DA’s Picture

Auch wenn überall von einer „Krise der Computerbranche" die Rede ist - über mangelnde Software-Neuentwicklungen können sich zumindest die ATARI-Grafiker im Moment wirklich nicht beklagen. Erst vor zwei Monaten haben wir mit DA's Vektor Professional den neuen multimedialen Vektoreditor von Digital Arts vorgestellt, und schon kommt aus gleichem Hause etwas Neues: DA's Picture, eine Software zur kreativen Farbbildbearbeitung.

Da wird sich manch einer natürlich an „Retouche" erinnern, eine EBV-Software, die bereits vor einigen Jahren Maßstäbe in der Anwendung lithografischer Werkzeuge im ATARI-DTP setzte. Inzwischen ist von den DA's Picture-Programmierern der Firma Digital Arts „Retouche" als weiterentwickeltes Produkt unter dem Namen „DA's Repro" im Handel; wozu also eine zusätzliche Software zur Bildbearbeitung aus gleichem Hause?

Diese letzte Frage läßt sich schon nach einigen Minuten Arbeit im Programm zumindest teilweise beantworten. Orientierte sich Retouche bzw. „DA's Repro" in Benutzeroberfläche, Handling und Werkzeugbedienung eher am Litho-Handwerk, was dem GEM-geübten DTP-Anwender sicher nicht gerade zuträglich war, so will DA's Picture eher die kreative Seite der Bildbearbeitung in den Vordergrund stellen und auch diejenigen erreichen, die lediglich ein Malprogramm auf hohem Niveau suchen. DA's Picture versteht sich somit also nicht einfach als eine abgespeckte Version von „DA's Repro", sondern bietet viele Features, die es in dieser Art sogar in „DA's Repro CD" nicht gibt. So sind auch die Instrumente für die manuelle Bildbearbeitung dem Schwerpunkt des Programmes angemessen, und variantenreicher und vor allem auch flexibler in der Einstellung. Da kann es selbstverständlich als vielseitiges „Malprogramm" gute Dienste leisten, z.B. in der Zusammenarbeit mit DA's Vektor. Die beiden Programme können ja nicht nur Bilder, sondern auch Vektordaten austauschen, wodurch sich die Möglichkeiten beider Programme sehr praktisch ergänzen.

Bedienung

DA läuft in allen Farbauflösungen auf allen ATARI-Rechnern mit mindestens 2MB Arbeitsspeicher sowie mit allen Grafikkarten. Das Programm kann durch externe Module beliebig erweitert und somit auch an künftige Aufgaben angepaßt werden. Ein Photo-CD-Modul, verschiedene Digitizer-Module und ein Scan-Modul für den CLC 10-Farbkopierer von Canon stehen nach Auskunft von Digital Arts kurz vor der Fertigstellung.

Im Gegensatz zu DA's Repro verfügt DA's Picture über alle Standardbedienungselemente einer GEM-Applikation. In DA's Picture werden aber nicht nur die einzelnen Bilder in Fenstern dargestellt und bearbeitet. Auch die Werkzeuge, Farbeinstellungen und zuladbaren Module befinden sich in eigenen Fenstern, wo sie dann während der Arbeit zur Verfügung stehen. Besonders mit einem Großbildschirm ist so ein komfortables Arbeiten gewährleistet.

Eine Bildbearbeitung mit farbigem Ausgangsmaterial stellt nun aber nicht nur besondere Anforderungen an Software und Anwender. Vor allem dann, wenn man Farbbilder für die Druckvorlagenherstellung benötigt, können diese Bilder einen gewaltigen Speicherbedarf haben. Eine DIN-A4-Seite in einer Auflösung von etwa 300dpi benötigt ca. 24MB. Um nun vor diesen Datenmengen auf Grund eines zu kleinen Arbeitsspeichers nicht gleich kapitulieren zu müssen, ist in DA's Picture eine virtuelle Speicherverwaltung integriert, wie sie vom Konzept her schon in DA's Layout gute Dienste leistet. Das Programm lagert dabei automatisch den gerade nicht benötigten Teil der Daten auf die Festplatte aus und lädt sie nur bei Bedarf in den Arbeitsspeicher. In DA's Picture wird dabei ein 'Kachelsystem' verwendet, bei dem immer nur die Teile ausgelagert werden, die auch wirklich modifiziert worden sind. Auf diese Art kann eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit erreicht werden, da ja nur der Speicher belegt wird, der auch wirklich nötig ist. Nach Herstellerangaben kann DA'S PICTURE auf diese Weise bis zu 2 Gigabyte an virtuellem Speicher auf allen ATARI-Rechnern verwalten, falls die Festplatte groß genug ist.

DA'S PICTURE arbeitet intern im RGB-System, zusätzlich wird auch das CMY- und HSB-System unterstützt. Vorseparierte CYMK-Bilder können von DA's Picture zwar geladen, aber nur sehr eingeschränkt bearbeitet werden, indem man beispielsweise abwechselnd das „Farbbild" und den Schwarzauszug als Maske bearbeitet.

Zum Lieferumfang gehören bereits einige zusätzliche Funktionen und Hilfsmittel, von denen einige unter dem Titel 'Module' zusammengefaßt sind und über die Modulbox verwaltet werden können. Dazu gehören Gradationskurven, Filter, Farbverläufe, Masken- und Vektorpfadfunktionen und das Druckmodul. Aber auch sonst werden viele Daten mitgeliefert, die Lust aufs Experimentieren machen sollen. Eine gute Idee hatten die Programmautoren beispielsweise mit den dem Programm beiliegenden „Farbtafeln" im TIC-Format, die besonders den EBV-Neulingen gefallen wird. Aus diesen Farbtafeln lassen sich die fürs Malen gewünschten Farben einfach herauspicken. Randvoll gefüllt ist auch der Ordner mit vorgefertigten „Stempeln"; beim Ausprobieren lernt man so ganz nebenbei auch noch das Programm etwas besser kennen.

Geliefert wird DA's Picture sowohl mit einem elektronischen Referenzhandbuch, das bei der Arbeit im Programm ständig zur Verfügung steht, als auch mit einer gedruckten „Einführung in das Retuschieren und Malen mit DA's Picture", das nicht nur blutigen Anfängern einen wirklich guten Einstieg in Software und EBV bietet.

Werkzeuge

Die Werkzeuge, die DA's Picture für die Bildbearbeitung und fürs Malen bereithält, befinden sich in den „Toolboxen". Die vier zentralen Toolboxen beinhalten den Bildmanager, die Werkzeuge, Module und Farbeinstellungen. An reinen Malwerkzeugen sind 3 Instrumente über die Toolbox zugänglich: Stift, Wachsmalkreide und Sprühdose, die aber auf vielfältige Weise modifiziert werden können. Dazu kommen noch die zusätzlich vorhandenen Stempelfunktionen, die sich als kleiner Baukasten anbieten, mit dem beliebig viele eigene Instrumente entworfen werden können.

Alle anderen Werkzeuge von DA's Picture lassen sich natürlich auch fürs Bildermalen nutzen, finden ihre eigentliche Anwendung aber im Bereich der elektronischen Bildverarbeitung. All das, was für diesen Arbeitsbereich benötigt wird, ist in DA's Picture vorhanden, das hat man von den „Retouche"-Programmierern ja eigentlich auch nicht anders erwartet...

Retuschierwerkzeuge sind dabei im Grunde genommen die Werkzeuge, mit denen keine Farbe aufgetragen, sondern der vorhandene Farbuntergrund eines Bildes lediglich modifiziert wird. Wasser, Finger, Schärfer, Verrauscher und Kopierstift gehören dazu. Ein weiteres Werkzeug für die Bildretouche ist der Restaurieren mit dem manuell ein lokales und durch einen entsprechenden Andruck abgeschwächtes UNDO durchgeführt werden kann, um Bildänderungen gezielt zu verringern bzw. zurückzunehmen.

Nur einige der Werkzeuge, die DA's Picture für die Bildverarbeitung zur Verfügung stellt: die Werkzeugbox und Module zur Gradation und Anlage von Vektorpfaden.
Jede Menge Farbtabellen werden zum Programm gleich mitgeliefert. Aus ihnen lassen sich, wie auch aus jedem geladenen Bild, die gewünschten Farben direkt ins Farbformular picken.

Masken

Eine kleine Besonderheit bietet DA's Picture in seinen Maskenfunktionen. Eine Maske kann man sich immer als eine Art "Abdecklack" vorstellen, mit dem beliebige Bildteile vor einer weiteren Bearbeitung geschützt werden können. In DA'S PICTURE kann nun auch wahlweise mit einer 8-Bit-Maske (Graustufen, Halbtonbild) gearbeitet werden. Und da zwischen einer 8-Bit-Maske und einem Halbtonbild technisch gesehen überhaupt kein Unterschied besteht, können somit auch TIFF-Bilder mit 256 Graustufen direkt als Maske geladen werden. Der Maskenschutz wirkt dabei graduell in 256 verschiedenen Abstufungen. Neben der 8-Bit-Maske gibt es auch noch die Möglichkeit, mit den in allen EBV-Programmen üblichen 1 Bit-Masken zu arbeiten.

Was man alles mit Masken anfangen kann, konnte bislang niemals vollständig geklärt werden; immer wieder wird man in der Bildretusche oder kreativen Bildbearbeitung neue Anwendungen finden. Ein wichtiges Werkzeug ist die Maske beispielsweise bei der Erzeugung von freigestellten Bildobjekten, wenn man also ein Bildelement aus seinem Hintergrund herauslösen und auf einen neuen Hintergrund setzen will.

In der Praxis besteht dabei das Hauptproblem darin, die geeigneten Toleranzwerte für den jeweiligen „Freisteller" zu finden. In der Regel wird man die Referenzfarbe aus dem Bild picken und maskieren. Will man hingegen gezielt bestimmte Farbbereiche maskieren, kann man dafür einen mittleren Farbwert in DA's Picture in den Farbtopf legen und „AusTopf" selektieren.

In DA's Picture können Masken auch in Verbindung mit den Blockfunktionen wie eine „Lassofunktion“ genutzt werden: Beim Ausschneiden oder Einfügen werden dann nur die maskierten Bereiche ausgeschnitten bzw. eingefügt, wobei sich besonders interessante Ergebnisse mit 8-Bit-Masken erzielen lassen. Ein sehr interessantes Werkzeug zum Maskieren von Bildbereichen bietet DA's Picture dabei mit dem „Zauberstab". Mit ihm wird ein bestimmter Farbbereich des Bildes angewählt und anschließend maskiert.

Filter

Filter verändern die Bildinformation. Man kann diese Funktion auf die Farbe oder Helligkeit von Bildbereichen einschränken, und somit auch zur Korrektur von Retouche-Arbeiten benutzen. Der Filter „Konturbildung" greift da schon deutlich manipulativer ins Bild ein und bietet sich für Verfremdungen eines Fotos in Richtung Scribble an. Die „Erosion" bringt grafische Strukturen ins Bild, man kann sie zur Bildverbesserung oder zur Bildverfremdung einsetzen. Da alle Filter zusätzlich über die Maske gesperrt bzw. mehr oder weniger stark abgeschwächt werden können, lassen sich auch einzelne Bildpartien höchst unterschiedlich behandeln. DA'S PICTURE bietet bereits in der Grundversion alle üblichen Effekte wie Invertieren, Verwaschen, Schärfen, Verrauschen und Konturfilter sowie zusätzlich einen frei programmierbaren 5*5-Filter, für den schon eine Reihe von vorgefertigten Anwendungen mitgeliefert werden. Diese lassen sich nach eigenem Gutdünken weiter modifizieren und ausbauen. Weitere Filterfunktionen sollen zukünftig in Form von Zusatzmodulen optional erhältlich sein.

Da kann man DA's Picture eigentlich nur eine Menge dieser zusätzlichen Module wünschen, die ja auch nach Aussage von Digital Arts bereits in der Entwicklung sind und nach und nach ausgeliefert werden sollen. Es ist doch so: Erst wenn all die Werkzeuge in einer Software vorhanden sind, die man sowieso nie im Leben braucht, läßt sich so richtig kreativ arbeiten. Und selbst dann benötigt man mit Sicherheitgerade die Funktion, die eben doch noch nicht vorhanden ist...

Malen oder Bildverarbeitung?

Für ein reines Malprogramm bietet DA's Picture quantitativ und vor allem auch qualitativ erheblich mehr, als sonst von dieser Software-Gattung gemeinhin erwartet werden kann. Für den Einsatz als vollwertige EBV-Software sind die wichtigsten Werkzeuge vorhanden, wenn man hier auch noch nicht alles erwarten darf. Auf spezielle lithografische Funktionen wie in DA's REPRO wurde verzichtet, was letztlich ja auch dem größeren Anwenderkreis entsprechen dürfte, den DA's Picture ansprechen will. Wer mehr will, kann dann beispielsweise Gradationskurven mit DA's REPRO oder DA's LAYOUT austauschen und so die speziellen lithografischen Meß- und Korrekturfunktionen auch in DA'S PICTURE nutzen.

Wer im Bereich der kreativen Bildbearbeitung arbeitet, muß sich DA's Picture einmal anschauen. Dagegen spricht am wenigsten der Preis, der mit DM 298,-, wie schon bei DA's Vektor, ungewöhnlich niedrig angesetzt ist.



Aus: ST-Computer 02 / 1994, Seite 76

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