Der neue Atari kommt wieder einmal aus der Schweiz?

Mit Pegasus und Coldfire zu neuen Höhen?

Der Atari ist tot - lang lebe der Atari. Nicht nur einmal hat die Atari-Plattform ihr schon legendäres Überlebenspotential bewiesen. Und immer, wenn "Fachleute" den Markt für tot erklärt haben, kommt von irgendwoher ein Licht - diesmal bahnt es sich einmal mehr seinen Weg über die Alpen aus der Schweiz. Fredi Aschwanden und sein Team planen definitiv einen neuen TOS-Rechner. Das Projekt "Pegasus" soll der Nachfolger des Hades 060 werden und der nativen Atari-Plattform in die Zukunft verhelfen. Und die Zauberformel dazu soll nicht 68060 oder PowerPC, sonder ColdFire heißen. Thomas Raukamp unterhielt sich mit Fredi Aschwanden von Medusa Computer.

Herr Aschwanden, nach der Enttäuschung darüber, dass der Milan II nun doch nicht kommen wird, könnte eine Überraschung aus der Schweiz kommen. Nach Medusa und Hades möchten Sie einen TOS-Rechner verwirklichen, der bisher unter dem Projektnamen "Pegasus" läuft. Damit hat zu diesem Zeitpunkt eigentlich niemand mehr gerechnet. Was hat Sie dazu bewogen, Pläne für einen neuen "Atari" zu entwickeln?

Ich habe eigentlich drei Gründe dafür. Erstens habe ich gerade Lust und Zeit etwas neues zu machen - und zudem gehen mir die Hades Boards aus. Zweitens sind die Windows-PCs langsam und schwerfällig. Drittens hatte geglaubt, dass mit dem Milan II die TOS-Clones auf gutem Weg sind und ich nichts mehr zu machen brauche, da der Markt auch für zwei Anbieter zu klein ist.

Ich denke, wir sollten gleich zu Anfang einmal klären, wie sicher eine Realisierung des Projekts ist. Wie weit sind bisher die Planungen?

Ehrlich gesagt existieren bisher nur ein paar Striche auf einem Blatt Papier. Das meiste ist erst im Kopf vorhanden. Die neuesten Informationen gibt's immer unter www.xTOS.de. Das ist die Internetseite für diese Maschine.

Zurzeit ist sich eigentlich jeder Anbieter unsicher über die Stärke des verbliebenen Atari-Markts. Wieviele Bestellungen müssten eingehen, damit Sie den neuen Rechner realisieren können?

Auf längere Sicht müssen sicher 200 Bestellungen da sein, damit das Projekt kostendeckend und preisgünstig in Serie gehen kann.

Sollte es sich dabei um verbindliche Vorbestellungen oder erst einmal nur Interessensäußerungen handeln?

Es müsste sich schon um verbindliche Zusagen handeln, die z.B. an zu erfüllende Vorgaben gebunden sein könnten. Nur Interessensäußerungen reichen leider nicht aus um ein so großes Projekt anzugehen.

Wenn sich genügend Leute finden, die einen Hades "Pegasus" bestellen -wie schnell könnte so eine Projekt Ihrer Ansicht nach umgesetzt werden? Immerhin kann der Markt nicht noch einmal solange warten wie auf den Milan II...

Jetzt habe ich gerade einmal die Möglichkeit, die Missverständnisse betreffend der Namen aufzuklären. Also die bisherigen Maschinen wären der Medusa T40 und der Medusa Hades. Der neue Name wäre dann folglich Medusa Pegasus. Der Name "Pegasus" ist allerdings nur ein interner Projektname. Der endgültige Name wird noch in einer Umfrage ermittelt.

Wenn alles gut läuft, könnte die Maschine im April 2001 auf dem Markt sein.

Diese kurze Realisationszeit verwundert doch, immerhin verlangt ein neues System ja einiges an Entwicklungszeit. Hatten Sie die fertigen Pläne schon seit einiger Zeit in der Schublade bereitliegen um vielleicht erst einmal abzuwarten, was aus dem Milan II wird?

Nein, ich hatte keine Pläne in der Schublade. Aber die Maschine wird komplett programmierbar sein, sodass zu Beginn noch nicht alles definitiv ausgereift sein muss und kein Prototyp entwickelt werden muss. Zudem habe ich Erfahrung aus meinen übrigen Projekten wie Medusa T40 oder Hades, der z.B. vom ersten Strich bis zum kaufbarem Gerät in nur 6 Monaten durchgezogen wurde.

Lassen Sie uns nun zum sicherlich interessantesten Teil für alle Atari-Anwender kommen: die Technik. Der Milan II sollte mit einer 68060-CPU ausgeliefert werden; diesen Schritt hat der Hades bereits hinter sich. Mit welcher CPU soll der Pegasus laufen?

Der neue Rechner wird mit dem Coldfire-Prozessor von Motorola bestückt sein. Das ist der Nachfolger des 68060.

Warum haben Sie sich gerade für den Coldfire entschieden? Wäre der PowerPC nicht der logische nächste Schritt gewesen? Was macht den Coldfire für den Atari interessant?

Der Coldfire ist softwarekompatibel zur 68k-Reihe von Motorola.

Bisher sind die Taktraten des Coldfire gegenüber dem PowerPC und besonders den Intel-Chips ja noch sehr gering. Was für Steigerungen sind da in Zukunft zu erwarten?

Ja, diese Taktraten... Der ColdFire wird übrigens mit 180 MHz getaktet werden. Wie man im Intel- bzw. AMD-Prozessorbereich sieht, ist das Werben mit der Taktrate vielfach nur Augenwischwerei, da diese nirgends auf dem Board vorhanden ist, sondern nur intern in irgendeiner Ecke des Prozessorchips wirken soll - auch wenn außerhalb nicht viel davon zu spüren ist.

Wie schnell ist ein Coldfire-"Atari" im Vergleich zum Hades 060?

Das neue Teil wird etwa dreimal so schnell sein wie ein Hades 060.

Lassen Sie uns bitte nochmals ins Detail gehen, um eventuelle Missverständnisse zu vermeiden: Inwieweit ist der Coldfire kompatibel zur 68k-Reihe, welche Teile fehlen und müssten vielleicht emuliert werden?

Was dem ColdFire fehlt sind MMU und FPU. Da diese Teile auch schon bei anderen Geräten der TOS-Schiene nicht vorhanden waren, sollten dadurch eigentlich keine Problem entstehen. Natürlich wird die Hardware nicht gleich sein wie beim ST oder TT, aber der Coldfire besitzt eine Debugschnittstelle, mit der hardwaremäßig emuliert werden kann -also quasi ein schwarzer Schimmel kombiniert mit einer Wollmilchsau.

Was bedeutet das konkret für Entwickler? Müssten diese auf etwas achten oder könnten sie bedenkenlos anpassen bzw. entwickeln?

Für normale Programmierer gibt es eigentlich nicht viel zu beachten - außer, dass Sie wie bisher nicht direkt auf Hardware zugreifen sollten. Schnittstellentreiber und Betriebssysteme müssen natürlich schon auf die Gegebenheiten Rücksicht nehmen und mit dem nötigen Wissen und den genauen Unterlagen programmiert werden. Diese werden selbstverständlich zur Verfügung gestellt.

Wie ist die Wäremeentwicklung des Coldfire? Sind - ähnlich wie bei Apple -wieder Homecomputer ohne Lüfter möglich?

Sorry, da habe ich noch keine Ahnung.

Auf welche Grafikhardware möchten Sie zurückgreifen?

Zuerst wird eine RAGE-PRO PCI eingesetzt. Da existiert schon ein Treiber. Wenn Treiber da sind, kann natürlich jede Grafikkarte verwendet werden.

Läuft diese Hardware nicht Gefahr, schon sehr bald überholt zu sein? Ist es nicht geschickter, auf aktuellere Sachen zurückzugreifen, um mittelfristig demselben Dilemma aus dem Weg zu gehen, dass auch dem Milan II den Hals umdrehte: nicht mehr verfügbare Bauteile?

Ok, es ist natürlich immer ein Problem, dass die Hardware bald überholt sein könnte. Aber ich glaube, mit PCI 2.0, USB 2.0 und AGP 2.0 ist so ziemlich das neuste auf dem Board, was teilweise noch nicht einmal im lntel-/AMD-Bereich vorhanden ist. Und durch die softwaremäßigen Konfigurationsmöglichkeiten des Mainboards können problemlos weitere Neuerungen einfließen.

Inwieweit kann das Problem der Nichtlieferbarkeit von Bauteilen überhaupt bei Rechnersystemen umgangen werden, die nicht in Stückzahlen von hunderttausenden produziert werden?

Als Bauteile setzen wir nur Standard-Chips ein; das meiste ist Lagerware. Die Lieferbarkeit der Bauteile habe ich bereits abgeklärt. Das habe ich aus meinen früheren Projekten gelernt - es nützt die schönste Maschine nichts, wenn die Bauteile nicht lieferbar sind.

Weiter zum Sound: Welche Hardware wird hier Verwendung finden?

Aus Kostengründen wird "On Board" außer der Standard-MIDI-Schnittstelle des TOS kein Sound zur Verfügung stehen. Wir wollen hier auf bereits angepasste Karten und Adapter zurückgreifen. Es ist ja auch so, dass nicht alle Anwender Soundmöglichkeiten brauchen.

Allerdings ist hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Eine Umfrage soll dazu noch Auskunft geben.

Auf welche Bussysteme setzen Sie? Ist auch FireWire geplant?

AGP 2.0, PCI 2.0 und USB 2.0. Da USB 2.0 mit 480 Mbps (60 MB/sec) zur Verfügung steht, ist FireWire natürlich kein Thema.

Nochmals zum richtigen Verständnis: Planen Sie den Pegasus generell als System, dass auch die Chips für Sound und Grafik auf dem Motherboard vereinigt, wie dies beim Milan II geplant war, oder wird der Pegasus wie der Hades ein Motherboard sein, das mit PCI-Karten erweitert ist - also mit Sound-und Grafikkarten?

Grafik- und Soundchips werden nicht auf dem Board selbst sein. Überhaupt soll das Board so schlank wie möglich sein, so etwa nur 10 Chips.

Wo liegen für Sie die Vor- und Nachteile dieses Ansatzes?

Eine Erweiterung über PCI, AGP, USB ist besser, weil immer auf die neueste Hardware zugegriffen werden kann. Zudem lässt sich so das Mainboard schneller entwickeln und wird billiger. Da das Mainboard ja auch voll konfigurierbar ist, kann man auch auf Neues reagieren.

Mit welchem Endkundenpreis ist resultierend aus diesem offenen Ansatz beim Pegasus zu rechnen?

Ich hoffe so auf 1500 DMbis maximal 2000 DMals Endkundenpreis in der Standardausführung mit Tastatur und Maus, Grafik und RAM.

Der Milan II beeindruckte auch durch innovatives Design. Wollen auch Sie ein Komplettsystem inklusive Gehäuse anbieten oder erst einmal nur ATX-Boards verkaufen, dass sich Kunden selbst in ein Gehäuse ihrer Wahl setzen können?

Das müssen wir noch klären. Meiner Meinung nach sollte aber das Gehäuse möglichst klein sein und die Geräte schon ziemlich komplett, weil die TOS-Händler nicht gewohnt sind, Computer zusammenzubauen.

Neben einer guten Hardware ist die Software-Unterstützung für einen neuen Atari-Clone sicherlich ein nicht zu unterschätzendes Problem. Auf welches Betriebssystem setzen Sie?

Zu Beginn auf TOS 3.06, weil ich das gut kenne und es schnell lauffähig wird. Nachher auf MagiC und Linux...

Milan Computersysteme hat im Zuge der Milan-II-Entwicklung ja einige Ergebnisse zu Tage gefördert, die auch für den Pegasus interessant sein könnten. So ist z.B. das Konzept interessant, das TOS quasi als Unterbau für ein unabhängigeres MagiC zu nutzen. Gibt es Kontakte, um diese Ergebnisse auch für den Pegasus zu nutzen?

Auf diese Schiene sollte man auf alle Fälle aufspringen. Die Kontakte fehlen allerdings noch.

Interessant sind sicherlich auch Entwicklungen und Anpassungen, die zwar auf dem Milan, nicht aber auf dem Hades laufen. Dazu zählt nun aktuell die Hauppauge!-TV-Karte inkl. der GEM-TV-Software. Wäre es vor und während der Entwicklung nicht ratsam, in engen Kontakt mit diesen Entwicklern zu stehen, damit diese Karten auch mit dem Pegasus nutzbar sind?

Das muss auf alle Fälle in die Wege geleitet werden. Jedoch muss zuerst abgeklärt werden, ob die Leute wirklich Interesse an einer neuen Maschine haben und ob sie gebaut wird.

Das nächste Problem scheinen Treiber zu sein. Durch die Unterstützung des USB- und PCI-Standards ließen sich ja theoretisch sehr viele Karten an den Pegasus anschließen, allerdings hat die Realität anhand des Hades und des Milan doch gezeigt, dass relativ wenige Treiber z.B. für Grafikkarten auch konkret umgesetzt wurden. Wie könnte man Ihrer Ansicht nach hier für eine bessere Versorgung sichergestellt werden?

Es müssen unbedingt die Programmierer voll miteinbezogen werden, sonst wird nichts aus der Maschine. Das ist auch eine Bedingung um die Maschine überhaupt zu bauen: Die Programmierer müssen mitmachen.

Milan plante in Sachen Vertrieb mit dem Großhändler AXRO zusammenzuarbeiten, was die neuen Maschine auch in Kaufhäuser zurückbringen sollte. Wie soll der Vertrieb des Pegasus realisiert werden? Welchen Stellenwert nimmt das Internet ein, wie wichtig sind Händler vor Ort?

Das steht noch nicht fest. Ich denke aber, dass vieles über Internet abgewickelt wird.

Wie würden Sie die Zielgruppe für den Pegasus umreißen? Ist in erster Linie der jetzige Atari-Only-Anwender interessant, oder könnte der Pegasus ähnlich wie der Milan II auch für Computer-Neueinsteiger und das Home-Office interessant werden?

Durch die Ausbaufähigkeit sollte man eigentlich alle Zielgruppe im gesamten TOS-Markt ansprechen können. Bei Computer-Neueinsteiger sehe ich Möglichkeiten, wenn wir ein schnelleres Internet-Paket als Windows-Rechner anbieten können. Auch im Server-Markt liegen Möglichkeiten, da die Maschine unempfindlich gegen Viren ist. So könnte man Fuß fassen, denn von der Geschwindigkeit her sind wir wegen des besseren Betriebssystems in vielen Bereichen schneller als die Konkurrenz.

Mehr Informationen über den Coldfire gibt es in der kommenden st-computer oder jetzt unter motorola.com/SPS/HPESD



Aus: ST-Computer 12 / 2000, Seite 11

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