Eye-Catcher - Aufkleber-Gestaltung mit Effet

Wann kann man schon einmal so gut im Timing liegen: Da schlendern Sie über die proTOS, kaufen sich, noch druckfrisch, die neue ST-Computer (genau, eben diese!), werden im DTP-Teil über die Gestaltungsarbeiten zur Messe informiert - die ausschließlich über ATARI-Software realisiert wurden - und treffen dann auch noch all die Software-Hersteller, deren Produkte maßgeblich an den Gestaltungen beteiligt waren.

Für eine Messe wie die proTOS wird bereits mehrere Monate vor Beginn eine Werbekonzeption entwickelt, die alle Gestaltungen für die unterschiedlichsten Werbeträger berücksichtigen muß. Als da sind: Anzeigen für die verschiedenen Magazine in ebenso unterschiedlichen Formaten und Farben (Schwarzweiß oder 4C), Handzettel, Plakate usw. Ich will einmal am Beispiel einer eher kleinen Gestaltung - des Aufklebers zur proTOS ’94 - die Arbeitsschritte vom ersten Konzept bis zur fertigen Druckvorlage durchspielen; mit all der unterschiedlichen Software, die dabei benötigt wurde, und natürlich auch all den Problemen, die sich da auftaten.

Das erste Konzept

So ein Aufkleber soll grafisch wirken und nicht unbedingt in erster Linie Informationen vermitteln. Er klebt ja normalerweise auf der Heckscheibe des Autos (das ist dann der kommunikative Aspekt auf der Autobahn) oder auf der Schultasche (Flagge zeigen!) und der Zimmertür (was für ein Rechner wohl dahinter steht...). Die Frage nach der wahrscheinlichen Anwendung der Gestaltung setzt dieser also auch schon Grenzen: Einfach die grafischen Elemente aus einer eventuell schon vorhandenen Anzeigen- und Plakatwerbung zu übernehmen reicht da nicht aus.

Für die Aufklebergestaltung beschränken wir uns also inhaltlich auf das Wesentliche: es geht um die „proTOS ’94“, weniger um den Termin, den Ort und die ausstellenden Firmen. Diese Informationen werden durch flankierende Maßnahmen wie Anzeigen, Handzettel, Plakate usw. besser vermittelt.

Der Aufkleber wurde in klaren Grundfarben gehalten: Rot und Gelb für den Text (wobei der gelbe proTOS-Schriftzug durch eine einheitliche Farbgebung in Handzetteln, Plakaten und Anzeigen vorgegeben ist), sowie Schwarz für den Hintergrund, was durch das gewählte Motiv der Gestaltung nahelag.

Die ersten grafischen Arbeiten

Die „Kugel“ auf dem Aufkleber wurde in Raystart 3.0 (aus dem neuen DA’s 3D-System) erstellt und mit schwarzem Hintergrund, denn dassollte auch der Hintergrund des Aufklebers sein, als RGB-Bild gesichert.

Für die umlaufende Ellipse leistete dann nach einigen Versuchen in verschiedenen Vektoreditoren der Font-Editor(!) TypeArt die besten und schnellsten Dienste. Ging es doch darum, einen sich nach hinten perspektivisch verjüngenden Kreis um die Kugel zu legen. Diese perspektivische „3D-Verzerrung“ ist als Funktion in Type-Art für Vektorpfade vorhanden. Die Ellipse wurde dann im Calamus an den beiden äußeren Tangenten aufgeschnitten und so in zwei Teile geteilt, um den nach hinten laufenden Objekten der Elipse eine dunklere Farbe geben zu können. Dann wurde auch noch hinter dem proTOS-Schriftzug geschnitten, um den Eindruck einer um die Kugel laufenden Ellipse zu erzielen. Die Schrift wird dann nur noch in den Vordergrund gelegt und verdeckt so die Abschnitte.

Gerade bei solchen an und für sich einfachen Vektorarbeiten zeigt sich eine Schwäche des sonst guten Line-Art-Moduls, die bei anderen Vektoreditoren inzwischen längst nicht mehr zu finden ist. Normalerweise sollte es doch so sein: Soll ein Pfad aufgeschnitten werden, bestimmt der Grafiker den Schnittpunkt und schneidet den Pfad auf. Nur so können beispielsweise auch Rundungen im Pfad wirklich genau mit anderen Objekten verbunden werden. In LineArt sind derartige Operationen auf die Pfadstützpunkte beschränkt, und die liegen in der Praxis eigentlich nie an der Stelle, an der man den Pfad gerade aufschneiden muß. Die guten illustrativen Möglichkeiten des Moduls stehen da etwas im Kontrast zu dieser eigentlich etwas veralteten und zu starren Handhabung der Pfadeditierung.

Etwas vielschichtiger in der Gestaltung war der proTOS-Schriftzug. zu Anfang stand die Frage: wie bekommt man den Text, noch dazu als Reliefblock, perspektivisch korrekt auf die Kugel? Um diese Arbeit fertigzustellen, bieten sich gleich zwei ideale Wege und Werkzeuge an: 1. der „3D Extruder“ in DA’s Vektor, und 2. LineArt direkt im Calamus.

DA’s Vektor...

Bild 2: In einem ersten Schritt wird der Text der Kugelform angepaßt. Im Bild geschieht das über die Netztransformation in DA’s Vektor.

Der Text „proTOS“ wird direkt in DA’s Vektor gesetzt und anschließend gleich in ein Pfadobjekt gewandelt. DA’s Vektor bietet nun, genauso wie DA’s Layout, die Möglichkeit einer Projektion von Vektorobjekten auf Beziernetze an. Diese Funktion wollen wir verwenden, um den Schriftzug in der richtigen Perspektive um die Kugel zu legen.

Die Kugel wird als TIC-Bild ins Layout importiert. Eine unter Umständen notwendige Konvertierung in dieses Format kann mit dem beiliegenden Konvert-Programm vorgenommen werden. Über das Bild legen wir eines der in der Library vorhandenen Beziernetze für Kugelprojektionen. Das Beziernetz muß dabei aber um einiges größer als die Kugel angelegt werden. Um bei der Beziernetztransformation den Text nicht zu weit zu runden, können rechts und links der Textzeile „Abstandhalter“ hinzugefügt oder die Begrenzung mit der Funktion „Beziernetz anpassen“ eingestellt werden.

Nach erfolgter Projektion selektieren wir das Objekt und wechseln in den 3D-Extruder. Diese DA’s Vektor-Funktion simuliert sehr schön eine räumliche Tiefe bei allen Vektorobjekten. In dem entsprechenden Menü stellen wir lediglich die „Objekttiefe“ und den „Distanzpunkt“ auf einen etwa identischen Wert, was natürlich abhängig von der Größe des vorliegenden Objekts ist.

Bild 3: Auch für die Erzeugung dreidimensionaler Effekte bietet DA’s Vektor sehr gute Werkzeuge. Leider lassen sich diese nur als Tiff-Bild in andere Software laden. Ausgenommen natürlich DA’s Layout.
Bild 4: Effektgebung in DA’s-Vektor...
Bild 5:... und im Calamus. Die gesamte Anlage, entwickelt im neuen Line ART 1.5

Das war’s eigentlich schon. In eine Kopie der Oberfläche können dann sogar noch Lichtreflexe mit den virtuellen Farbverläufen der Software eingefügt werden. Wenn man weiß, was man eigentlich machen will, und mit den Programmfunktionen im reinen ist, dauert die ganze Arbeit nicht länger als 2-3 Minuten.

... oder LineArt?

Auch LineArt bietet Béziernetze zur Projektion von Vektorbjekten. Diese können genau wie im obigen Beispiel genutzt werden. Automatisch lassen sich in LineArt jedoch keine 3D-Effekte erzeugen. Um einen ähnlichen Effekt zu erreichen, benutzen wir in LineArt die Funktion „Farbverlaufskopie“.

Zu diesem Zweck legen wir eine etwas verkleinerte Kopie des projizierten Textes unter den ersten. Diese beiden Objekte legen dann den Anfang und das Ende des nun folgenden Verlaufs fest. Um die beiden Vektorobjekte besser zueinander ausrichten zu können, bietet es sich an, beide in unterschiedlichen Farben darzustellen. Die Kopie liegt nun wie ein Schatten hinter dem ersten Objekt. Im Formular „Parameter einstellen“ wählen wir die Start- und die Zielfarbe, in denen sich das vordere zum hinteren Objekt bewegen soll. Erst in diesem Arbeitsschritt wird also die Farbe festgelegt, die vorher eingestellten Farben der Objekte sind irrelevant.

Von einem selektierten Objekt bis zu einem zweiten werden dann automatisch einzelne Objekte generiert, wobei die im Parameterformular für Farbverläufe eingestellten Start- und Zielfarben angewandt werden. Jedes auf diese Weise zwischengerechnete Objekt wird eine Farbnuance verschieden zur vorhergehenden generiert, wodurch der Eindruck eines Farbverlaufs erreicht wird.

Zusätzliche Lichtreflexe lassen sich mit dem neuen LineArt-Update recht gut erzeugen und im Objekt positionieren. Im Calamus sind jedoch noch weitere Möglichkeiten vorhanden, um die Gestaltung durch kleine Effekte weiter zu verfeinern. So können beispielsweise die Lichtreflexe und Hell/ Dunkel-Verhältnisse um die Kugel herum auch für die Schriftelemente und Satellitenbahnen berücksichtigt werden. Im Calamus geschieht dies mit Hilfe weiterer Module, besonders Merge und Bridge bieten hier eine Fülle von Möglichkeiten. Um beim Beispiel zu bleiben und Hell/Dunkel-Verhältnisse auch im Text darzustellen, können wir eine etwas vergrößerte Kopie der vorhandenen Kugel in ein Graubild konvertieren (Bridge). Diese wird nun noch etwas aufgehellt und als Maske benutzt, um mit Hilfe des Merge-Moduls den Text über diese Maske in den Hintergrund zu mischen.

Die gesamte Anlage des Aufklebers kann mit fast identischen Arbeitsschritten natürlich auch in DA’s Layout erfolgen. Ebenso die Modifizierungen mit dem Merge-Modul, die in DA’s Layout mit dem optionalen Compose-Modul angelegt werden können, das mit ähnlichen Funktionen aufwartet. Für solche Dinge wie die Blockperspektive der Schrift ist DA’s Vektor konkurrenzlos.

Probleme

Das größte Problem bei der Anlage des Aufklebers war sicherlich, daß sie in die Zeit der Auslieferung des neuen SL-Updatesfiel! Nach der zweiten Auslieferung des Updates gab es dann eigentlich keine Probleme mehr. Eigentlich!

Der Aufkleber wurde in der ‚93er SL-Version entwickelt und sollte nun in der neuen SL-Version fertiggestellt werden. Bei der Belichtung zeigte sich dann aber, daß alle im Rastergenerator eingestellten Winkel verschoben waren und nun die tollsten Moirées lieferten! Es wurde dann aber schnell ein neuer Rastergenerator von DMC zur Verfügung gestellt. Er hat übrigens das Versionsdatum vom 5.10.94; wer noch einen älteren für das ‚94er Update benutzt, sollte sich den neuen unbedingt besorgen. Er liegt kostenlos zugänglich in der DMC-Mailbox.

Ärgerlich war auch, daß sich die vorzüglichen Verlaufs- und 3D-Arbeiten mit Vektorobjekten in DA’s Vektor lediglich im TIFF-Format in andere als DA’s-Software exportieren lassen. Kompatible und editierbare Formate zwischen Calamus und DA’s Vektor bzw. DA’s Layout sind da mehr als überfällig, und sollten von den jeweiligen Software-Häusern nun auch endlich realisiert werden; es wird sicher beiden Produktlinien gut tun, dem DTP-Anwender sowieso.

Druckvorbereitung

Als Druckverfahren bietet sich für derartige Folienaufkleber erst einmal der Siebdruck an. Im Gegensatz zum Offsetdruck werden hier licht- und vor allem auch abriebfeste Farben verwendet. Aber zeigen Sie eine solche Vorlage einmal einem Siebdrucker - 4C, Rasterverläufe- da wird er wahrscheinlich abwinken. Im Siebdruck wird gewöhnlich ein 30er Raster als Obergrenze gefahren. Dieses Raster entspricht ungefähr einem Zeitungsraster, und diese „Qualität“ wollten wir unserer Vorlage dann doch ersparen. Zwar gibt es mittlerweile auch andere Verfahren, die höhere Rasterweiten zulassen, diese kamen aber für unser Vorhaben nicht in Betracht.

Also der Offsetdruck. Hier gibt es die 30er Raster-Grenzen bekanntlicherweise nicht, dafür aber natürlich andere. Offsetfarben sind nicht außentauglich. 3-4mal durch die Waschstraße, und die Farben werden deutlich weniger. Hier gibt es 2 Möglichkeiten, um dieses Problem zu umgehen bzw. zu minimieren: wasserfeste Offset-Spezialfarben oder einen fünften Druckgang mit Lack. Beides ist ein Kompromiß, aber die Aufkleber müssen ja nicht ewig durch den Regen gefahren werden - die nächste proTOS soll ja bereits im kommenden Frühjahr stattfinden ...

Nun müssen noch Nutzen angelegt werden, denn die Druckerei druckt ja nicht nur einen, sondern immer gleich mehrere Aufkleber auf einmal in einem Druckgang.

Wieviele Nutzen letztendlich angelegt werden müssen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, z.B. der gewünschten Auflage. Abhängig ist dies auch von der Größe der verwendeten Druckmaschine (2-farb, A2, Bogen, etc.) und natürlich auch von den Gewohnheiten des Druckers. Am besten ist es, man fragt kurz bei der Druckerei nach, die den Druckauftrag durchführen soll.

Im vorliegenden Fall wurde ein 6er Nutzen angelegt. Doch erst einmal müssen wir uns mit dem Anschnitt beschäftigen. Immer dann, wenn der Druck bis an den Formatrand einer Drucksache geht, muß angeschnitten werden. Und der schwarze Hintergrund unseres Aufklebers soll ja die gesamte Fläche des Aufklebers bedecken. Wir müssen die Druckfläche also etwas über den Formatrand hinaus anlegen, damit beim Schneiden ein sauberer Rand entsteht. Würde die Druckfläche nur bis zum Formatrand angelegt, würde das Ergebnis wahrscheinlich auch gut sein, bei einem Teil der Auflage aber ebenso wahrscheinlich nicht, da beim Schneiden bzw. Stanzen der Aufkleber immer wieder Ungenauigkeiten auftreten können, die sich in der Drucksache dann als störende Blitzer zwischen Farbfläche und Formatrand bemerkbar machen.

Um die schwarze Kreisfläche etwas zu vergrößern, legen wir zusätzliche Hilfslinien über und neben diese Fläche, mit vielleicht 3mm Abstand. Dann wird der Kreis proportional um 6mm (am besten über die Koordinateneingabe) vergrößert und auf diese beiden Hilfslinien gesnapt. Fertig.

Die gesamte Anlage wird nun gruppiert und 5mal kopiert. Zum Kopieren sollte man im Calamus unter dem Menüpunkt Datei/Kopierart „Virtuelle Kopie“ einstellen. Wir haben es bei dem Aufkleber ja schon in der Einzelausführung mit einigen MB Daten zu tun. Würden diese physisch kopiert, würde sich auch diese Datenmenge vervielfachen. Zudem erleichtert die Arbeit mit virtuellen Kopien gerade in Nutzenanlagen nachträgliche Änderungen, da nur der erste Nutzen korrigiert werden muß, die anderen sind ja lediglich nur ein virtuelles Echo des Originals und werden augenblicklich aktualisiert.

Nun legen wir noch 4 Passermarken an die Nutzen sowie einen Farbkeil, den wir einfach aus kleinen Rasterflächenrahmen in den Farben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz erzeugen. Auch die Passermarken müssen unbedingt in den Prozeßfarben angelegt werden (CYMK, alle auf 100 Prozent), damit sie auch auf allen Farbauszügen dargestellt werden. Würde hier mit RGB-Farben, wie sie im Calamus leider immer noch standardmäßig voreingestellt sind, gearbeitet, wären sie nur auf den C-, Y- und M-Auszügen dargestellt. Beim Schwarzauszug müßte dann der Drucker würfeln...



Aus: ST-Computer 12 / 1994, Seite 55

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