Was macht eigentlich... Julian Reschke?

Julian, eine Zeitlang warst Du aus der Atari-Szene nicht wegzudenken. Du warst Buchautor, hast Artikel geschrieben und Programme entwickelt. Was waren Deine wichtigsten Projekte?

Auf der journalistischen Seite sicherlich einerseits die monatliche Kolumne "Atarium", von der zunächst im ST-Magazin und dann später in der st-computer ingesamt über 100 Ausgaben erschienen sind. Andererseits das "Atari Profibuch ST-STE-TT", das für viele Programmierer die Systemdokumentation (Betriebssystem und Hardware) ersetzt hat. Was die Seite der Softwareentwicklung betrifft, war ich zuletzt intensiv mit Festplatten- und CD-ROM-Treibern beschäftigt. Vorher habe ich mich mit kleineren Tools wie "BigScreen" (womit man zum ersten Mal mehr als 640 x 400 Pixel darsteilen konnte) beschäftigt und Stefan Eissing bei der Weiterentwicklung der Mupfel (der Shell im Desktop "Gemini") zu einer (fast) vollständigen POSIX-Umgebung geholfen.

Vieles davon gibt es nach wie vor unter julian-reschke.de zum Download.

Wie ist Deine persönliche Atari-Geschichte? Ich habe gesehen, dass Du ja schon in 8-Bit-Zeiten Atari-Anwender warst...

Wie viele andere habe ich mit einem ZX81 begonnen, der natürlich nur für eine kurze Anfangszeit interessant genug war. Danach bin ich auf einen Atari 800 umgestiegen - ein Apple II wäre erheblich teurer geworden, und der! C=64 sah damals für mich technisch weniger interessant aus. Schon damals hatte ich Kontakt zu Sybex und habe dort Bücher veröffentlich, darunter zusammen mit Andreas Wiethoff das "Atari Profibuch" (das die damalige Profibuch-Reihe bei Sybex begründete). Ein paar Programme haben wir auch veröffentlicht: primär Spiele (darunter "Nadral", verkauft an aber nicht veröffentlicht von Atari Hamburg) und eine für heutige Verhältnisse primitive "Datenbank" (Memobox).

Was ist oder war für Dich das Besondere am Atari-Computing?

Der ST war natürlich 1985/86 den preislich vergleichbaren Rechnern technisch weit überlegen und dadurch für Entwickler sehr interessant. Leider konnte Atari den Erfolg der Hardware nicht wiederholen. Der TT war sicherlich eine gute Maschine (meiner hat mir über 10 Jahre gute Dienste geleistet), aber eben nicht der große Wurf wie der erste 68000er. Trotz aller Makel war auch TOS eine gute Basis, leider mussten die guten Ideen von anderen fortgeführt werden (MagiC und MiNT), weil Atari Amerika offenbar die Bedeutung eines professionellen Betriebssystems (und seiner Weiterentwicklung) nicht richtig eingeschätzt hat.

Mit einem Atari TT und MagiC (oder auch MultiTOS) konnte man bis vor einigen Jahren prinzipiell alles tun, was auch auf der PC-Plattform ging. Zuletzt haperte es dann allerdings an CPU-Leistung, standardisierten IP-Stacks und moderneren Compilern.

Was waren für Dich die Tops und Flops der Atari-Geschichte?

Tops waren sicherlich die Ur-STs und Mega-STs sowie der Atari-Laserdrucker. Im Nachhinein ein Flop war sicherlich der Falcon. Bei der Software denke ich gerne an MagiC, MiNT, PureC und natürlich Gemini zurück. Flops fallen mir ad hoc keine ein - um schlechte Software habe ich immer einen Bogen gemacht.

Wenn Du heutige Systeme mit dem Atari vergleichst: welche Eigenschaften fehlen dem Atari-System, was fehlt anderen Systemen, was der Atari hat?

Es fehlt an Speicher, CPU-Leistung, moderne Entwicklungsumgebungen und -Komponenten. Die zweite Frage ist schwerer zu beantworten, wenn man einmal den Umstieg hinter sich gebracht hat. Nach wie vor ärgere ich mich alle paar Tage an Unzulänglichkeiten von Windows 2000 herum (Warum kann ich eine offene Datei nicht umbenennen? Warum kann man Ordner mit einem Leerzeichen am Ende des Names zwar anlegen, aber nicht löschen?) - aber ob es mit Linux, MacOS oder MiNT/Magic wirklich besser wäre, möchte ich dahingestellt lassen.

Was machst Du heute beruflich?

Ich bin Geschäftsführer der Greenbytes GmbH, an der ich auch beteiligt bin und entwickle "Internet-Anwendungen".

Was machst Du, wenn Deine Computer mal ausgeschaltet bleiben?

Nix besonderes: Kino, Fernsehen, Lesen und gelegentlich mal zum Tauchen in den Urlaub.



Aus: ST-Computer 06 / 2001, Seite 58

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