Der Griff nach den Sternen: StarTrack -„Warp 9, Mr.Sulu!“

Zu den bekannten Größen in der ATARI-MIDI-Sequenzer-Szene (Cubase, Notator) gesellt sich ein weiterer Kandidat: „StarTrack“ ist der Name des MIDI-Programmpakets der Berliner Firma GEERDES. Es hat jedoch nichts mit den gleichnamigen Science-Fiction-Filmen zu tun, bei denen es meist mit Überlichtgeschwindigkeit in neue Dimensionen geht. Allerdings, bei den umfangreichen Leistungsmerkmalen dieses Programmes kann man durchaus spitze Ohren bekommen.

Der Name StarTrack ist eigentlich nicht ganz richtig, er müßte genau genommen „Wimos“ lauten, da dieser Windows- und Modulmanager das Sequenzerprogramm „StarTrack“ lediglich als Modul behandelt. Diese Konzeption ist gewählt worden, um das ganze System modular gestalten zu können. Ein Arbeitsspeicher von minimal 1 MB sollte vorhanden sein, besser wären allerdings 2 bzw. 4 MB, da dann alle Module gleichzeitig im Speicher gehalten werden können und der Komfort verbessert wird. Für die mir vorliegende Version 1.1 sind zur Zeit folgende Module erhältlich: Performance, Song, Pattern, Track, Rando-1, Echo-1, Map, GS/NRP-Editor, Part, numerischer Event-Editor und ein grafischer Key/Drum/Step-Editor. Diese Module können sich während der Laufzeit in das MIDI-Geschehen einklinken und erlauben dadurch ein Echtzeit editieren. Das Öffnen beliebig vieler Windows durch mehrfaches Aktivieren einzelner Module stellt nahezu unbegrenzte Möglichkeiten dar. Aber nicht nur die interne Struktur ist flexibel ausgelegt, sondern auch die Wege zur Außenwelt. Mit einer Hardware-Erweiterung (MM 1) erfährt der Centronics-Port des ATARI eine mächtige Wandlung. Der parallele Port, der im Regelfall für die Ansteuerung eines Druckers verwendet wird, gibt mit dem MM 1 8 weitere MIDI-Stränge aus und erlaubt trotzdem noch den Anschluß eines Druckers. Sogar das Kaskadieren ist möglich und bringt die Anzahl der MIDI-Kanäle mit 4 MM 1 auf die stolze Zahl von 512 zusätzlichen Kanälen. Bei Benutzung von „nur“ 256 Kanälen ist die Datenverarbeitung immer noch schneller als der „normale“ MIDI-Port. Timing-Probleme sind also nicht zu befürchten. Aufgrund dieser großzügigen Auslegung ist die Gegebenheit, beliebig viele Spuren öffnen zu können, ein Sprung durch die Schallmauer. Ein Pattern, das aus eben diesen vielen Spuren bestehen kann, könnte zum Beispiel als Subgruppe fungieren und somit über einen oder mehrere MIDI-Controller gesteuert werden. Dieses Konzept zieht sich dank der mannigfaltigen Features durch alle Arrangierebenen. Widmen wir uns nun dem Aufbau von StarTrack.

Die OVERVIEW-PAGE

Nach dem Starten mit WIMOS.PRG öffnet sich die „OVERVIEW-PAGE“ mit „Performance“ und einer separaten Menüleiste, aus der die Diskettenzugriffe erfolgen. Mögliche Files sind Performance, Song, Pattern und MIDI-File. Aus Abbildung 1 ist die komplette Struktur zu erkennen, die sich unter „Performance“ verbirgt. Durch Klicken mit beiden Maustasten unter oder neben die Verbindungselemente öffnen sich entsprechend Ihren Wünschen neue Einträge. Um eine Arrangierebene zu betreten, wird einfach auf das gewünschte Feld geklickt, und es öffnet sich ein neues Window. Alle Windows sind ständig aktiv und finden entweder als Fullscreen, alle nebeneinander oder untereinander ihren Platz auf dem Bildschirm. Das Anklicken per Maus entfällt, da die Selektion des Windows schon automatisch beim Hineinfahren mit dem Mauspfeil geschieht. Dieses Feature, das dem neuen Multi-TOS vorgegriffen ist, beschleunigt das Handling ungemein.Unter Performance können sich 100 Songs, unbegrenzt viele Patterns mit Sektoren und unbegrenzt viele Tracks mit Parts befinden. Unter Menü „WIND“ sind die einzelnen Arrangierebenen noch einmal anwählbar. Befinden sich hinter dem betreffenden Eintrag 2 (Punkte), so zeigen sich beim Hineinfahren mit der Maus noch Untermenüeinträge, die auch über die angezeigten F-Tasten aufrufbar sind. Wer immer wieder in den Ebenen herumspringen muß, organisiert den Aufbau seiner Windows einfach in Spalten, so wie es in Abbildung 2 zu sehen ist.

Abb.1: Von der OVERVIEW-PAGE aus bestellt direkter Zugriff auf alle Songs und Patterns.

Diese Art der Anpassung hat große Vorteile beim Verknüpfen von Modulen, da eine ständige Kontrolle und ein schneller Wechsel in eine andere Ebene gewährleistet sind. Durch Klick auf den Button oben rechts im Window schaltet man auf Fullscreen-Anzeige um, und durch erneuten Klick auf die Multi-Window-Ebene zurück. Der Sequenzer ist in seinen wichtigsten Funktionen vom Einspielkeyboard aus fernbedienbar. Die Qauntisierung ist bis zu einem Wert von 768 einstellbar und zusätzlich noch mit „Strength“ (0-100%) feinjustierbar. Die Auswahl für die Timing-Korrektur wird durch die Parameter Note On, Note Off, Keep Length und Other Events getroffen. Will man zum Beispiel die Controller-Daten nicht beeinflussen, so klickt man den Parameter „Other Events“ einfach nicht an, und die Effekt- bzw. Soundsteuerung bleibt wie eingespielt (eingegeben) erhalten.

Aus Abbildung 3 ist der Aufbau der Filter-Sektion zu ersehen. Aufgrund der übersichtlichen Darstellung, wird es sicherlich auch dem Neueinsteiger nicht schwerfallen, die Datenwege zu erkennen und die für ihn wichtigen Einstellungen durchzuführen.

Abb.2: Die Anordnung der Windows ist vom Benutzer frei wählbar.

Pattern-Editor

Wie eingangs bereits erwähnt, ist es möglich, nahezu unbegrenzt viele Pattem zu öffnen und diese mit beliebig vielen Spuren zu versehen. Abbildung 4 zeigt den Aufbau eines möglichen Patterns mit 33 Spuren. Ganz links befindet sich die Mute-Spalte. Ist hier ein kleines Quadrat zu sehen, ist die betreffende Spur stummgeschaltet. In der nächsten Spalte werden alle Tracks, außer Tempospur, automatisch durchnumeriert. Unter „CHAN“ bekommt man Aufschluß über die MIDI-Kanäle, die von A bis 4A16 einstellbar sind. Unter A ist der normale MIDI-Out des ATARI mit seinen 16 Kanälen zu verstehen und ab 1A bis 4H die am Centronics-Port anschließbaren Erweiterungen, die mit den Zahlen 1-4 adressiert werden. Die mit MM 1 oder Starport benannte Hardware - eine genaue Bezeichnung scheint es noch nicht zu geben - verfügt über 8 mit A-H gekennzeichnete Ausgänge, die jeweils gewillt sind, 16 MIDI-Kanäle auszugeben. Summa summarum ergibt dies bei maximal 4 Ports 512 zusätzliche MIDI-Kanäle plus die internen 16. Insgesamt also 528 Empfänger, die ohne Umstöpseln jederzeit erreichbar sind.

Abb.3: Die StarTrack Filter-Sektion bietet einen guten Überblick.

Bei einer solch großen Anzahl von MIDI-Kanälen denkt man schnell an weitere Steuerungsmöglichkeiten wie Licht, Nebel oder andere Effekte, die mit einer weiteren Hardware steuerbar werden. Ob im Musikgeschäft zu Vorführzwecken, im Studio, auf der Bühne oder in den eigenen 4 Wänden - mehr als 16 MIDI-Kanäle zur Verfügung zu haben, ist in der heutigen Zeit keinesfalls als Spielerei zu sehen, sondern als Notwendigkeit. Nach der Channel- folgt normalerweise die Info-Spalte des gerade aktiven Tracks. Greift man sich nun mit der linken Maustaste einen Eintrag und setzt ihn auf der Info-Zeile ab, öffnet StarTrack eine neue Spalte mit den Informationen für jede einzelne Spur. Dies funktioniert mit allen Einträgen, bis nur noch Balkengrafiken und Parameterwerte zu sehen sind. Jeder Balken ist gleichzeitig ein Slider, der eine Parameteränderung per Maus zuläßt. Dieses Konzept zieht sich wie ein roter Faden durch alle Ebenen und erleichtert das Arbeiten sehr. Es können sogar alle 128 MIDI-Controller benutzt werden, obwohl längst nicht alle in den MIDI-Standard eingeflossen sind. Besitzer von Expandern mit programmierbaren Empfangsparametem werden sich über diese Einrichtung besonders freuen. Im Pattern window läßt sich wie üblich mit allen Werkzeugen arbeiten, indem die rechte Maustaste gedrückt wird während man sich „auf" den Parts befindet. Die Auswahl geschieht entweder in der sich öffnenden Toolbox oder mit den Zahlentasten von 1-8. In Höhe der Menüzeile wird die ausgewählte Funktion dann noch einmal eingezeigt. Es wird alles geboten was in der gehobenen Sequenzerklasse verlangt wird. Ein echtes Highlight ist die Möglichkeit, Patterns und Songs mit verschiedenen Tempos ablaufen zu lassen. Der Experimentierfreudigkeit ist hier keine Grenze gesetzt. Ein paar Effekte oder Einwürfe in einer anderen Geschwindigkeit einzuschieben, erspart das Einspielen eines schnelleren oder langsameren Patterns. Eine äußerst interessante Anwendung ist auch der „MIDI-DJ“, der zu jedem Zeitpunkt ein beliebiges Pattern starten kann. Eine spezielle Toolbox, die über „Wind-Pattern“ aufrufbar ist, stellt komfortable Kopierfunktionen bereit. Unter Angabe von Quelle und Ziel sind weiterhin gezielte und zufällige Umrechnungen möglich.

Abb.4: Balkengrafiken und numerische Werte informieren über die Parameter jeder einzelnen Spur.

Weitere Editoren

Ein weiterer Editor ist der Key-Editor, der am unteren Bildschirmrand mit einem Value-Screen ausgestattet ist. Hier befinden sich die Controller-Daten als Balken (Slider). Welche Controller zur Anzeige kommen sollen, ist im Kasten unten links einstellbar. Ob nun am linken Rand eine angedeutete Keyboardtastatur, nur Notenbezeichnungen oder GS-Drummaps zu sehen sein sollen, entscheidet der Benutzer. Der „Event-Editor“ stellt die Events als reine Zahlenwerte dar und erlaubt direkten Zugriff auf ein einzelnes Ereignis. Dies ist sicherlich noch keine Besonderheit, da die meisten Programme dieser Art diese Funktionen bieten. StarTrack erlaubt allerdings noch zusätzlich die Vergabe von Kommentaren für jedes einzelne Event, damit bei so vielen Patterns und Parts nicht vergessen wird, was man hier und da mal gemacht hat. Es ist erfreulich, festzustellen, daß ein gewisser Grundstock bei allen Sequenzer-Programmen gleich ist, so daß ich StarTrack bescheinigen muß, sich an einen Standard zu halten. Es sind keine utopischen Funktionsbeschreibungen erfunden worden, es wurde lediglich aus einem schon längst vorhandenem Wortfundus geschöpft, was die Einarbeitung ungemein erleichtert. Des weiteren wird ein Echomodul bereitgestellt, das einem Track zu Effekten verhilft. Die hier gemachten Einstellungen sind als separate Programme abspeicher- und jederzeit wieder nachladbar. Warum hier nur die „normalen“ 16 MIDI Kanäle als Ausgabe bereitstehen, ist mir nicht ganz einleuchtend, und die gleichzeitige Aufnahme auf einer anderen Spur wäre wünschenswert. Das nächste Modul, der Map-Output Prozessor, lenkt die Tonereignisse eines Tracks auf beliebige Notennummern um. Die Änderungen sind als Balken auf dem ganzen Bildschirm und als Zahlenwerte in einer Info-Box erkennbar. Wer schon fertige Programme auf seinen Expandern, Keyboards oder Samplern mühevoll erstellt hat, um zum Beispiel mehrere Effekte (natürlich auch Drumsounds) über einen MIDI-Kanal zu spielen, kann mit dem Map- Output-Prozessor eine schnelle Anpassung vornehmen. In der letzten Zeit hat die Fachpresse des öfteren über den „General Standard“ oder „General MIDI“ berichtet, was soviel wie die Parameteranpassung von MIDI-Geräten bedeuten soll. Dieser Standard soll das Arbeiten mit Sequenzer-, Editor- und Bankloader-Pro-grammen vereinfachen. Einige Hersteller bemühen sich bereits seit längerer Zeit bestimmte Einstellungen beizubehalten. Programchange-Nummern und die dazugehörigen Sounds wie Piano, Baß, Strings etc. sind dann bei Nachfolgemodellen an gleicher Stelle zu finden. Eine ganze Reihe anderer Parameter ist von diesem neuen Standard ebenfalls betroffen,was bei Austausch eines älteren Expanders gegen einen neuen nicht mehr zu einem Nerven tötenden Programmieraufwand führt. Die Musiker, die auf der Bühne mit Sequenzer spielen müssen, können sprichwörtlich ein Lied davon singen. Das ebenfalls mit StarTrack läufige GS-MODUL unterstützt genau diesen Standard. Hiermit ist es möglich die betreffenden Parameter zum Beispiel im Cycle-Mode in Realtime zu verändern. Das GS-MODUL könnte an dieser Stelle sogar einen Editor ersetzen, falls nur geringfügige Anpassungen gemacht werden sollen.

Zufall

Rando-1 ist ein Modul, das in der Lage ist, seine zufällig erzeugten Events direkt auf eine neue Spur aufzuspielen. Die Parameter für die Voreinstellungen sind Programmnummer 1-10, Anzahl der Takte 1 - 4, Anzahl der Noten pro Takt 1-16, Basisnote des Rasters C2-G#8, Anzahl der Oktaven 1-2 und 3 Algorithmen.

Welche Töne betroffen sein sollen oder zufällig geändert werden, stellt man durch Anklicken am linken Bildschirmrand ein. Die Ergebnisse sind direkt am Bildschirm zu sehen und nachträglich änderbar. Um nicht alle Grundeinstellungen von neuem machen zu müssen, speichert man einfach sein eigenes Random-Programm ab. Geschieht dies im Autoload-Ordner mit der Endung *.RA1, hat man hiermit ein eigenes Start-Set installiert. Das Rando-1 Modul ist zur Zeit der einzige Input-Prozessor, was sich aber in Zukunft noch ändern soll. Es sind ständig neue Module in Arbeit, sie werden uns sicherlich bald mit ihrem Erscheinen erfreuen. Es könnte dann darauf hinauslaufen, daß alle Module einen In- und Output erhalten.

Abb.5: Rando-1 zeigt auch grafisch die ermittelten Events.

Fazit

StarTrack bietet schon eine ganze Reihe von Features, die einem bei der Arbeit mit Sequenzen hilfreich zur Seite stehen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß kein Noteneditor implementiert wurde. Er soll allerdings in Vorbereitung sein. Ob dann noch der relativ günstige Preis gehalten werden kann, sei dahingestellt. Wer die Entwicklung von StarTrack verfolgen konnte, wird festgestellt haben, daß zu jeder Zeit emsig weiterentwickelt wird. Module mehrfach aktivieren, Spuren, Patterns und Windows ohne Ende - das sind schon Argumente, die nicht zu vertuschen sind. Flexiblen Bildschirmaufbau und in 10 Stufen zoomen bietet nicht jedes Programm. Verantwortlich für die Speicher- und Modulverwaltung ist WIMOS sowie MIDISHARE für die Multitaskingumgebung. Dies soll einen Grundstock für alle weiteren MIDI-Applikationen darstellen, um nicht alle Grundfunktionen neu entwickeln zu müssen. Die Programmierung neuer Anwendungen soll sich dann nur noch auf das Wesentliche konzentrieren und keine Zeit für banale Funktionen in Anspruch nehmen. Interessierte Programmierer können sich direkt an die Firma Geerdes in Berlin wenden.

StarTrack lief während der Testphase auf einem Mega STE mit 4MB einwandfrei und trübte das Gesamtbild durch keinen einzigen Absturz. Das hervorragende Preis/Leistungsverhältnis ist sicherlich nicht nur für die besser verdienenden Musiker interessant. Das Programm ist durch keinerlei Soft- oder Hardware kopiergeschützt.

Preis 298,- DM bis Herbst 1992
Preis 398,- DM ab Herbst 1992

Bezugsquelle:

GEERDES midisystems Bismarckstraße 84 W-1000 Berlin 12

Positiv:

Negativ:


Wolfgang Weniger
Aus: ST-Computer 11 / 1992, Seite 60

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