MultiTOS für Einsteiger Teil 1

Manch einer hat schon gar nicht mehr daran geglaubt, doch nun ist es soweit! MultiTOS ist gegen ein geringes Entgelt für jederman zu kaufen. Es läuft in der aktuellen Version 1.01 auf allen ST, STE, TT und Falcon-Rechnern und erlaubt das gleichzeitige Arbeiten mit mehreren Anwendungen.

Die absolute Minimalkonfiguration stellt ein ST mit einer 8MHz-68000-CPU und 2 MB RAM dar. Allerdings ist die Arbeitsgeschwindigkeit bei dieser Ausstattung recht „gemächlich“. Um ein erträgliches Arbeiten zu ermöglichen, sollten mindestens 4 MB RAM und eine 16MHz-68000-CPU, die von einem Cache unterstützt wird, zur Verfügung stehen. Wirklich Spaß macht die Angelegenheit auf einem Rechner mit 68030-CPU (TT, Falcon oder diverse Beschleuniger). Erst auf diesen Modellen kann MultiTOS, mit Hilfe der MMU im MC68030/40, alle seine Möglichkeiten voll ausschöpfen.

Was bringt’s?

Verwendet man für die Erledigung einer Aufgabe mehrere Programme, beginnt es unter dem „normalen“ TOS recht schnell lästig zu werden: Zeichenprogramm starten, zeichnen, Zeichenprogramm beenden, Textverarbeitung starten, Bild einbinden -oha - zu groß, Textverarbeitung beenden, Zeichenprogramm starten und so weiter und so fort. Unter MultiTOS bleibt uns diese Hektik erspart, vorausgesetzt, wir verwenden saubere GEM/TOS-Programme. Von dieser immer häufiger vorkommenden Spezies können unter MultiTOS mehrere Programme gleichzeitig laufen, nur der verfügbare Speicher legt der Multitasking-Wut Zügel an. Selbstredend ist damit auch möglich, trotz rechenintensiver Programme mit dem Rechner weiterzuarbeiten. Dieser Text z.B. wird getippt, während ein Raytracer gleichzeitig ein komplexes Bild berechnet.

Installation

Doch vor den Genuß dieser Neuheiten haben die ATARI-Götter die Installation gesetzt. Um Begriffsverwirrungen zu vermeiden, gehen wir im restlichen Artikel von der Installation auf Festplatte aus, genauer gesagt auf die Partition C:. Theoretisch wäre es auch möglich, MultiTOS von der Diskette zu betreiben, allerdings sollte der Anwender dazu Nerven wie Drahtseile sein eigen nennen.

Bevor Sie jedoch das mitgelieferte Installationsprogramm von MultiTOS auf die eigene Festplatte loslassen, sollten Sie einige Dateien in Sicherheit bringen, da dieses Teil nicht gerade die Ausgeburt an computergestützter Intelligenz darstellt und daher diverse eventuell noch nützliche Dateien kommentarlos überschreibt. Sollte sich folgendes auf Ihrer Festplatte finden, kopieren Sie es am besten auf eine andere Partition oder auf Diskette: NEWDESK.INF, DESKICON.RSC, DESKCICN.RSC, XCONTROL.ACC und alle CPX-Module. Haben Sie schon eine ältere Version von MiNT installiert, müssen Sie auch noch MINT.PRG und MINT.CNF retten!

O.K., alles erledigt? Dann bitte INSTALL.PRG starten und den Anweisungen folgen ... So, nun sollten Sie auf Ihrer „C:“-Partition den Ordner MULTITOS und im Auto-Ordner MINT.PRG finden.

Es naht der große Moment, booten Sie Ihren Rechner neu, und MultiTOS müßte sich theoretisch melden. Klaffen Theorie und Praxis wieder einmal auseinander, und stürzt Ihr Rechner ab, dann hilft der Notausgang: Booten Sie erneut und halten während des Bootvorganges die linke SHIFT-Taste gedrückt. MiNT reagiert darauf mit der Frage, ob es starten soll. Ein Druck auf ,N‘ verneint dieses Ansinnen, und Ihr Rechner funktioniert wie gewohnt. Für einen Crash in der Boot-Phase von MultiTOS gibt es eigentlich nur eine Erklärung: Sie verwenden ein nicht Multi-TOS-taugliches Programm im AUTO-Ordner bzw. als Accessory. Inaktivieren Sie zunächst alle z.B. durch Umbenennen, das schuldige kann dann durch einzelnes Aktivieren gefunden werden. Eventuell führt auch die Kombination von mehreren Programmen zu Schwierigkeiten. Es hilft nur probieren, probieren, probieren.

Taucht das neue Desktop auf, haben Sie es geschafft, MultiTOS ist vorläufig installiert. Auf Rechnern mit Farbbildschirm ist der Unterschied auf den ersten Blick am deutlichsten - „ey booh ey, alles so schön bunt hier!” Wie das eingebaute TOS des Falcon, kann MultiTOS animierte Farb-Icons verwenden und zeichnet sich durch eine Pseudo-3D-Darstellung der Fenster und Buttons usw. aus. Ein Klick auf den Mülleimer zeigt Ihnen dieses neue Feature. Ansonsten ist die grundsätzliche Bedienung des Desktops gleich wie unter TOS >= 2.05.

MultiTOS enthält auch das neue AES mit farbigen Icons und 3D-Effekten.

Erst beim Starten eines Programms kommt MultiTOS wirklich zum Tragen. Die Fenster des Desktops werden nicht geschlossen, wie das gesamte Desktop stehen sie auch in der Anwendung zur Verfügung.

Um erste Erfahrungen zu sammeln, starten Sie zwei Programme, die Fenster und Menüleiste besitzen. Zunächst zeigt MultiTOS die Menüleiste des zuletzt gestarteten Programmes. Wird eine andere benötigt, klicken Sie in das Fenster der gewünschten Anwendung, und schon erscheint dessen Menüleiste. MultiTOS versucht also immer, die Menüleiste (sofern vorhanden) des Programmes anzuzeigen, dessen Fenster als vorderstes zu sehen ist. Aber das Toppen des Fensters ist nicht die einzige Möglichkeit ein Programm zur Vordergrundanwendung zu befördern. Im Menü „Desk“ unter den ACCs findet sich eine Liste mit den Namen der gerade laufenden Programme; durch Anwählen des entsprechenden Eintrags wird die gewünschte Anwendung in den Vordergrund gebracht. Auch Tastaturfans wurden nicht vergessen, die Tastenkombinationen „Alternate + Control + Tab“ bzw. „Alternate + Control + Shift + Tab“ schalten die Anwendungen der Reihe nach durch.

Um dem Anwender unnötige Wartezeiten durch das Wechseln der Vordergrundapplikation zu ersparen, was bei vielen geöffneten Fenstern in wilde Klickarbeit ausarten könnte, hat ein weiteres Feature in MultiTOS Eingang gefunden. Die Fenster im Hintergrund behalten weiterhin ihre Bedienelemente. Dies stellt natürlich nicht nur schmückendes Beiwerk dar, sondern diese Elemente können nun auch bedient werden, ohne das betreffende Fenster in den Vordergrund zu holen. Leider hat sich herausgestellt, daß diese überaus nützliche Fähigkeit sehr vielen noch nicht an MultiTOS angepaßten Programmen größere Bauchschmerzen bereitet. Stillschweigend gingen einige Programmierer davon aus, daß Nachrichten von Bedienelementen immer vom obersten Fenster kommen. Sehr „interessant“ kann dieser Bug werden, wenn Sie das im Hintergrund liegende Tool-Fenster eines Zeichenprogramms schließen und das „nette“ Programm fälschlicherweise von der Schließung seines Hauptfensters ausgeht und dabei Ihre Arbeit der letzten zwei Stunden über den Jordan gehen läßt.

Memory Protection

Womit wir im weiten Areal der Inkompatibilitäten wären. Wie Sie beim Experimentieren mit verschiedenen Programmen sicher schnell bemerkt haben, insbesondere, wenn Sie der glückliche Besitzer eines Rechners mit MC68030 sind, vertragen sich einige Programme wenig bis überhaupt nicht mit MultiTOS. Auf dem TT, Falcon oder einem Rechner mit nachgerüsteter 68030-CPU wird die häufigste Ursache für den plötzlichen „Tod“ älterer Anwendungen die „MEMORY VIOLATION“ sein. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen Fehler von MultiTOS, sondern um eine neue, herausragende Fähigkeit (it’s not a bug, it’s a feature). In Zusammenarbeit mit der MMU (Memory Management Unit) des MC68030 überwacht MultiTOS die Speicherzugriffe der laufenden Programme. Speziell in einem Multitasking-System kann es nicht angehen, daß Programme im gesamten Speicher wildern. Sie haben sich auf ihre eigenen Bereiche zu beschränken, um nicht andere, parallel laufende Tasks zu beschädigen. Es wäre sicher nicht witzig, wenn die „durchgehende“ Textverarbeitung in einem Speicherbereich der unschuldig vor sich hin laufenden Tabellenkalkulation ihr Unwesen treiben würde. Einige ältere Programme wildern jedoch recht ungeniert in den Speichergründen, was wiederum MultiTOS auf den Plan ruft. Mit der Fehlermeldung „MEMORY VIOLATION“ wird der Übeltäter gebranntmarkt und aus dem Speicher geworfen, was sein überraschendes Ende bedeutet. In so einem Falle haben Sie zwei Möglichkeiten: entweder Sie treten dem Programmierer des „verstorbenen“ Programmes auf die Füße und besorgen sich eine neue Version, oder Sie schalten die Speicherüberwachung von MultiTOS aus und verzichten damit auf deren Schutz. Dazu können Sie das mitgelieferte CPX-Modul „MultiTOS Konfig“ verwenden, bzw. Sie „simulieren“ dessen Funktion per Hand und ändern den Namen von „MINT.PRG“ in Ihrem AUTO-Ordner in „MINTNP.PRG“. Anhand dieser Namensänderung erkennt MultiTOS beim nächsten Booten, ob Memory Protection gewünscht ist oder nicht. Ach, eine dritte Möglichkeit hätte ich doch beinahe vergessen, was allerdings ob der Gesprächigkeit von „CHPROT.APP“ kein Wunder ist. Dieses „unauffällige“ Programm finden Sie im Ordner MultiTOS. Über eine Fileselectbox erlaubt „CHPROT.APP“ es Ihnen, den Speicherschutzstatus eines Programmes zu ändern. Leider wird hierbei nicht der aktuelle Status angezeigt, sondern lediglich umgeschaltet. Sie sind also auf Experimente angewiesen (trial and error). Die Behandlung der einzelnen Status würde in diesem Artikel zu weit gehen, wir werden uns damit beim nächsten Mal ausführlicher befassen.

Der MultiTOS-Ordner

Aber da wir nun schon einem der mitgelieferten Tools sein Geheimnis entrissen haben, machen wir mit diesem Thema auch gleich weiter. Abgesehen von „CHPROT.APP“ liegt im Ordner MultiTOS noch manches, zwar geheimnisvoll, aber auch durchaus nützlich. „LPR.APP“ z.B. managt die Druckaufträge unter MultiTOS. Im Regelfälle verwendet MultiTOS das Programm ohne Ihr Dazutun. Allerdings können Sie sich, durch einfaches Ziehen einer Textdatei auf sein Icon, dieses Programm zunutze machen. „LINES.APP“ und „CLOCK.APP“ bedürfen garantiert keiner besonderen Erwähnung, da sie lediglich spielerisches Beiwerk sind. Fast wäre man geneigt, „VIEWER.APP“ dank seiner Probleme mit der Darstellung von deutschen Umlauten auch als Spielerei abzutun, allerdings wird es von MultiTOS zur Darstellung von Textdateien verwendet. Bei der Besprechung von „GEM.CNF“ in einer der nächsten Ausgaben werden wir Ihnen verraten, wie Sie dieses verunglückte Programm durch ein besseres ersetzen. Auch für „MINIWIN.APP“ gibt es eine bessere Alternative, sogar direkt von ATARI. Zwar erlaubt „MINIWIN.APP“ (im großen und ganzen fehlerfrei) das Starten von TOS- und TTP-Programmen, aber der Komfort läßt zu wünschen übrig. Auf diversen PD-Disketten oder in vielen Mailboxen finden Sie „TOSWINN.APP“, das „MINIWIN.APP“ vollständig ersetzt und auch noch mehr Möglichkeiten bietet.

So sollte der Inhalt des MultiTOS-Ordners nach der Installation aussehen.

MINT.CNF

Dank der ausführlichen Behandlung dieser Datei im mitgelieferten MultiTOS-Handbuch (ähnlich wie die von „GEM.CNF“) können wir uns deren Besprechung eigentlich sparen. Halt, halt, bevor Sie nun hektisch in Ihrem Handbuch suchen, der vorherige Satz war ironisch gemeint. Es kann recht nützlich sein, sich mit dieser Datei zu befassen, da sie dem Anwender manche Aufgabe erleichtern kann. „MINT.CNF“ enthält Parameter und/oder Befehle für MiNT, den Unterbau von MultiTOS. Folgende Befehle stehen zur Debatte:

INIT=c:\mint\gem.sys

Von dieser Zeile sollten Sie die Finger lassen, sie teilt MiNT lediglich mit, wo das neue AES (der Oberbau von MultiTOS) zu finden ist.

MAXMEM=xxxx

Anstelle von xxxx können Sie die Anzahl von Bytes eintragen, die MiNT einem Programm maximal zur Verfügung stellt. Damit können Sie vermeiden, daß Speicherfresser wie z.B. „1st Word“ sich das komplette RAM unter den Nagel reißen.

Ein Installationsprogramm erleichtert die die Einrichtung von MultiTOS

SLICES=x

Default-mäßig ist x auf 2 eingestellt. Dieser Wert beeinflußt die Menge an Rechenzeit, die ein Prozeß bis zur nächsten Umschaltung verbraten darf. Im Normalfall ist dieser Wert auch in Ordnung, nur bei besonders rechenintensiven Vordergrundprogrammen können Sie versuchen, durch Einsetzen von 3 die Antwortzeiten des Systems zu verbessern.

DEBUG_LEVEL=x

Dieser Parameter hat nur bei MiNT-Versionen eine Funktion, die unter Verwendung der von ATARI (bzw. Eric R. Smith) freigegebenen Quellcodes mit dem Compilerschalter „-DMULTITOS“ übersetzt wurden. Er regelt die Gesprächigkeit von MiNT. Je höher der Wert, desto mehr Informationen liefert MiNT über seine momentanen Aktivitäten. Der Ausgabeweg der Informationen richtet sich nach dem folgenden Parameter.

DEBUG_DEVNO=x

Der Wert von x steht für die Standard-IO-Kanäle. Sinnvolle Werte wären:

0 PRT Parallele Schnittstelle
1 AUX Serielle Schnittstelle
2 CON Konsole (Bildschirm mit VT52-Emulation)
3 MIDI MIDI-Schnittstelle

Natürlich funktioniert dieser Parameter in Zusammenarbeit mit DEBUG_LEVEL und daher auch nur unter der entsprechenden MiNT-Version.

BIOSBUF=no

Ist dieser Eintrag in „MINT.CNF“ enthalten, puffert MiNT die BIOS-Ausgaben nicht mehr. Damit verlieren Sie an Arbeitsgeschwindigkeit, gewinnen dafür aber eventuell an Kompatibilität.

alias x: Pfad

Mit diesem Befehl können Sie virtuelle Laufwerke erzeugen, wobei x für die Kennung des gewünschten Laufwerkes (a-z) steht und Pfad ein Verzeichnis angibt, das das zukünftige Laufwerk enthält. In älteren MiNT-Versionen existierten die Laufwerke q bis v. Sie enthielten Informationen, die heute nur noch im Pseudolaufwerk u zu finden sind. Programme, die auf ältere MiNT-Versionen an gepaßt wurden (z.B. TeX), bestehen auf diese heute verschwundenen Laufwerke. Mit folgenden alias-Befehlen kann diesem Wunsch entsprochen werden:

alias q: u:\pipe 
alias x: u:\proc 
alias v: u:\dev 
echo Hier kommt MiNT

Um die Kontrolle über die Vorgänge in „MINT.CNF“ zu haben, kann es nützlich sein, mit echo einen Kommentar auf dem Bildschirm auszugeben.

exec xxxxxxxx

Startet ein Programm, dessen kompletter Pfad in xxxxxxxx stehen muß. Dabei darf es sich ausschließlich um ein TOS-Programm handeln. Manche Programme, die im AUTO-Ordner Probleme machen, können mit diesem Eintrag eventuell doch noch zur Mitarbeit überredet werden. Die Devise lautet wieder einmal: Probieren.

cd xxxxxx

Ändert das aktuelle Directory nach xxxxxx. Dies ist vor allem dann nützlich, wenn mit Hilfe von exec Programme gestartet werden, die z.B. Parameterdateien in einem bestimmten Verzeichnis erwarten. Mault zum Beispiel das Programm „c:\bin\cron.prg“, daß es sein Config-File nicht findet, versuchen Siees mit folgendem Konstrukt:

cd c:\bin
exec c:\bin\cron.prg 
sln xxxxx yyyyy

Setzt einen Link vom Verzeichnis xxxxx auf das Verzeichnis yyyyy. Schreiben Sie z.B. „sin c:\multitos u:\multitos“, finden Sie Ihren Ordner „multitos“ nun auch auf dem Pseudolaufwerk „u:“. Das Ziel eines Links muß sich in der aktuellen MiNT-Version immer auf dem Pseudolaufwerk „u:“ befinden! Dieser Befehl ist vor allem dann recht nützlich, wenn Sie auf ein tief verschachteltes Verzeichnis schnellen Zugriff haben wollen. Z.B. findet sich der Ordner „u:\unten“ erheblich schneller als „c:\usr\local\src\prog\unten“.

Fortsetzung folgt...

Ein Installationsprogramm erleichtert die die Einrichtung von MultiTOS

Richard Kurz
Aus: ST-Computer 08 / 1993, Seite 79

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