XXL/2 - halbe Kalkulation oder extralarge?

Im Zuge unseres Themenschwerpunkt beschäftigen wir uns mit einer Tabellenkalkulation, die noch nie von der st-computer getestet wurde.

Jedes Programm, das sich eine "/2" an den Namen hängt muss zwangsläufig mit Spott leben. So wird OS/2 auch gerne als "OS halbe" bezeichnet. Wenn dieses Programm dann auch noch von der französischen Softwareschmiede Oxo stammt, fallen sicherlich schon einige vor lauter Lachen in den Pool des Nachbarn. Noch 1999 galt diese Firma allerdings als eine der größten Hoffnungen im Atari-Markt. Hauptprodukt war damals WenSuite, ein komplettes Internet-Paket, das vor allem durch seinen schnellen Browser bekannt wurde. Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis WenSuite in Englisch vorlag und vom hehren Anspruch, den "Atari-Netscape" herzustellen war das Programm dank etlicher Bugs weit entfernt.
Oxo hatte aber noch größere Pläne. Mit Expresso wurde ein WYSIWYG-HTML-Editor vorgestellt und eine neue Falcon-Platine präsentiert. Neben dem hier vorgestellten XXL/2 plante Oxo mit XXLDatabase auch noch eine Datenbank im Access-Stil.

Das Archiv

Die Demoversion von XXL liegt auf der Oxo-Homepage. Ob das Programm noch bestellt werden kann, ist fraglich, denn es scheint niemanden mehr zu geben, der etwas an den Seiten macht - die Preise sind bspw. noch in französischen Franc angegeben.
Im Archiv befindet sich nur die französische Version, eine englische oder gar deutsche Übersetzung existiert nicht. Es fehlt außerdem ein Handbuch, was das Testen natürlich nicht einfacher macht. Immerhin sind eine ganze Reihe Beispieldateien enthalten.

Start

Nach dem Start fragt XXL zunächst, welcher Programmteil aufgerufen werden soll: Präsentation oder Calculation. Diese "Willkommens"-Dialogbox blockiert das Multitasking, die meisten anderen Dialoge sind dafür in Fenstern. Das XXL vom gleichen Hersteller wie WenSuite stammt, wird bei Dialogen und Fenstern sichtbar. Die Icons in den Fenstern wirken mitunter etwas verloren und weichen etwas vom Standard-Aussehen ab. Die Dialoge verwenden die gleichen GEM-Routinen wie die anderen Oxo-Programme und passen sich somit nicht an das System-Aussehen an.
Etwas seltsam und wohl einmalig für eine Tabellenkalkulation ist, das XXL beim Systemstart die Palette ändert. Wird ein Fenster einer anderen Anwendung nach oben geholt, ändert XXL brav die Farben, vergißt allerdings die Palette erneut zu ändern, wenn es erneut aufgerufen wird.

Formular

Die Dateneingabe findet auf den bekannten Formularen statt. Wer sich dafür entschlossen hat, eine neues Datenblatt zu erstellen, wird zunächst einmal auf eine frei Datenzelle blicken. Eigentlich hat es sich eingebürgert, immer alle Datenzellen darzustellen - schließlich kann im Fenster auch gescrollt werden. Etwas eigenwillig sind auch die Bezeichnungen der X- und Y-Achse, die Namen wie A.1, B.2 tragen. Eingebürgert hat es sich, eine Achse mit Buchstaben und die andere mit Zahlen zu bezeichnen.
Um das Datenblatt zu vergrößern, sind mehrere Schritte notwendig: an der oberen linken Fensterecke befindet sich ein Icon, um zusätzliche Zellen hinzuzufügen. Nach einem Klick öffnet sich ein Popup-Menü mit den Zahlen eins bis zwölf. Sollen jetzt z.B. zwölf Zellen hinzugefügt werden, wird die zwölf ausgewählt und das dann erscheinende Kästchen auf der X- bzw. Y-Achse positioniert. Warum das Datenblatt nicht von Anfang an eine vernünftige Größe wie z.B. 32x32 hat, bleibt wohl das Geheimnis der Programmierer.
Das Bewegen im Datenblatt findet dann wieder in gewohnter Form statt. Mit der Maus können Zellen selektiert und Spaltenbreiten und Zeilenhöhen verändert werden. Letzteres deutet aber nicht daraufhin, das XXL ähnlich wie Texel verschiedene Schriftgrößen erlaubt - in den Optionen läßt sich nur ein Font auswählen, der dann für alle Zellen gilt.
Bei einem Klick auf das A oder B in kleinen grauen Kästchen kann die Beschriftung der Spalten und Reihen geändert werden. Statt B.1, B.2 könnte es dann heißen STCOMPUTER.1 und STCOMPUTER.2. Das sieht zwar ganz nett aus, ist aber ein Feature, auf das gerne verzichtet werden könnte.

Zellen mit Format

Wie bereits erwähnt, nutzt XXL die Möglichkeiten des Atari-Schriftsystems nicht vollständig aus. Es können lediglich verschiedene Schriftattribute festgelegt werden.
In den Parametern wird die gewünschte Schrift und Schriftgröße festgelegt. Mit "Fonte pour les alertes" sind tatsächlich die Alarmmeldungen gemeint, die XXL bei Fehlern ausgibt. Allerdings kann XXL mit dieser Funktion nicht wirklich umgehen, besonders bei einer größeren Schrift sehen die Meldungen dann etwas eigenartig aus.
Zellen können als Datum, Zeit, Währung, Prozent, Wissenschaftlich oder fixiert formatiert werden. Das ist sicherlich schon das Minimum an Zellformaten, aber für den Heimbereich ausreichend.
Da XXL variable Zeilenhöhen kennt, gibt es neben der Platzierung in horizontaler (links, rechts, zentriert) auch die Positionierung in vertikaler Richtung.

Import und Export

Ein Grund für den Mißerfolg von XXL sind die Import- und Exportfunktionen, die diesen Namen eigentlich nicht verdienen. XXL importiert lediglich ASCII-Daten, in den Parametern wird festgelegt, ob das Trennzeichen der Tabulator oder ein anderes, frei wählbares Zeichen, ist.
Bei einem ASCII-Import oder -Export gehen jedoch alle Formeln verloren.
Als Export-Format steht immerhin noch HTML zur Verfügung.

Formeln

Was XXL alles an Formeln kennt, ist nicht leicht herauszufinden, mangels Handbuch und Online-Hilfe. Anhand der Beispieldateien läßt sich zumindest sagen, das XXL die wichtigsten Funktionen kennt. Für diese sollten allerdings Französisch-Kenntnisse vorhanden sein.

Präsentation

Aus den Tabellendaten kann XXL Grafiken generieren. Für Präsentationen ist die Qualität zwar etwas dürftig, aber ausreichend. Eine Zoom-Funktion ermöglicht das Verkleinern bzw. Vergrößern.
Einfache Formen wie Rechtecke und Kreise können nachträglich gezeichnet werden. XXL kann Daten als Kuchen-, Balken- oder Liniengrafik darstellen.
Leider kennt das Präsentationsprogramm keine Export-Funktion. Allerdings kann das Programm über GDOS in eine Datei drucken und so als IMG exportieren.
Als Ergänzung zur Tabellenkalkulation ist dieser Programmteil sicherlich ausreichend, aber jeder mit etwas professionelleren Ambitionen wird sich wohl nach XAct umsehen. Angeblich unterstützt XXL 3D-Texturen mit OpenGL über eine LDG-Library, dies konnte jedoch nicht nachgeprüft werden.

Fazit

XXL ist eine Tabellenkalkulation für Einsteiger. Größtenteils funktioniert das Programm so wie es soll, aber die diversen Sonderwege erschweren das Erlernen unnötig. Um gegen die nicht gerade zahlreiche Konkurrenz zu bestehen, fehlt es dem Programm an einigen Funktionen. Letztlich ist XXL K-Spread von 1993 klar unterlegen und kann sich noch nicht einmal durch besondere Import- und Exportfunktionen abheben. Positiv sind die vielen Beispieldateien, die einen guten Überblick über das Programm bieten.

http://oxo.systems.online.fr/xxl2.htm


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 11 / 2002, Seite 48

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