Kompatibler spielen - GEM-Spiele Teil 2

Im ersten Teil stellten wir Ihnen einige GEM-Spiele vor, wobei aus Platzmangel leider einige außen vor bleiben mussten.

Auch dieser zweite Teil erhebt nicht den Anspruch, den ganzen Rest an GEM-Spielen vorzustellen, denn dazu ist die Auswahl schon jetzt zu groß. Da es noch einige GEM-Spiele gibt, die es wert sind, vorgestellt zu werden, sollen wieder einige besondere Spiele aus der Masse herausgepickt werden. Wie auch im ersten Teil werden besonders die "untypischen" GEM-Spiele hervorgehoben, d.h. Action- und Geschicklichkeitsspiele im GEM-Fenster. Zwei Spiele kommen diesmal sogar von Atari persönlich und müssen beweisen, ob Atari ein gutes Vorbild ist. An anderer Stelle in diesem Heft finden Sie ein weiteres GEM-Spiel, das nicht hier getestet wird, da es vom Autor dieses Artikels stammt.
Bewertet wird das Spiel nach dem Ausnutzen der neuesten GEM-Funktionen (non-modale Fenster, Iconify usw.), der grafischen und soundtechnischen Umsetzung und dem Spielspaß. Das GEM-Spiele nicht grau und eintönig aussehen müssen, haben einige Spiele im ersten Teil bewiesen.

Breakout

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Jedem Falcon wurde ein umfangreiches Softwarepaket beigelegt. Neben dem Minesweeper-Clone "Landmine" gibt es auch eine Wiederbelebung des Klassikers "Breakout". Dieses Programm ist übrigens der inoffizielle Nachfolger zu dem wohl ältesten Atari-GEM-Spiel, denn die Ur-Version von Breakout gab es schon 1985 und war schon vor dem Verkaufstart in Büchern wie dem "Atari ST-Premierenbuch" zu sehen. Nur allzu passend ist es da, dass mit der neuen ST-Generation auch gleich ein neues Breakout eingeführt wurde. Wer will kann übrigens beide gleichzeitig starten - auf dem Bild ist links Breakout '85 und rechts der 92er Nachfolger zu sehen. In der 92er-Version des Atari-Spiels gibt es verschiedene Optionen, die größtenteils über das Menü selber und nicht über Dialoge ausgewählt werden. Die wenigen Dialogboxen, die leider nicht dem aktuellen Stand entsprechen, werden nur für die Anleitung benutzt. Technisch präsentiert sich das Spiel unspektakulär und hat außer einem schönen Farbübergang in der Mauer wenig zu bieten. Wie beim Original sieht auch in der Umsetzung jeder Level gleich aus, so dass das Spiel mit der Weile langweilig wird. Der Sound überrascht allerdings mit ein paar gutgelungenen Soundsamples. Spieltechnisch gibt es neben dem Original-Modus auch "Breakthru". Drei Schwierigkeitsgrade und die Möglichkeit, das Spiel mit Paddles zu steuern, runden das Spiel ab.
"Breakout" lässt sich als Programm oder Accessory installieren.

Fazit:

Nicht umwerfend, aber dank der Soundsamples und der verschiedenen Spielmodi noch überdurchschnittlich.

Landmine

Minesweeper-Clones gibt es wie Sand am Meer und kaum ein neues Betriebssystem wird heute ohne einen Vertreter dieses Genres ausgeliefert. Das dachte sich wohl auch Atari und legte "Landmine" dem damals brandneuen Falcon bei. Trotzdem läuft es problemlos auf einem STE oder TT. Das grundsätzliche Spielprinzip von Minesweeper wurde schon oft erklärt und ein Spiel dieser Gattung wurde bereits im ersten Teil dieses Artikels vorgestellt.
Für "Landmine" lässt sich das gleiche sagen wie für "Breakout": durchschnittliche GEM-Einbindung, schlichte Grafik aber schöne Farbübergänge. Der Sound ist im wahrsten Sinne des Wortes "bombig", denn wenn man sich verklickt hört man eine Bombe explodieren. Die Feldgröße lässt sich auswählen, wobei für jede Feldgröße die schnellste Zeit gespeichert wird. Damit das ganze nicht allzu frustrierend ist, ist das erste angeklickte Feld grundsätzlich bombenfrei.

Fazit:

Das Atari-Spiel hält den Vergleich mit anderen Minesweeper-Clones mühelos stand und nimmt zusammen mit "Pinguin" die Spitzenposition unter den Minesweeper-Spielen ein.

Nanjing

Nanjing ist die Umsetzung des Spiels Ishido, das offiziell nur für eine Atari-Maschine erschienen ist: den Lynx. Dirk Hagedorn fertigte eine absolut saubere GEM-Version des Klassikers, bei dem es gilt, Steine so zu legen, das sie zu ihren Nachbarn passen. Einige Regeln machen dies noch schwerer.
An der GEM-Einbindung gibt es nichts auszusetzen und die Grafik hält zwar den Vergleich mit der Lynx-Grafik nicht stand, erfüllt aber ihren Zweck. Spieltechnisch ist alles vorhanden, bis auf das Ishido-Orakel, das bei den Computerversionen lebenswichtige Fragen beantwortete. Mit dem Spiel selber hatte das Orakel allerdings wenig zu tun und so ist dieser Verlust leicht zu verschmerzen. Als Ausgleich kann man zwischen verschiedenen Steinbeschriftungen wählen.

Fazit:

Denkspiel-Fans müssen dieses Spiel einfach haben - neben Tetris und Klax ist dies einer der Tüftelspielklassiker. Aber Vorsicht: Dieses Spiel kann richtig süchtig machen!

McCoy

Dr. Mario war eines der vielen Spiele, die sich an Tetris angelehnt hatten. Da dieses Spiel von Nintendo selbst programmiert wurde, waren Umsetzungen für andere Systeme natürlich tabu. McCoy ist ein Clone dieses Spiels, dass unter GEM läuft. Die Benutzeroberfläche tritt nicht sehr in Erscheinung, da es außer dem eigentlichen Spielfenster nur eine Anleitung und eine kleine Alert-Box am Spielende vorhanden sind. Leider sind die Programmeldungen in modalen Dialogen bzw. Alert-Boxen untergebracht. Grafisch präsentiert sich das Spiel eher bieder und von den animierten Viren der GameBoy-Version sind nur noch pulsierende Kreise geworden. Dadurch wirkt das Spiel nicht ganz so witzig wie das Original und das zwar gute, aber nicht geniale Spielprinzip von Dr. Mario kann diesen Makel nicht ganz auffangen. Leider hat McCoy Geschwindigkeitsprobleme und so sollten Falcon-Besitzer auf 16 Farben wechseln und ST-Besitzer die monochrome Auflösung wählen. Um die Geschwindigkeit zu steigern kann man das pulsieren der Kreise abschalten, jedoch sind sie dann nicht mehr so gut von den Pillen zu unterscheiden.
Lobenswert ist hingegen die abspeicherbare Highscore-Liste, die bei einem solchem Spiel besonders wichtig ist.

Fazit:

Noch gute Adaption des Nintendo-Hits, leider schmälert die schlichte Grafik und die langsame Geschwindigkeit den Spielspaß. Falcon-Dr.Mario-Fans warten wohl lieber auf eine Umsetzung für den God-Boy (wenn auch ohne GEM).

Sim City

Dieses Spiel fällt etwas aus dem Rahmen. Zum einen weil es kommerziell ist und zum anderen, weil das Spiel nur in der niedrigen Auflösung läuft. Trotzdem stellt es wie Nethack aus dem ersten Teil dieses Artikels ein Beispiel für ein farbenprächtiges GEM-Spiel dar. Sim City packt die Simulation einer kompletten Stadt in ein leicht zu bedienendes Spiel und im GEM-Fenster tut sich eine ganze Menge an Animationen. Da zur Entstehungszeit dieses Klassikers der Begriff "saubere Programmierung" noch nicht erfunden war, läuft Sim City nur in der niedrigen Auflösung und verwendet eigene Dialogboxen. Die Vorteile der teilweisen GEM-Einbindung bleiben: eine kurze Eingewöhnungszeit und leichte Bedienung.

Fazit:

Ein Spiel, das zeigt, was an Grafik und Animation aus GEM herauszuholen ist.

Defend the Earth 2

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Neben dem schon vorgestellten Centi ist DTE 2 eines der wenigen Action-Spiele unter GEM. Das Spielprinzip ist sehr schlicht: Ein kleiner Raumgleiter, der am unteren Fensterrand "klebt" muss verschiedene Gegner abschießen. Es gibt mehrere verschiedene Gegnertypen, die jeweils andere Angriffsstrategien haben. Wie auch Centi verzichtet DTE 2 auf Farbe, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Die Animation kam mir bei Centi allerdings flüssiger vor. Verschiedene Sounds begleiten das Spielgeschehen. Die GEM-Einbindung ist durchschnittlich und stellt als einziges modernes GEM-Feature verschiebbare Dialogboxen zur Verfügung. Interessant für Programmierer ist sicherlich, dass der komplette Sourcecode dem Spiel beiliegt. Leider ist das Spiel auf 12 Level begrenzt - für Profis bleibt nur die Erhöhung der Schwierigkeit und der Geschwindigkeit.

Fazit:

Ein gelungenes GEM-Ballerspiel, das es aber nicht mit Centi aufnehmen kann.

Gemory

Der Name verrät es schon: Es handelt sich um ein Memory-Spiel. Gemory bietet mehr Auswahlmöglichkeiten als Merkmal, so lässt sich das Gedächtnis des Computergegners einstellen und die Wartezeit. Der Spielstand lässt sich sogar laden und speichern und eine Online-Hilfe (ohne ST-Guide) klärt auch die letzten Fragen. Die Dialoge wurden in Fenster gelegt und Shortcuts ist für alle Buttons verfügbar, dafür fehlt allerdings das Iconify. Grafisch präsentiert sich das Spiel monochrom und sieht so unter 16 Farben etwas bieder aus. Zudem waren die Grafiken bei Merkmal detaillierter.
Der spieltechnisch größte Nachteil von Gemory ist wohl das Fehlen eines Zweispielermodus.

Fazit:

Durch das Fehlen eines Zweispielermodus nur eingeschränkt empfehlenswert und somit ein Spiel für Solisten.

Nova-Crossfire

In der Anleitung von Crossfire steht, dass dieses Spiel am besten mit Nova-Grafikkarten aussieht - kein Wunder also, das von Farbe gebrauch gemacht wird. Grafisch erinnert das Spiel etwas an frühe Arcade-Klassiker und das Spielprinzip gibt sich auch dementsprechend: Ein kleines Raumschiff verteidigt sich in einem Labyrinth gegen die Gegner, die aus allen vier Richtungen angreifen. Die GEM-Einbindung ist nicht als perfekt zu bezeichnen und bietet nur Tastaturshortcuts für Buttons an. Das Spiel selber unterstützt nur Tastatur und Joystick wobei der Joystick erheblich geeigneter für dieses Spiel ist. Mit der Tastatur wird es sehr schwer, sich gegen die Gegnermassen zu behaupten zumal das Schiff sich manchmal weigert, in die gewünschte Richtung zu feuern - dies ist aber unbedingt notwendig, da die Gegner den Spieler ziemlich effizient einkesseln. Die Maus wird übrigens während des Spiels abgeschaltet, das Multitasking läuft allerdings weiter.

Fazit:

Klassische Arcadeaction für Freunde von den Automaten der frühen 80er. Da dies das einzige farbige GEM-Ballerspiel ist, sollte man es sich unbedingt ansehen.

Packy

Nach dem farbigen Crossfire wird es mit Packy wieder etwas farbloser. Packy ist das altbekannte Pac-Man im neuen Gewand. Mit Zeitlimit, Bomben und Geheimtüren soll das alte Spielprinzip aufgepeppt werden. Leider fehlen wie schon bei "GameBoy" die bekannten Power-Pillen und die Intelligenz der Geister scheint auch nicht elegant gelöst: Zu oft hetzen die Geister Pac-Man in einer Linie hinterher oder kreisen ihn ein. Die Labyrinthe sind zudem auch nicht optimal konzipiert und bieten wenig Fluchtmöglichkeiten - teilweise sind sie auch schlichtweg unfair. Hier wäre eine Editorfunktion äußerst nützlich, denn mit den zusätzlichen Spielelementen von Packy könnte man durchaus anspruchsvolle Level zusammenstellen. Im Optionen-Dialog lassen sich noch verschiedene Einstellungen tätigen u.a. können die Geister abgeschaltet werden. Grafisch und Musikalisch tut sich nicht viel, aber immer noch mehr als bei "GameBoy". Die verwendeten Grafikelemente haben alle eine verschiedene Farbe.

Fazit:

Packy hat genügend Potential, um ein gutes GEM-Pac-Man zu werden, aber die aktuelle Version hat noch einige Schwachstellen.

Zebuland

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Dieses Spiel ist eine Umsetzung von PuzzleBoy, einer Sokoban-Variante. Kisten und Türen müssen verschoben werden, um das Ziel zu erreichen. Leider ist Zebuland nicht ganz sauber programmiert und so sollte man besonders beim Einstellungsdialog etwas vorsichtig sein. Die GEM-Einbindung ist nicht sehr multitaskingfreundlich und auch das Spielfenster präsentiert sich nicht sehr kooperativ. Leider ist das Programm während des Testes auch mehrfach abgestürzt. Grafisch wird detaillierte monochromgrafik geboten, die auf farbfähigen Systemen aber nicht mehr zeitgemäß wirkt.

Fazit:

Single-TOS-Benutzer, die nach einem Denkspiel suchen, sollten sich Zebuland einmal ansehen. Ansonsten bieten die "Play it again..."-Denkspiele eine sauberere GEM-Einbindung und etwas mehr Farbe.

Thrust

Noch relativ neu ist diese Umsetzung eines C64-Klassikers. Im Original steuerte man ein Raumschiff und kämpfte dabei mit der tückischen Gravitation. Die ST-Umsetzung wurde in der auf dem ST wohl ungewöhnlichen Sprache Oberon programmiert und der Source-Code liegt dem Programm bei. Ebenso kann man auch eigene Levels entwerfen, zwar ohne eigenen Editor, aber die Anleitung verrät, wie man Zusatzlevel mit Malprogrammen entwirft. Die GEM-Einbindung ist auf den ersten Blick gut, aber das Spiel selber sperrt die Maus. Grafisch hat das Spiel noch weniger als das Original zu bieten und zeigt kantige Monochromgrafiken ohne Details an. Die Gravitation spielt in der vorliegenden Version noch keine Rolle, dafür muss man die Geschwindigkeit des eigenen Raumschiffs sehr gut dosieren, denn die Gegner feuern relativ gezielt.

Fazit:

Für Oberon-Programmierer sicherlich ein Muß - für Thrust-Fans trotz der Spargrafik auch.

Schlußworte

Die Neuerscheinungen (Packy, Thrust u.a.) schließen einige Lücken im GEM-Spiele-Angebot. Einige Anreize bleiben dennoch: Wer schafft z.B. das erste Jump'n'Run oder scrollende Action-Spiele im GEM-Fenster?
Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass die Spiele mit veralteten GEM-Dialogen oft noch mit Multi-Dialog oder einem Multitaskingbetriebssystemen augepeppt werden können. Eine moderne GEM-Einbindung kann diese Lösung leider nicht ersetzen und ein Update der älteren Programme ist wohl nicht mehr zu erwarten.


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 10 / 1997, Seite 61

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