Konstruieren auf dem ATARI: CAD-Programme im Vergleich

Der Marktanteil von professionellen ATARI-DTP-Systemen liegt bei ca. fünf Prozent. Bei den ATARI-CAD-Systemen liegen keine Zahlen vor, doch daß die Fünf-Prozent-Hürde hier nicht genommen wird, dürfte klar sein. Warum eigentlich? Gibt es etwa keine guten CAD-Systeme für ATARI-Computer?

CAD-Programme soll man nicht nach dem Preis-, sondern nach dem Leistungsniveau auswählen. In der Liste der Anforderungen stehen sicherlich einfache und schnelle Handhabung sowie hohe Arbeitsgeschwindigkeit ganz oben. Zum Austausch vom Zeichnungen zwischen unterschiedlichen Systemen sollten auch möglichst viele Import- und Exportformate beherrscht werden.

Um herauszufinden, was die für den AT ARI erhältlichen C AD-Systeme leisten können, wurden zwei Programme aus der DOS-Welt zum Vergleich herangezogen. Jetzt werden einige sagen: „Man kann doch Äpfel nicht mit Birnen und ATARIs nicht mit Dosen vergleichen.“ Man kann. In der Industrie kosten CAD-Arbeitsplätze nicht selten bis zu 50.000 DM (Hard-und Software). Würde diese Summe in ATARI-Hardware(min. 16MB-TT-RAM, TC-Grafikkarte, Farbgroßbildschirm und Netzwerkanbindung usw.) und geeigneter Software investiert, könnten die gleichen Leistungen erbracht werden, und auf dem Zeichenpapier würde keiner einen Unterschied erkennen können. In punkto Bedienung und Handhabung braucht man eigentlich keine positiven Worte über ATARI-Software zu verlieren. Deshalb wurde zum Vergleich der Systeme auch verstärkt auf die Geschwindigkeit der Systeme geachtet. Um für alle Systeme möglichst gleiche Voraussetzungen zu haben, wurde eine Testzeichnung erstellt und mit Hilfe einer DXF-Datei in die Anwendungen importiert. DXF ist die Abkürzung für Drawing exchange File und soll die Austauschbarkeit von Zeichnungen unter CAD-Programmen gewährleisten. Das 1.042.307 Bytes große DXF-File wurde in vier ATARI-Systeme und zwei DOS-Systeme importiert. Um Geschwindigkeitswerte zu erhalten, wurden folgende häufig benötigten Befehle ausgeführt und die dafür gebrauchte Zeit ermittelt:

Repaint:
Neuaufbau der Zeichnung

Zoom in:
Vergrößern eines bestimmten Ausschnittes der Zeichnung

Zoom out:
Darstellen der gesamten Zeichnung aus einem bestimmten Ausschnitt heraus

Fangen:
Selektieren eines bestimmten Punktes

DOS-System A wurde seit vielen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert. Bei System B blieb dies leider aus, was die Meßergebnisse verdeutlichen.

CADja 2.0

CADja 2.0 entstand aus der Version 1.2 und stellt für den ATARI-Benutzer ein leicht erlernbares CAD-Programm dar. Es ist zwar kein GEM-Programm, aber man findet sich leicht durch die auf effektives Arbeiten ausgerichteten Menüs. Das unterstreicht die Menüdarstellung aller wichtigen Funktionen in der Mitte des Bildschirmes. Sie bietet dem Anwender einen schnellen Zugriff auf die wichtigsten Befehle. Weniger benötigte Befehle sind in Untermenüs angeordnet, aber immer noch schnell erreichbar. Nach dem Anwählen eines Befehles verschwinden natürlich die Menüs und geben den Blick auf die gesamte Zeichnung frei. Die Befehlsauswahl erfolgt mit der linken Maustaste. Mit der rechten kommt man wieder zurück zum Hauptmenü. Die einfache und geniale Eingabelogik läßt die Befehlseingabe wahlweise durch Maus oder Tastatur zu.

Bei den Zeichenbefehlen findet man umfangreiche Befehle zur Konstruktion von Kurvenbögen, wodurch sich eine Nutzung in Bereichen wie Schiffbau und Architektur anbietet. Im Lieferumfang sind diverse Symbolbibliotheken enthalten, bei denen der Maschinenbau leider etwas zu kurz kommt. Negativ auswirken kann sich auch die, mit 40 Stück, relativ knappe Anzahl der Ebenen. Als Zusatzanwendungen erhält man neben den Druck- und Plot-Programmen auch Programme für den File-Transfer und das Bearbeiten (Reorganisieren, Ausdrucken) der Symbolbibliotheken.

CADja findet nicht nur Einsatz im Bereich Schiffbau, Elektronik und Architektur, es kann auch zum Ansteuern von Schneide-Plottern für Beschriftungen genutzt werden. Eine Besonderheit ist sicherlich das CAM-Modul (CAM = Computer Aided Manufacturing). Es ermöglicht die Anpassung an verschiedene CNC-gesteuerte Fräsmaschinen. Der Vertrieb bietet für diese Fälle individuelle Problemlösungen an.

Die Menüs sind bei CADja immer schnell erreichbar.

CADja 2.0

Positiv:

Negativ:

DynaCADD 2.0

Die GEM-Oberfläche von DynaCADD

Nach dem Starten von DynaCADD 2.0 erscheint an der linken Seite und oberhalb der Zeichenfläche je eine Icon-Leiste. Mit Hilfe der oberen Icon-Leiste werden die Befehle zur Bildschirmdarstellung (diverse Zoom-Kommandos, Repaint und Regeneration) eingegeben. Die seitliche Icon-Leiste ist vierfach unterteilt und dient zur Eingabe der restlichen Befehle. Im ersten Viertel befinden sich die Grundkommandos. Bei der Selektierung eines Grundkommandos werden im zweiten und dritten Bereich der Icon-Leiste die zugehörigen Unterkommandos aktiviert, und die benötigten Parameter können eingegeben werden. In dem vierten und gleichzeitig untersten Bereich werden dann die Objekt- und Positionsauswahl für das angewählte Kommando abgefragt. Durch diesen Eingabemodus, der während des gesamten Programmes beibehalten wird, sind nur die jeweils benötigten Icons sichtbar und die Icon-Leiste bleibt übersichtlich. Die Auswahl der Kommandos und Objekte erfolgt mit der linken Maustaste, und die Kommandosequenz wird durch Betätigen der rechten Maustaste abgeschlossen. Die Objektauswahl (zum Löschen, Kopieren usw.) ermöglicht die Selektierung nach allen nötigen Kriterien. Durch das Betätigen der linken Shift-Taste können ungewollt ausgewählte Objekte zurückgenommen werden. Die 256 Layer von DynaCADD lassen sich in einer Tabelle aktivieren, verriegeln, ausblenden oder umbenennen. DvnaCADD 2.0 verfügt als einziges der vier ATARI-Systeme über einem 3D-Teil. Mit seinen umfangreichen Kommandos ist das Programm für jeden Anwendungsfall bestens geeignet. Schade nur, daß DvnaCADD 3.0, welches bereits auf der CeBit 1992 als Beta-Version für den ATARI TT zu bewundern war, wahrscheinlich nicht weiterentwickelt wird. Die Firma CRP, der Vertreiber von DynaCADD, arbeitet mit Hochdruck an der Erstellung der DOS-Version. Das System zeigte neben dem konventionellen CAD auch die Möglichkeit des photorealistischen Renderings (Umsetzung von Drahtmodelldaten in digitale Bilder) in atemberaubender Geschwindigkeit.

DvnaCADD 2.0

Positiv:

Negativ:

Technobox Drafter 2.0

Den Drafter von Technobox hätte man eher mit dem Adjektiv „light“ versehen sollen. Als Zielgruppe sind hier Hobbyzeichner, Schüler oder Studenten angesprochen! Das unterstreicht auch die fehlende Möglichkeit, DXF-Dateien zu exportieren. Die Icons sind für einen Großbildschirm etwas zu klein geraten, dadurch wirkt die Icon-Leiste unübersichtlich. Größere Icons würden aber auf dem SM 124 zu viel Zeichenfläche verdecken. Das zur Verfügung gestellte Befehlsspektrum ist sehr sparsam ausgestattet. Die Trimm-Funktion (Anpassen von Linienlängen), beim CAD eine sehr wichtige Funktion, kommt mit einem Befehl aus. Man sucht unter den Befehlen vergeblich nach der Möglichkeit, die Ebene der Elemente nachträglich zu ändern. Es ist jeweils nur eine Ebene aktivierbar. Wurde ein Zeichnungsdetail auf mehreren Ebenen dargestellt, müssen beim Kopieren oder Verschieben des Details alle Ebenen einzeln selektiert werden. Wenn man dann nicht genau weiß, auf welcher Ebene die Elemente liegen, geht die Sucherei los, denn der Drafter hat 9.999 Ebenen. Beim Kopieren ober Löschen von Elementen ist der Benutzer auf zwei Auswahlmodi (einzelnes Element, innerhalb Bereich) eingeschränkt. Eine Auswahl nach Stift, Linienart oder Ebene wäre wünschenswert. Die Rücknahme von einmal selektierten Elementen ist auch nicht möglich. Erschwerend kommt hinzu, daß ein zu selektierendes Element vollständig im Bereich enthalten sein muß. Dieser Umstand fällt beim Schraffieren erheblich ins Gewicht. Zur Schraffurerstellung wird die zu schraffierende Kontur auf die Schraffurebene kopiert und nachbearbeitet. Wenn die Auswahlmöglichkeiten eines Systems so stark eingeschränkt sind wie beim Drafter, muß mit einer zeitraubenden Nacharbeit der Schraffurkontur gerechnet werden. Die umfangreichen Symbolbibliotheken (siehe Tabelle) können da auch keinen Trost mehr spenden. Das rund 500 Seiten umfassende Handbuch enthält neben der ausführlichen Erläuterung der Befehle auch noch Übungen zur Handhabung des Programmes.

Die Oberfläche vom Drafter

Technobox Drafter 2.0

Positiv:

Negativ:

Programm Größe Testzeichnung nach Import System Repaint Zoom in Zoomout Objekt fangen
CADja 2.0 299.765 Bytes ST 46 s 32 s 46 s 30 s
TT 18 s 14 s 18 s 9 s
TT (mit NVDI 2.0) 9 s 10 s 9 s 9 s
DynaCAAD 2.0 374.691 Bytes ST 145 s 52 s 138 s 10 s
TT 6 s 4 s 6 s 2 s
TT (mit NVDI 2 0) 6 s 4 s 6 s 2 s
Technobox Drafter 2.0 134.576 Bytes ST 44 s 15 s 44 s 19 s
TT 20 s 10 s 20 s 12 s
TT (mit NVDI 2.0) 15 s 10 s 15 s 12 s
Technobox CAD 2.0 265.270 Bytes ST - - - -
TT 8 s 4 s 8 s 2 s
TT (mit NVDI 2 0) 7 s 4 s 7 s 2 s
DOS-System A 293.311 Bytes 486, 33 MHz, 8 MB 5 s 1 s 1 s -
(ca. DM 9500,-) 386, 33 MHz, 8 MB 17s 23 s 35 s 7 s
DOS-System B 640.144 Bytes 486er, 66 MHz, 6 s 7 s 12 s 2 s
(ca. DM 15000,-) 16 MB-RAM

Technobox CAD 2.0

TechnoCAD arbeitet mit Werkzeug- und Symbolfenstern.

Technobox CAD 2.0 ist der große, neuentwickelte Bruder des Drafter. Das erkennt man schon am äußeren Erscheinungsbild. Aus einer komfortablen Shell heraus lassen sich Ausgabe-, Stücklisten-, und CAD-Programm aufrufen. Mit Hilfe der Shell lassen sich die erstellten Zeichnungen in diverse Formate konvertieren. Die Icons des CAD-Programmes sind groß und übersichtlich. Neben diversen Zeichenbefehlen stehen vier Trimmbefehle zu Verfügung. Für die Objektauswahl zum Kopieren und Löschen existieren diverse Auswahlkriterien. Die Rücknahme von selektierten Elementen ist auch bei diesem Technobox-Produkt nicht vorgesehen. Eine Möglichkeit, mehrere Ebenen gleichzeitig zu aktivieren, sucht man auch hier vergeblich. CAD 2.0 von Technobox bietet allerdings die Möglichkeit, vor dem Ausfuhren einer Schraffur die Schraffurkontur auf doppelte Linien oder offene Linienzüge zu testen. Das kann bei komplexen Konturen zeitraubendes Wiederholen von Schraffurvorgängen ersparen. Des weiteren fiel auf, daß das System neben dem großen Werkzeug- (Menüleiste) und dem Zeichnungsfenster auch noch ein zweites kleineres Werkzeug- und Symbolfenster besitzt. Über das zweite Werkzeugfenster lassen sich die Zoom-, Undo-Befehle und Befehle zur Umschaltung der Ebenen erreichen. Eine tolle Sache ist das Symbolfenster, man kann die Symbole vor der Plazierung anzeigen lassen. Unter den mitgelieferten Symbolbibliotheken (siehe Tabelle) dürfte für jeden Anwendungsfall etwas zu finden sein. Die umfangreichen Informationskommandos am unteren Ende der Menüleiste dienen nicht nur zum Abfragen von diversen Elementinformationen, sondern bieten auch die Möglichkeit zur direkten Änderung der abgefragten Parameter. Es muß noch erwähnt werden, daß das Systemhaus Technobox seit Juli 1992 die Weiterentwicklung seiner ATARI-Software eingestellt hat. Die Neuentwicklung Technobox CAD 3.0 ist nur noch für IBM-kompatible Hardware erhältlich.

Technobox CAD 2.0

Positiv:

Negativ:

Name: CADja DynaCADD 2.0 Technobox Drafter 2.0 Technobox CAD 2.0
Anzahl der Ebenen: 40 256 9999(!) 256
Exportformate: DXF, HPGL, GPGL, IMG, ASCII DXF, PS, EPS, IMG, HPGL, CMPL, CLPL HPGL, PS, GEM DXF, HPGL, ASCII, GEM
Importformate: DXF, HPGL, ASCII DXF DXF DXF, HPGL
Symbolbibliotheken: Elektronik
Innenarchitektur
Pneumatik
Sanitär
Türen und Fenster
keine Aussenarchitektur
Elektrotechnik
Elektronik
allg. Maschinenbau
Hydraulik
Pneumatik
Innenarchitektur
Aussenarchitektur
Elektrotechnik
Elektronik
allg. Maschinenbau
Hydraulik
Pneumatik
Innenarchitektur
Zusatzprogramme: Plotfilekonverter
Druckeransteuerung
DXF-Konvertierung
Symbolreorganisation
Symbolliste drucken
CAM-Modul (Aufpreis!)
Plotfilekonverter
Fonteditor
Konverter für DynaCADD-Zeichnungen von Version 1.5
Konverter (DXF to Drafter)
Konverter (Drafter to GEM)
Outputprogramm
Stücklistengenerator
Outputprogramm
Shell
Drucken der Testzeichnung auf DIN A4: 150 Sekunden 90s 280 s 270 s
Anzahl der installierten Systeme: ca. 600 Stück (mit Version 1.2) ca. 500 Stück (mit Version 1.5) ca. 3500 Stück ca. 1600 Stück
Preis: 998 - DM 1498 - DM 298 - DM 1998 - DM
Bezugsadresse: Michael Rauch
Hauptstraße 5
W-8951 Friesenried
CRP Koruk
Fritz-Arnold-Straße 23
W-7750 Konstanz
Technobox Software GmbH
Kornharpener Straße 122a
W-4630 Bochum 1
Technobox Software GmbH
Kornharpener Straße 122a
W-4630 Bochum 1

Unterm Strich...

... kann man sagen, daß die ATARI-CAD-Systeme der zweiten Generation durchaus in der Lage sind, mit den DOS-Systemen der gleichen Generation zu konkurrieren. Alle vorgestellten Systeme zeigen positive Ansatzpunkte. Von der Geschwindigkeit liegen CADja 2.0 und der Drafter hinter dem aktuellen Stand der Technik. Von Technobox CAD 2.0 und DynaCADD 2.0 gibt es TT-Versionen, welche die Hardware optimal nutzen und den Bildaufbau sehr schnell machen. Die Handhabung und das Befehlsspektrum von CADja 2.0 und DynaCADD 2.0 müssen positiv erwähnt werden und sollten anderen Systemen ein Beispiel sein. Schade eigentlich, daß die Weiterentwicklung der ATARI-CAD-Software zum Stillstand gekommen ist. Was geschieht, wenn die nächste Generation von CAD-Systemen auf den Markt kommt?


Rainer Fröhlich
Aus: ST-Computer 03 / 1993, Seite 20

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