Online Plaudertasche: ASH-Chatter

Das Angebot an Internet-Software von ASH komplettiert sich. Nachdem für die Bereiche Web, eMail, News und FTP bereits zum Teil hervorragende Programme vorliegen, steht nun ein weiterer Client für den eigenen Standard IConnect bereit.

Chatter ist ein Programm zur Teilnahme am Internet Relay Chat und ermöglicht so allen Online-Plaudertaschen, in Diskussionsrunden ihre Meinung zum Besten zu geben.

Wer Internet sagt, meint meist das Surfen im Web mittels eines Browsers. In lichten Momenten denken andere noch an das Senden und Empfangen von elektronischen Nachrichten. Oftmals übersehen wird jedoch, dass das Internet auch noch andere Dienste bereithält, von denen einer der IRC ist. Der Internet Relay Chat geht auf das Jahr 1988 zurück und bietet die Möglichkeit der Teilnahme an Diskussionsrunden zu den verschiedensten Themen. Das IRC-Netz besteht aus über die ganze Welt verteilten Servern, die miteinander verbunden sind und die von den Teilnehmern eingegebenen Mitteilungen untereinander und damit an andere Teilnehmer verteilen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl verschiedener IRC-Netze, die sich zumeist in den von ihnen angebotenen Diskussionsgruppen voneinander unterscheiden. Zugangsberechtigt ist jedoch grundsätzlich jeder Anwender, der über einen Provider ins Internet geht, der den IRC-Dienst anbietet. Dazu sollten heutzutage nahezu alle bekannten Provider gehören.

Mit der Verbreitung neuer Technologien und Standards hat der IRC mittlerweile Konkurrenz vom WWW bekommen: Chaträume laden Besucher direkt auf der Homepage zu Unterhaltungen mit anderen Besuchern ein. Diese Chatrooms haben jedoch zwei deutliche Nachteile: Erstens hängt ihre Nutzbarkeit sehr von der Geschwindigkeit des zugrundeliegenden Webservers ab (besonders in Spitzenzeiten kann der Benutzer schon einmal ein paar Minuten auf eine Antwort warten), zweitens setzen die meisten Web-Chaträume einen JavaScript-fähigen Browser voraus. Zwar hat mit Draconis auch endlich diese Skriptsprache ihren Weg auf den Atari gefunden, jedoch sind zumindest CAB-User bis auf weiteres ausgeschlossen.

So vermag es nicht sonderlich zu verwundern, dass sich der IRC nach wie vor einer großen Beliebtheit erfreut, die in erster Linie in der hohen Geschwindigkeit dieses Dienstes begründet ist. Die Ladezeit verzögernde Grafiken oder gar Sounds entfallen hier völlig, und der Anwender kann sich ganz und gar auf seine eigenen Texte und die Beiträge anderer Diskussionsteilnehmer konzentrieren. Verzögerungen entfallen aufgrund der geringen Datenmengen auch zu Spitzenzeiten zumeist völlig.

Etwas problematisch war allerdings anfangs die Bedienung des IRC: Die Kommandos bestehen aus kryptischen Eingabefolgen, bei denen man sich nur zu leicht vertippen kann und die sehr schwer zu merken sind. Im Zuge der Verbreitung grafischer Benutzeroberflächen minimierte sich dieses Problem allerdings, da die nötigen Befehle und Aktionen vorzüglich durch Buttons und Icons symbolisiert werden können, was die Eingabe seitens des Anwenders erspart.

Atari und IRC

Der ASH Chatter ist nicht der erste Versuch, dem Atari das IRC-Netz zu eröffnen. Für den alternativen (und kostenlosen) Internet-Stack STiNG gibt es gleich zwei recht gut gelungene Ansätze: Am beliebtesten ist dabei sicherlich AtariRC, ein IRC-Client mit grafischer Oberfläche. Zum Verwechseln ähnlich ist FracIRC, der ebenfalls für STiNG erhältlich ist. Beide Programme beschreiben wir übrigens ausführlich in unserer Ausgabe 10/98.

Bisher aus den Diskussionen ausgesperrt blieben allerdings die IConnect-Anwen-der, die sich ansonsten hervorragender Software erfreuen dürfen. Mit dem Chatter steht nun auch ein IRC-Client bereit, der von Jürgen Koneczny entwickelt wurde, der sich bereits durch den FTP-Client Fiffi einen guten Namen gemacht hat. Vertrieben wird das Programm wie bei IConnect-Applikationen gewohnt über Application Systems Heidelberg. Zum Test lag uns die Version 1.01 vor.

Lieferumfang

Chatter wird auf einer HD-Diskette ausgeliefert (auf Anfrage ist das Programm auch auf DD-Disketten erhältlich). Ein gedrucktes Handbuch (wie man es ansonsten von ASH gewohnt ist) wird nicht mitgeliefert, bedenkt man den Preis von nur 39 DM für Chatter, so ist diese Entscheidung wohl nachvollziehbar - ein Handbuch hätte den Preis sicher nur unnötig in die Höhe getrieben. Stattdessen wird bei der Installation eine Online-Hilfsdatei auf die Festplatte kopiert, die im ST-Guide-Format vorliegt. Es stellt sich die Frage, ob ASH in diesem Punkt nicht das HTML-Format unterstützen sollte, das auf jedem System lesbar ist. Ich persönlich bevorzuge jedoch das ST-Guide-Format, da die Ladezeiten im Durchschnitt erheblich kürzer sind und die Handhabung ähnlich komfortabel ist wie bei einem Web-Browser, der durch die zur Darstellung von Hilfedateien nicht nötigen Zusatzfunktionen im allgemeinen weitaus träger ist.

Die Online-Hilfe ist äußerst ausführlich und führt auch Neulinge in die Benutzung des Programms ein. Auch Anwender, die nach dem Motto "Handbücher sind zum Ignorieren da" leben, sollten zumindest dem Kapitel "Die erste IRC-Sitzung" einen Blick gönnen, finden sie doch hier einen Schnelleinstieg in die Handhabung des Chatter. Wünschenswert wäre allerdings ergänzend ein aktuelles Verzeichnis der bekanntesten IRC-Server, die Erläuterung wichtiger IRC-Kommandos und eine Zusammenfassung der Netiquette, wie dies z.B. im ST-Guide von AtariRC der Fall ist.

Apropos Installation: ASH scheint Abschied zu nehmen von seinem eigenen Installertool und unterstützt mit GEMSetup einen sich etablierenden Standard auf Atari-Plattformen. Entsprechend komfortabel geht die Installation vonstatten. Wer noch keine anderen IConnect-Applikationen nutzt, kann sich gleichzeitig die aktuelle Version der Zugangssoftware und des TCP-/IP-Stacks installieren lassen.

Unbedingt erforderlich zur Nutzung von Chatter ist das Betriebssystem MagiC ab der Version 5.2. Unter MultiTOS oder N.AES ist das Programm nicht startbar und beendet sich selbst durch eine Fehlermeldung - sehr schade eigentlich. IConnect muss ab der Version 1.5 installiert sein, alternativ kann auch Draconis ab der Version 1.6 genutzt werden. Voraussetzung ist außerdem das Programm Keytab von Thomas Much, eine kleine Systemerweiterung, die Routinen zur Umwandlung gängiger Zeichensatztabellen zur Verfügung stellt. Etwas ärgerlich ist, dass dieses Programm dem Chatter nicht gleich beiliegt. Der Anwender muss es sich also aus dem Internet laden; die Bezugsadresse wird glücklicherweise im Online-Handbuch erwähnt. Darüber hinaus sollte auf Ihrem System NVDI ab der Version 3.0 installiert sein. Verwenden Sie eine Version < 5.0, verschwendet Chatter bei Auflösungen mit mehr als 256 Farben unnötig viel Speicher. Da NVDI 5 nicht zuletzt auch wegen der neuen hervorragenden Druckertreiber jedem ambitionierten Atari-Anwender ans Herz gelegt werden kann, heißt es spätestens jetzt: Upgraden!

Programmkonzept

Wer bisher mit Programmen wie AtariRC den IRC besucht hat, muss bei der ersten Benutzung von Chatter umdenken: Scheinen AtariRC und FracIRC das Ziel zu verfolgen, möglichst viele Funktionen innerhalb eines einzigen Arbeitsfensters unterzubringen, scheint man bei der Entwicklung von Chatter darauf geachtet zu haben, alles auf verschiedene Fenster zu verteilen. Wählt sich der Benutzer auf einen IRC-Server ein, so öffnet sich automatisch das Konsolenfenster, das den Begrüßungstext und Servermeldungen anzeigt. Ist man erfolgreich mit dem Server verbunden, kann nun allerdings nicht direkt mit der Diskussion losgelegt werden: Vorher muss natürlich noch der Channel ausgewählt werden, in dem man diskutieren möchte. Dieser kann in den Voreinstellungen für den jeweiligen Server festgelegt werden, so dass z.B. der Channel #atari immer automatisch betreten werden kann. Ist der Benutzer mit den grundlegenden IRC-Kommandos vertraut, kann er mit dem Befehl /join auch eine Diskussionsrunde gezielt betreten. Möchte er sich erst über das Angebot des IRC-Servers informieren, kann er eine Übersicht der vorhandenen Gruppen in einem eigenen Fenster darstellen lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings das vorherige Einlesen der angebotenen Gruppen, was einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Der IRC-Server der Uni Erlangen bietet zur Zeit z.B. ca. 14000 Gruppen an, weshalb das Einlesen je nach Verbindung bis zu 15 Minuten in Anspruch nimmt.

Die eigentliche Diskussion findet nun in einem eigenen Fenster statt, wobei im Gegensatz zu AtariRC die Teilnehmer nicht innerhalb dieses Chatfensters aufgelistet werden. Will man sich einen Überblick verschaffen, muss das Teilnehmerfenster aufgerufen werden, das die wichtigsten Informationen bereithält (Nickname, Realname etc.). Hier können einzelne Teilnehmer auch zu einem "Gespräch unter vier Augen", also einem privaten Chat, eingeladen oder Files über das DCC-Pro-tokoll verschickt werden. Außerdem sind hier die wichtigsten Kommandos für Diskussionsleiter in einer Knopfleiste zusammengefaßt.

Innerhalb eines IRC arbeitet der Anwender also vornehmlich mit den drei oben genannten Fenstern. Die Hauptaktivitäten dürften sich dabei auf das Chatfenster konzentrieren, das allerdings keinerlei weitere Funktionen beinhaltet. Hier werden die Beiträge anderer Teilnehmer angezeigt und die eigenen eingegeben.

Alle zusätzlichen bzw. verwaltenden Aufgaben sind auf andere Fenster verteilt. Dieses Konzept birgt Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist sicherlich, dass die einzelnen Fenster nicht überfrachtet sind, wie das so oft bei anderen IRC-Clients auf verschiedenen Plattformen der Fall ist. Der Anwender braucht sich jeweils nur die Informationen anzeigen lassen, die er benötigt bzw. wünscht. Gerade auf kleinen Bildschirmen ist dies von Vorteil, da hier wenig Raum für eine umfangreich ausgestattete Oberfläche ist. Der Nachteil ist, dass der Anwender schnell den Überblick über die verschiedenen Fenster verlieren kann - besonders dann, wenn er mehrere Chaträume gleichzeitig betreten hat. Hat er dann noch für mehrere Räume die Teilnehmerliste geöffnet und befindet er sich noch in einigen privaten Chats, verliert er recht schnell die Orientierung.

Voreinstellungen

Vor dem Plauderstündchen sollte der Benutzer den Voreinstellungsdialogen einen Blick gönnen. Diese sind unter dem Menüpunkt "Optionen" zu finden. Im Fenster für die allgemeinen Einstellungen sind primär die Pfadangaben für zu sendende und empfangene Dateien interessant. Außerdem können hier Festlegungen für die Fensterplazierung und das automatische Öffnen der verschiedenen Fenster getroffen werden. Sehr hilfreich ist die Funktion, die ein Fenster in den Vordergrund holt, sobald der eigene Nickname von einem Teilnehmer erwähnt wird.

Ins Eingemachte geht es dann für die Voreinstellungen für die Sitzungen. Hier werden so unverzichtbare Daten wie der Nickname und der wirkliche Name des Teilnehmer festgelegt (leider scheint es besonders in Atari-Diskussionsrunden eingerissen zu sein, den Realname zu verheimlichen). Für verschiedene Aktionen (Meldungen vom Server etc.) können außerdem unterschiedliche Farben bestimmt werden, so dass die Übersicht im eigentlichen Chat leichter fällt. Wichtig ist sicherlich auch die Auswahl der Zeichensätze für die verschiedenen Fenster. Allerdings werden eventuelle Änderungen erst nach einem Abspeichern und dem darauffolgenden Neustart aktiv, was ein Verlassen eines Chats bedingt. Alternativ können die Fonts jedoch auch mit dem Zusatztool Dragfont geändert werden: Der gewünschte Zeichensatz wird einfach per Drag & Drop auf das entsprechende Fenster gezogen - diese Methode funktioniert unmittelbar. Außerdem sind so auch einzelne Fensterelemente (Eingabezeile etc.) mit eigenen Zeichensätzen auszustatten.

Heiße Listen

Wer das IRC-Netz intensiv nutzt, wird sicherlich mit der Zeit viele verschiedene Server nutzen. Diese können in einer Hotlist verwaltet und mit den dazugehörigen Parametern für einen schnellen Zugriff verwaltet werden. Der Server wird mit einem Doppelklick auf seinen Namen angewählt. Außerdem werden die Einträge im Menü aufgelistet und sind mit einem Mausklick erreichbar.

Wünsche für die Zukunft

Noch etwas unübersichtlich und unflexibel ist das erwähnte Fenster geraten, das die verfügbaren Gruppen auflistet. Bei mehreren tausend Gruppen ist es für den Anwender oftmals schwer, die ihn interessierende aus dem Angebot herauszusuchen. Das Srollen über den Scrollbalken ist dann sehr schnell ungenau, ein Scrollen über die Mauspfeile leider nicht möglich. Abhilfe schaffen würde z. B. eine Suchfunktion wie beim EMai-ler. Wenn der Benutzer z.B. das Wort "Atari" eingibt, sollte er so alle Gruppen aufgelistet bekommen, die dieses Wort enthalten. Darüber hinaus wäre eine Anzeige der Anzahl der Diskussionsteilnehmer sehr hilfreich - wer will schon in langweiligen Runden hängenbleiben.

Nicht wirklich wichtig, aber dennoch hilfreich, wäre auch eine Möglichkeit, bestimmte Aktionen mit einem eigenen Sample zu unterlegen. So würde z.B. keine Aufforderung zu einem privaten Chat mehr entgehen.

Persönliches Fazit

Mit dem Chatter wurde die Internetsoftware von ASH um ein attraktives Produkt erweitert. Alle notwendigen Funktionen für die Teilnahme an Diskussionen sind gegeben, so dass auch der Nutzung dieses Dienstes unter IConnect und Draconis nichts mehr im Wege steht. Das Konzept der Benutzeroberfläche ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache - wer mehr Funktionen im Arbeitsfenster bevorzugt, wird vielleicht weiterhin zu AtarIRC greifen. Im direkten Vergleich zu diesem Programm wirkt der Chatter jedoch weitaus moderner und ist daher seinen Preis von 39 DM sicher wert.

Man darf also gespannt sein auf die weitere Entwicklung des Programms, das schon jetzt das Zeug zu einer echten Standardapplikation auf MagiC-Plattformen hat.

Preis: 39 DM

Bezugsquelle: Application Systems Heidelberg GmbH Postfach 102646 69016 Heidelberg

(mittlerweile Freeware: http://home.ewr-online.de/~gstoll/index.htm)


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 12 / 1999, Seite 57

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite