Texteditoren im Vergleich

Manch einer mag jetzt vielleicht einwenden, dass es aus diesem Bereich nichts Neues zu vermeiden gäbe. Befürchtungen dieser Art haben sich -zum Glück-nicht bestätigt.

Getestet wurden die folgenden ATARI-GEM-Editoren in alphabetischer Folge:

7up 2.32

(Shareware von Michael Thänitz) Es ist das älteste der vorgestellten Programme und teilweise nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand, denn es kennt kein Iconify von Gem-Fenstern und kommt auch nicht mit langen Dateinamen zurecht. Sonst ist es allerdings erstaunlich modern. Als Editor arbeitet das Programm einwandfrei und ist absolut stabil.

Die Menüs von 7up: Datei, Bearbeiten, Suchen, Rechnen, Modus, Makro, Fenster und Optionen

"Datei" 3 Menüpunkte gefallen gut: Pickliste, Seitenlayout und Drucken

Die Pickliste ist - außer für Neueinsteiger - selbsterklärend. Bereits aufgerufene Dateien können aus einer Liste "herausgepickt" werden. Eine sehr sinnvolle Programmoption, die leider nicht überall Standard ist. Die Menüs "Seitenlayout" und "Drucken" bedürfen keiner Erklärung. Sie sind sauber programmiert, gut durchdacht und übersichtlich. Es gibt unter anderem Radio-Buttons, Popup-Menüs etc. in GEM-Fensterdialogen mit Shotcuts. Eine Auswahl zwischen dem Ausdruck über GDOS oder G EM DOS ließe sich noch integrieren. Sonst ist aber alles wirklich gut gelungen.

"Bearbeiten" Cut, Copy und Paste sind Standard, aber clever sind folgende Funktionen: "Groß <> Klein", "Alles Groß", "Alles Klein" und "Kapitälchen". Auf sie wurde viel Mühe verwandt.

"Suchen" Hier ist traditionell "Suchen & Ersetzen" beheimatet, so auch bei 7up. Über den Standard-Funktionsumfang hinaus geht das "Suchen in Dateien", das sehr praktisch ist. Dies gibt es sonst nur als Einzelprogramm. Zu den Menüs "Rechnen" und "Makros" ist nicht viel zu sagen. Unter den Makros können sogar die "Shortcuts" während des Programmlaufs editiert, sofort übernommen und bei Bedarf den eigenen Bedürfnissen angepaßt werden. Weitere Menüpunkte sind "Fenster" und "Optionen". Unter "Optionen" stehen zweitolle Features zur Verfügung: "Textpreview" und "Klammercheck". Letzteres ist beispielsweise für "C/C++"-Programmierer interessant.

Lieferumfang von 7up Bleibt noch zu klären, welches Softwarepaket man durch den Erwerb von 7up erhält:

7up-Start Multitasking-Utility, um mehrfache Starts unter MultiTOS & MagiC zu vermeiden

Album ein Deskaccessory zur Archivierung von Klemm Brettdateien

Calclock erlaubt das Drucken von Dateien im Hintergrund

ST Guide-Help-File, Menüshortcuts TeX-Anleitung von 7up

Fazit: Eine gut durchdachte und sauber programmierte GEM-Oberfläche und ein absolut stabiles Programm. Auch die Unterstützung von NVDI & Speedo ist gut implementiert, der User hat Zugriff auf diverse Fonts. Lange Dateinamen, Iconify und Drucken wahlweise über GDOS oder GEMDOS fehlen. Note für 7up: gut

Everest 3.6

(Oliver Schmidt) Everest hat eine etwas veraltete GEM-Oberfläche und nicht allzu viele Features. Moderne und durchdachte Dialoge in GEM-Fenstern mit 3-D-Look fehlen, aber zumindest Shortcuts sind implementiert. Dass es dem Anwender im Zeitalter von MagC, MultiTOS, Geneva etc. veraltete "Fly Dials" zumutet, müsste eigentlich nicht sein. Die GEM-Fenster, in welchen sich der zu editierende Text befindet, sind modern mit Iconify ausgestattet. Lobenswert ist die Einbindung des SE-Protokolls. Nur die Dialoge sind nicht mehr zeitgemäß. Erstaunlich, dass es beim Drucken nach der G DOS-Device-Nummer fragt, falls der Anwender die Ausgabe nicht standardmäßig über GDOS-Device 21 tätigen möchte. Dies ist eine Frage für Freaks und müsste eigentlich nicht sein.

Lieferumfang: Everest mit implementiertem SE-Protokoll Das SE-Protokoll - SE steht für Shell-Editor - soll dazu dienen, unter Multitasking die Verbindung zwischen parallel laufender Shell und Editor herzustellen.

Fazit: Everest läuft im Alltag völlig stabil und sauber. Das Programm ist auf jeden Fall nicht schlecht. Einer der Vorteile ist z.B., dass es mit seinen 143 KB unheimlich schlank programmiert ist und daher auch auf Rechnern mit geringem RAM-Speicher ohne Bedenken eingesetzt werden kann. Da sich die Anforderungen an einen Editor jedoch zwangsläufig aus dem Vergleich mit Konkurrenzprodukten ergeben, reicht es "nur" für ein befriedigend. Eine Modernisierung, und zwar rundherum, würde dem Programm wirklich nicht schaden. Note für Everest: befriedigend plus

JAnE 1.52

(Harald Becker) JAnE steht für Just Another Editor. Ganz bescheiden. Aber es ist nicht irgendein Editor, sondern ein exzellenter Editor. Das Release ist absolut aktuell - vom 30. März 1997 - und wirklich gut. Das Programm ist die Nutzungsgebühr von 50,- DM zweifelsohne wert. Das GEM-Interface von JAnE 1.52 ist einfach Spitze. Es ist im modernen 3-D-Look, alle Dialoge sind in sauberen GEM-Fenstern und durchgängig mit Shortcuts zu bedienen, dazu ordentlich und übersichtlich aufgebaut. Da macht das Arbeiten Freude.

"Datei" Die Dateien können als ASCII oder binär geöffnet oder gesichert werden. Ein kluge und praktische Idee. Angenommen, Sie möchten ein eigenes Programm serialisiert ausliefern - beispielsweise an zehn Anwender - würden Sie da Seriennummern-Tools schreiben? Wohl kaum. Lieber stecken Sie die Zeit in das eigentliche Programm und ersetzen den Schlüssel manuell, indem Sie das File binär öffnen, den Text ändern und wieder sichern. JAnEs Druckfunktion zählt zum Besten, was auf dem ATARI-Sektor in Sachen GEM-Editor zu finden ist. Alles ist sauber in GEM eingebunden und absolut benutzerfreundlich. Der Anwender muss nicht wissen, welche GDOS-Nummer ein Ausgabegerät hat oder wüßten Sie diese auf Anhieb? JAnE 1.52 ist zwar "nur" ein Editor, aber die Qualität des Programm ist ausgezeichnet und setzt Maßstäbe. Es beherrscht linksbündige, rechtsbündige und zentrierte Formatierung sowie Blocksatz. Cut, Copy, Paste sind selbstverständlich implementiert, dazu noch Farbe und Stilelemente wie Unterstreichen, Kursiv, Fettdruck. Natürlich können andere Programme mit den Stilattributen von JAnE 1.52 nicht viel anfangen, daher kann der Anwender die Stilinformationen optional im Text oder auch zusätzlich in einem separaten File ablegen, damit andere Programme nicht verwirrt werden und solche Zusatzinformationen nicht manuell entfernt werden müssen. Die Zusatzdatei endet auf *.JTR. Wenn Sie zum Beispiel gerade an der Datei ArtikeI.TXT schreiben, legt JAnE die Zusatzinformationen in Artlkel.JTR ab.

JAnE ist ein wirklich sehr gutes Programm. Alle Optionen zu erwähnen, würde einfach zu weit führen, nur noch soviel: JAnE beherrscht Kürzel, Makros, kann Texte - plattformübergreifend - im ATARI-, Unix- und Mac-Modus speichern und hilft so ATARI-Usern, die oft in mehreren Computer-Welten zu Hause sind, immer im richtigen Format zu speichern und zusätzlich Funktionstasten und AESNachrichten elegant auszuwerten. Selbstverständlich geht es auch virtuos mit Speedo & NVDI um und bietet Zugriff auf alle im System installierten Fonts.

Fazit: Eine sehr guter und GEM-konformer Editor mit lobenswerter GEM-Oberfläche und ein absolut stabiles Programm. Auch die Unterstützung von NVDI & Speedo ist gut implementiert, der Anwender hat Zugriff auf diverse Fonts, lange Dateinamen, Iconify etc. fehlen nicht. Note für JAnE 1.52: sehr gut

Notice 1.04

(Holger Weets) Notice ist Shareware, d.h. jeder darf dieses Programm installieren und testen, muss aber bei regelmäßiger Benutzung den Betrag von 20, - DM an den Autor überweisen und bekommt dafür den Schlüssel, der Notice uneingeschränkt benutzbar macht. Notice ist der einzige Editor, der vor dem Registrieren nicht speichern kann und somit eine erhebliche Leistungseinschränkung beinhaltet. Dies scheint bei einer Mini-Gebühr von aber gerechtfertigt. Sobald die Spende dem Konto von Holger Weets gutgeschrieben wurde, erhält der Anwender einen Schlüssel, den er mit einem Patch-Tool, nämlich Notice-Patch, eingeben kann. Das Programm fällt aus dem gewöhnlichen Rahmen von GEM-Editoren heraus. Es ist bewußt klein gehalten und läuft als Accessory und Programm. Dazu ist es gut gelungen und zuverlässig. Auch an eine ST-GuideDokumentation wurde gedacht.

Fazit: Klein, aber fein und sehr sauber. Note für Notice 1.04: gut minus

PrEd 2.04

(Markus Pristovsek) Das besondere Feature von PrED ist die variable Zeilenlänge, die sich den Gegebenheiten anpasst, sofern eine maximale Länge von 2147483648 Zeichen nicht überschritten wird. Das ist auch gar nicht möglich, es würden schlappe 2 Gigabyte Speicher dafür benötigt. PrEd orientiert sich weitgehend an dem Editor von Pure C. Außerdem ist PrEd optimal auch auf Grafikkarten lauffähig. (Ganz nebenbei und zur Beruhigung für den Autor: PrEd läuft auch elegant auf TTs, Falcons, MultiTOS & MagiC) Jetzt gibt es eine Klammerprüffunktion wie beim "emacs". Bei Eingabe einer Klammer wird ein Block vom passenden Partner bis zur Klammer gebildet. Wird weitergetippt, passiert nichts. Existiert kein Partner, so gibt der Computer ein Ping von sich.

Fazit: Es ist ein sauberes Programm. Der wichtigste Grund, damit zu arbeiten, ist die Kompatibilität zu Pure C. Wer es benötigt, soll es gerne nutzen. Als normaler Editor ist es aber nicht gerade spektakulär. In der Kategorie Pure C-Editor hat es die Note "gut" verdient, als normaler GEM-Editor aber nur "befriedigend". Note für PrED 2.04: befriedigend plus

QED 4.00

(Christian Felsch) Zum Schluß ein Programm, das fast konkurrenzlos ist: QED 4.00. Der einzige adequate Wettbewerber ist JAnE 1.52. Ob man JAnE oder QED 4.0 besser findet, ist relativ subjektiv. Beide stellen die Top-Klasse an ATARI-GEM-Editoren dar. Das beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass die aktuelle Version vom April 1997 nochmals kräftig überarbeitet und aktualisiert wurde. Folgende Änderungen wurden zuletzt durchgeführt:

QED 4.0-GEM-Menü: qed, Datei, Bearbeiten, Suchen, Spezial, Optionen und Shell Unter "Datei" findet sich ein praktisches Feature: "Info" hier kann die Textlänge und die Anzahl der Zeilen feststellen. Dies ist nicht sehr spektakulär, aber es ist trotzdem toll, das Zeilenende für ATARI, Unix oder Mac wählen zu können. Zwar sind die Dialoge nur in "Fly Dials", aber zumindest im 3-D-Look und sehr gut durchdacht. Für eilige und vergeßliche Anwender ist "Sichern & Beenden" ganz nützlich, denn kaum etwas ist so ärgerlich, als seine Texte erneut eingeben zu müssen.

"Bearbeiten" Cut, Copy, Paste, Absatz umbrechen und Zeichen tauschen sind gut, aber nicht außergewöhnlich. Praktisch ist aber "Alles Groß", bzw. "Alles Klein" und die Umwandlung von Groß nach Klein und umgekehrt. Schließlich gibt es noch "Kapitalisieren", also Großschreibung nur am Wortanfang.

"Suchen" Das Menü ist soweit wie gewohnt, praktisch sind die Sprungmarken.

"Spezial" Neu ist die Wandlung nach LaTeX & HTML! Makros können aufgenommen und wieder abgespielt werden. Eine gute Lösung. Auch die Funktionstasten sind gut implementiert, da frei und einfach belegbar.br Eine ganz mächtige Funktion, die es lohnt, das Programm auf jeden Fall zu erwerben und registrieren zu lassen, ist "Umlaute konvertieren". Hier kann der Anwender von ATARI ST, ISO Latin1, Mac & PC nach ATARI ST, ISO Latin1, Mac, PC, LaTeX, HTML und ASCII konvertieren lassen. Die Knüller sind eigentlich Mac, PC, LaTeX und HTML. Damit ist es der einzige Editor, der diese Feature bereits fest implementiert hat und für permanente Pendler zwischen den Welten, also ATAM, PC und Mac, geradezu ideal ist. Außerdem lassen sich Texte in LaTeX und HTML-Format wandeln. Aber Vorsicht: HTML & LaTeX können nicht wieder rückgängig gemacht werden, es sei denn manuell über "Suchen & Ersetzen". Solange dies beherzigt wird, ist es ein tolles Feature. Kein anderes Programm bietet diese Funktionalität

"Optionen" Es gibt neue globale Schalter: 3-D-Dialoge, Mac-like Editfeldselektion (wirken erst nach Neustart), die sehr praktisch sind.

ST-Guide QED 3.97-Hypertextanleitung für ST Guide Ganz zum Schluß soll noch die ST Guide-Hypertext-Anleitung erwähnt werden. Sie ist sehr umfangreich und enthält alle notwendigen Informationen. Der Hypertext beschreibt alle Funktionen inkl. der Version 3.97. Für 4.00 lag noch keinen Hypertext vor, dafür gab es die QED 4.00ß exklusiv vorab zum Testen. Es hat sich gelohnt! Die Unterschiede zwischen 3.97 und 4.00ß können im Readme nachgelesen werden. Also kein Problem.

Fazit: QED 4.00 ist ein Referenz-Produkt genau wie JAnE 1.52 - auf dem Gebiet der ATARI-GEM-Editoren. Oben rechts befindet sich ein Überblick zur Bewertung der Texteditoren. Wie man sieht, ist das Testfeld mit Noten zwischen 1 und 3+ recht gut bestückt. Richtig schlechte Programme gab es nicht. Allerdings 2 Top-Leader, und zwar JAnE 1.52 und QED 3.97/4.OOß, die das Testfeld weit hinter sich ließen. Danach folgte 7up 2.32, und etwas abgeschlagen aufgrund hochwertiger Konkurrenz "nur" auf dem dritten Platz liegen Everest 3.6 und PrEd 2.04. Vielleicht ist der Test ein Ansporn für den Everest 3.6-Programmierer Oliver Schmidt und den PrEd 2.04-Programmierer Markus Pristovsek ihre Programme weiter zu verbessern und so vielleicht an die Spitze der GEM-Editoren aufzuschließen. Möglich ist das durchaus, und wir würden gerne darüber berichten.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Nun werden Sie sich sicherlich die Frage stellen, wo Sie die hier vorgestellten Texteditoren denn erhalten können. Aus Gründen des Datenschutzes wollten wir hier nicht sämtliche Autoren-Adressen abdrucken, da dies in der Vergangenheit schon zu einigen Problemen geführt hat. Die meisten Editoren erhalten Sie aber entweder über diverse Mail- und Mausboxen, auf diversen CD-ROMs mit PD- & Shareware-Sammlungen oder in verschiedenen PD-Serien (u.a. auch in unserer). Wenn Sie auf diesem Wege nicht weiterkommen sollten, können Sie (im Notfall) auch die Redaktion kontaktieren, sie wird Ihnen gerne helfen.

Ein letztes Wort

ATARI-GEM-Editoren machen Spaß beim alltäglichen Arbeiten, und die Top-Leader QED 4.00 & JAnE 1.52 müssen keinen Vergleich mit einer anderen Plattform scheuen, sondern setzen Maßstäbe, die viele MagiC Mac-, MagiC PC- und TOS2WIN-Anwender dazu bewegen, trotz des neuen Macs bzw. PCs ihrem Lieblings-Editor treu zu bleiben. Diese ATARI-Software hat Zukunft!


Filipe P. Martins
Aus: ST-Computer 07 / 1997, Seite 23

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