Schaltpläne mit STANED - Schließt sich die CAD-Lücke?

Der Hauptbildschirm: Aspekte einer Schaltung

Sicher genügt zum Zeichnen eines Schaltplanes mit 2 Transistoren und 5 Widerständen nahezu jedes normale „Zeichengerät“ (z.B. ein Bleistift). Ob die Schaltung dann auch tatsächlich funktioniert, läßt sich meistens bereits durch „scharfes Hinsehen“ feststellen. Doch mit nur wenig mehr Komponenten wird die Sache unübersichtlich, unüberprüfbar und fehleranfällig.

Hier hilft nur noch der rechnergestützte Entwurf, der nach dem folgenden Schema abläuft: 1. Eingabe der Schaltung in ein Schaltplan-Entwurfs-Programm, 2. Überprüfung der Funktion durch ein Simulations-Programm, 3. Erzeugen des Layouts (Platine) mit einem Layout Programm, 4. Überprüfung der Funktion durch ein Simulations-Programm, 5. Beginn der Fertigung.

Die drei notwendigen Programme können völlig unabhängig voneinander sein, sofern sie nur untereinander ein geeignetes kompatibles Datenformat verwenden. Im industriellen Bereich haben sich bereits einige Formate etabliert, so z. B. das „Multiwire“-Format. Es gibt inzwischen ein gutes Angebot an Simulations- und Layout-Programmen speziell für ATARIs, ich möchte als Beispiel hier nur zwei Programme anführen: das Public-Domain-Programm SPICE zur Simulation und SCOOTER-PCB (Test in ST-Computer 9/92) zum Layout Entwurf. Leider war das Angebot an Schaltplan-Entwurfs-Programmen für ATARIs eher dürftig. Daher blieb dem Entwickler leider oft nichts anderes übrig, als auf PC-Software zurückzugreifen.

Der Kandidat

Das Schaltplan-Entwurfs-Programm STANED erhebt den Anspruch, diesen Mangel allgemein beheben zu wollen. Ob es ihm gerecht wird, soll in diesem Bericht untersucht werden.

Seit Anfang September 92 liefert BCP Hard&Soft das Schaltplan-Programm STANED aus. STANED wird in einfachem Umschlag mit einem Ringbuch-Handbuch und zwei Disketten ausgeliefert. STANED läuft zwar theoretisch von Diskette aus, aber ein angenehmes Arbeiten setzt schon eine Festplatte voraus.

STANED stellt sich als vektororientiertes E-CAD-Programm dar. Das bedeutet, daß alle gezeichneten Elemente als einzelne Objekte behandelt werden und somit Änderungen jederzeit leicht realisierbar sind. Als Elemente zum Erstellen der Schaltpläne gibt es einfache Leitungen sowie auch Busse frei definierbarer Signalbreite, Port- sowie die eigentlichen Schaltplan-Symbole. An Schaltplan-Symbolen werden eine Analog-, eine TTL- und eine Speicher-Library (DRAM, SRAM, EPROM) mitgeliefert.

Das Erzeugen eines Schaltplanes beginnt mit der Eingabe der Schaltplangröße, die hiermit aber nicht endgültig festgelegt ist, sondern jederzeit geändert werden kann. Es öffnet sich ein Fenster, und die Arbeit kann beginnen. Hierzu lädt man ein Symbol aus einer der Bibliotheken. Vor dem endgültigen Plazieren kann das Symbol sowohl gedreht als auch horizontal und vertikal gespiegelt werden. Nach dem Ablegen eines Symbols können auf Druck der rechten Maustaste weitere Symbole der geladenen Art abgelegt werden, bis die Auswahlbox erneut vom Anwender aufgerufen wird.

Verbindungen werden nun mit Leitungen und Bussen gelegt, wobei an Treffpunkten automatisch die Verbindungen gesetzt werden. Kreuzungen werden folgerichtig als solche erkannt und bilden dementsprechend keine elektrische Verbindung. Busse sowie auch Leitungen können eine Textinformation (im Programm als „Property“ bezeichnet) zugeordnet bekommen, in der ihnen ein Netzname zugeteilt wird. Signale mit gleichem Netznamen sind elektrisch miteinander verbunden, ohne daß man die Verbindung quer über die Zeichnung legen müßte!

Schnell ist der Schaltplan gezeichnet

Um Busse mit Leitungen und Symbolanschlüssen verbinden zu können, kommt eine Art der Port-Symbole zum Einsatz: der Bus-Connector „Bcon“. Mit seiner Hilfe und einer Verbindungs-Property wird festgelegt, welche der Busleitungen Anschluß finden soll. Welche Leitungen im Bus enthalten sind, wird über ein Label festgelegt. Zur Überprüfung grundlegen der elektrischer Regeln ist eine Check-Funktion vorhanden, die dem Anwender hilft, Fehler zu vermeiden.

36 Seiten Strom

Kommen Sie im Rahmen Ihrer Arbeit an die Grenze der sinnvollen Informationsdichte, können Sie die Zeichnung in mehrere Blätter (max. 36) aufteilen. Die elektrischen Verbindungen untereinander wer den wieder durch die Port-Symbole hergestellt, mit deren Hilfe Sie auch ganze Busse auf unterschiedlichen Seiten zusammenfügen können. Sollten selbst diese nicht ausreichen oder Sie den Aufbau Blockschaltung - Einzelschaltung vorziehen, kann man mit STANED auch hierarchische Schaltpläne erstellen.

Hierzu legen Sie auf einer Hauptebene Symbole für die einzelnen Blöcke ab und verbinden diese untereinander mit Leitungen und Bussen. Jedes dieser Blocksymbole wird seinerseits durch eine oder mehrere Schaltplanseiten beschrieben, die ihrerseits auch wieder hierarchisch aufgebaut sein dürfen. Die Anschlüsse der Blocksymbole werden, wie schon bekannt, in der jeweiligen Teilschaltung mit Port-Symbolen angeschlossen. Um die Blocksymbole einsetzen zu können, müssen Sie sie aber erst einmal generieren. Doch auch hier verhält sich STANED sehr anwenderfreundlich, denn der Symboleditor ist ein fester Bestandteil des Programms, was sogar soweit führt, daß Sie Schaltpläne und Symbole gleichzeitig editieren können. Gerade im Zusammenhang mit einer Grafikkarte und/oder einem Grafikbeschleuniger wird dies zu einer echten Freude.

Wollen Sie Änderungen an einer Schaltplanseite ausführen, helfen Ihnen die aufwendigen Blockfunktionen. Eigentlich kennt man Blockfunktionen immer nur derart, daß man zur Selektion ein Rechteck aufzieht, und alle darin enthaltenen Elemente dann zur weiteren Bearbeitung ausgewählt sind. Die Sache mit dem Rechteck kennt STANED auch, aber hier wählt man mit Hilfe dieser Rechtecke in beliebiger Reihenfolge und Gruppengröße all die Elemente aus, die man bearbeiten möchte, wo auch immer sie in der Schaltplanseite stehen. So können zwischen selektierten Objekten durchaus nichtselektierte stehen, die dann von den Kopier-, Verschiebe-, Rotier-, Spiegel- und Löschoperationen ausgenommen sind.

Mit steigendem Einsatz von STANED kommt man schnell an die Grenzen der mitgelieferten Libraries (bei welchem CAD-Programm sind die schon allumfassend?), man muß sich also eigene Symbole erzeugen. Für einzelne ist das mit dem Symboleditor schnell getan, aber für komplette Symbolfamilien bietet sich der Einsatz des Library-Compilers an. Dieser Compiler wird einfach mit reinen ASCII-Beschreibungen gefüttert. Die dazu benutzte Beschreibungssprache ist innerhalb kurzer Zeit erlernbar und recht effektiv.

Aber das Vorliegen eines Schaltplanes ist nicht der Weisheit letzter Schluß; irgendwie soll er ja ausgegeben werden.

Schwarz auf Weiß

Das Drucken geschieht über ein externes Programm auf 9- und 24-Nadlern, auf Desk- und LaserJet-kompatiblen Druckern und in IMG-Dateien mit 75, 150 oder 300 dpi, jeweils in freier Skalierbarkeit und maximaler Qualität.

Wichtiger aber ist die bereits in der Einleitung erwähnte Kommunikation mit Simulations- und Layout-Programmen. Diese Kommunikation geschieht über sogenannte Netzlisten, und da unterstützt STANED die gängigen Programme ULTIMADE/SCOOTER und PCB-Layout-Plus, da sie die Fähigkeit haben, Netzlisten einzulesen. Weiterhin können auch Netzlisten für den ereignisgesteuerten Logiksimulator STANLOG (der nach Auskunft des Herstellers Ende dieses Jahres noch erscheinen wird) sowie für SPICE geschrieben werden (ebenfalls über BCP zu beziehen). Die SPICE-Netzliste beinhaltet auch sämtliche Bauteilwerte, und als Nebenprodukt fällt grundsätzlich noch eine Bauteil/Stückliste an!

Da für die Netzlisten Standardformate (z. B. das oben erwähnte „MULTIWIRE“) benutzt werden, ist auch die Verbindung zu anderen Rechnerwelten offen (MS-DOS, UNIX). Gerade in dieser Beziehung ist zu erwähnen, daß sich (nach Auskunft von BCP) die Erzeugung des EDIF-Formates bereits in Arbeit befindet, das die Kopplung an professionelle Systeme gewährleistet (selbst ASIC-Entwurf wird dadurch möglich)!

STANED ist vollkommen in GEM eingebunden und läuft in beliebigen Auflösungen ab 640x200 Punkten sowohl in Monochrom als auch in Farbe auf allen verfügbaren ST, STE und TT, unter allen bekannten TOS-Versionen mit und ohne GDOS. Betriebssystemerweiterungen wie WINX, Let-Em-Fly oder auch erweiterte Fileselectorboxen werden unterstützt. Fast alle Funktionen sind tastaturbedienbar, wenn auch manchmal mit etwas eigenwilliger Belegung. Die Anzahl der gleichzeitig bearbeitbaren Schaltpläne und Symbole ist nur durch die Fensterzahl und den verfügbaren Speicher begrenzt.

Aber genau wie jedes andere komplexe Programm bietet auch STANED einzelne Kritikpunkte. Die Druckausgabe ist zur Zeit noch etwas langsam, und vor allem liefert sie noch keinerlei Ausgaben über den Fortgang der Berechnungen. Die Eingabe der Properties ist etwas umständlich, und deren Selektion zwecks Änderung bedarf auch der Optimierung. Das zur Zeit verwendete System zur Speicherung der Libraries hat einen recht großen Platzverbrauch auf dem Datenträger, was aber mehr ein Problem des FAT-orientierten Dateisystems ist. Auch das Handbuch könnte noch ein paar Beispiele gut vertragen.

BCP selbst weist auf eine Reihe weiterer Punkte hin, die wohl mit dem ersten Update beseitigt werden. Im Rahmen dessen sollen dann auch die fällige UNDO-Funktion und die Möglichkeit der Verwendung von Farben sowohl in der Darstellung als auch im Ausdruck eingebaut werden.

Fazit

Vergleicht man STANED mit den auf dem Markt befindlichen Alternativen, scheint es zur Zeit noch keine reelle Konkurrenz zu geben. Zwar gibt es selbst im PD-Bereich Schaltplanzeichenprogramme, aber diese arbeiten i.d.R. pixelorientiert. CAD-Programme mit Elektrotechnik-Libraries sind da schon komfortabler, beherrschen aber weder die Netzlistenerzeugung noch die Überprüfung grundlegender elektrischer Regeln. Die weiteren Programme bieten keine Anbindung an weiterführende Programme, sondern sind in sich geschlossene Systeme. Während der gesamten Testphase ist STANED nicht ein einziges Mal abgestürzt, was für Programme mit der Versionsnummer V 1.0 leider nicht selbstverständlich ist. Zusätzlich existiert für STANED eine eigene Hotline-Nummer, die von Fachpersonal betreut wird. Über diese Hotline und die damit verbundene Support-Adresse bietet BCP qualifizierte Unterstützung sowie die Aufnahme in eine User-Liste an, damit engagierte Anwender miteinander in Kontakt treten können.

Betrachtet man den Preis von DM 249,-, bedenkt dabei die sehr gute Betriebssicherheit und schaut dann noch in Richtung anderer Rechnersysteme, sind die Leistungsfähigkeit und der Support von STAN-ED sehr beachtenswert. Aufgrunddessen kann man STANED schon in der Version 1.0 selbst für den professionellen Einsatz empfehlen. Bleibt nur zu hoffen, daß dieses Programm noch weiter ausgebaut wird, denn eine der letzten Softwarelücken für Computer der ST/STE/TT-Reihe scheint damit gefüllt zu sein.

Bezugsquelle:
BCP Hurci&Soft Im Dorfe 19 W-2121 Oerzen

STANED

Positiv:

saubere GEM-Einbindung
praxisnahes Werkzeug
gutes Preis-/Leistungsverhältnis

Negativ:

fehlende Beispiele
recht hoher Massenspeicherbedarf (Libraries)


Jürgen Piscol
Aus: ST-Computer 12 / 1992, Seite 72

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