50/60Hz-Umschaltung für den Jaguar: Der Katze Beine machen

Kabelführung und Schalter nach erfolgtem Umbau

Glücklicherweise ist es dem Jaguar egal, woher er sein Futter, sprich seine Module, bekommt - ob aus USA oder aus Europa. Dennoch haben die europäischen PAL-Jaguar-Besitzer einen Nachteil: die Bildschirmausgabe läuft mit „nur“ 50Hz Bildwechselfrequenz im Gegensatz zum US-Jaguar, der mit 60Hz aufwarten kann. Aber hier kann geholfen werden.

Zu Beginn gleich ein wichtiger Hinweis zu der 50/60Hz-Umschaltung: Für den Umbau ist ein Eingriff in die Hardware des Jaguar erforderlich, durch welchen man einen eventuell noch vorhandenen Garantieanspruch verliert. Außerdem sollte einige Löterfahrung vorhanden sein, um den Jaguar nicht zu zerstören.

ATARI ist bei den Modulen für den Jaguar bewußt einen anderen Weg als andere Konsolenhersteller gegangen. Auch aus Kostengründen hat man sich bereits bei der Entwicklung entschieden, auf unterschiedliche Module für den amerikanischen und europäischen Markt zu verzichten. Um aber dem europäischen Jaguar-Besitzer die schwarzen Balken im oberen und unteren Bildbereich (aufgrund der geringeren Zeilenanzahl des NTSC-Bildes) und die geringere Geschwindigkeit bei der Bildschirmausgabe (rechnerisch 20% - durch die hier verwendete 50Hz-Technik) zu ersparen, hat ATARI die Entwickler angehalten, sich an bestimmte Vorgaben zu halten. Demnach sollten „gut“ geschriebene Jaguarspiele beim Einschalten erkennen, ob eine PAL- oder NTSC-Konsole vorhanden ist, und die Bildgröße und Geschwindigkeit entsprechend anpassen. Erreicht wird dies u.a. dadurch, daß Spiele nicht in der normalen NTSC-Auflösung, sondern im sogenannten NTSC-Overscan-Modus, der in etwa der PAL-Auflösung entspricht, laufen.

Gute Beispiele hierfür sind z.B. Crescent Galaxy und Tempest 2000, bei denen, bis auf einen minimalen Geschwindigkeitsverlust auf der PAL-Konsole, keine Unterschiede auf den Konsolen festzustellen sind. Leider halten sich aber bisher nicht alle Entwickler an diese Vorgaben. Schlechte Beispiele sind etwa die Spiele Raiden und Wolfenstein 3D, die, auf einer PAL-Konsole gespielt, oben und unten schwarze Balken aufweisen und auch merklich langsamer laufen.

Aufgrund dieser und der Tatsache, daß viele RGB-Monitore auch ein 60Hz-Signal vertragen (übrigens können dies inzwischen auch viele der neueren Fernseher, diese verfügen zudem über einen echten RGB-Scart-Eingang), entstand der Entschluß, dem PAL-Jaguar einen 50/ 60Hz-Umschalter zu spendieren. Zwar bieten inzwischen bereits einige findige Firmen einen solchen Umbau an, jedoch kostet dies meist über 70,- DM, was bei Materialkosten von nur ca. 3,- bis 4,- DM doch etwas teuer erscheint.

Aus der Erkenntnis, daß bei anderen Spielkonsolen und Computern lediglich eine Lötbrücke für die Bildwiedergabefrequenz verantwortlich ist, wurden je ein PAL- und ein US-Jaguar geöffnet und die entscheidende Lötstelle auch schnell auf der Unterseite der Jaguarplatine gefunden.

Vorbereitung

Für den Umbau muß man sich nur wenige Dinge besorgen. An Material braucht man lediglich einen Mikrominiatur-Kippschalter, 1pol. Ein/Ein (z.B. von Conrad Electronic, Best.-Nr. 70 0568-55), dazu passend eine rote Isolierhülse für den Bedienhebel des Schalters, Schaltlitze (möglichst dünn), Lötzinn 1,0 mm und etwas Klebestreifen.

An Werkzeug benötigt man einen Kreuzschlitzschraubendreher, einen kleinen flachen Schraubendreher, eine Spitzzange, einen Lötkolben (besser natürlich eine Lötstation) mit einer feinen Lötspitze und eine Bohrmaschine mit drei Bohrern (3,5; 5 u. 6 mm).

Für den Umbau sollte man zudem über einen sauberen Arbeitsplatz verfügen und darauf achten, daß nicht statische Aufladungen den Jaguar zerstören können - ICs können sehr empfindlich reagieren.

Der Umbau

Zunächst muß man die vier Schrauben auf der Unterseite des Jaguars herausdrehen, die Konsole wieder umdrehen und den Gehäusedeckel vorsichtig abnehmen. Als nächstes werden die vier Platinenbefestigungsschrauben herausgedreht. Zwei davon befinden sich jeweils rechts und links neben dem Modul-Port, die anderen beiden sind durch die beiden vorderen ovalen Öffnungen im Abschirmblech zu erreichen. Diese beiden Schrauben kann man nach dem Herausdrehen mit der Spitzzange entnehmen.

Jetzt nimmt man den ganzen Abschirmblechkäfig mit der Platine aus dem Gehäuseunterteil heraus. Hierzu muß man diesen zuerst hinten etwas anheben und dann vorsichtig nach hinten herausheben. Als nächstes werden alle Blechnasen des Abschirmblechs mit Hilfe des kleinen flachen Schraubendrehers aufgerichtet bzw. mit Hilfe der Spitzzange geradegebogen. Der obere Teil des Abschirmblechs kann jetzt abgenommen und die Platine des Jaguars aus dem unteren Teil des Abschirmblechs herausgenommen werden. Diese legt man, mit den Joypadports auf sich zeigend und der Unterseite nach oben, vor sich hin.

Die Unterseite der Jaguarplatine mit Kabelführung
Hier genau liegt der Jumper R140.

Der Jumper

Als nächstes muß man den Jumper R140 auf der Platinenunterseite lokalisieren. Dazu sucht man links, oberhalb des linken Joypadports eine Reihe von fünf untereinanderliegenden Jumpern. Die obersten beiden und der unterste davon sind bestückt, und genau der unterste ist der gesuchte Jumper. Er trägt bei „älteren“ Jaguar-Konsolen die Bezeichnung R140, während bei neueren PAL-Geräten die Beschriftungen auf der Unterseite fehlen.

Hat man diesen erfolgreich lokalisiert, muß man den dort befindlichen OD-SMD-Widerstand entfernen. Aber Achtung, dieser ist außer durch die beiden kleinen Lötungen noch durch einen Tropfen Lack fixiert. Am besten erhitzt man eines der beiden Lötaugen und versucht, wenn das Lötzinn dort flüssig geworden ist, den Widerstand mit der Lötspitze oder einem kleinen Schraubendreher vorsichtig ein kleines Stück hochzubiegen. Dabei ist zu beachten, daß man das Lötauge nicht zu lange erhitzt und den Platinenkontakt beim Hochbiegen nicht abreißt. Hat man das erfolgreich geschafft, ist der schwerste Teil der Arbeit auch schon erledigt.

Daraufhin versorgt man die beiden Lötpunkte des Jumpers mit etwas zusätzlichem Lötzinn und lötet an jeden ein etwa 15 bis 20cm langes Stück Schaltlitze an. Die beiden Drähte werden durch den jetzt rechts befindlichen Platinenausschnitt auf die Oberseite der Platine geführt. Bevor die Platine umgedreht wird, sollte die Litze noch mit etwas Klebestreifen auf der Unterseite fixiert werden. Die beiden anderen Litzeenden lötet man am Schalter, und zwar eines an einem der äußeren und eines am mittleren Kontakt, an.

Der Probelauf

Zu diesem Zeitpunkt sollte ein erster Testlauf vorgenommen werden. Hierzu muß die Platine wieder in das Unterteil des Abschirmblechs gelegt und beides zusammen in das Gehäuseunterteil verfrachtet werden, ohne diese miteinander zu verschrauben. Alles anschließen und den Jaguar mit einem Modul, welches im 50Hz-Betrieb die Balken aufweist, anschalten. Läuft alles einwandfrei, kann man das Gerät wieder aus schalten und mit der anderen Schalterstellung nochmals einschalten. Wenn bis dato alle Arbeiten richtig durchgeführt wurden, sollte einmal ein 50Hz-Bild (mit Balken) und das andere Mal ein 60Hz-Bild (ohne Balken) zu sehen sein. Gibt es hierbei Probleme, müssen die Lötungen überprüft und ggf. nachgelötet werden.

Ist alles in Ordnung, wird die Platine mit dem Abschirmblechunterteil wieder aus dem Gehäuseunterteil genommen und das Oberteil des Abschirmblechs aufgesetzt. Dabei werden zunächst die beiden Kabel an der linken Seite durch den Schlitz des oberen Abschirmblechs zwischen der zweiten und dritten (vom Joypadport gezählt) unteren Befestigungslasche nach außen verlegt und dann alle Laschen wieder zugebogen. Als nächstes muß im Gehäuseunterteil ein Loch von ca. 5mm (je nach verwendetem Schalter) gebohrt werden. Hierzu bietet sich der kleine, schon etwas hervorgehobene Gehäuseteil neben dem Joypadport 1 (siehe Titelbild) an. Zuerst bohrt man dort mittig ein Loch von 3,5mm und erweitert dieses anschließend mit dem 5mm-Bohrer. Zum Entgraten wird der 6mm-Bohrer kurz an der Lochkante angesetzt. Der Abschirmblechkäfig kann nun wieder in das Gehäuseunterteil eingesetzt und mit den vier Schrauben mit diesem verschraubt werden. Der Schalter wird in die Bohrung eingesetzt und verschraubt. Dabei reicht eine Mutter, ohne Scheiben, völlig aus. Sollte der Schalter nicht sauber durch das Loch gehen, liegt es daran, daß das Schaltergehäuse innen mit der dortigen Gehäusekante kollidiert. Diese Kante muß dann sehr vorsichtig und langsam (man will ja kein zusätzliches unschönes Loch in seinem Jaguar) mit dem Lötkolben abgetragen werden, bis das Schaltergehäuse an der Gehäuseinnenwand anliegt und das Gewinde richtig durch das Loch geht. Dieser Vorgang sollte wirklich sehr vorsichtig und lieber in mehreren Schritten stattfinden.

Als letztes müssen nun nur noch die beiden Kabel in einem Bogen oben auf dem Abschirmblech mit zwei Streifen Klebefilm fixiert, der Gehäusedeckel aufgesetzt und mit dem Unterteil verschraubt werden. Nun noch die rote Isolierhülse auf den Schalter schieben, und der Umbau ist fertig.

Bei mir gab es keinerlei Problem mit dem Umbau, und ich genieße es jetzt, meine Jaguar-Games auch in 60Hz spielen zu können.


Udo Bartel
Aus: ST-Computer 12 / 1994, Seite 96

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