Vektorbearbeitungen und das Vektorisieren von gescannten Pixelgrafiken gehören zu den Standardanwendungen in der digitalen Gestaltungsarbeit. Inzwischen sind viele Werkzeuge zugänglich, die derartige Arbeiten komfortabel ermöglichen.
Wer kein Fingerchen für eine manuelle Vektorisierung hat (Geduld und Zeit werden für diese Arbeit in jedem Fall benötigt), kann zumindest für die ersten Pfadanlagen auch eine automatische Vektorisierungs-Software nutzen, die einzeln oderauch als modulare Programmoption erhältlich ist.
Wo Illustrationen mehr oder weniger umfangreichen Nachbearbeitungen und Skalierungen unterliegen, hat die Verwendung von Pixel-Grafiken bekanntlich ihre Grenzen. Wird ein Firmenlogo als Vorlage für eine Prospektgestaltung oder zur Verwendung für eine Beschriftung vorgelegt, ist der Weg dieser Grafik über den Scanner durch Zeichen- und Vektorprogramme eigentlich schon vorgegeben.
Mit Hilfe von „Autotracern“, die einzeln erhältlich sind, aber inzwischen erfreulicherweise den meisten Editoren gleich beiliegen, lassen sich gescannte Zeichnungen in ein frei skalierbares Vektorformat konvertieren. Der Begriff „Konvertieren“ trifft auf das, was bei diesem Vorgang geschieht, eigentlich nicht mehr genau zu. Die vorliegende Pixel-Zeichnung wird bei der Vektorisierung an ihren Rändern mit einem Vektorpfad nachgezeichnet. Die so erhaltene Form ist nun nicht mehr in ihrer Fläche durch einzelne Pixel, sondern durch Vektoren definiert, die bei Größenänderungen mathematisch exakt nachgerechnet werden. Auch die Farbe der durch die Vektoren umschriebenen Fläche ist objektabhängig. Jedes Objekt kann demnach nur eine Flächenfarbe besitzen; Farbverläufe oder zum Beispiel Chromeffekte lassen sich daher in einer Vektorgrafik nur durch viele einzelne nebeneinanderliegende Flächen erzeugen, die unterschiedliche Farb- oder Grauwerte beinhalten.
Ganz ohne Handarbeit geht es auch beim automatischen Vektorisieren nicht. Genau genommen ist es ja gar nicht möglich, eine Pixel-Vorlage automatisch korrekt ins Vektorformat zu übertragen. Was dem menschlichen Auge in einer Pixel-Vorlage als sauber gezeichnetes und leicht erkennbares Objekt erscheint, „sieht“ der Rechner ja nur als eine Ansammlung einzelner Pixel, die nach den im Vektorisierungsprogramm eingestellten Parametern durch Vektoren nachgezeichnet werden. Stellt man diese Parameter auf eine hohe Genauigkeit bei der Vektorisierung, um beispielsweise kleine Rundungen auch sauber durch Bézierlinien zu erfassen, wirkt sich diese Einstellung natürlich auch auf die geraden Linien der Vorlage aus, die dann auch durch Béziers und entsprechend schlechter beschrieben werden.
Wenn mit Autotracern gearbeitet wird, sollte die Grundeinstellung der Parameter erst einmal beibehalten werden. In der Regel werden von den Software-Entwicklern gute Mittelwerte voreingestellt, so daß für die meisten Anwendungen schon gute Ergebnisse erzielt werden können.
Die Entscheidung, ob mit Kurven, Geraden oder mit beiden Pfadattributen gearbeitet wird, muß also individuell anhand der jeweiligen Bildvorlage getroffen werden. Nachbearbeitet werden muß sowieso. Eine sehr exakte automatische Umsetzung in ein Vektorobjekt könnte es nur dann geben, wenn in einer etwas komplexeren Pixel-Grafik für mehrere kritische Bereiche sich auch mehrere unterschiedliche Parameter zur Vektorisierung einstellen ließen.
Als Vorlage zum Vektorisieren dienen in den meisten Fällen Strichzeichnungen. Das sind dann vielleicht gedruckte Illustrationen, Text oder auch ein mit dem Filzstift geschriebener Text für die Headline der neuen Anzeige. Alle diese Vorlagen haben gemein, daß sie meist schwarzweiß angelegt sind und somit als 1-Bit-Bilder gescannt werden.
Scannen Sie einmal eine kleine Strichzeichnung ein. Mit vielleicht 200dpi in 256 Graustufen, und dann die gleiche Vorlage noch einmal als Schwarzweißbild, auch in 200dpi. Der Unterschied ist natürlich deutlich. Das 1-Bit-Bild zeigt vor allem in den Diagonalen deutliche Zacken, die bei einer anschließenden Vektorisierung nur schwer in den Griff zu bekommen sind. Wir müssen hier also eine deutlich höhere Auflösung wählen, um diese Stufenbildung zu reduzieren. Besitzen Sie einen Flachbett- oder gar Handy-scanner, kann die gewählte Scanner-Auflösung in diesem Fall die maximal zur Verfügung stehende sein.
Diese Stufen in 1-Bit-Bildern können nachträglich nur in einem EBV-Programm etwas geglättet werden. Dieses Verfahren bringt aber nicht unbedingt bessere Ergebnisse. Besser ist es in solchen Fällen - wenn zum Beispiel nur eine geringe Auflösung des Scanners zur Verfügung steht, gleich das Graustufenbild als Vorlage fürs Vektorisieren zu nehmen! In diesem Modus gescannte Strichzeichnungen können dann noch nachträglich in einer EBV-Software (z.B. über Kontrasteinstellungen) optimiert werden, auf diesem Wege kann auch Einfluß auf die Linienstärken und deren Qualität genommen werden. Die Vektorisierungs-Software sollte dann natürlich über eine Möglichkeit verfügen, neben Strich-auch Graustufenbilder zu vektorisieren. Steht nur ein monochromer Tracer zur Verfügung, bringt das anschließende Herunterrechnen eines Graubildes auf 1 Bit in der Regel keine besseren Ergebnisse, als wenn die Zeichnunggleich im Schwarzweißmodus gescannt worden wäre.
Bleiben wir noch einen Moment bei unserer Schwarzweißzeichnung. Da sich die Zeichnung, so wie sie von einem Scanner eingelesen wurde, normalerweise nur unter Verlust der Qualitätdirekt vektorisieren läßt, müssen wir zwischen Scanner und Vektoreditor noch eine weitere Software kennenlernen, in diesem Fall ein pixelorientiertes Zeichenprogramm. Bei geringeren Anforderungen an das Scannen, zum Beispiel bei der Arbeit mit einem Handy-Scanner, erfüllt die dem Scanner in der Regel beiliegende Software alle hier notwendigen Aufgaben.
In den meisten Fällen wird sich die Arbeit dann darauf beschränken, Scan-Schmutz aus dem Bild zu entfernen oder unerwünschte Bildteile zu löschen. Zum Nachbearbeiten von Strich-Scans ist ein einfaches Zeichenprogramm eigentlich immer besser geeignet als eine hochgerüstete EBV-Software. Die inzwischen etwas in die Jahre gekommenen monochromen Zeichenprogramme „Arabesque" und „Megapaint" leisten da heute noch bei vielen Anwendern zuverlässige Dienste.
Wie ein Bild eingescannt und weiterbearbeitet wird, ist zunächst einmal davon abhängig, was im Hinblick auf die spätere Anwendung überhaupt erarbeitet werden muß. So können schon während des eigentlichen Scan-Vorgangs unerwünschte Bildelemente entfernt werden, indem mit unterschiedlichen Scan-Farben eingelesen wird. In manchen Fällen lassen sich durch die Wahl einer geeigneten Scan-Farbe unerwünschte Bereiche des Bildes so weit eliminieren, daß im nachhinein ein deutlich geringerer Bearbeitungsaufwand erforderlich ist. Die Wahl der Scan-Farbe (normalerweise „Weiß") bieten eigentlich alle Flachbett-Scanner.
Bei einer reinen Strichzeichnung bieten sich in der Regel zwei Möglichkeiten an, die abhängig sind von der gewünschten Wiedergabe der Vorlage sowie von deren Weiterverarbeitung: 1. Alle Linien werden wie auf der Vorlage dargestellt vektorisiert. Eine Linie der Vorlage wird bei diesem Verfahren jeweils durch zwei Vektorpfade beschrieben. Diese Möglichkeit wird besonders dann genutzt, wenn Eigenheiten der Linienführung, wie bei einer Handzeichnung, erhalten bleiben sollen. 2: Die Linien der Vorlage werden durch einzelne Vektorlinien dargestellt. Diese zweite Variante eignet sich besonders gut, wenn die Vektorgrafik später noch eingefärbt wird oder die Konturlinien noch nachträglich verändert werden müssen. Von Vorteil ist hier natürlich, wenn die Software, mit der dann vektorisiert und nachbearbeitet wird, auch über weiterführende Funktionen verfügt, wie beispielsweise die Linienführung nachträglich durch zwei Vektorlinien beschreiben zu lassen, um echte Outlines zu erhalten. Diese Verfahrensweisen sind abhängig von der benutzten Software. Die eine leistet da mehr, die andere weniger. Doch zu diesem Thema kommen wir im nächsten Monat.
Der in den letzten Jahren stark expandierende Servicebereich des Folien-plottens braucht Vektorvorlagen ohnehin, da nur diese vom Plotter geschnitten werden können. So kann ohne Neuanlage die vorhandene Vektorgrafik der Visitenkartengestaltung auch für eine große Fensterbeschriftung, Schilder und KFZ-Beschriftungen genutzt werden. Hier wäre es geschickt, auch ein Halbtonbild so „aufzurastern", daß es im Anschluß auch geplottet werden kann. Die Graustufen werden dann einfach durch unterschiedlich dick angelegte Linien dargestellt. Die einzige mir bekannte ATARI-Software, die auch Graustufenbilder derart modifiziert und vektorisiert, ist „CutOut", eine Komplettlösung für den Plot-Betrieb (siehe: ST-Computer 3 u. 4/94).
Derartige Bilder können aber auch direkt im Calamus erzeugt werden. Im Rastergenerator des SL lassen sich die Rasterpunkte ja beliebig verändern, so daß wir ein Graustufenbild auch auf diesem Wege in eine Vektorvorlage bekommen können.
Zu diesem Zweck laden wir ein Graustufenbild und stellen im Rastergenerator die Punktverzerrung auf „0", bei einer geringen Rasterweite (diese ist von der Bildvorlage und dem gewünschten Ergebnis abhängig, also einfach ausprobieren. Im Beispiel war es eine Rasterweite von 12lpc, Winkel 135° bei 300dpi). Das Bild wird dann auf die Bildschirmgröße optimiert und, nachdem ein leerer Vektorgrafikrahmen über den zu vektorisierenden Ausschnitt gelegt wurde, mit dem Modul „Speed-Line“ vektorisiert. Dieses Verfahren klappt aber nur im Monochrommodus, da nur hier die für das Bild eingestellte Rasterung 1:1 darstellbar ist.