Film ab: Der ATARI als Pantoffelkino

Wer sich schon mal eine CD gekauft hat, die für die DOS-Welt gedacht war, wird mit Sicherheit auf eine der drei Datei-Typen gestoßen sein: MPG, AVI und FLI. Hinter diesen drei Dateitypen verbergen sich Filme und Filmchen. Wir stellen Ihnen kurz ein paar Programme vor, die diese Filme auf dem ATARI abspielen.

Das ältestes Format ist das FLI-Format, das einem auch als FLC oder FLX Unterkommen kann. Es hat, unter anderem, seinen Ursprung in dem bekannten 3D-Studio von Autodesk. Denn dieses Programm ermöglicht es, berechnete Rendering-Filme in einem FLI-Film zu sichern. FLI-Files haben eine maximale Auflösung von 320200 Pixel. FLC-Files können dagegen 640480, 800600 oder 1024768 Pixel groß sein. Des weiteren können FLC-Files bis zu 256 Farben enthalten, während FLI-Files maximal nur 64 Farben enthalten. Wenn man sich einen FLX-Film anschaut, muß man unter Umständen mit 16,7 Mio. Farben rechnen. Solch einen Player gab es mal in dem Lexikor-Paket „Phase IV“, welches wir in [1], [2] und [3] ausführlich vorgestellt haben. Wer sich seinen FLI-Player selber schreiben möchte, kann eine Format Beschreibung in [4] finden.

Da es sich beim FLI-Format noch um ein recht einfaches Format handelt, gibt es mehrere Player. Als echtes Highlight hat sich der Player von Black Scorpion Software herausgestellt. Käufer des Programms APEX-Media, welches wir in diesem Heft auch vorstellen, können mit diesem Player durchaus etwas anfangen. Wir haben das Programm aber auch in diversen Maus-Boxen gefunden. Der Player ist knapp 6 KB groß und überzeugt durch seine Abspielgeschwindigkeit und durch sein Verständnis vieler Formate. Auch Filme, die größer als der vorhandene RAM-Speicher sind, stellen kein Problem dar. Diese werden dann direkt vom Speichermedium aus, abgespielt.

Ein weiteres Programm, allerdings ausschließlich für den Falcon, ist der FLICTC42 von Sven Bruns. Der Player arbeitet nur in der sogenannten True-Color Auflösung mit 65.000 Farben. Die Animation wird in einem Filstreifen abgespielt. Auch hier überzeugt die hohe Abspielgeschwindigkeit. Nachdem der Anwender den Film beendet hat, wird noch eine kleine Statistik über die Abspielgeschwindigkeit ausgegeben.

Auch in Schwarz/Weiß

Besonders interessant für die Monochrom-Monitor-User ist der Fli-Player 2.5 von Kai Bode. Während des Einlesens eines FLIs wird jeder Frame gedithert und man kann sich den Film am Ende in Monochrom anschauen. Dieses Programm kann durch bloße Umbenennung als Accessory geladen werden. Das ganze Programm ist innerhalb eines GEM-Fensters und läuft ohne Probleme auf jedem Rechner.

Auch im GEM-Gewand präsentiert sich ein französisches Programm, welches es als 68000- oder 680x0-Version gibt. Der MovielOO ist ausschließlich als Accessory nutzbar! Hervorragend ist das skalierbare Fenster, mit dem der Film daumennagelgroß oder bildschirmfüllend ablaufen kann. In einem weiteren Info-Fenster werden Informationen über Anzahl der Frames, die Filmgröße und Originalauflösung angezeigt. Mittlerweile wurde Player, oder besser ausgedrückt, die Abspielroutinen, in der Software Overlay/Flypermedia ([5], [6]) integriert. Ein Flandicap ist leider das RAM. FLIs, die größer als der momentan verfügbare Hauptspeicher sind, werden nicht geladen. Der Versuch wird, durch nicht wiederfreigegebenes RAM, bestraft d.h. ein Neu-Booten ist angesagt. Ein Bug, der in aktuelleren Versionen mit Sicherheit entfernt worden ist.

Als letztes, kleines Progrämmchen kommt ein weiterer Player aus Frankreich daher. Gerade mal 2,5 KB groß, spielt auch dieser Player alles ab, was ihm unter die Nase kommt. Der Film wird allerdings nur aus dem RAM abgespielt. Also ist auch hierbei eine Beschränkung in der Filmgröße vorhanden. Der Vorteil aller Programme ist, daß sie frei verfügbar sind, was bedeutet, daß sie entweder Freeware, Postcardware oder Shareware sind.

Sehr GEM-konform präsentiert sich der französische Movie-Player.

Windows läßt grüßen

Eine sehr weite Verbreitung auf PC-CDs finden die AVI-Dateien. Dies sind kleine Filme aus der großen PC-Weit, wobei sich das ‘klein’ eher auf die verwendete Auflösung bezieht. Seit dem Jahreswechsel gibt es nun einen Player auf ATARIs, der diese Filme auf dem Monitor darstellt. Dieter Fiebel-korn, bekannt durch die Grafiksoftware GEM-View [8], hat sich hingesetzt und das in [7] veröffentlichte Material in ATARI-Code umgesetzt. Da Microsoft die Sourcen zu AVI (Audio Video Interleaved) nur gegen viel Geld herausgibt, hat es halt lange gedauert, bis der Code ‘geknackt’ wurde. Zwar liegt der AVI-Player noch in einer 0.95-Version vor, jedoch kann sich diese durchaus schon jetzt sehen lassen. Lauffähig ist der Player auf jedem ATARI in einer Auflösung 2, 16 oder 256 Farben. Drei Programmvarianten (eine für alle ATARIs, eine für Rechner mit 68020/030/040-Prozessor und eine für Rechner mit zusätzlichem Coprozessor) sorgen für Genuß auf jedem Rechner. Allerdings ist ein schneller ATARI vorzuziehen, wenn aus Lust nicht schnell Frust werden soll. Die Kenntnisse aus dem Grafikbereich (GEM View) sind mit eingeflossen, so daß innerhalb des Players einige Features zu finden sind. So kann der Rim in 5%-Schritten aufgehellt oder abgedunkelt werden. Das Bild kann verdoppelt werden, was allerdings enorm auf die Abspielgeschwindigkeit drückt. Bilder überspringen, zurückspringen, Einzelbildsprung und Standbild sind weitere Bedienungsfunktionen. Sogar das Sichern eines Bildes im ESM-Format (EnhancedSiMplex Image) ist möglich.

Mit oder ohne Sound

Da AVIs auch Sounds enthalten können, der Fiebelkorn-Player diese aber nicht abspielt, ist ein Utility dabei, welches die Sounddaten extrahiert und als WAV sichert. Diverse Programme auf dem PD- und Shareware-Markt können dieses Sound-Format problemlos abspielen. Auf jeden Fall ist der AVI-Player, der momentan einzig verfügbare für den ATARI und ein Muß für jeden, der sich die Gigabytes an Filmen anschauen will. Ein Wermutstropfen bleibt aber dennoch: Durch die Vielfalt der AVI-Formate war es bis jetzt nicht möglich alle zu importieren und somit streikt das Programm bei unbekannten Formaten. Der Programmautor nimmt aber Hinweise zur Ergreifung von weiteren Formaten gerne an.

Backe, Backe Kuchen

Der letzte Schrei auf dem Pantoffelkino-Markt sind MPEG-Streifen. Manfin-detsie momentan noch selten auf den Ramsch-CDs. Die hat einen einfachen Grund. Die Datenmenge, die der Rechner beim Abspielen bewältigen muß, ist nicht ohne. In [9] haben wir bereits das MPEG-Schema vorgestellt und selbst PCs benötigen mehr oder minder teure Einsteckkarten, um MPEGs abzuspielen. Auf dem Macintosh gibt es Quicktime als etabliertes Filmformat, welches aber auch MPEG codiert ist und die Movies sind ebenfalls nicht bildschirmfüllend. Aber auch hier gibt es seit kurzem eine MPEG-Karte, die den Filmen auf die Sprünge hilft. Phillips führte die CD-I Silberscheiben ein, auf denen heutzutage auch viele MPEG-gepackte Daten zu finden sind. Für die Player gibt es deshalb auch MPEG-Module. Da sich in absehbarer Zeit wohl kein Hardware-Entwickler hinsetzt und eine MPEG-Karte für den ATARI bastelt, muß man auf das Schnellste im ATARI zurückgreifen, um sich die Filme, zumindest ansatzweise, anschauen zu können. Die drei im folgenden genannten Programme laufen ausschließlich nur auf dem Falcon, da dieser Rechner als einziger einen DSP besitzt.

Der erste und beste Player kommt von Guido Vollbeding und lief im Test problemlos. Er verweigerte bei keinem MPEG-Stream seinen Dienst. Schnell und klein (nur ca. 8 KB) findet man das Programm in diversen Mailboxen oder im Ist Guide-Paket. Ist Guide, auch von Guido Vollbeding programmiert, ist ein Hypertextsystem, welches mit der Zeit noch weitere Funktionen bekommen hat.

Auch für den Fernseher

Ein englischer MPEG-Player von Martin Griffiths hat sich mit dem einen oder anderen MPEG-File zwar schwer getan, aber wenn der Film geladen wurde, spielte er ihn sehr schnell ab. Da die Test-MPEGs alle in Farbe waren, merkte man sofort die Einschränkung, die Martin Griffiths in sein Programm eingebaut hat. Alle Rlme werden in Graustufen abgespielt. Bei Registrierung bekommt man die farbfähige Version. Der langsamste Player kommt aus dem sonnigen Kalifornien und ist eine Konvertierung vom NeXT. Allerdings spielt dieser Player seine MPEG auf dem Fernsehschirm ab.

Dieser Streifzug durch die ATARI-Fimlandschaft wird den einen oder anderen hungrig gemacht haben. Wir haben auf der PD-Diskette 773 alle Programme und jeweils einen Rim zusammengestellt, so daß sich jeder einen eigenen Eindruck verschaffen kann. Wir melden uns jedenfalls wieder, wenn es etwas neues aus der Kino-Ecke gibt.

JH

Literatur
[1] ST-Computer 3/93, Seite 46-49, „Phase 4 - Teii 1“, J.Heiier
[2] ST-Computer 4/93, Seite 100-102, „Phase 4 - Teii 2“, J.Heiier
[3] ST-Computer 7/93, Seite 38-41, „Phase 4 - Teii 3“, J.Heiier
[4] c't 8/94, Seite 252-253, „Daumen-Kino“, J.Pöpsei
[5] ST-Computer 8/93, Seite 8-10, „Multimedia mit Overlay“, J.Heiier
[6] ST-Computer 3/94, Seite 50, „Hypermedia durch Overlay“, J.Heiier
[7] c’t 11/94, Seite 327-332, „Multimediale Kiippen“, J.Pöpsei
[8] ST-Computer 2/93, Seite 55-58, „GEM-View in der Version 2.0“, E.Böhnisch
[9] ST-Computer 3/94, Seite 16-21, „Für aiie sieben Sinne“, i.Brümmer



Aus: ST-Computer 04 / 1995, Seite 32

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