ADAT2 - DTP-Tage im Revier

Wieder einmal trafen sich DTP-Anwender aus ganz Deutschland zu einem ausgiebigen Arbeitswochenende. Nach dem ersten ATARI-DTP-Anwendertreffen (ADAT) im Saarland fand nun das Herbsttreffen am ersten Septemberwochenende in Gelsenkirchen statt.

An allen Arbeitsplätzen gab es etwas zu sehen. Da wurden Arbeitstechniken ausgetauscht individuelle Probleme erörtert und auch neue Soft- und Hardware vorgeführt wie im Bild die Arbeit mit dem drucksensitiven Wacom-Tablett.

Dieses Mal waren es mehr als 60 DTP-Anwender und -Anwenderinnen, die sich zu einem intensiven Erfahrungsaustausch trafen. Viele kannten sich bereits vom ersten Treffen im Frühjahr oder aus den verschiedenen kleineren Arbeitskreisen auf privater Ebene, die sich in den letzten Monaten über das Mausnetz bundesweit gebildet haben, um sich in ganz speziellen Gebieten des DTP gemeinsam weiterzubilden. Von der „idyllischen“ Umgebung des gut gewählten Tagungshauses zwischen Chemiefabrik, Waldrand und Ruhrpottsiedlung bekam man leider kaum etwas zu sehen: viel zu kurz und zu schnell vorbei waren auch diese drei Tage und Nächte.

Erfahrungen tauschen

Für diejenigen, die ihre ersten Schritte ins digitale Publizieren gehen, sind die Voraussetzungen eines solchen Treffens natürlich ideal: Man lernt die unterschiedlichen Arbeitsweisen der anwesenden „Professionals“ kennen, arbeitet mit Soft- und Hardware-Produkten, die man sonst wohl nur selten antesten kann, und trifft dann auch noch die Programmierer seiner Software morgens am gemeinsamen Frühstückstisch!

Da das ADAT ausschließlich über das Mausnetz organisiert wird, tat auch die Sprachregelung (im Mausnetz duzt man sich grundsätzlich) ihr übriges, um eine anfängliche Unsicherheit gerade bei den anwesenden DTP-Neulingen von vornherein zu reduzieren. Wer an dem nächsten DTP-Treffen teilnehmen möchte, kann sich über das Mausnetz anmelden. Bis auf Übernachtung und Verpflegung ist die Teilnahme kostenlos.

Aber auch für gestandene DTPler, Inhaber von Firmen in der Druckvorstufe sowie deren Mitarbeiter bot das ADAT diesmal einen wichtigen Erfahrungsaustausch: Wohin wird es gehen mit der ATARI-Plattform und dem Calamus, sind Alternativen zur Hardware in Sicht, wie gehen die anderen mit derartigen Zukunftsängsten um? Das waren die wichtigen Themen, zu denen sich immer wieder viele der Anwesenden im Vorraum des Tagungshauses versammelten.

Bis in die frühen Morgenstunden wurde gearbeitet und diskutiert, wurden Erfahrungen ausgetauscht und Tests mit neuer Soft- und Hardware unternommen. Rede und arbeite! Man hatte ja nur drei Tage und Nächte Zeit, und die sollten auch reichlich genutzt werden. Um ganz spezielle Themen des digitalen Publizierens zu intensivieren, wurden in etwas zu lockerer Reihenfolge Seminare und Referate angeboten, die von Fachleuten des jeweiligen Gebiets geleitet wurden.

Wie ärgere ich erfolgreich meinen Belichtungsservice?

Das erste Seminar fand gleich am Samstagmorgen nach einem ausgiebigen gemeinsamen Frühstück statt. Ulf Dunkel, Inhaber eines Belichtungsservice in Norddeutschland, referierte über die Aufbereitung von Dokumenten zur Filmbelichtung.

In seiner Firme betreut Dunkel nach eigenen Angaben zur Zeit ca. 200 Belichtungskunden. Die meisten kommen zu ihm mit Dokumenten vom Calamus SL, den Rest teilen sich Calamus 1.09N und DA’s Layout. Mit den Problemen, die so manch ein DTPler mit der Aufbereitung seiner Dokumente für die Belichtung hat, wird Dunkel also täglich konfrontiert. Aus seinen reichhaltigen Erfahrungen als Dienstleister im Belichtungsservice konnte er dann auch jede Menge Tips und „goldene Regeln“ an die zahlreichen Zuhörer weitergeben.

Immer noch Problem Nr. 1 scheint der Umgang mit den in den Dokumenten verwendeten Fonts zu sein: „Da denken immer noch viele: das Studio hat doch schon alle Fonts, was soll ich meine da noch mitschicken? Natürlich habe ich alle Fonts; und natürlich auch den Font, den der Kunde erst gestern in TypeArt etwas geändert hat, und natürlich auch den Font aus etwas dubioser Quelle, von dem der Kunde gar nicht weiß, wie dessen „Original“ aussieht.“

Die zum Dokument gehörenden Fonts sollten eigentlich immer mitgeschickt werden, selbst wenn jemand immer noch mit der „Swiss 50“ setzt, die dem ersten Calamus 1.09 und den S-Paketen beilag; es gibt inzwischen mehrere Versionen dieser Schriften, und schon fangen die Probleme an. Wer Satzbelichterschriften ändert, und sei es auch nur ein klein wenig im Kerning, sollte diesen Fonts auf jeden Fall einen anderen Namen geben, um Verwechslungen bei der Belichtung auszuschließen.

Ein guter Belichtungsservice gibt nicht nur die Filme aus, er kontrolliert normalerweise auch Dokument und Rastereinstellungen auf Fehler. Besonders bei Farbanlagen sollte man sich mit dem gewählten Service absprechen, ob eigene Raster- und Separationskennlinien oder die des Service verwendet werden sollen. Oft ist es da sinnvoll, sich auf die Einstellungen des Service zu verlassen, da diese in der täglichen Arbeit vielfach erprobt sind. Fehlen beim Belichtungsauftrag Angaben für die Filmbelichtung, z.B. die gewünschte Auflösung, muß der Belichter raten - oder eine Standardeinstellung wählen, auch auf die Gefahr hin, daß diese dann nicht stimmt. Dunkel: „Es ist für den Belichtungsservice unmöglich, all den Leuten hinterherzutelefonieren! Belichtungen sind Dienstleistungen, da muß all das genau vorgegeben sein, was mit den Dateien weiter passieren soll. Ideal ist: eine mit Dateinamen und Anschrift versehene Diskette/Wechselplatte. Dazu ein beiliegendes Formular, aus dem die Programmversion (z.B. Calamus 1.09N, DA’s Layout TC usw.), dpi und Seitenlage (seiten-richtig/falsch) hervorgeht. Das spart nicht nur dem Belichter Nerven, sondern auch dem Kunden bares Geld.“ Zusätzlich sollte dem Dokument auch ein Ausdruck der zu belichtenden Seiten beiliegen, um eine schnelle Endkontrolle direkt bei der Belichtung zu gewährleisten.

In lockerer Atmosphäre und unter Kollegen die wichtigsten Probleme der Dokumentenbelichtung in den Griff zu bekommen - ein Seminarthema des ADAT.

Systemvergleiche: Mit NT und Quark zum ADAT

Weitere kleinere Seminare und Workshops fanden zu den Themen „Arbeiten mit den Calamus-Stillisten” sowie zur typografischen Gestaltung in DA’s Layout und Calamus statt. Es gab auch wieder einige kleine Utilities zu sehen, die von Teilnehmern des Treffens programmiert wurden, um die Arbeit im DTP zu erleichtern. So zum Beispiel das Calamus-Modul „Scale It“, mit dessen Hilfe sich gefüllte Textrahmen beliebig skalieren lassen - inklusive der darin vorhandenen Schrift.

Sehr interessant war der direkte Kontakt der verschiedenen Werkzeuge und Rechnersysteme, mit denen auf dem ADAT gearbeitet wurde. Unter den vielen TTs standen ja auch zwei 486er bzw. Pentium-Rechner sowie ein PowerMAC. Da ließ sich die Arbeit am ATARI-Calamus mit dem Calamus für Windows NT und dem Mac mit Quark Xpress hervorragend vergleichen.

Elke Gräfe, die einzige weibliche Teilnehmerin des DTP-Treffens, brachte den PowerMac mit zum ADAT. Sie ist gelernte Schriftsetzerin und arbeitet in einer Werbeagentur ausschließlich an Apple-Computern. „Ich unterscheide nicht zwischen DOS, Mac und ATARI, sondern der unterschiedlichen Funktionalität der Werkzeuge.” Alle Anwesenden gingen dann auch sehr interessiert und offen mit den verschiedenen Systemen um. Man will ja schließlich keine Hardware verkaufen, sondern als Grafiker mit den Werkzeugen arbeiten; da ist es erstmal egal, was für ein Firmenlogo vorne am Rechner klebt. Die grundsätzlichen Probleme der Grafiker am Mac und ATARI sind sowieso identisch: Kompatibilitätsprobleme hier wie dort durch unterschiedliche Formate, Probleme mit Druckereien, Belichtern und Belichtungen besonders in PostScript („Bei PostScript kommt sowieso nicht genau das raus, was im Monitor zu sehen ist“).

Etwas überrascht war Elke Gräfe aber wohl dennoch über die Unvoreingenommenheit und Offenheit ihrer ATARI-Kollegen, denen sie auf dem ATARI-DTP-Treffen begegnete. „Es ist sehr schön, daß es hier auf dem ADAT nur darum geht, was bei der Arbeit nachher als Resultat rauskommt. Auch das Interesse an allen Rechnerplattformen: das Werkzeug ist wichtig, nicht der Rechner. Es ist auch für mich als reine Mac-Anwenderin sehr interessant, wenn alle über ihre Probleme im DTP reden. Das ist dann auf den ersten Blick vielleicht programmspezifisch, aber zugleich auch produktspezifisch. Und die Probleme mit Belichtern und Druckern habe ich doch genau so wie alle anderen auch. Ich freue mich, daß ich hier bin.“

Oft können sich die Systeme ja auch gegenseitig helfen, wenn z.B. mal ein EPS vom DOS auf dem Mac nicht zu lesen war, und erst über den ATARI modifiziert werden mußte. Die häufig zu hörende Kritik an der weitgehenden Nichtunterstützung des Postscript-Standards der anderen Rechnerplattformen relativiert sich also etwas, wenn man erst seine Erfahrungen mit diesem Standard auf anderen Plattformen machen mußte

Da tat es manchen sicher gut, auch einmal von der Kollegin der anderen Seite des Obstgartens positive Vergleiche zwischen beiden Systemen zu hören: „Quark und Pagemaker sind Montage-Software. Die einzelnen differenzierteren Arbeiten müssen in anderer Software erledigt werden. Calamus ist da viel freier in der Text- und Bildgestaltung und im Vergleich zum Mac wirklich schnell genug, mit sehr guten, differenzierten Textfunktionen. Quark ist da doch sehr eingeschränkt.“

Der Mac hat sicher einen Vorteil mit Blick auf die Ausstattung fast aller größeren Werbeagenturen. In den meisten Agenturen wird ja die Mac-Schiene gefahren. Die Ausbildung der Leute erfolgt dort aber meistens nur auf 3 bis 4 Mac-Programmen. Da ist Flexibilität gar nicht möglich. Unflexibel im Vergleich zum ATARI ist für Elke Gräfe der Mac auch bei manch alltäglichen Problemen: „Man kann eine Datei lesen oder nicht. Ich habe keine Möglichkeit, wie bei der Arbeit am ATARI, mal in die Datei hineinzuschauen. Am Mac ist viel mehr vorgegeben, was bei Problemen dann eben schwerer zu handhaben ist.“

ADAT 3?

Wie beim ersten ADAT waren auch die ehemaligen Calamus-Programmierer von adequate Systems fast vollzählig anwesend. Sie waren ständige Ansprechpartner für die Anwesenden bei Problemen mit dem Calamus und seinen Modulen oder einfach nur für die vielen Fachsimpeleien, für die ja so ein Treffen geradezu ideale Voraussetzungen bietet, ist man doch rund um die Uhr unter Gleichgesinnten. Für die Programmierer selbst waren die drei Tage sicher wieder voller Anregungen für die „DTP-Basis“, die sich demnächst vielleicht in fertigen Produkten niederschlagen werden. Auch Günter Kreidl, Geschäftsführer von Digital Arts, sowie Dr. Riedl aus der Geschäftsführung von DMC hatten sich für einen Besuch des ADAT 2 angekündigt, mußten dann aber doch kurzfristig absagen; das klappt dann wohl beim ADAT 3, das Anfang nächsten Jahres stattfinden wird. Irgendwo in Deutschland.


Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 11 / 1994, Seite 56

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