Computer & Recht

Mit der hier erscheinenden neuen Kolumne Computer & Recht, die der interessierte Leser sicherlich aus der eingestellten Schwesterzeitschrift „ATARI-Journal“ kennt, soll die dort eingeführte Tradition fortgesetzt werden. Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und arbeitet im Büro auf ATARI ST/TT-Computern.

Verantwortlichkeit eines Sysop für Nachrichten in der Mailbox

Im Editorial der Ausgabe 01/93 wurde die DFÜ-Problematik angesprochen, daß zur Zeit gerade im Maus-Netz politische Parolen vornehmlich aus der rechten Szene durch verdrehte Anwender eingespielt werden. Es besteht daher die Gefahr, daß auch die politisch neutralen Mausgruppen zu Kommunikationsmedien des rechten Mobs werden. Engagierte Sysops könnten sich daher Gedanken machen, inwieweit sie für den Inhalt einer Mailbox zur Verantwortung gezogen werden können. Von dieser Problematik handelt auch die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart, die hier ausführlicher beleuchtet werden soll.

Ausgangspunkt war eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Mailbox-Gästen über eine bestimmte Computerfirma. Dort kam es zu folgenden Äußerungen:

  1. „Angeblich ist der E. nicht mehr Herr im Hause, die sollen einen Geschäftsführer von der Bank aufgebrummt bekommen haben. Es sollen auch so gut wie keine neuen Sachen bei E. zu bekommen sein, nur alter Schrott. Die Filiale in Ludwigsburg ist ja auch zu ...
    „Ach ja, von wegen größere Büroräume nebenan, das war vorher eine Rumpelkammer! Sieht mit alles stark nach Rette, was zu retten ist aus. Mir tun die Kunden leid, die dann eventuell mit Garantieansprüchen alleine dastehen.“
  2. „Klar, lieber X., denn was anderes bleibt diesen Händlern auch nicht übrig, stimmen doch die kleinen Tatsachen, die ich weitergebe. Was soll's auch, den Kunden kann’s ja egal sein, ob der Geschäftsführer mittlerweile von der Bank eingesetzt wurde und Firmen wie Magirus-Datentechnik das kalte Schlottern bekommen, wenn sie den Namen dieser Firma hören. Ist auch egal, wenn gleich geplatzte Schecks doppelt und dreifach auftauchen, nur spricht sich sowas ,rum“
  3. „Ein Bekannter von mit wollte beim E. einen AT kaufen, also mal locker 7.000 bis 8.000 Märker loswerden. Die hatten aber nur altes Zeug (auch, was ATARI anging, er kennt sich auch damit aus) und haben ihn behandelt, als hätte er um ein Stück Brot gebeten ...“
  4. „Sicher, das kann ja mittlerweile schon sein, aber daß Kunden, die für 7.000,- DM einen AT kaufen wollen, auf diese Art rausgeworfen werden - na ja. Ach ja, laut ATARI Deutschland wird der E. nur noch gegen Vorkasse beliefert - muß also doch was dran sein an den ganzen Gerüchten (die ich mir, wie gesagt, auch nicht aus den Fingern sauge)“.
  5. „Da frage ich mal andere Händler, die auch mit ATARI Zusammenarbeiten, die lachen mittlerweile nur noch über die besagte Firma ...“

Die von der obigen Auseinandersetzung betroffene Computerfirma begehrte durch eine einstweilige Verfügung Unterlassung, gegen die sich der beklagte Sysop mit Zurückweisung wehrte. Er verteidigte sich damit, daß nicht er Verfasser der Texte war. Da von ihm die Mailbox nur als Hobby betrieben werde, könne er auch nur gelegentlich die einzelnen Mitteilungen überprüfen. Im übrigen liege bei ihm auch kein Interesse vor, der klagenden Computerfirma Schaden zuzufügen. Schließlich könne er schon deshalb nicht verantwortlich gemacht werden, weil die Mailbox für jedermann zugänglich sei und automatisch funktioniere. Deshalb sei jede von einem Benutzer gespeicherte Nachricht sofort von anderen Benutzern abrufbar, ohne daß er als Betreiber die Möglichkeit der Überprüfung einer Nachricht habe. Der beklagte Sysop räumte nur ein, daß er allenfalls verpflichtet sei, Mitteilungen bei Beanstandungen zu löschen.

Die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart erging in salomonischer Form:

  1. Derjenige, der ohne wirtschaftliche Zwecke für jedermann eine Mailbox als Kommunikationsmittel in Form einer elektronischen Anschlagtafel betreibt, wirkt an der Verbreitung der dort abrufbaren Mitteilungen mit und kann deshalb im Falle der Beeinträchtigung Dritter durch den Inhalt der Mitteilungen auf Unterlassung der Verbreitung in Anspruch genommen werden (so auch schon BGH in NJW 76/799 ff.).
  2. Allerdings sei der Betreiber einer nichtkommerziellen Mailbox jedoch nicht verpflichtet, jede eingehende Nachricht auf ihre rechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen, bevor er ihre Speicherung und damit ihre Abrufbarkeit zuläßt. Mit der Auferlegung einer solchen zeitaufwendigen und im Einzelfall rechtlich schwierigen Überprüfungspflicht würden die an den nichtgewerblichen Betreiber einer Mailbox zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannt.
  3. Die Verantwortlichkeit des nichtkommerziellen Mailbox-Betreibers ist der eines Zeitungsverlegers für den Anzeigenteil vergleichbar (vgl. BGH in GRUR 72/ 722 ff, 73/203 ff.). Das bedeutet, daß er dem betroffenen Dritten erst dann auf Unterlassung der Verbreitung haftet, wenn er dessen Beeinträchtigung erkennt oder, etwa auf einen Hinweis hin, erkennen kann.

Mit dieser Entscheidung kann daher ein Sysop durchaus beruhigt schlafen gehen. Seine Aktivität wird erst dann notwendig, wenn er auf konkrete Mißstände hingewiesen und Unterlassung der Verbreitung der verletzenden Mitteilung gefordert wird. Eine zivilrechtliche Haftung aus Schadensersatz aus den einschlägigen deliktsrechtlichen Vorschriften oder gar eine strafrechtliche Haftung aus den entsprechenden Datenschutzbestimmungen scheidet damit aus.

Wie bereits die letzte Zeit gezeigt hat, werden jedoch die Verfasser der rechten Parolen aus den Mailboxen weitgehend ausgeschlossen, so daß schon von sich aus eine „reinigende Wirkung“ erzielt wird. Gerade in der heutigen Zeit sollte man sehr sensibel auf diese Themen reagieren und schon den Schein antisemitischer oder sonstiger rassistischer Umtriebe in frei zugänglichen Medienbereichen im Keim ersticken.

(LG Stuttgart in jur-pc 92/1714 ff.)

Hard- und Software-Kauf

Eine in vielerlei Hinsicht interessante Entscheidung erging jüngst durch das Oberlandesgericht Hamm. Ein Teil der Entscheidung befaßte sich mit der Abnahme eines Komplettsystems. Zur Verdeutlichung soll hierbei darauf hingewiesen werden, daß die Abnahme notwendige Voraussetzung bei einem Werkvertrag ist. Der Unternehmer hat erst dann einen Zahlungsanspruch, wenn das Werk vom Besteller abgenommen wurde. Es ist daher für den Unternehmer wichtig, den Besteller auf die Abnahme des Werkes hinzu drängen (und notfalls auf Abnahme zu klagen). Die Abnahme einer Komplettanlage wird daher von den meisten Anbietern dergestalt vorgenommen, daß ausgewählte Tests vorgestellt werden, die die Funktionsfähigkeit der Anlage demonstrieren sollen. In den meisten Fällen kommt es aber dann erst zum entscheidenden Eklat, wenn die Mitarbeiter es Unternehmers das Haus des Bestellers verlassen haben, letzterer nunmehr auf sich allein gestellt ist und hierbei feststellen muß, daß letztlich gar nichts mehr funktioniert. Das OLG Hamm hat daher ausdrücklich festgestellt, daß die Übergabe einer EDV-Anlage mit ausgewählten Tests keine Abnahme sei.

Ein weiterer Teil der Entscheidung bezieht sich im wesentlichen auf typische DOS-Programme. Hierin muß der Anwender für Befehle über die Betriebssystem ebene das Anwendungsprogramm vorübergehend verlassen und in die Betriebssystemebene überwechseln, um dort die zur weiteren Durchführung eines Befehls notwendigen Schritte vorzunehmen (Formatieren einer Diskette, Löschen von Dateien oder das Anlegen von Unterverzeichnissen). Das OLG Hamm hat diesbezüglich entschieden, daß es für den Anwender unzumutbar sei, wenn er bei Einsatz eines Anwenderprogramms zwischen der Betriebssystemebene und dem Anwenderprogramm wechseln muß.

Dieses Problem kennt man im allgemeinen auf TOS-Programmen nicht. Insbesondere entfällt es, wenn man entsprechende Dateiauswahlboxen, wie sie schon als Shareware-Produkte angeboten werden, benutzt.

(OLG Hamm in NJW-CoR 6/92 S.26)



Aus: ST-Computer 02 / 1993, Seite 128

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