Linux - UNIX-kompatibles Betriebssystem

UNIX-kompatibles Betriebssystem für ATARI-Computer

Nachdem die ST-Computer bereits im Herbst letzten Jahres einen Überblick über die Entwicklung des Unix-kompatiblen Betriebssystems Linux für den ATARI gegeben hat, ist seit einiger Zeit der für viele entscheidende Meilenstein erreicht: Es gibt eine offizielle Version, die auch das X-Window-System als grafische Oberfläche umfaßt.

ATARI und AMIGA stellen die ersten und möglicherweise auch einzigen Plattformen mit Motorola-68K-Prozessor dar, für die Linux verfügbar ist. Die Entwicklung eines Linux für 68K-basierte Macintosh-Computer wurde offenbar eingestellt. Dies dürfte u.a. daran liegen, daß Hardware-Informationen fürdiese Plattform von Apple wie ein Augapfel gehütet werden, was die Entwicklung von Gerätetreibern für Linux natürlich sehr beeinträchtigt. Möglich, daß auch die Zahl der Mac-Anwender, die über ausreichende Programmierkenntnisse für ein solches Projekt verfügen, begrenzt ist. Die Grundlage für diesen Bericht stellt die ALD (ATARI Linux Distribution) dar, wie sie von delta labs media vertrieben wird. Die ALD beinhaltet neben den eigentlichen Linux-Binari-es, die sich auch in manchen Maus-Mailboxen und auf einigen ftp-Servern befinden, ein Installationsprogramm, mit dem sich die Installation des neuen Betriebssystems erleichtern läßt. Doch bevor die ALD und deren Lieferumfang unter die Lupe genommen wird, dürfen einige grundlegende Hinweise zur von Linux benötigen Hardware nicht fehlen.

Hardware-Voraussetzungen

Linux läßt sich nur auf Atari-Computern installieren, die mit einem 68030-Prozessor sowie einem Fließkomma-Coprozessor ausgerüstet sind. Ein ST scheidetdahervon vornherein aus, es sei denn, er wurde mit einer PAK/3 inkl. Coprozessor ausgestattet. In den Falcon läßt sich ein Coprozessor leicht nachträglich einsetzen, wobei die Wahl möglichst auf einen 68882 und nicht auf den langsameren 68881 fallen sollte. Solche Prozessoren sind inzwischen für weniger als 50 DM im Handel erhältlich. Nicht zuletzt aufgrund des niedrigen Preises für Coprozessoren sollte man nicht damit rechnen, daß es einmal ein Linux geben wird, das ohne einen Fließkomma-Coprozessor auskommt. Besitzer eines ATARI TT brauchen Sich über die Prozessoren erst gar keine Gedanken zu machen, da der TT von Hause aus alle Voraussetzungen für die Installation von Linux erfüllt.

Bleiben noch die Plattformen, die nicht auf ATARI-Hardware, sondern auf ATARI-kompatiblen Computern von Drittanbietern basieren, also die Medusa sowie der Eagle. Für beide Maschinen sind noch Software-Anpassungen im Gange, um Linux auch hier einsetzen zu können.

Falsche Vorstellungen machen sich viele Anwender über den Ressourcenverbrauch von Linux. Wer das System ernsthaft nutzen will, muß über mindestens 8 MByte Hauptspeicher verfügen. Beim Falcon ist eine Erweiterung des Speichers auf 8 MByte nicht ohne weiteres möglich. Von ATARI wurden lediglich die Ausbaustufen 4 MByte und 14 MByte vorgesehen. In Verbindung mit einer Fast-RAM-Karte lassen sich jedoch auch für den Falcon andere RAM-Konfigurationen realisieren. Diese Lösung bietet sich für Linux auch insofern an, als ein beschleunigter RAM-Zugriff gerade in Verbindung mit Linux mehr als empfehlenswert ist. Vor dem Kauf einer solchen Karte sollte man jedoch sicherstellen, daß diese von Linux unterstützt wird. Für manche Karten könnten spezielle Anpassungen erforderlich sein.

Die Festplatte schließlich sollte für eine Installation von Linux über zwei leere Partitionen verfügen, wobei eine Partition für die eigentlichen Daten gedacht ist und die zweite als Swap-Partitionfürdie Realisierung des virtuellen Speichers. Die Datenpartition sollte eine Kapazität von mindestens 150 MByte besitzen. Für die Swap-Partition gilt die Faustregel, daß sie drei bis viermal so groß sein sollte wie das physikalisch vorhandene RAM. Das ergibt also etwa 15 MByte für einen Falcon mit 4 MByte Hauptspeicher und ca. 50 MByte für Falcons, die mit 14 MByte Hauptspeicher ausgestattet sind. Diese Daten stellen natürlich nur grobe Anhaltspunkte dar. Natürlich läßt sich die Swap-Partition auch größer wählen, aber wer ständig deutlich mehr Hauptspeicher benötigt, als tatsächlich vorhanden ist, ernsthaft Gedanken über den Kauf einer Speichererweiterung machen.

Der Lieferumfang

Linux für den ATARI ist in Form der ALD (ATARI Linux Distribution) sowohl auf H D-Disketten als auch auf CD-ROM verfügbar. Wenn möglich, sollte man sich für die CD-ROM-Distribution entscheiden, da sich Linux von CD schneller und einfacher installieren läßt als von Disketten. Updates für die CD-Distribution erfolgen in der Art, daß die Original-CD eingeschickt werden kann und die neuen Daten in Form einer zusätzlichen Session auf der CD untergebracht werden. (Dies setzt natürlich voraus, daß man ein CD-ROM-Laufwerk besitzt, das Multisessionfähig ist.) Eine umweltfreundliche Lösung, die verhindert, daß eine überholte CD vorzeitig auf dem Müll landet. Allerdings wird sich dieses Verfahren in der Praxis nur bei geringen Stückzahlen durchführen lassen.

Die Disketten-Distribution der ALD ist in mehreren Varianten verfügbar. Die kleinste Ausbaustufe umfaßt das eigentliche Linux mit einer Vielzahl der Unix-üblichen Dienstprogramme, das X-Window-System X11R6 und den GNU-C-Compiler sowie einiges mehr und wird auf 30 HD-Disketten ausgeliefert. Weitere fertig compilierte Software-Pakete wie das Satzsystem TeX sowie Netzwerk-Software beinhaltet die größere Distribution, die die Grundlage für diesen Bericht bildet und aus immerhin 40 Disketten besteht.

Die Installation

Der erste Schritt der Installation von Linux erfolgt unter TOS. In einigen Dialogboxen lassen sich die grundlegenden Installationsparameter festlegen. Hierunter fallen u. a. die Auswahl der zu installierenden Programmpakete sowie die Festlegung der für Linux nutzbaren Festplatten-Partitionen. Dieser Punkt setzt allerdings einige Vorkenntnisse über die Datenorganisation unter TOS und Unix voraus. Wer hier unbedacht handelt und falsche Angaben macht, riskiert den Verlust von Daten auf den TOS-Partitionen. Es kann daher nur empfohlen werden, sich vor der Installation anhand Linux-spezifischer Literatur über die Grundlagen dieses Systems zu informieren. Bücher über dieses Thema gibt es reichlich für die PC-Variante von Linux, und die meisten Informationen dürften auch für die 68K-Distribution zutreffen.

Der letzte Schritt, der noch unter TOS erfolgt, ist die Installation des Linux Bootloaders ALILO. Dieser entnimmt einer Konfigurationsdatei die Daten, die später zum Starten des Systems, beispielsweise aus dem Autoordner, benötigt werden. Und nun wird es wirklich spannend, denn es wird zum ersten Mal ein rudimentäres Linux-System gebootet, unter dem dann der Rest der Installation vollzogen wird. Nachdem Linux die vorliegende Hardware analysiert hat, startet automatisch ein Script, das alle Daten der mitgelieferten Disketten auf die Festplatte überträgt. Bei dieser Operation ist viel Geduld gefragt, da das Laden der Daten von Floppy und das Auspacken der Archive einige Zeit dauert. Der Zeitaufwand für die Installation von Linux auf einem TT liegt je nach Zahl der zu installierenden Software-Pakete zwischen einer und zwei Stunden. Auf einem Falcon dauert es noch länger.

Wurde die letzte Diskette erfolgreich gelesen, ist Linux nach einem erneuten Boot-Vorgang endgültig startklar, und der langersehnte Login-Prompt erscheint.

Konsolen oder X

Ursprünglich handelte es sich bei Unix um ein Betriebssystem, bei dem die Ein- und Ausgabe von Daten nicht über eine grafische Oberfläche erfolgte, sondern über Textterminals. Vor einigen Jahren etablierte sich dann mit dem X-Window-System eine grafische Oberfläche, deren Quelltexte frei verfügbar sind. Daher dürfte X inzwischen auf jeder halbwegs modernen Unix-Plattform zu finden sein.

Bei einer Standardinstallation von Linux erfolgt das Einloggen noch über eines von mehreren virtuellen Textterminals, zwischen denen überdie Funktionstasten umgeschaltet werden kann. Xll läßt sich dann per Hand durch das Kommando startxaktivieren, was aber nur bei mindestens 8 MByte physikalischem Hauptspeicherempfehlenswert ist. Zwar läuft das X-Window-System auch mit nur 4 MByte RAM, aber da in diesem Fall bei wirklich, jeder Aktion ein umfangreiches Swapping(Auslagern von Daten auf die Festplatte) einsetzt, kann von einem halbwegs vernünftigen Arbeiten nicht die Rede sein.

Das Starten des X-Window-Systems läßt sich übrigens automatisieren, so daß das Login bereits in einem Xll-basierten Dialogfenster stattfindet. Wie sich Xll im einzelnen konfigurieren läßt, wird u. a. in [1] beschrieben.

Netzwerke

Bei Unix handelt es sich um ein Betriebssystem, das schon lange ausgezeichnet für die Vernetzung von Computern geeignet ist. So stehen auch unter Linux diverse Möglichkeiten zur Verfügung, den eigenen Computer mit anderen Rechnern zu koppeln. Die höchste Geschwindigkeit beim Datenaustausch bildet eine Vernetzung per Ethernet, wie es bei Unix-Systemen Standard ist. Preisgünstige Ethernet-Lösungen sind für den ATARI leider dünn gesät bis gar nicht vorhanden. Hinzu kommt, daß Linux für jede Ethernet-Hardware spezielle Treiber benötigt. Gut lachen haben TT-Anwender, die eine Riebel Ethernet-Karte für den VME-Bus besitzen. Diese Karten, die auch vom ATARI System V, Release 4 unterstützt werden, waren ursprünglich mit ca. 800,- DM recht teuer. Aus Restbeständen konnte man diese Karten vor einigen Monaten für ca. 300,- DM erwerben. (Wäre der Preis schon immer so vergleichsweise niedrig gewesen, wäre wohl ein großer Teil der TT-Anwender im Besitz einer Ethernet-Karte...) Die Datenübertragung über die Riebel-Karte läuft mit 150 bis 200 KB pro Sekunde ab, so daß einem sinnvollen Netzbetrieb (TCP/IP) nichts im Wege steht. Bei Redaktionsschluß war der Linux-Ethernet-Treiber für diese Karte in Arbeit, aber noch nicht fertiggestellt.

Für den Falcon ist bisher keine Ether-net-Lösung für Linux in Sicht, und man muß sich wahrscheinlich damit abfinden, daß sich daran auch in Zukunft nichts ändern wird.

Ethernet-Alternativen

Da ein ATARI nur selten mit einer Ethernet-Karte ausgestattet ist, kommt alternativen Lösungen zur Rechnervernetzung hier eine besondere Bedeutung bei. Zwar deutlich langsamer als Ethernet, dafür aber bei allen ATARIs verfügbar, ist die serielle Schnittstelle. Allerdings sollte man sich von vornherein darüber im klaren sein, daß man bei einer Vernetzung auf dieser Ebene schnell an eine Grenze stößt, wenn es um dje Übertragung von Daten im Rahmen umfangreicher Grafikoperationen geht, was bei der Benutzung interaktiver Grafikanwendungen häufig der Fall ist. Selbst mit ISDN-Modems, die gegenüber analogen Modems eine deutlich höhere Übertragungsrate bieten, hat man keine optimalen Voraussetzungen für grafikintensive interaktive Anwendungen im Netzbetrieb.

Die Einstellung der Host-Parameter

Dennoch läßt sich in Verbindung mit SLIP (Serial Line IP) oder PPP (Point to Point Protocol) auf serieller Basis eine recht brauchbare TCP/IP-Verbindung aufbauen, über die alle Unix-üblichen Netzwerkfunktionen zugänglich sind. Ein Wermutstropfen für den ATARI-Anwender: Bisher werden von Linux noch nicht alle seriellen Schnittstellen unterstützt. So lassen sich beim TTzur Zeit nur die „langsamen" seriellen Schnittstellen ansteuern, die über den MFP realisiert sind, nicht aber die schnellen SCC-Schnittstellen. Besonders ungünstig sieht es beim Falcon aus, da die einzige serielle Schnittstelle unter Linux noch nicht angesprochen werden kann.

Anmerkungen zur Geschwindigkeit

Wie schnell ist Linux für den ATARI denn nun? Diese Frage läßt sich kaum in Form der üblichen Benchmarks beantworten, da es keinegute Vergleichsbasis gibt. Ein Vergleich mit dem PC-Linux ist wenig sinnvoll, da die Plattformen zu unterschiedlich sind. Pauschal läßt sich sagen, daß ein 486er oder ein Pentium unter Linux deutlich schneller sind als ein ATARI. Wird die Rechenleistung der Intel-Prozessoren unter Microsoft Windows geschickt verschleudert, zeigt sich unter Linux, was wirklich in diesen Systemen steckt. Gewisse Aussagen über die Performance von Linux auf einem ATARI erlaubt lediglich ein Vergleich mit dem ATARI System V, Release 4, das ATARI für den TT entwickeln ließ, dann aber nicht mehr kommerziell ver-marktet hat. Rein subjektiv ließ sich kein nennenswerter Unterschied zwischen den beiden Unix-Derivaten feststellen.

Einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Arbeitsgeschwindigkeit hat die Bildschirmauflösung. Xll in Farbe mag ja sehr husch sein, aber eventuell wird man die monochrome Darstellung, besonders in der Auflösung TT hoch, vorziehen, um einen flüssigeren Bildaufbau zu erhalten. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Bildschirmausgabe unter Xll bei weitem nicht die Geschwindigkeit erreicht, die man von NVDI unter GEM gewohnt sein mag.

Kommerzielle Aspekte

Unix bietet einen schier unerschöpflichen Vorrat an frei zugänglicher Software, die meist in Form der C-Quelltexte verbreitet wird. Hin und wieder sind füreinige Plattformen auch Binärdateien zu finden, und gerade für Software, die unter Linux läuft, dürfte es sich bei Binaries um die bevorzugte Verbreitungsform handeln. Kommerzielle Produkte für Linux stellen bisher die Ausnahme dar. Im Gegensatz zum Linux für IBM-kompatible PCs, das schon seit geraumer Zeit verfügbar ist, liegt für 68K-Plattformen verständlicherweise noch keine kommerzielle Software vor. Inwiefern sich dies ändern wird, dürfte nicht zuletzt daran liegen, wie groß der Anwenderkreis für Linux 68K sein wird. Die Tatsache, daß mit einem Linux für 68K-Macs nicht mehr zu rechnen ist, dürfte sich in dieser Hinsicht negativ auswirken, da dies den Kreis der potentiellen Linux-68K-An-wender merklich einschränkt.

Ein interessantes kommerzielles Programmpaket, das es für das PC Linux bereits gibt, ist die weit verbreitete Motif-Bibliothek, die auf dem X-Toolkit aufsetzt und den Entwurf von Software mit grafischer Oberfläche erleichtert. Typische Motif-Anwendungen sind beispielsweise die Programme Mosaic und Netscape, bekannte Frontends (Browser) für das World Wide Web. Im Gegensatz zum PC-Sektor, wo solche Frontends auch unter OS/2 oder Windows verfügbar sind, fehlt ein Programm wie Mosaic unter GEM. Linux in Verbindung mit Motif wäre wohl die einfachste Lösung, eine komfortable WWW-Anbindung auch auf dem ATARI zu erreichen.

Linux und die ALD

Bei der Bewertung von Linux für den ATARI, wie es im Rahmen der ALD verfügbar ist, muß man unterscheiden zwischen der Software, die speziell für die ALD entwickelt wurde und nur bei delta labs media erhältlich ist, sowie Linux für den ATARI im allgemeinen.

Was die ALD angeht, fällt es damit nicht schwer, ein lauffähiges Linux auf seinem ATARI zu installieren. Lediglich über die Bedeutung von Dateisystemen unter Unix sollte man sich vor der Installation informieren, damit man in der Lage ist, eine sinnvolle Aufteilung seiner Festplatte in Linux-Datenbereiche vorzunehmen. Hier würde es nicht schaden, wenn die ALD entsprechende Hinweise in Form einer Textdatei enthalten würde. Die Binaries, die im Umfang der ALD enthalten sind, stellen eine gute Basis für den Aufbau eines Linux-Systems dar. Mit Xll, TeX, Emacs, Ghostscript und den restlichen Programmen des Lieferumfangs wird bereits ein recht breites Spektrum typischer Unix-Anwendungen abgedeckt, und genau das sollte das Anliegen für ein Paket zum Einstieg in Linux sein.

Altlasten

Unabhängig von der Bewertung der ALD zu beantworten ist die Frage nach der Qualität von Linux im allgemeinen. Kann Linux ein kommerzielles Unix ersetzen? Eine sinnvolle Antwort läßt sich hier wohl kaum geben, da der Nutzen von Linux in erster Linie von den Anwendungen abhängt, die man einsetzen will. Mein persönlicher Eindruck von Linux ist, daß bei der Entwicklung des Systems hier und dort der nötige Weitblick gefehlt hat. Zwar läßt sich mit den verfügbaren Binaries recht schnell ein funktionsfähiges Unix zusammenstellen, wer aber tiefer in die Materie einsteigen und selber Software für Unix entwickeln will, wird des öfteren mit Problemen konfrontiert, die es bei kommerziellen Unix-Portierungen nicht oder nur in seltenen Fällen gibt. Hin und wieder trifft man auf Altlasten, die daher rühren, daß Linux ursprünglich auf IBM-kompatiblen PCs entwickelt wurde. So ist beispielsweise das Mapping der Geräte am SCSI-Bus zu den Gerätedateien im /dev-Verzeichnis äußerst unglücklich gewählt, was man dann zu spüren bekommt, wenn eine zusätzliche SCSI-Platte angeschlossen oder eine Platte entfernt wird.

Ein weiterer Kritikpunkt an Linux ist, daß es sich weder um ein reines BSD-Unix noch um ein SVR4-Unix handelt. Bei diesen beiden Unix-Derivaten handelt es sich um diejenigen, die heutzutage die größte Verbreitung haben. Linux bewegt sich irgendwo zwischen diesen beiden Systemen, was dazu führt, daß sich einige der für Unix frei verfügbaren Programmpakete nicht immer ohne weiteres unter Linux compilieren lassen.

Die Entwicklung geht weiter

Linux für den ATARI hat inzwischen (aktuell ist Version 0.98) ein Stadium erreicht, in dem sich recht komfortabel mit diesem System arbeiten läßt. Für die Besitzer eines Falcon030 gilt , diese Aussage allerdings nur eingeschränkt, da der Falcon aufgrund der geringen Rechenleistung und Bildschirmauflösung sowie der Beschränkungen im Hauptspeicher keine ideale Plattform für Linux darstellt. Abhilfe schafft hier eventuell der Einsatz einer Beschleunigerkarte mit schnellem RAM. Für die Verwendung von Linux auf ATARI-Computern stellt der TT mit Großmonitor (Auflösung TT hoch) und mindestens 8 MByte Hauptspeicher eindeutig die sinnvollste Plattform dar. Sobald Linux auch auf der Medusa oder dem Eagle stabil läuft, stehen mit diesen Systemen weitere gut für Linux 68K geeignete Plattformen zur Verfügung. Eine wichtige Forderung im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Linux für den ATARI besteht darin, daß die noch fehlenden Gerätetreiber fertiggestellt werden müssen. Dies betrifft in erster Linie die restlichen Treiber für die seriellen Schnittstellen, ohne die eine Vernetzung des Falcon nicht möglich ist. Ohne daß solche grundlegenden Probleme gelöst sind, macht es wenig Sinn, nach einer GEM-Emula-tion unter Linux zu rufen, wie es hin und wieder der Fall ist. Bevor man sich Gedanken über irgendwelche Emulationen macht, muß zunächst einmal das emulierende System wasserdicht sein. Noch ist das bei Linux 68K aber nicht der Fall. So scheinen insbesondere die SCSI-Gerätetreiber noch nicht ganz ausgereift zu sein. Auch der Maustreiber hat noch seine Macken, werden doch hin und wieder Bewegungen der Maus als Tastendrücke fehlinterpretiert. Daß es sich hierbei um lösbare Software-Probleme handelt, beweist das System V für den TT, bei dem diese Effekte nicht auftreten.

Ohne Literatur läuft nichts

Wer nun neugierig geworden ist und sich näher mit Linux beschäftigen will, sollte sich zunächst Literatur über dieses System oder allgemein über Unix und Xll besorgen. Wie jedes Unix stellt auch Linux erhöhte Anforderungen an den Anwender, insbesondere wenn dieser auch für die Wartung des Systems zuständig ist. Über die Administration von Unix-Systemen kann man sich anhand spezieller Linux-Literatur informieren oder auch mit Literatur allgemeiner Art [2]. Nicht nur was den erhöhten Wartungsaufwand angeht, läßt sich Unix absolut nicht mit TOS vergleichen. Linux ist nicht als ErsatzfürTOS geeignet und erhebt auch'gar nicht diesen Anspruch. Es handelt sich um ein interessantes, eigenständiges Betriebssystem für alle, die sich privat mit Unix beschäftigen wollen oder im Rahmen des Studiums sowie beruflich damit in Kontakt kommen. Aufgrund des Umfangs des Themenkomplexes Unix ist es nicht möglich, dieses Betriebssystem im Rahmen einiger Artikel auch nur annähernd erschöpfend zu beschreiben. Für Unix-Anwender und solche, die es werden wollen, ist es daher absolut unumgänglich, sich Literatur über dieses Betriebssystem zu besorgen und sich über einen längeren Zeitraum einzuarbeiten. Wer nicht dazu bereit ist, sollte auf die Installation von Linux verzichten. Aktuelle Informationen und Hilfestellungen zu Linux für den ATARI erhält man jederzeit in den ATARI-Gruppen des Mausnetzes, insbesondere in Linux-68k. In dieser Gruppe ist auch ein großer Teil der Programmierer zu finden, die sich um die Weiterentwicklung des ATARI-Linux kümmern. Wer noch kein Modem besitzt, sollte es sich spätestens zusammen mit Linux zulegen, um Ansprechpartner bei Problemen mit diesem Betriebssystem zu haben.

Der Konkurrent: NetBSD

Zu guter Letzt darf der Hinweis nichtfehlen, daß Linux offenbar nicht das einzige Unix ist, das seinen Weg von der PC-Plattform zum ATARI gefunden hat. Inzwischen liegt auch eine Net-BSD-Portierung für den ATARI vor, allerdings noch ohne X-Window-System. Auch hier handelt es sich um eine nicht kommerzielle Unix-Portierung. Leider war es bis zum Redaktionsschluß nicht mehr möglich, NetBSD näherzu begutachten. Wer einen Internet-Zugang besitzt, kann sich dieses Paket jedoch von verschiedenen ftp-Servern besorgen und es selber mit Linux vergleichen.

US

Bezugsquelle für die ALD (ATARI Linux Distribution):

Preise:
CD-ROM (Multisession): 98 DM
HD-Disketten-Version, Standard (30 Disketten): 98 DM
HD-Disketten-Version, Extended (40 Disketten): 129 DM

Literatur:

[1] Valerie Quercia, Tim O'Rellly, „X Window System User's Guide", O'Reilly & Associates, Inc.
[2] Frisch, „Essential System Administration", O'Reilly & Associates, Inc.



Aus: ST-Computer 10 / 1995, Seite 28

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