Platinen-Layout mit MPE

In Anlehnung an ein Sprichwort kann man bald sagen: Was lange währt, tut endlich Not. Wir haben in letzter Zeit über diverse Elektronik-Software berichtet und schließlich einen auf dem ST Software-Markt schon länger existierenden Vertreter doch noch auf den Tisch beziehungsweise auf den Rechner bekommen. Es ist MPE II, wird von Marek Petrik vertrieben und ist eine nähere Betrachtung durchaus wert.

MPE II wurde in der uns vorliegenden Version auf drei 720-KB-Disketten ausgeliefert, und zwar Programm-, Library- und Gerberdiskette. Das ca. 100seitige Handbuch ist als Ringhefter gebunden und im A4-Format gehalten. Das Handbuch ist im großen und ganzen keine leichte Lektüre, verglichen mit Handbüchern anderer Programmautoren. Obwohl der englische Sprachgebrauch das Fachgebiet der Elektronik stark beherrscht, trägt die Mischung von deutschem Text mit englischen Bildbeschreibungen nicht gerade zum raschen Verständnis der vielfältigen und detailreichen Software bei. Trotz einiger Abschweifungen in allgemeine Programmblockstrukturen beschreibt es exakt und umfassend die sehr vielen Einzelfunktionen des Produktes.

Allgemeines

Die einzelnen Programmteile von MPE II werden aus einer Shell heraus gestartet. Der Grafikeditor, das wichtigste der Programme, auf das hier etwas näher eingegangen werden soll, nutzt eine eigene Bedienoberfläche. Die von GEM gewohnten Pull-Down-Menüs sind hier nicht zu finden, obgleich alle Funktionen tastatur- und mausbedienbar sind. Daß der Zugriff auf Accessories dadurch fehlt, wird manchmal als störend angesehen. Links neben der Arbeitsfläche sind die momentan nutzbaren Befehle zu erreichen. Weitere Optionen sind als Submenüs, die teilweise in neuen Boxen auftauchen, zu finden. Die Dialogboxen sind ähnlich den bekannten Flydials in ihrem Verhalten. Die Maus verschiebt automatisch die Dialogbox durch anstoßen des Mauszeigers an den inneren Rand der Box. Trotz dieser eigenen Obefläche steht MPE II ab der monochromen ST-Bildschirmdarstellung dem Anwender auch bei Grafikerweiterungen in höheren Auflösungen zur Verfügung. Auch Bildschirmbeschleuniger wie NVDI bringen die PCB-Software nicht aus dem Tritt.

In der grafischen Layout-Verwaltung nutzt der Programmautor einen ziemlich guten Weg. Lötpunkte, Leiterbahnen, Bestückungsumrisse usw. werden als Vektorobjekte verwaltet, dennoch können sich daraus ergebende Platinenzeichnungen noch pixelorientiert nachbearbeitet werden. Es richtet sich aus mehreren Gesichtspunkten an professionelle Anwender. Stellvertretend für diese Anwender will ich mich auf die Auflösung von 1/720" (ein normaler 24-Nadel Drucker macht die halbe Auflösung) oder 0.035 mm im Platinen-Layout-Modus beziehen. MPE II befaßt sich mit dem Erstellen sowohl von Layouts für Leiterplatten als auch von Schaltplänen. Verwaltet werden die grafischen Elemente von Platine und Schaltplan auf bis zu 20 Layern. Für fast alle Objekte sind bestimmte Layer voreingestellt, wobei die dargestellten Elemente auch auf andere Layer plaziert werden können. Mit diesem Editor erstellte Gruppen von Pads können zusammen mit Bestückungslinien und Texten als Blöcke abgespeichert werden. Diese abgespeicherten Blöcke bilden eine Erweiterung der vorhandenen Bibliothek. Die Bibliothek für die auf der Platine zu plazierenden Elemente bietet allein durch die vielen IC-Gehäusebauformen vielfältige Möglichkeiten. Um so magerer ist die Ausbeute bei den Elementen, die zur Schaltplanerstellung mitgeliefert werden. Zirka 60 Bauelemente sind für die, wie Seite 3 des Handbuches zu entnehmen ist, „beste Elektronik-Design-Software überhaupt“ doch etwas dürftig (auch wenn das Zitat laut Anhang nicht ernstzunehmen ist, gibt es doch Möglichkeiten, es unverfänglicher auszudrücken).

Der Schaltplaneditor benutzt ebenfalls Vektorgrafik.
MPE kann auch eine industrielle Gerber-Ausgabe anfertigen.

Durch die recht guten Möglichkeiten, Vektorobjekte zu verknüpfen, ist es auch möglich, Busverbindungen zu definieren. Durch diese Verknüpfung werden zunächst Potentiale mit gleichem Namen generiert, welche sich mit Hilfe des Netzlistenprogramms verbinden lassen. Optisch werden diese Busse auf einem eigenen Layer realisiert. Hat man einmal ein Schaltbild mit den vorhandenen Mitteln erstellt, können die Verbindungen der Schaltung mittels einer Netzlistenübergabe im Platinen-Layout übernommen werden. Nach der Plazierung der Bauteilgehäuse kann man mit der Entflechtung der Airwires (dünne Linien, die die Verbindung zwischen zwei Bauteil-Pins darstellen) von Hand beginnen. Airwires, die durch Leiterbahnen ausgeführt wurden, sollte man löschen, um dann, nachdem alle Leiterbahnen gelegt wurden, aus der Leiterplatte eine Netzliste zu generieren. Ein Vergleich der jetzt neuen Netzliste mit der aus dem Schaltplan generierten zeigt, ob wirklich alle Bahnen gelegt wurden. Versehentliche Kurzschlüsse können hierbei natürlich auch recht einfach sichtbar gemacht werden. Stellt sich beim Verlegen der Tracks zum Beispiel heraus, da!3 ein IC günstiger zu platzieren wäre, kann er, wie bei vielen anderen Programmen auch, durch eine Blockverschiebeoperation bewegt werden. Nach dem Setzen des ICs auf die neue Position hat man die Möglichkeit, bereits gesetzte Verbindungen wie Gummibändern hinter sich herzuziehen. Dadurch braucht man nach dem Verschieben meistens nur noch einige Leiterbahnknickpunkte einzufügen, um die korrekten Verbindungen an der neuen Position zu erhalten.

Komplette Platinenteile können in einer Art Clipboard zwischengespeichert und weiterbearbeitet werden, um sie dann in der modifizierten Form der Platine wieder hinzuzufügen. Zu jedem Layer des Layouts ist eine solche Zwischenablage vorhanden. Diese Arbeitsweise ist komfortabel und hat begreiflicherweise einen ziemlich hohen Arbeitsspeicherbedarf. Da die gewohnten Fensterrollbalken des GEMs hier fehlen, läßt sich der Platinenausschnitt nur stufenweise scrollen. Da die meisten Daten im Vektorformat vorliegen, ist es zum Beschleunigen des Bildaufbaus nicht nur beim Scrollen von Bildausschnitten vorteilhaft, den gesamten Bildschirminhalt durch den Befehl „Redraw“ im Arbeitsspeicher zu halten. Direkte Sprünge von einer Platinenstelle zu einer entlegeneren sind im Programm auch vorgesehen. Hilfreich ist hierbei eine Lupenfunktion, die einen Bereich rund um das Fadenkreuz, mit dem man den neuen Ausschnitt auf der verkleinert angezeigten Platine auswählen kann, in Originalgröße darstellt. Daß ein Programm mit professionellem Anspruch ein Layout in SMT (Surface Mount Technologie) erzeugen kann, dürfte inzwischen selbstverständlich sein. SMD-Gehäusebauformen sind daher auch in großer Anzahl in den zugehörigen Bibliotheken zu finden. Mit Hilfe der Bildschirmausschnittvergrößerungsmöglichkeiten lassen sich auch Leiterbahnen im 1/60"- Raster (was natürlich nicht die absolute Grenze der zeichnerischen Möglichkeiten ist) verlegen, ohne mit der Lupe vordem Bildschirm sitzen zu müssen.

Außer dem Editor und dem Netzlistenprogramm sind noch weitere Teile der Gesamt-Software über die MPK-Shell zu starten. Die zwei Programme, die mit dem Layout-Programm erstellte Grafiken im Pixel-Format ausgeben, sollen im folgenden beschrieben werden. Als Voraussetzung, um das Programm MPKLASER nutzen zu können, sollte ein Laserdrucker mit HP-Laserjet-Emulation zur Verfügung stehen, für andere Emulationen muß die .CMD Datei zum Drucker selbst angepaßt werden. Da der Editor im pixelorientierten Bereich mit 180 dpi arbeitet, muß die Auflösung für die Laserausgabe (standardmäßig meist 300 dpi) mittels eines Redraws im Editor mit angepaßtem Skalierungsfaktor modifiziert werden, da sonst das Ergebnis nicht maßstabsgerecht auf das Papier kommt. Das zweite reine Ausgabeprogramm „MPKPRINT“ steuert Drucker mit einer Auflösung von 360x360 dpi an. Ob die Behauptung des Programmautors, daß das Layout-Druckprogramm „auch heute noch als das beste“ (vgl. Handbuch Seite 70) gilt, darüber sollte sich jeder selbst ein Urteil bilden. Sicher ist jedoch, daß die Ausgabe, obwohl sie nur die Epson-LQ-Emulation unterstützt, mannigfaltige Variationen der Ausdrucksgestaltung erlaubt. Daß man verschiedene Seiten einer Platine durch Helligkeitsdifferenzen im Ausdruck darstellen kann, ist häufiger anzutreffen, aber daß Platinenausschnitte in frei wählbarer Skalierung gedruckt werden können, ist schon seltener. Auch die Häufigkeit, mit der der Druckkopf eine Zeile schreibt, und somit die Schwärzung des Ausdrucks sind vom Benutzer beeinflußbar.

Das Verschieben von Bauteilen wird durch Gummibandunterstützung vereinfacht.
Die sehr schnelle Lupe erleichtert die Detailarbeit.

Anders als die beiden zuvor beschriebenen Programme arbeitet der Software-Teil zur Gerber- und HPGL-Ausgabe. Das Gerberformat beschreibt vektoriell ein Platinen-Layout und hat in der professionellen Platinenherstellung eine sehr weite Verbreitung. Mit Hilfe eines „Lichtstiftes“ in einer Art Plotter wird hier direkt der Platinenfilm belichtet. In drei Stufen übersetzt der Treiber die Vektoren der Platine ins Gerbervektorformat. Zunächst wird der Text in Leiterbahnen gewandelt, dann werden längliche Lötaugen durch Elemente, die im Gerberformat existieren, übersetzt und schließlich die restlichen Platinendaten compiliert und als Datei geschrieben. Eine zweite Datei gibt die Blendengrößen der Löt-Pads an. Durch Laden eines weiteren .CMD-Files ist es möglich, eine Bohrdatenliste zu erzeugen. Ein anderes .CMD-File wird zum Übersetzen ins HPGL-Plotter-Format benötigt. Hierbei wird für jeden Layer ein Plot-File erzeugt, so daß beim Ausdruck jedem Elementen-typ eine Stiftbreite und eine Geschwindigkeit zugewiesen werden kann. Das Gerberprogramm ist auch in der Lage, sowohl Gerber- als auch HPGL-Files einzulesen und sie in Vektorplatinendaten zurückzuwandeln. Da die meisten anderen Layout-Software-Pakete Gerber- oder HPGL-Format schreiben können, ist hiermit eine Brücke zur weiteren Bearbeitung bzw. zum Datenaustausch geschaffen worden. MPK_COM ist der letzte Programmteil, der noch kurz erwähnt werden sollte. Da MPEII auch unter OS 9 lauffähig ist, wird das MPK_COM-Utility zum seriellen Null-Modem-Datentransfer zwischen der ATARI-MPE-II-Version und der OS 9-MPE-II-Version genutzt.

Schlußbemerkung

Ein schneller Einstieg in das Programm ist mit dem vorliegenden Handbuch nicht unbedingt zu erreichen. Als ein Punkt der Kritik sollte auch die sehr mager ausgestattete Schaltzeichenbibliothek erwähnt werden. Ob in einem solchen Programm ACCs zur Verfügung stehen müssen, mag noch Ansichtssache sein, aber daß ein Auto-Router bei einer solchen Software sehr dienlich wäre, steht wohl außer Frage (auch wenn ein solcher Algorithmus einem nicht das Denken erspart, erleichtert er doch die Arbeit). Im Gesamtüberblick ist MPE II jedoch eine gute und absturzssichere Elektronik-Software. Der Editor bietet enorm vielfältige Möglichkeiten an, eine Platine oder einen Schaltplan zu erstellen, so daß hier nur ein Teil der Arbeitsmöglichkeiten beschrieben werden konnte. Auch das Druckprogramm und die daraus resultierenden Ergebnisse sind zur Fertigung gut nutzbar. MPE II wird in zwei verschiedenen Versionen angeboten. Die aktuellen Preise sind beim Vertrieb zu erfragen.

Bezugsquelle:
MPK
Vogelsbergstraße 13
3550 Marburg (ab 1.7.1993 neue PLZ: 35043)

Professionell mit SMD-Feinstleitertechnik

Positiv:

sehr detailreich
vektor- und pixelorientiert
schnelle Grafikausgabe
für professionellen Einsatz geeignet (1/720 Grad-Auflösung)

Negativ:

nicht GEM-konform
schwer verständliches Handbuch
kleine Schaltzeichenbibliothek
kein Autorouter


Karl-Martin Schmidt
Aus: ST-Computer 08 / 1993, Seite 25

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