Computer & Recht

In dieser Rubrik sollen aktuelle Rechtsprechungen und juristische Grundlagen rund um den Computer vorgestellt werden. Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und arbeitet im Büro auf ATARI ST/TT-Computern.

Der europäische Einfluß im deutschen Urheberrecht

Der Rat der EG hat im Mai 1991 aufgrund der Entwicklungen im Bereich des EDV-Rechts eine Richtlinie erlassen, die zum 1. Januar 1993 in nationales Recht umgesetzt werden mußte. Viele der Leser haben sicherlich davon gehört. Die wenigsten dürften jedoch die wesentlichen Änderungen kennen, die hier kurz aufgeführt werden sollen.

a. Nachdem der Gesetzgeber in einer Urheberrechtsnovelle 1985 auch Computerprogramme in den Schutzbereich des Urheberrechts aufnahm, waren die Experten mit den dort getroffenen Regelungen wenig einverstanden. Ein Programm war nämlich nur dann schützenswert, wenn es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelte. Wann eine solche persönliche geistige Schöpfung vorliegen sollte, wurde nicht näher definiert. Dies wurde jedoch durch die einschlägige Rechtsprechung vorgenommen.

Nach einer vielzitierten „Betriebssystementscheidung“ des Bundesgerichtshofes war ein Computerprogramm dann schützenswert, wenn eine alltägliche, durchschnittliche Programmiertätigkeit, die auf einer mehr oder weniger routinemäßigen, mechanisch-technischen Aneinanderreihung und Zusammenfügung des Materials beruht, deutlich überstiegen wird“. Hierbei reichte es aus, wenn der Urheber theoretische Umschreibungen einzelner eigenschöpferischer Züge des Programms, etwa anhand von Programmdokumentationen und Systemliteratur, vorlegt. Als Indiz für das Vorliegen eines urheberrechtsfähigen Werkes gilt aber auch der personelle und finanzielle Aufwand für die Erstellung des Computerprogrammes. Schließlich gelten Betriebssysteme als Programme mit hohem Schwierigkeitsgrad, bei welchen sich eine persönliche geistige Schöpfung in der Auswahl, Einteilung und Anordnung in besonders hohem Maße zeigt (BGHZ 94/276 {285} = NJW 91/1231 = CR 91/80).

All diese krampfhaften Versuche zur Definition eines schützenswerten Programmes sollen nun ein Ende gefunden haben, da die Richtlinie gemäß Artikel 1 Absatz 3 den Schutz für alle Computerprogramme erschließt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutz -fähigkeit sind keine anderen Kriterien heranzuziehen. Damit dürften ziemlich alle Programme umfaßt werden, ohne daß es auf die hochgeschraubten Merkmale des BGH ankäme.

Diesem zunächst umfangreichen Schutz werden jedoch durch das Gesetz in Artikel 1 Absatz 2 auch wieder Grenzen gesetzt. Demnach gilt der Schutz zwar für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Allerdings umfaßt dieser Schutz ausdrücklich nicht die einem Programm zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze und insbesondere auch nicht die zu einem Programm gehörenden Schnittstellen. Das bedeutet, daß eine neue Errungenschaft hinsichtlich der Oberfläche und der Bedienung zwar hinsichtlich des Quellcodes geschützt ist, nicht jedoch die Nachbildung dieser Oberfläche als Idee und Grundsatz. Weiterhin ist die Software-Anbindung in Form der Schnittstellen nicht geschützt, so daß Dritte problemlos in einen bestehenden Software-Markt durch die Übernahme der einzelnen Schnittstellen einbrechen können. Die Entwicklung eines neuartigen Software-Konzepts wird so in Frage gestellt, da eine solche Entwicklung kaufmännisch nicht mehr rentabel ist oder diesbezüglich jedenfalls fraglich bleibt.

b. Eine weitere wesentliche Änderung findet sich auch in Artikel 2 der Richtlinie. Hierin befinden sich neben Urheberschaft und Schutzberechtigung im allgemeinen auch die Regelungen für Software-Entwickler in Arbeitsverhältnissen. Sollte bislang aus Zweckmäßigkeitserwägungen in den Arbeitsverhältnissen von Angestellten gesondert auf die Zurechnung des Arbeitsergebnisses zum Arbeitgeber hingewiesen werden, so ist nunmehr das Gegenteil eingetreten. Das Arbeitsergebnis (die entwickelte Software) und die Ausübung aller wirtschaftlichen Rechte an dem geschaffenen Programm stehen jetzt immer dem Arbeitgeber zu, wenn nicht eine andere vertragliche Vereinbarung getroffen wurde.

c. Sehr wichtige Neuerungen bringen die Artikel 4 und 5. Diese Artikel regeln die zustimmungsbedürftigen Handlungen und deren Ausnahmen. Gegenüber der bisherigen Rechtslage ist hierbei neu, daß jedes Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogrammes der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf, soweit durch diese Tätigkeiten eine Vervielfältigung des Programmes erforderlich ist.

Eine der Ausnahmen hiervon ist die Erstellung einer Sicherheitskopie, „die zur Benutzung erforderlich ist“. Diese Formulierung ist allerdings, wie einige hier nicht näher zu erläuternde Regelungen, sehr vieldeutig bzw. fragwürdig. Grundsätzlich ist nämlich eine Sicherheitskopie zur Benutzung nicht erforderlich, da ein Programm üblicherweise auch ohne eine solche funktionieren sollte. Erst wenn das Original zerstört wird, wäre das Erstellung einer Sicherheitskopie zur Benutzung erforderlich - allerdings leider nicht mehr möglich. Diese Regelung wird daher durch die Gerichte auszulegen sein.

d. Eine weitere wesentliche Änderung bringt die Bestimmung des Artikels 6 der Richtlinie, wonach unter anderem die Zustimmung des Rechtsinhabers zur Vervielfältigung nicht erforderlich ist, „wenn die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Code-Form ... unerläßlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten“. Zwar wird diese Regelung durch einige Ausnahmen hinsichtlich des Personenkreises und der durch die De-compilierung betroffenen Programmteile eingeschränkt, letztlich bedeutetes jedoch, daß Programme genehmigungsfrei „zerpflückt“ werden dürfen. Das beinhaltet schon grundsätzlich die Gefahr, daß Software-Ideen problemlos „geklaut“ werden können, da sie durch den Mantel der.Compilierung nicht mehr geschützt sind. Zwar wird dies durch Absatz 3 dahingehend eingeschränkt, daß es untersagt sei, Artikel 6 so anzuwenden, daß „die rechtmäßigen Interessen des Rechtsinhabers in unvertretbarer Weise beeinträchtigt werden oder im Widerspruch zur normalen Nutzung des Computerprogrammes stehen“. Diese Einschränkung ist aber schon im Hinblick darauf unverständlich, weil die Decompilierung gerade keine normale Nutzung eines Computerprogrammes ist, so daß die erlaubte Decompilierung gemäß Absatz 1 demnach dazu in Widerspruch steht. Auch hier dürfen somit die Gerichte die etwas wirren Ausführungen des Gesetzgebers geradebiegen.

e. Schließlich drängt die Richtlinie die EG-Mitgliedsstaaten zur Sanktionierung von Raubkopierern in Artikel 7. Gemeint sind damit bereits diejenigen Anwender, die ein Programm o.ä. kopierten, obwohl sie wußten „oder Grund zur Annahme hatten, daß es sich um eine unerlaubte Kopie handelte“ Ebenfalls sanktioniert werden soll das „Inverkehrbingen oder der Erwerbszwecken dienende Besitz von Mitteln, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern“. Schließlich ist die Beschlagnahme der unerlaubten Kopien in Artikel 7 Absätze 2 und 3 hier schon gesetzlich geregelt. Das dürfte allerdings in der Bundesrepublik unerheblich sein, weil die Beschlagnahme schon durch die einschlägigen Bestimmungen in der Strafprozeßordnung geregelt war.

f. Letztlich wird die Schutzdauer auf die Lebenszeit des Urhebers und 50 Jahre über seinen Tod hinaus festgelegt. Für juristische Personen oder anonym oder unter Pseudonym veröffentlichte Computerprogramme gilt die Schutzdauer von 50 Jahren vom Zeitpunkt der erstmaligen Zugänglichmachung in der Öffentlichkeit.

g. Als Fazit kann festgehalten werden, daß der nunmehr veröffentlichte Schutz von Computerprogrammen nur halbherzig das einlöst, was die Software-Industrie sich jahrelang erhofft hat. Viele Klausulierungen, auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen wurde, sind teils widersprüchlich, teils verwirrend in ihrer Formulierung. Eine wirkliche Hilfe wird dadurch erst nach vielen Jahren ermöglicht, wenn durch ausreichende Rechtsprechung ein Minimum an Kasuistik erlangt wurde und zumindest die Fachleute einen einigermaßen sinnvollen roten Faden sehen.

(Richtlinie des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (91/250/EWG).

Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften Nr. L 122/42 vom 17.05.1991)

Rechtsprechung

OLG Düsseldorf: Reisekostenersatz bei Software-Mängelbeseitigung

Software-Pflege und insbesondere Mängelbeseitigung können für Software-Unternehmen mitunter sehr teuer werden, wenn das Programm partout nicht so funktioniert, wie es sollte. Unter Umständen kann das sogar noch mehr kosten als je erwartet. Dies war im folgenden Rechtsstreit der Fall. Die Klägerin, mit Sitz in Wuppertal, hatte es übernommen, eine Software zur Steuerung einer Galvano-Anlage zu erstellen, welche die beklagte Firma in Polen zu installieren hatte. Bei der Installation zeigten sich jedoch Mängel der Software. Zu deren Beseitigung schickte die Klägerin Mitarbeiter nach Polen. Die dadurch entstandenen Kosten machte sie mit ihrer in beiden Instanzen erfolglosen Klage geltend.

Nach Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat ein Unternehmer nämlich auch dann keinen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten, wenn er sich gegenüber dem im Inland ansässigen Besteller zur Erstellung von Software verpflichtet hat, die im Ausland eingesetzt werden soll.

Gerade bei Individual-Soft-ware kann zu bösen Überraschungen führen, was die Software-Hersteller grundsätzlich zu größtmöglicher Sorgfalt ermahnen sollte.

(OLG Düsseldorf in CR 92/719)



Aus: ST-Computer 03 / 1993, Seite 122

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