qed 5.0 Beta - und die Welt ward farbig

Fast 4 Jahre nach dem größeren Update auf Version 4.5 ist als große Überraschung eine neue Version des einst beliebtesten Texteditor für Atari Systeme erschienen. Wir haben für Sie das Beta-Release 2 der Version 5 von qed getestet.

Bevor eine neue Version erschienen konnte, musste ein neuer Programmierer gefunden werden. Heiko Achilles, einer der Autoren von Rational Sounds, hat die Entwicklung von qed übernommen und einen Wunsch von vielen Anwendern realisiert, nämlich die Unterstützung von Syntaxfärbung. Zusätzlich wurden diverse Kleinigkeiten geändert, damit das Arbeiten mit dem Programm komfortabler zu machen. Die Liste der offenen Fenster wird in der neuen Version nicht mehr automatisch gespeichert, wenn man die Programmeinstellungen sichert. Möglicherweise werden bis zum Erscheinen der finalen Version weitere Neuerungen in die Applikation einfließen.

Was ist qed? Im Gegensatz zu klassischen Textverarbeitungsprogrammen ist qed auf die Editierung von ASCII-Texten spezialisiert, man spricht von einem so genannten „Texteditor". Angefangen mit der Bearbeitung von einfachen Konfigurationsdateien sind neben dem Erstellen von Webseiten mit qed schon ganze Programme geschrieben worden. Was macht denn einen guten Texteditor aus, wenn schon die Dateien, die damit erstellt werden sollen, keinen komplexen Aufbau haben?

Kompatibilität

Jedes Betriebssystem speichert Textdateien in einem anderen Format ab. Dabei weichen sowohl die Zeilenendzeichen, als auch die Zeichensatzbelegungen von System zu System ab. Um Abhilfe zu Schaffen, beherrscht qed die wichtigsten Formate und kann Dateien beliebig konvertieren. Man kann zum Beispiel eine Textdatei, die auf einem Macintosh erstellt wurde, mit qed öffnen und die Sonderzeichen so ersetzen, dass sie wieder lesbar werden. Für Webdesigner hat das Programm auch eine kleine Hilfe bereit: Umlaute können automatisch ins HTML-Format kodiert werden. Die Umwandlung von UNIX-, Mac- und DOS-/TOS-Zeilenen-den ist ebenfalls möglich. Wünschenswert wäre für eine zukünftige Version, dass qed die Systemerweiterung KEYTAB für eine noch flexiblere Umwandlung der Zeichencodierung nutzen würde.

Editiermöglichkeiten

Wichtig für einen Texteditor sind natürlich auch dessen Möglichkeiten, den Text möglichst effizient bearbeiten zu können. Dabei sollten möglichst viele Kommandos über Tastaturkombinationen zugänglich sein, da der Anwender normalerweise beim Tippen die Maus nicht oft benutzt. In dieser Hinsicht bietet qed eine ganze Reihe an nützlichen Kommandos, die man am besten im mitgelieferten Hypertext studieren sollte. Wortweises Löschen, Selektieren eines ganzen Klammerinhalts, Zeichen vertauschen und viele andere nützliche Befehle lassen sich bequem per Tastatur auslösen. Besonders praktisch ist die Funktion, einen Textblock sortieren zu können, wahlweise auf- oder absteigend.

Eine andere Stärke von qed sind die Kürzeldateien. Für oft benutzte Ausdrücke, wie Schlüsselworte von Programmiersprachen, lassen sich Abkürzungen definieren. Statt „boolean" zu schreiben genügt beispielsweise das Tippen von „bl" und Escape zum Erweitern des Ausdrucks auf die gewünschte Zeichenkette. Pro Dateityp kann sich qed merken, welche Kürzeldatei benutzt werden soll, aber auch Einstellungen für Tabulatorbreite, Backup-Dateien oder Textformatierung können festgelegt werden.

Neben der obligatorischen Su-chen-und-Ersetzen-Funktion kann qed auch nach Textabschnitten in mehreren Dateien suchen, zum Beispiel in allen HTML-Dateien eines Ordners.

Protokolle

qed unterstützt die meisten modernen GEM-Protokolle. Für Programmierer ist vor allem das SE-Protokoll interessant. Damit kann z.B. über die PC-Shell der Pure C-Compiler angesprochen werden. Über ein eigenes Menü lassen sich Quelltexte kompilieren oder andere entwicklungsrelevante Aktionen auslösen. Bei Fehler im Quellcode kann qed automatisch zur fehlerhaften Zeile springen.

Weiterhin beherrscht qed das OLCA-Protokoll. Damit kann beispielsweise bei der Kreation von HTML-Seiten GAB benachrichtigt werden, die Datei zu aktualisieren, sobald man in qed Änderungen vorgenommen hat und die Datei gesichert hat.

Ein besonders gelungenes Feature ist die Implementierung der Drag & Drop-Technologie. Will man in einer Konfigurationsdatei einen Pfad angeben, genügt es, die Datei oder den Ordner aus dem Desktop an die gewünschte Stelle im qed Fenster mit gedrückter Alt-Taste zu ziehen. Es erscheint ein Popup, in dem der Anwender wählen kann, ob er den ganzen Pfad, Teile davon oder den Inhalt der gezogenen Datei in den Text einfügen will.

Im Vergleich zu Luna versteht qed das GEMScript-Protokoll (noch) nicht. Doch möglicherweise wird dieses Manko in naher Zukunft behoben sein, da der Programmautor in Sachen GEMScript nicht ein Anfänger ist.

Syntaxfärbung

Vor qed hatten schon verschiedene Programme versucht, syntaxabhängige Texteinfärbung zu implementieren. Der wenig bekannte Texteditor Clix und die GCC-Shell Agnus beherrschten schon seit längerer Zeit diese Fähigkeit, leider nur für bestimmte Programmiersprachen und ohne große Flexibilität.

qed implementiert eine äußerst flexible Handhabung der Syntaxfärbung. Vorkonfiguriert sind Farbdefinitionen für C, C++, ST-Guide und andere Quelltexte. Die einzelnen Farben können für jeden Dateityp bequem über einen Einstellungsdialog gesetzt werden. Zusätzlich zur Farbe lassen sich Attribute wie fett, kursiv oder hell einstellen, ein Feature, das in anderen Programmen - auch auf anderen Systemen - selten anzutreffen ist.

Will man für eine nicht unterstützte Programmier- oder Hypertextsprache Regeln für Syntaxfärbung aufstellen, so ist dies mit der Bearbeitung der Datei „syntax.cfg" möglich. Im Hypertext zu qed ist eine detaillierte Anleitung vorhanden, mit der der Anwender ohne größere Schwierigkeiten zusätzliche Farbdefinitionen erstellen kann. Für Programmiersprachen reichen die vorhandenen Farbdefinitionsmöglichkeiten vollständig aus. Will man aber für Dateien mit komplexeren Strukturen einfärben, so stößt man schnell an Grenzen der jetzigen Einfärbtechnik an. Für HTML-öder XML-Dateien können noch nicht alle Text-Elemente so eingefärbt werden, wie man es von Programmen anderer Plattformen gewohnt ist. Beispielsweise können in HTML-Dateien die Tag-Attribute nicht in einer anderen Farbe als normaler Text außerhalb von Tags dargestellt werden, es sei denn, man definiert alle Attribute als Schlüsselworte.

Fazit

Das aus dem Winterschlaf erwachte Programm ist dank der Syntaxfärbung wieder auf einem modernen Stand und lässt sich mit der einzigen Konkurrenz Luna von RGF-Software wieder vergleichen. Zwar hat Luna den Erzfeind qed in vielen Bereichen schon lange überholt, aber letztendlich ist es Geschmackssache, welchen Editor man benutzen will. Hoffen wir, dass nach der Version 5 noch viele Updates erscheinen werden.

heinisoft.atari-users.net


Joachim Fornallaz
Aus: ST-Computer 06 / 2002, Seite 17

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