N.AES - Die Wiederbelebung von MultiTOS

Lange hat man darauf gewartet, nun ist es endlich soweit: Mit N.AES ist ein weiteres Multitasking-Betriebssystem für den ATARI verfügbar. N.AES zeichnet sich durch eine besondere Eigenschaft aus: Es ist voll MiNT/MultiTOS-kompatibel und erlaubt es daher, auf alle Anwendungen zurückzugreifen, die speziell für die Unix-ähnliche Multitasking-Umgebung von MiNT geschrieben wurden.

Wir erinnern uns: Vor einigen Jahren erblicke der GEMDOS-Aufsatz MiNT (MiNT Is Not TOS) des Kanadiers Eric Smith das Licht der (ATARI-)Welt. Mit MiNT war es erstmals möglich, den ATARI in ein System mit präemptivem Multitasking zu verwandeln. Wenn auch MiNT lediglich ein Multitasking auf GEMDOS-Ebene verwirklichte, GEM-Applikationen also nicht parallel laufen konnten, fand es schnell viele Anhänger. Dazu beigetragen hat sicherlich, daß die Entwicklung von MiNT nicht hinter verschlossenen Türen stattfand, sondern von dem im Internet üblichen Meinungsaustausch begleitet wurde. Zudem waren und sind die Quelltexte von MiNT für jedermann zugänglich. Nachdem bei ATARI offenbar niemand in der Lage war, ein eigenständiges Multitasking-TOS auf die Beine zu stellen, machte man aus der Not eine Tugend. Es fiel die Entscheidung, MiNT als Basis für ATARIs MultiTOS („MTOS“) zu verwenden. Eric Smith wurde Mitarbeiter bei ATARI, hat die Firma vor einiger Zeit aber wieder verlassen, wie auch alle anderen Mitarbeiter, die an der Entwicklung von TOS beteiligt waren.

Während Eric bei ATARI arbeitete, entstanden wichtige Teile das MultiTOS AES, das in Verbindung mit MiNT präemptives Multitasking auch in Verbindung mit grafischen Anwendungen erlaubte. Die erste Version von MultiTOS mit AES 4.0 konnte die meisten Anwender allerdings kaum überzeugen, da die Stabilität zu wünschen übrig ließ und die Geschwindigkeit der grafischen Oberfläche insbesondere auf einem ATARI ST keine Freude auf-kommen ließ. Einige Verbesserungen gab es beim AES 4.1, dessen Entwicklung allerdings nur noch halbherzig vorangetrieben wurde und lediglich in Betaversionen von MultiTOS das Licht der Welt erblickte.

MiNT und MagiC

Wie bereits angesprochen, krankte das MultiTOS AES von ATARI an mangelnder Stabilität und Geschwindigkeit. Zwar lassen sich Geschwindigkeitseinbußen beim Umstieg auf eine Multitasking-Umgebung nur selten vermeiden, aber wenn ein Betriebssystem auf dem ATARI ST, der von allen ATARI-Computern die größte Verbreitung hat, nicht mehr sinnvoll einsetzbar ist, hat es keine großen Marktchancen. Daß es sogar möglich ist, trotz Multitasking eine Geschwindigkeitssteigerung zu erzielen, zeigt das Betriebssystem MagiC, das auch für Apple-Computer und demnächst auch für IBM-kompatible PCs verfügbar ist. Selbst wer für sich keinen Bedarf sieht, mehrere Anwendungen parallel laufen zu lassen, profitiert von MagiC insofern, als daß es die Rechenleistung eines ATARI ausgezeichnet ausnutzt und zu einer Beschleunigung aller Anwendungen führt.

Ein seit jeher kritisierter Nachteil von MagiC: Es ist zwar in vielen Punkten kompatibel zum Gespann MiNT/ MultiTOS, aber die Ähnlichkeiten reichen nicht aus, um hinsichtlich der Unix-Kompatibilität und der Vernetzungsmöglichkeiten mit MiNT zu konkurrieren. Einerseits fehlen unter MagiC diverse MiNT-kompatible Systemaufrufe, andererseits verfolgt MagiC in einigen Bereichen eine andere Philosophie als MiNT, was ebenfalls zu Inkompatibilitäten führt. Diese Situation stellt nun schon seit Jahren einen guten Nährboden für zum Teil hitzige Diskussionen um die Vor- und Nachteile von MultiTOS und MagiC dar.

Zweite Chance für MultiTOS

Mit N.AES schickt sich nun die Berliner Firma OverScan an, den MultiTOS-Markt neu zu beleben. Das Image, das N.AES erhalten soll, bringen die Labels zu den drei DD-Disketten auf den Punkt, auf denen N.AES zusammen mit einigen Tools ausgeliefert wird: „N.AES -Das schnelle MTOS“. Man zielt also nicht so sehr auf eine direkte Konkurrenz zu MagiC ab als vielmehr auf eine Verbesserung von MultiTOS. Dennoch wird sich N.AES auch an MagiC messen müssen.

MiNT liegt N.AES in einer mit Pure C compilierten Version 1.12, bei und zwar sowohl als Compilat für den 68000-Prozessor als auch in einer speziellen Version für den 68030, die somit nur auf dem TT, Falcon und ST mit PAK/3 lauffähig ist. Diese Version unterstützt auch den MiNT-Speicherschutz-Mechanismus (Memory Protection), der auf der Nutzung der PMMU (Paged Memory Management Unit) des 68030 basiert. Ein Handbuch zu N.AES war bei Redaktionsschluß noch nicht verfügbar, so daß lediglich auf mitgelieferte Hypertext-Hilfen im ST-Guide-Format und die Dokumentationen zu MiNT und MultiTOS zurückgegriffen werden konnte, wenn es um weiterführende Informationen ging.

Die Dateiauswahlbox von N.AES

Um die Praxistauglichkeit von N.AES zu bewerten, kam es anstelle von MagiC auf einem ATARI TT zum Einsatz. Dabei wurde MagiC kurzerhand durch N.AES ersetzt. Als Desktop diente das Programm „Thing", das in einer speziellen, nur unter N.AES lauffähigen Version, im Lieferumfang von N.AES enthalten ist. Es lassen sich allerdings auch die „normale" Version von Thing sowie andere Desktops verwenden. Lediglich auf den Standard-Desktop des ATARI muß verzichtet werden.

Copy and Play

Die Installation von N.AES ist schnell abgeschlossen. Es genügt, die Inhalte der mitgelieferten Disketten auf die Festplatte zu kopieren. Nach erneutem Booten ist N.AES einsatzbereit. Die charakterischen Erscheinungsmerkmale dieses Systems: In jedem Fenster erscheint oben links in kleiner Schrift optional der Name der Anwendung, zu der dieses Fenster gehört. Eine nette Idee. Außerdem präsentiert sich das AES auch in den monochromen Grafikmodi mit dem vom Falcon030 her bekannten 3D-Look. Im Vergleich zur althergebrachten TOS-Systemumgebung fällt sonst eigentlich nur auf, daß sich in der Menüleiste unterhalb der Einträge für die Accessories ein weiterer Bereich befindet, der alle Anwendungen auflistet, die dem AES bekannt sind. Der Wechsel zwischen zwei Anwendungen kann auf mehreren Wegen erfolgen: Durch einen Mausklick in ein Fenster, über die soeben erwähnte Menüleiste oder durch die gleichzeitige Betätigung der Tasten [Tab][Control][Alternate]. In diesem Fall läßt sich zyklisch zwischen den Anwendungen umschalten.

Als Dateiauswahlbox liegt N.Fsel bei, das auch in der Lage ist, lange Dateinamen anzuzeigen. Wichtig ist dies dann, wenn man ein MiNT-kompatibles XFS (eXtended File System) installiert hat, das solche Dateinamen unterstützt. Dies ist bei dem bekannten Minix-File-System der Fall, das nicht nur für den ATARI unter MiNT, sondern auch für andere Computerplattformen existiert. Da der Thing-Desktop ebenfalls lange Dateinamen unterstützt, sollte man meinen, daß Namen mit nur 8+3 Zeichen bald der Vergangenheit angehören dürften. Leider kommen aber viele Anwendungen für den ATARI mit den langen Namen nicht klar, so daß hier schon seit Jahren großer Nachholbedarf besteht.

Was nach der Installation von N.AES schnell negativ auffiel: Der schnelle Dateikopierer Kobold 3 ließ sich nicht zur Zusammenarbeit überreden. Als Programm zum Kopieren und Löschen von Dateien angemeldet, erledigte Kobold zwar zunächst die ihm übertragenen Aufgaben, nach deren Ausführung war das System aber grundsätzlich blockiert. Welches der beteiligten Programme verantwortlich für diesen Effekt war, ließ sich nicht klären. Dann, wenn es um lange Dateinamen geht, scheidet der Kobold übrigens von vornherein als Software zum schnellen Kopieren von Dateien aus, da er lange Namen nicht unterstützt.

Konfigurierung

Das Verhalten von N.AES bzw. MiNT läßt sich, wie schon bei MultiTOS, durch eine Vielzahl von Einstellungen verändern. Im Gegensatz zu MagiC lassen sich die Prioritäten der einzelnen Prozesse nicht nur global, sondern auch individuell einstellen. Interessant dürfte dies jedoch in erster Linie für den fortgeschrittenen Anwender sein, der sich der tieferen Zusammenhänge bewußt ist. Die Verteilung der Rechenzeit erfolgt bei N.AES durch spezielle Software oder durch Einstellungen in Konfigurationsdateien. Bei MagiC ist ein CPX für die systemglobale Einteilung der Zeitscheiben zuständig. Ist dieser Weg auch weniger flexibel als bei N.AES, dürfte er für die meisten Anwender überschaubarer sein.

Auch einige andere Einstellungen erfolgen bei MagiC über ein CPX, bei N.AES dagegen muß auch hier der Texteditor zum Ändern von Konfigurationsdateien herhalten. Wer sich hier nicht sicher fühlt, übernimmt am besten die Voreinstellungen des Systems und versucht erst gar nicht, Änderungen herbeizuführen. Zukünftige Versionen von N.AES sollen übrigens mit einem Tool ausgeliefert werden, das eine komfortablere Möglichkeit zur Konfigurierung bietet.

Geschwindigkeit und Speicherbedarf

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß ein Grund für die schlechte Akzeptanz von MultiTOS dessen unbefriedigende Geschwindigkeit gewesen ist. Zwar fordert hier bereits MiNT gewisse Zugeständnisse, aber diese sind vergleichsweise moderat zu dem, was das MultiTOS AES an Rechenleistung kostete. Unter N.AES sieht das schon besser aus. Verglichen mit MultiTOS ist die grafische Oberfläche spürbar schneller, der Fensteraufbau sehr viel flüssiger. Drastisch formuliert: Unter N.AES läßt sich arbeiten, bei MultiTOS mußte man dies in Frage stellen, wenn man nicht gerade im Besitz eines TTs ist.

Natürlich darf auch der Vergleich zu MagiC nicht fehlen. Dieser zeigt, daß mit N.AES das Optimum an Geschwindigkeit nicht erreicht wird. Offenbar wurden bei MagiC alle Register der Optimierung gezogen. Eine Rolle spielen dürfte dabei auch, daß sich MagiC als in Assembler geschriebenes System naturgemäß besser optimieren läßt, als dies ein C-Compiler vermag. Im Test wurden beide Systeme in Verbindung mit NVDI eingesetzt, das in jedem Fall zu empfehlen ist, um keine Geschwindigkeit beim Grafikaufbau zu verschenken.

Was den Bedarf an Hauptspeicher angeht, benötigt N.AES, den Desktop nicht mitgerechnet, ca. 450 KB. Je nach Desktop kommen noch einige 100 KB hinzu, für Thing erneut ca. 450 KB. Gegenüber einer Standardinstallation von TOS ohne alternatives Desktop steigt der Hauptspeicherbedarf also um eine Größenordnung von einem MByte. Eine Systemumgebung mit Accessories erforderte für N.AES und Thing ca. 130 KB mehr Hauptspeicher als für MagiC mit Thing. Da sich ohnehin nur bei mindestens 4 MByte Hauptspeicher mehrere Anwendungen durchschnittlicher Größe sinnvoll nebeneinander betreiben lassen, dürfte dieser Mehrbedarf nur eine untergeordnete Rolle spielen. Immerhin besteht unter MagiC die Möglichkeit, den vom Speicherbedarf her sehr genügsamen MagXdesk einzusetzen, der unter N.AES jedoch nicht verwendet werden kann.

Zwei Ansätze für den Speicherschutz

Ein hervorstechendes Merkmal von MiNT, das somit auch N.AES zum Vorteil gereicht, ist der optionale Speicherschutz, der allerdings nur bei ATA-Rls mit 68030-Prozessor zur Verfügung steht. Der 68030 bietet durch seine PMMU die Möglichkeit, die von den verschiedenen Anwendungen belegten Speicherbereiche gegeneinander abzuschotten. Dadurch lassen sich sehr wirkungsvolle Mechanismen zur Verhinderung von Systemabstürzen realisieren. MiNT nutzt die speziellen Eigenschaften des 68030 dafür, Schreibzugriffe einer Anwendung auf den Speicherbereich einer anderen Anwendung zu unterbinden. Illegale Zugriffe führen dazu, daß die dafür verantwortliche Anwendung sofort nach dem Verursacherprinzip mit einer Fehlermeldung beendet wird. Alle anderen Anwendungen laufen dagegen in der Regel unbeeinflußt weiter. Ein Systemabsturz, wie er in solchen Fällen unter TOS üblich ist, läßt sich so oft abwenden.

MagiC bietet auch einen Schutzmechanismus gegen Speicherverletzungen an, der allerdings ein gänzlich anderes Konzept verfolgt. Nicht die PMMU kümmert sich um den Speicherschutz, sondern MagiC nimmt von sich aus regelmäßig gewisse Überprüfungen vor, inwiefern die Verteilung der Speicherblöcke korrekt ist. Bei Fehlern erscheint eine Warnung auf dem Bildschirm, und die betroffene Anwendung wird abgebrochen. Es besteht die Option, den aufgetretenen Fehler von MagiC reparieren zu lassen, so daß die noch laufenden Anwendungen weitergeführt werden können. In der Praxis ist eine Reparatur allerdings nicht immer möglich und ohnehin mit Risiken verbunden. Der Griff zum Reset-Knopf ist daher in solchen Fällen zu empfehlen.

Der Vorteil des von MagiC benutzten Verfahrens: Es läßt sich auf allen ATA-Rls einsetzen, also nicht nur auf solchen mit einem 68030-Prozessor. Der Nachteil: Es ist weniger wirkungsvoll als der Speicherschutz von MiNT durch die PMMU und „bestraft“ nicht die Anwendung, die den Fehler verursacht hat, sondern diejenige, die Opfer des illegalen Speicherzugriffs war. Somit eignet sich der Speicherschutz von MiNT ausgezeichnet dazu, Fehler in eigenen Programmen aufzuspüren.

Der Speicherschutz schlägt zu

Der Versuch, N.AES bei aktiviertem Speicherschutz zu verwenden, war zunächst von einem Mißerfolg begleitet. Das System verabschiedete sich gleich nach dem Booten mit einer Speicherverletzung. Als Ursache ließen sich der mitgelieferte ST-Guide sowie ein CPX identifizieren. Eigentlich sollte es nicht passieren, daß ein Programm im Lieferumfang von ST-Guide das System zum Absturz bringt. Hier ist Abhilfe erforderlich. Ansonsten ist zum Speicherschutz zu sagen, daß eine ganze Reihe von Programmen daran scheitert, was ein untrüglicher Hinweis auf Fehler in diesen Programm ist. Unter TOS fällt solche Software in der Regel nur deshalb nicht negativ auf, weil sie sich hier nicht den Speicher mit anderen Anwendungen teilen muß, sieht man einmal von den Accessories und den Programmen im Autoordner ab. In der Praxis wird man unter N.AES also häufig auf den Speicherschutz verzichten müssen, um mit den gewohnten Programmen arbeiten zu können.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, daß ein Speicherschutz auf dem ATARI, egal wie er realisiert sein mag, in der Praxis nur einen bedingten Schutz bieten kann. Dies hängt damit zusammen, daß wichtige, vom Betriebssystem benötigte Informationen, allen Anwendungen gemeinsam sind. Werden diese Daten zerstört, sind die Folgen für jedes Programm spürbar und das Resultat kann der Absturz des kompletten Systems und nicht nur einer einzigen Anwendung sein. In jedem Fall ist ein Betriebssystem mit Speicherschutz jedoch ein wichtiger Schritt in Richtung Systemstabilität. Optimal gelöst ist der Speicherschutz per PMMU übrigens unter Unix. Hier sind die Adreßräume der einzelnen Programme vollständig getrennt. Auf diesem Weg ist sichergestellt, daß eine Anwendung lediglich eigene Daten verändern kann, aber niemals Daten anderer Anwendungen oder gar des Betriebssystems. Nicht umsonst laufen Unix-Workstations Wochen oder gar Monate ohne Systemabsturz. Unter TOS läßt sich ein solch perfekter Schutz leider nicht realisieren, da er zu schwerwiegenden Inkompatibilitäten führen würde.

MiNT-Kompatibilität

Obwohl es hier primär um N.AES geht, ist oft auch von MiNT die Rede - und das aus gutem Grund. Wie schon das MultiTOS AES ist auch N.AES untrennbar mit MiNT verbunden. Somit „erbt“ N.AES sowohl die Vorteile als auch die Nachteile, die MiNT haben mag. Als Nachteil ist zu werten, daß MiNT das GEMDOS des ATARI nicht vollständig ersetzt und daher gewisse Altlasten mit sich schleppt. MiNT ist somit auch in Verbindung mit N.AES nicht als vollwertiges Betriebssystem anzusehen, sondern als eine Systemerweiterung. MagiC dagegen übernimmt die Steuerung des ATARI vollständig, wie es für ein eigenständiges Betriebssystem üblich ist. Die bei MagiC, verglichen mit dem Gespann MiNT/N.AES, weniger strenge Trennung zwischen GEMDOS und AES läßt sich sowohl als Stärke als auch als Schwäche sehen. Die Bewertung hängt hier sehr vom Blickwinkel ab. Zweifellos führt die engere Verzahnung der verschiedenen Systemebenen unter MagiC, zur verglichen mit N.AES, höheren Geschwindigkeit. Andererseits dürfte die weniger ausgeprägte Trennung der Systemschichten der Grund dafür sein, daß MagiC nicht alle Eigenschaften besitzt, die man sie bei MiNT findet.

N.AES ist nicht nur zu MiNT kompatibel, sondern auch zum AES 4.1 der letzten MultiTOS-Betaversionen. In seiner praktischen Bedeutung sollte man diesen Punkt allerdings nicht überbewerten, da nur sehr wenige Anwendungen bekannt sind, die Eigenschaften des AES 4.1 wie beispielsweise Submenüs ausnutzen. Dies liegt ganz einfach daran, daß solche Anwendungen nur unter N.AES und vielleicht noch unter MagiC einsetzbar wären, nicht aber unter TOS. Das kann natürlich nicht im Interesse der Programmierer und Anwender liegen. ATARI hatte leider versäumt, das AES 4.1 in Form nachladbarer Routinen auch für TOS frei verfügbar zu machen. Nur so hätte man eine breite Basis an Anwendungen für das AES 4.1 des MultiTOS schaffen können. Mit N.AES kann dies in einem zweiten Anlauf glücken, aber nur dann, wenn die neuen AES-Aufrufe in Form nachladbarer Routinen frei verfügbar gemacht werden. Die Autoren von MagiC zeigten in diesem Zusammenhang bereits Weitsicht, indem sie einige Routinen von MagiC auch als Programme für den Autoordner verfügbar machten, die unter TOS nachgeladen werden können und jedem Anwender auch ohne MagiC zur Verfügung stehen.

N.AES im Schnellverfahren

Die Bilanz nach wenigen Tagen N.AES ist im großen und ganzen positiv. Von kleineren Mängeln abgesehen, zeigte sich N.AES für eine Software in der Version 1.00 erstaunlich ausgereift und vor allen Dingen stabil. Dies läßt sich zum Teil sicherlich dadurch erklären, daß in MiNT als wichtigem Bestandteil des N.AES-Pakets bereits mehrere Jahre Entwicklungszeit eingeflossen sind. Obwohl die Quelltexte zu MiNT weiterhin frei verfügbar sind, ist die Weiterentwicklung hier allerdings nahezu eingeschlafen. Es bleibt zu hoffen, daß N.AES für eine Belebung sorgt.

N.AES als schnelles MultiTOS zu bezeichnen ist durchaus gerechtfertigt. Das Programm beweist erneut, daß der ATARI durchaus eine für Multitaskinggeeignete Plattform darstellt, sofern ausreichend Hauptspeicher verfügbar ist. Die Austauschbarkeit von MagiC und N.AES, wie sie im Rahmen dieses Tests möglich war, ist als ein positives Zeichen zu werten. Es zeigte sich, daß die meisten Programme sowohl unter N.AES als auch unter MagiC einwandfrei ihren Dienst verrichten. Lediglich bei älteren oder unsauber programmierten Applikationen muß mit Problemen gerechnet werden, die allerdings nicht den Multitasking-Systemen anzurechnen sind.

Fazit

Unterm Strich erhält der Anwender sowohl mit MagiC als auch mit N.AES ein brauchbares Multitasking-Betriebssystem. Die Unterschiede, die ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten eines bestimmten Systems sein können, sind recht gut auszumachen. Bei MagiC sticht besonders die hohe Geschwindigkeit hervor. Diese wird durch sehr gut optimierten Code erreicht sowie durch einzigartige Leistungsmerkmale wie nicht blockierende Datenübertragungen bei Zugriffen auf Festplatten oder Floppies und schnelle Schnittstellenansteuerung. Ferner werden zukünftige Versionen von MagiC Windows95-kompatible Dateisysteme mit langen Dateinamen unterstützen, was wichtig für den Datenaustausch zwischen der ATARI- und der PC-Weit werden dürfte. N.AES dagegen bietet die Kompatibilität zu MiNT bzw. MultiTOS, was u. a. die Nutzung des Minix-Filesystems und die Verwendung einer Reihe von Unix-System-Tools ermöglicht. Diese beide Punkte dürften vor allen Dingen für Programmierer relevant sein. Wer vorhat, seinen ATARI zu vernetzen, wird durch MiNT ebenfalls von N.AES profitieren. Dieser Punkt ist für Programmierer und Anwender gleichermaßen interessant. Lange Dateinamen werden von N.AES ebenfalls unterstützt und zwar in Form des Minix-Dateisystems, das sich am Unix-Sektor orientiert.

Das Upgrade von MultiTOS auf N.AES ist für 59,- DM zu haben, Neueinsteiger erhalten N.AES für 99,- DM. Auch wenn N.AES erst seit kurzem verfügbar ist, scheint eines bereits sicher zu sein: MagiC ist mit N.AES eine ernsthafte Konkurrenz entstanden, und so etwas belebt bekanntlich das Geschäft.

US

Bezugsquelle für N.AES:
OverScan
Elbestr. 28-29
12045 Berlin
WW: http://www.overscan.com

N.AES.

Positiv:

Negativ:

Multitasking wie und warum?

Auch wenn ein Multitasking-System oft nur dazu genutzt wird, mehrere Anwendungen parallel zu starten und per Mausklick zwischen ihnen umschalten zu können, steckt einiges mehr hinter dem Multitasking-Konzept. So läßt sich ein Computer sehr viel effektiver nutzen, wenn eine längere Datenübertragung per Modem im Hintergrund ablauft, während im Vordergrund weitergearbeitet werden kann. Blockiert die Datenübertragung dagegen andere Anwendungen, wie es ohne Multitasking der Fall ist, ist dies als eine unnötige Behinderung des Anwenders zu werten.

Sowohl MiNT/N.AES als auch MagiC unterstützen das sogenannte präemptive Multitasking. Hier wird vom Betriebssystem dafür gesorgt, daß jede Anwendung periodisch Rechenzeit in Form von Zeitschreiben zugeteilt wird. Die Größe dieser Zeitscheiben läßt sich konfigurieren, wobei in der Regel sinnvolle Standardeinstellungen aktiv sind. Präemptives Multitasking stellt im Gegensatz zum Kooperativen Multitasking sicher, daß jede Anwendung Rechenzeit erhält imd nicht durch andere Programme blockiert wird. Beim kooperativen Multitasking, wie es beispielsweise bei Apple-Computern Verwendung findet, liegt es in der Hand jeder einzelnen Anwendung, ob diese nicht benötigte Prozessorleistung an andere Programme abgibt.



Aus: ST-Computer 06 / 1996, Seite 34

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