Straight Fax! - Fix und Faxy

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Eigentlich war ich an diesem kalten Wintertag noch gar nicht richtig wach, als der Paketbote klingelte. Doch was er in den Händen hielt, weckte schlagartig meine Lebensgeister: Da war sie, die langerwartete Version 2.111 von Straight Fax!, dem jenseits des großen Teichs am weitesten verbreiteten Faxprogramm für den ST. Die Erwartungen, die verschiedene nach Deutschland gedrungene Meldungen geweckt hatten, waren ziemlich hoch: Class 1 Modems soll es unterstützen können, nahezu unendlich viele Dateiformate beherrschen und für alle gängigen Anwendungen einen "To Disk"-Treiber beinhalten. Dieser Test wird Aufschluß darüber bringen, ob diese hohen Erwartungen erfüllt worden sind.

Nachdem die Version 1.04 in [ 1 ] ein eher durchwachsenes Bild machte, präsentiert sich Straight Fax! 2.10 schon alleine optisch deutlich ansprechender: Das fotokopierte Handbuch ist einem ordentlich gedruckten und spiralgebundenen gewichen, das ganze Programm ist in einer ansprechenden Kunststoffbox verpackt, und die Programmdiskette wirkt auch professionell produziert. Dieser Eindruck setzt sich auch fort, wenn man das Programm installiert: Die Installations-Software beschreibt nicht mehr die Originaldiskette mit den passenden Dateien, die dann von Hand auf die Festplatte zu kopieren sind, sondern erledigt die Installation auf den Massenspeicher völlig ohne Eingriffe des Benutzers. Bei der Installation kann man dabei schon die wichtigsten Parameter vorgeben, so daß Straight Fax! nach erfolgreichem Ende des Installationsprogramms sofort benutzt werden kann. Die dabei eingegebenen Daten lassen sich aber auch jederzeit wieder im Programm ändern.

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Mit diesem Dialog läßt sich Straight Fax! auf das verwendete Modem anpassen.

Erste oder zweite Klasse?

Wichtigste Neuheit an Straight Fax! 2.x ist, daß das Programm nun auch Modems unterstützt, die nur mit dem sogenannten Class-1-Befehlssatz angesprochen werden können. Dieser Befehlssatz ist zwar inzwischen nicht mehr so sehr von Bedeutung, da die meisten neueren Fax-Modems auch den gängigen Class-2-Standard unterstützen, doch dürften Besitzer besonders preisgünstiger oder älterer Modems sowie Modems des Herstellers US Robotics, die bisher grundsätzlich nur zu Class 1 kompatibel waren, diese Worte mit Erleichterung aufnehmen: Der Class-1-Modus funktionierte mit allen getesteten Modellen sowohl beim Senden als auch beim Empfangen, mit Ausnahme eines GVC-Modems, völlig problemlos. In einem Fall konnte sogar ein Class2-Modem, welches mit den Class-2-Befehlen nicht zum empfangen von Faxen zu überreden war, mittels des Class1-Befehlssatzes zum ordnungsgemäßen Faxempfang überredet werden. Auch wenn hier natürlich ein Fehler in der Modem-Firmware vorlag, kann das Programm in diesem Fall diesen Fehler überspielen und das Modem problemlos benutzbar machen. Auch mit dem Class 2 Befehlssatz traten keine Probleme auf, lediglich ein GVCModem weigerte sich beharrlich in allen Modi, nach dem Austausch der Fax-Kennungen noch weitere Daten anzunehmen. Da dieses Problem mit CoMa nicht auftrat, scheint der Empfangsmodus noch nicht 100%ig wasserdicht zu sein. Die Sendemodi nach dem Sierra-Sendfax-Modus, die vor einigen Jahren noch Standard waren, inzwischen aber hoffnungslos überholt sind, konnten mangels Testgerät nicht überprüft werden.

Konvertierungskünstler

Neben den üblichen Funktionen, Textund IMG-Dateien in ein Fax zu verwandeln, bietet Straight Fax! auch die Möglichkeit, weitere verbreitete Formate in ein Fax zu konvertieren. Dabei haben sich die Autoren auf zwei verschiedene Methoden verlassen: Zum einen gibt es die Möglichkeit, direkt aus Anwendungsprogrammen heraus zu drucken. Hierbei stehen Treiber für Calamus 1.09N/S/SL, Pagestream, That's Write 2.x und 3.x, Caligrapher 2 und 3 sowie für normales, FSM-und SpeedoGDOS zur Verfügung. Des weiteren lassen sich Degas Elite, PCX und GEM-Metafiles wandeln. Außerdem kann das Programm1st Word plus Texte unter Beibehaltung der Textattribute selbst umwandeln. Die Konvertierung der Dateien dauert dabei, je nach Größe doch einige Zeit, bleibt aber immer im Rahmen des Erträglichen. Sehr stark an Geschwindigkeit zugelegt haben die Druckertreiber für Anwendungsprogramme: Der Calamus-Treiber arbeitet beispielsweise rund doppelt so schnell wie die Treiber zur Version 1.04. Etwas ärgerlich ist, daß StraightFax! beim Konvertieren von ASCII-Texten immer auf eine ganze DIN-A4-Seite auffüllt, so daß im ungünstigsten Fall schon mal einiges Papier auf der Gegenseite verschwendet wird. Leider werden auch nur monochrome Dateien akzeptiert, mehrfarbige Grafikdateien weist Straight Fax! einfach zurück. Empfangene Faxe lassen sich auch problemlos aus Straight Fax! heraus ausdrucken, allerdings benötigt das Programm dazu einen installierten GDOS-Druckertreiber. Auch für die Weiterverarbeitung der empfangenen Faxe in anderen Anwendungen ist Straight Fax! vorbereitet: Faxe lassen sich im IMG-, GEM-, PCX-, EPS-, TIFF- und Windows- bzw. OS/2-Bitmap-Format abspeichern, so daß wohl kaum ein Programm auf irgendeinem Computersystem in die Verlegenheit kommen wird, die so gespeicherten Faxe nicht lesen zu können. Versuche, diese Dateien auf einem Mac bzw. einem PC unter Windows unterzuschieben, klappten daher auch problemlos.

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Unter "Dialing" läßt sich vorgeben, nach welchem Verfahren Straight Fax! die Gegenstelle anwählen soll.

Clever und smart?

Einige neue Ideen haben die Entwickler auch in die Programmentwicklung eingebracht. Neben einigen Funktionen, die sehr stark auf den US-amerikanischen Markt abgestimmt sind (wie zum Beispiel das Caller-ID-Verfahren, welches die Telefonnummer des Anrufers vor dem Abnehmen des Hörers überträgt), hat mich vor allem eine Funktion fasziniert: Die "Bad Fax List". Hinter diesem Kürzel verbirgt sich eine Liste von Faxnummern, von denen man nicht mehr mit Faxen belästigt werden möchte. Da Faxgeräte in der ersten Phase der Übertragung in der Regel ihre Kennung austauschen, kann man so unliebsame Werbefaxe schnell und problemlos abwimmeln: Straight Fax! legt sofort auf, nachdem eine Rufnummer erkannt wurde, die in der entsprechenden Liste steht. Dadurch wird der Anschluß sofort wieder frei, und der Platz auf der Festplatte wird nicht sinnlos verbraucht. Durchdacht ist auch die Funktion, die örtliche Vorwahl bei Faxsendungen ausblenden zu können: Hat man Daten z.B. aus einer größeren Datei übernommen, die zu jeder Nummer auch eine Vorwahl gespeichert hat, so wird zur Schonung der Relais auf Wunsch nur dann die Vorwahl mitgewählt, wenn sie nicht mit der eigenen übereinstimmt. Die Serienfaxfunktion ist auch ein besonderes Extra des Programms: Bis zu 100 Empfänger können automatisiert angefaxt werden, auf Wunsch wird dabei noch für jeden Empfänger ein persönliches Deckblatt erzeugt. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus clever gelöst ist die Funktion, mehr als eine Seite verschicken zu können: Hier steht einfach eine große Dialogbox zur Verfügung, in der Dateien aller Formate beliebig hintereinander angeordnet werden können. Bestätigt man dann diese Dialogbox mit OK, werden die so gewählten Files der Reihe nach konvertiert und verschickt.

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Das Logfile, getrennt für versendete und empfangene Faxe, gibt detailliert Aufschluß über die bisherigen Vorgänge.

Und die Kompadingsda?

"Kompatibel zu MultiTOS weltweit" steht groß auf dem Karton und soll andeuten, daß das Programm mit allen derzeit aktuellen Systemumgebungen zurechtkommt. In Sachen MultiTOS mag das stimmen, da es auch mit der deutschen Version problemlos zusammenarbeitet. Unter MagiX! aber kommt es gehörig ins Schwimmen: Die PopUp-Menüs erscheinen plötzlich nicht mehr, Dialogboxen sind mit verschiedenen bunten Farbbalken versehen und den Zustand der Schalter muß man, mangels Anzeige desselben, erraten. Die grundsätzlichen Funktionen von Straight Fax! sind davon jedoch nicht berührt, sie arbeiten weiterhin problemlos. Scheinbar haben die Entwickler bei der Oberfläche einfach übersehen, daß MagiX! noch nicht alle MultiTOS-Features bietet, diese dann aber trotzdem im Programm benutzt. Unter TOS 3.06 und 2.06 funktionierte das Programm ebenfalls lernlos, und angeblich soll es sogar noch unter TOS 1.0 funktionieren, was aber mangels dieses Dinosauriers in Sachen Betriebssystem nicht nachvollzogen werden konnte.

Insgesamt hat sich Straight Fax! in der vorliegenden Version zu einem mächtigen Programm gemausert. Neben der bisher einzigen Unterstützung für Class-1-Modems bietet das Programm ein paar sehr interessante neue Funktionen. Es liegt aber leider nur in einer englischen Version vor, und auch die gesamte Dokumentation ist englischsprachig, so daß man schon über gute Kenntnisse der englischen Sprache verfügen sollte, wenn man sich mit diesem Programm beschäftigen will. Die Probleme, die unter MagiX! auftreten, dürften jeweils zur Hälfte beiden Programmen zuzuschreiben sein, so daß hier der Fairneß halber keine Schuldzuweisung an Straight Fax! gemacht werden soll. Bleibt noch der Preis: 99 Dollar plus Versand und Zoll machen einen Preis von ca. 200 DM aus, ungefähr doppelt soviel wie die CoMa oder Tele Office. Insgesamt ein interessantes Programm, das es aber auch weiterhin nicht leicht haben wird, in Deutschland Fuß zu fassen.

DJ

(1) Dirk Johannwerner:
"Die Faxen dicke", ATARI Journal 12/92
Bezugsquelle:
Toad Computer
570-F Ritchie Highway
Severna Park, MD 21146-2925
USA
Tel: 001-410-544-6943

Positiv:
Class-1-, Class-2- und Sierra-Sendfax-Modems werden unterstützt
Export empfangener Faxe in viele Formate möglich
"Bad Fax List" für unerwünschte Faxanrufer
Ausblenden der eigenen Vorwahl beim Wählen möglich

Negativ:
recht teuer
Probleme mit GVC-Modem beim Empfangen
Seitenlänge ist immer DIN A4
konvertiert nur monochrome IMG-Files



Aus: ST-Computer 02 / 1995, Seite 36

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