muß es unterscheiden: Sind die Bytes, die da kommen, Zeichen, die als solche gedruckt werden müssen, oder sind es Steuerkommandos, mit denen der Absender irgendetwas beim Drucke erreichen wollte? Bei dieser Frage verhält Jet Set sich so, wie es auch ein Epson-kompatibler 9-Nadeldrucker täte, d.h. es ,emuliert1 einen Epson-FX-Drucker. Also: jedes Programm, das ein solches Gerät bedienen kann (und das sind wirklich fast alle), erreicht auch mit Jet Set eine korrekte Ausgabe.

Soweit die Theorie. Leider sieht die Praxis so aus, daß sich einige Befehle prinzipbedingt nicht nachbilden lassen. So kann man bei einem Laserdrucker, der ja seitenorientiert arbeitet, nun mal nicht einfach so 10 Zeilen drucken und das Papier dann abreißen. Er braucht dafür einen Seitenvorschubbefehl, denn sonst tut sich bei ihm nichts. Und darauf sind wiederum viele Anwenderprogramme nicht gefaßt. Aus diesem Grund erlaubt Jet Set den manuellen Auswurf der Seite, deren Füllgrad es übrigens freundlicherweise ebenfalls anzeigt.

Oder z.B. das Setzen der Seitenlänge. Einem Nadeldrucker mit seinem Traktorpapiertransport ist das herzlich egal, wie lang eine Seite ist. Einem seitenorientierten Laserdrucker jedoch nicht. Der will immer mindestens DIN A4 sehen. Also tut Jet Set so, als sei ein Drucker mit 67 Zeilen angeschlossen, und daran gibts nichts zu rütteln.

Wie schaut es mit den Zeichensätzen aus? (Sie kennen das Esszett-Problem). Da läßt Jet Set schlauerweise die Einstellung zu. Entweder es setzt alle Zeichen so, wie das ein Epson FX-Drucker auch täte. Z.B. das ,ß‘ auf den ASCII-Wert 126 im deutschen Zeichensatz oder aber auf 225 (obwohl dort strenggenommen ja eigentlich das ,Beta‘ sitzt). Dann erreicht nämlich jeder Treiber, der darauf getrimmt ist, sein Ziel. Oder Jet Set bildet die Zeichen genau so ab, wie es der ATARI-Systemzeichensatz vorgibt, d.h. da, wo der ATARI das ,ß‘ hat, nämlich beim ASCII-Wert 158, sitzt es auch beim Drucker. So bringt dann auch die Druckfunktion des Desktops das ,ß‘ ohne weitere Hintergrundtreiber (wie den Harlekin-Printer-Filter) korrekt zu Papier. Und nicht das Peseta-Zeichen.

Häkchen...

... und Ösen fanden sich leider auch bei Jet Set. Auf einige Befehle des EPSON-Kommandosatzes reagiert Jet Set nämlich nicht bzw. nicht richtig. Das sind z.B. solche zum Setzen des Zeilenabstandes (auf 1/8, 1/60, 1/216 Zoll). Und das, obwohl das Handbuch sie für verfügbar erklärt. Zentrierter, links- oder rechtsbündiger Druck fehlen genau wie das Setzen des rechten Randes (was allerdings so gut wie nie gebraucht wird). Die Umschaltung internationaler Zeichensätze per Software wird zwar im Handbuch erwähnt, versagte jedoch häufig ihren Dienst. Vom Kontroll-feld aus kann zwar ein bestimmter internationaler Satz voreingestellt werden, doch versuchen nicht wenige Programme, auf diesem Wege an Umlaute zu gelangen. Und dann kann man ganz schnell doch wieder das oben beschrieben Esszett-Problem haben.

Ebenfalls ausgespart wurde die bei Ep-son-Druckem übliche Doppelbelegung der ASCII-Zeichen zwischen den Zeichen 128 und 255. Bei diesen Druckern ist es möglich, dort den kompletten Zeichensatz unterhalb von ASCII 127 noch einmal einzublenden, jedoch in kursiver Form. Alternativ ist die Belegung mit den (hier fest installierten) Grafik- und Sonderzeichen möglich.

Nun sind das leider keine Spitzfindigkeiten. So machte das Nicht-Reagieren auf Zeilenabstandsänderungen bei den getesteten Programmen oft den Grafikausdruck zunichte. A propos: Dafür kann zwar Jet Set nichts, aber Programme, die ausschließlich eigene Druckroutinen verwenden, um Geschwindigkeit zu gewinnen, umgehen das Betriebssystem und bremsen Jet Set natürlich aus. D.h. mit solchen Veteranen werden Sie trotz Jet Set aus dem SLM kein Bild erhalten. Als Trost bliebe dann aber immer noch die Hard-copy-Funktion von Jet Set. Sie erlaubt verschieden Vergrößerungen und leitet den Druck auf ALT-HELP um.

Die Seite ist nicht ganz voll...

Alte Hüte?

Nun ist es ja nicht so, daß die Idee so unbedingt bahnbrechend neu wäre. Nein, ATARI hat es sogar selbst erkannt, als sie den SLM 804 seinerzeit in die Computerläden stellten. Damals hatte das allerdings noch andere Gründe: Es gab schlicht und einfach kein einziges Programm, das den Laser über DMA bedienen konnte. Die Lösung damals hieß Diabolo-Emulator. Das Programm arbeitet genauso wie Jet Set, emuliert allerdings einen Typenraddrucker. Die zweite Lösung heißt Laserbrain. Dieses Frühwerk von DMC erfüllt seine Aufgabe auf dem gleichen Weg wie Jet Set, hat allerdings den gewaltigen Nachteil, ständig einige hundert KB an Speicher zu benötigen. Beide Programme liefert ATARI seit Jahr und Tag mit den SLM-Druckern aus (siehe auch [1]).

Allerdings benötigt Jet Set wesentlich weniger Speicher: bei nur einem installierten Font (was meist ausreicht) rund 100 KB. Sind alle acht Schriften installiert, dann sind es rund 300 kB. Die Emulation ist gut gelungen, und die Bedienung durch das CPX-Modul zeitgemäß. Ob - und wenn welche Version - ATARI Jet Set demnächst selbst liefern wird, war zu Redaktionsschluß nicht bekannt.

Perspektiven und Realität

Bereits in [1] wurden einige Möglichkeiten skizziert, die sich durch konsequente Weiterentwicklung des DMA-Konzeptes ergäben. Denn warum sollte es nicht auch möglich sein, einen HP LaserJet zu emulieren? Der Funktionsumfang ist zwar er-hebl ich, doch die physikalische Verwandtschaft der Laserdrucker würde es andererseits vereinfachen. Doch das bleibt weiterhin Zukunftsmusik ...

Lohnt sich nun Jet Set, oder nicht? Dazu muß man zwei Anwendungsarten unterscheiden: zum einen den reinen Text/ASCII-Druck, zum anderen den Druck von Grafik. Während Jet Set mit letzterem Probleme hat, gelingt der Textdruck mit geringen Einschränkungen hervorragend. Für den Programmierer, der aus dem Editor heraus das Listing zu Papier bringen möchte oder den Anwender, der einfach nur schnell eine README-Datei ausdrucken will, ist Jet Set DIE Lösung schlechthin. Zumal es wenig Speicher benötigt, und das zur Bedienung genutzte Kontrollfeld ohnehin fast immer mitgebootet wird.

Sollen jedoch alte Programme daserfähig' gemacht werden, ist Vorsicht geboten: Drucken diese wirklich über die BIOS-Funktionen oder benutzen sie eigene, schnelle Druckroutinen? Wenn, dann erkennt Jet Set sie nicht und kann die Ausgabe auch nicht abfangen. Drucken diese Programme auch Grafik bzw. sind sie auf kleine Zeilen vorschübe angewiesen? Dann wird es mit der momentanen Programmversion ebenfalls zu Problemen kommen. Zu einem Preis von DM 78,- für die Version mit acht Schriften kann man allerdings guten Gewissens raten, denn das Preis/Leistungsverhältnis ist durchaus gut.

IB

Literatur:

[1] Auf ein Neues - SLM 605 im Test, ST-Computer 12/90, S.172ff

Bezugsquelle:

Eickmann Computer In der Römerstadt 249 W-6000 Frankfurt 90

Wie arbeitet Jet Set?

Jet Set

Positiv:

Negativ:



Aus: ST-Computer 11 / 1992, Seite 32

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite