Die Erfolgsgeschichte ausführlich erzählt

Die 8-Bit-Computerreihe von Atari überlebte drei Dekaden. Wie alles begann, zeigt ein historischer Bericht.

Die Computerwelt wurde Ende der 60er/Anfang der 70er von Mail-Order-Computern dominiert. Das waren Systeme wie der Altair oder IMSAI, kleine Versionen jener Computer-Ungetüme, die so gerne in Science-Fiction-Filmen verwendet wurden. Große Ladenketten, die Computer verkauften, gab es noch nicht und so wurden die Computer teilweise direkt beim Hersteller bestellt und kamen in Kit-Form, d.h. der stolze Besitzer mußte sie erst noch zusammenbauen. Dafür gab es dann Computer, die munter mit vielen LEDs blinkten und erst dank diverser Erweiterungskarten Anschluss an Bildschirm oder 8-Zoll-Diskettenlaufwerk fanden. Schon auf diesem Computer trieb eine kleine Softwarefirma namens Microsoft ihr Unwesen, die Basic-Varianten programmierten und damit auch noch Jahre später Gewinn machten.

Die Elektronik der 60er und frühen 70er wurden zusätzlich geprägt durch Taschenrechner. Während heute ein einfacher Taschenrechner mit Speicherfunktion für vier Euro in jedem Kaufhaus erhältlich ist, war das Geschäft mit ihnen vor dreißig Jahren äußerst lukrativ. Firmen wie Commodore und Texas Instruments fochten die ersten Machtkämpfe aus. Als dann auch noch japanische Firmen mit neuen Fertigungsmethoden und niedrigen Produktionskosten in den Markt drängten, freute sich der Verbraucher und die Firmen ärgerten sich: statt einem Profit von 50$ und mehr pro Taschenrechner blieben nur noch ein paar Dollar übrig. Dies begünstigte den Trend zu den neuen Mikrocomputern Commodore arbeitete am PET und Steve Wozniak am Apple I.

Steve Wozniak und Steve Jobs bauten auch Breakout, ein neues Arcade-Spiel. Jobs hatte jedoch von Hardware wenig Ahnung, verstand aber etwas von Design und Vermarktung. Dank Wozniak benötigte Breakout weniger Chips als ursprünglich geplant und wurde so in der Produktion billiger. In der Freizeit arbeiteten die beiden wie auch einige andere Mitarbeiter mit geliehenen Atari-Teilen an eigenen Maschinen. Dies wußte Nolan Bushnell und billigte es auch ausdrücklich. Als der Apple I fertig war, traten sie an Bushnell heran, um ihm das Produkt anzubieten. Doch Atari, zu diesem Zeitpunkt noch eine sehr junge Firma, hatte nicht genug freies Kapital, um ein Computersystem auf den Markt zu bringen. Zudem war die Firma zu sehr mit der Pong-Konsole beschäftigt. Bushnell stellte den beiden schließlich potentiellen Geldgebern vor, die das Produkt finanzieren sollten.

Als das VCS auch durch eine Geldspritze vom neuen Besitzer Warner fertiggestellt wurde, machten sich die Entwickler sofort daran, ein neues Chipset für ein Super-Videospiel zu entwickeln. Unter den Entwicklern befindet sich mit Jay Miner auch ein späteres Mitglied des Amiga-Entwicklungsteams.

Die Idee hinter dem neuen System war es, Spezial-Chips zu benutzen, die der CPU die Arbeit erleichtern sollten. Diese Spezialisten wären zugleich erheblich leistungsfähiger. War im Atari VCS die TIA für Grafik und TV-Ausgabe zuständig, enthielt das neue System neben dem GTIA (General Television Interface Adaptor) die ANTIC. ANTIC („Alpha-Numeric Television Interface Circuit“) ist die zweite CPU neben dem eigentlichen Hauptprozessor 6502. Der Chip hat eine Reihe eigener Befehle und ein Programm, die Display Liste. Daten und die Liste werden in das RAM durch die 6502 kopiert. ANTIC selber hat direkten Zugriff auf das RAM (DMA). Damit dies überhaupt funktionierte, hat Atari eine Spezialvariante des 6502 benutzt, den 6502C. Dieser unterstützt DMA und ein HALT-Kommando. Damit verhindert ANTIC, das der 6502 zur gleichen Zeit auf den Speicher zugreift. ANTIC hat auch die Kontrolle über einen Großteil der GTIA. 1981 wurde ein US-Patent auf ANTIC erteilt, unter dem Titel „Data processing system with programmable graphics generator“.

Der GTIA („George’s Television Interface Adapter“) konvertiert die Befehle vom ANTIC und der 6502C in TV-Signale. Es ist aber kein simpler TV-Chip, denn GTIA verwaltet die Farbwerte, Player-Missile-Grafiken und Kollisionsregister. In ersten Tests erwies sich der GTIA aber als instabil und so wurde schnell eine einfachere Variante entwickelt: CTIA. CTIA hatte drei Graphikmodi weniger als GTIA und konnte „nur“ 128 Farben darstellen. Die ersten Maschinen wurden daher mit CTIA verkauft und später durch den GTIA ersetzt.

Weit seiner Zeit voraus war der Soundchip: Pokey äußerte sich über vier Stimmen und wurde auch in den Automaten. Er ist auch dem Soundchip des STs überlegen, der etwa zur gleichen Zeit sein Unwesen trieb. Neben der Verwendung in den Atari 8-Bit-Computern ist er auch auf einigen VCS7800-Modulen, da die Konsole sonst den VCS2600-„Soundchip“ verwendet.

Die beiden 8-Bit-Computer, die den Start von Ataris Computerreihe markieren sollten, wurden zuerst unter dem Projektnamen Oz entwickelt. Kurze Zeit später bekamen sie neue Namen: der Atari 400 hieß intern „Candy“ und Atari 800 „Colleen“. Die endgültigen Namen leiten sich aus dem RAM-Speicher ab: Atari 400 war mit 4 KB RAM und der Atari 800 mit 8KB RAM geplant. Es wurden auch einige Geräte mit dieser RAM-Ausstattung verkauft, aber die später erweiterte Atari den RAM-Speicher auf 16 KB (Atari 400) bzw. 48 KB (800) RAM.

Auf der CES im Januar 1979 werden die beiden Computer der staunenden Öffentlichkeit vor. Ataris Konkurrenten dieser Zeit konnten schon vorher erste Erfolge feiern: der Apple II verkaufte sich sehr gut und Tandy, die Elektronikfirma mit eigener Ladenkette, verkaufte im ersten Jahr von ihrem TRS80 Model I 55000 Stück.

Die unterschiedlichen Einsatzgebiete zeigten sich schon am Design: der Atari 400 hatte nur eine Folientastatur, die gegen Schmutz und Flüssigkeit relativ unempfindlich ist. Es wurden jedoch auch Ersatztastaturen angeboten, um eine gewohnte Schreibmaschinentastatur zu bekommen. Ferner fehlte im Vergleich zum Atari 800 der zweite, kaum genutzte, Cartridgeport und der Anschluss für den Monitor.

Beide Geräte besaßen vier Joystickports, die Tastatur des Atari 800 wird von vielen als das beste bezeichnet, was Atari je an Tastaturen gebaut hat.

Innere Werte

Atari 400

Wer zu den glücklichen Besitzern eines Atari 400 zählt (:-)), wird beim Design ins Schwärmen geraten: der Computer wirkt wie aus einem Sci-Fi-Film entsprungen. Noch ungewöhnlicher ist das Innere: der Atari 400 ist aus einer Hauptplatine sowie zwei Steckkarten aufgebaut. Damit paßte das Gerät in das ungewöhnliche Gehäuse und Defekte ließen sich leichter beheben.

Das Steckkarten-System findet sich auch beim Atari 800: fünf Steckplätze stehen zur Verfügung. Um auf 48 K RAM zu kommen, waren drei Plätze von RAM-Karten belegt. Im laufe der Zeit kamen Dritthersteller auf die Idee, neue Karten zu entwickeln. So erschienen RAM-Disk-Karten, RAM-Karten (bis 1 MB), eine 80 Zeichen-Grafikkarte und ein Modem. Sogar das Betriebssystem, das sich auf einer Karte befand, konnte ausgetauscht werden: z.B. war Fastchip identisch zum Atari-ROM, sollte aber dreimal schneller bei Fließkommaoperationen sein. Allerdings war bei zusätzlichen Karten wie der 80-Zeichen-Karte (Full-View 80) auch ein Austausch der RAM-Karten fällig, wenn der Atari 800 nicht mit nur 32 KB RAM laufen sollte.

Die Bauweise und die Spezialchips machten Atari 400 und 800 zwangsläufig teurer.

Bei der Peripherie benutzte Atari den selbst entwickelten SIO-Bus, mit dem Computer und Peripherie kommunizierten. Das Bussystem erinnert stark an eine einfache Version des USB. Einer der Entwickler des SIO, Joe Decuir, heuerte später bei Microsoft an und hält heute einige Patente auf den USB.

Es sollte noch bis zum August dauern, dann standen Atari 400 und 800 in den Geschäften. Die Computer wurden zum großen Erfolg und so wurde der noch junge Heimcomputermarkt von drei Firmen dominiert: Atari, Apple und Tandy.

Atari konnte seinen Videospielhintergrund nicht verleugnen und so erschienen für die 8-Bit-Computer mehr Steckmodule als für jedes andere Computersystem. Neben Umsetzungen, die dem Arcade-Original fast entsprachen („Frogger“, „Missile Command“), gab es auch Programmiersprachen wie Logo auf Modul. Spiele wurden vorerst hauptsächlich auf Modul veröffentlicht, Fremdanbieter bevorzugten wegen der höheren Produktionskosten von Modulen eher die Kassette.

Letztere konnten dank des 300$ teuren Atari-Kassettenlaufwerks 410 abgespielt werden. Per Befehl konnte der Computer sogar den Laufwerksmotor abstellen. Das Atari 410 konnte zwei unterschiedliche Tracks vom Band abspielen. Während ein Programmteil geladen wurde erklang über den Lautsprecher normale Music oder Sprache. Gedacht war dieses Feature für Lernprogramme, ausgiebig genutzt wurde es nie. Für Spiele erwies sich die „halbierte“ Kassette als unpraktisch: Tape Speeder, auf dem C64 z.B. gang und gäbe galten auf den Ataris lange Zeit als unmöglich. Das nichts unmöglich ist, zeigten später Atari-Fans aus der DDR, die mit einer kleinen Hardware-Schaltung das Kassettenlaufwerk um Faktor 10 beschleunigten.

Atari war selber einer der größten Software-Produzenten für das noch junge System. Neben unzähligen Spielen veröffentlichte Atari mit „Word Processor“ ein Textverarbeitungssystem mit Einführungslehrgang auf Kassette.

Auch die damals dominierende Tabellenkalkulation Visicalc erschien für den Atari.

Zusammen mit den Computern stellte Atari auch ein Diskettenlaufwerk (Floppy) vor. Das Atari 810 konnte 88 KB auf Disketten speichern und dank des durchgeführten SIO-Bus konnten bis zu vier Floppys angeschlossen werden. Im massiven Gehäuse ist auch der Floppycontroller enthalten.

Ein echtes Double Density-Laufwerk war das Atari 815. Es steckten zwei Atari 810-Laufwerke in dem Ungetüm, das Netzteil war eingebaut. Auf eine Diskettenseite passten immerhin 178 KB und wieder konnten vier Floppys in einer Kette am Atari 400/800 hängen - bei den Ausmaßen des 815 ein sicherlich imposanter Anblick. Dazu kam es aber nicht, denn das 1500$ teure Laufwerk wurde nur in geringen Stückzahlen verkauft.

Nie erschienen ist hingegen die Atari Maus. Rich Pasco wechselte von Xerox PARC, den Erfindern der grafischen Benutzeroberfläche und der Maus, zu Atari. Da ihm die Maus von seiner Zeit bei Xerox noch vertraut war, wollte er so etwas auch auf dem Atari 800 haben. Er kaufte von Hawley Systems eine Computermaus mit drei Tasten, die er an den ersten Joystickport anschloss. Er schrieb einen Bildschirmtreiber und schon konnte er einen Mauszeiger auf dem Bildschirm bewegen, der sogar in den meisten Programmiersprachen funktionierte. Sein kompakter Treiber hätte problemlos im Atari ROM Platz gehabt, aber das Atari-Marketing verwarf die Idee, als er ihnen die Maus vorstellte. Vier Jahre vor Apples Lisa konnte kaum jemand etwas mit dem merkwürdigen eckigen Ding anfangen.

Ein anderes Eingabegerät hatte es leichter: der Lightpen („Lichtgriffel“). Dieser Stift für den Bildschirm war als Zeichenwerkzeug wesentlich geeigneter als der Joystick, mit dem das Malen eine echte Geduldsprobe war. Technisch funktioniert der Lightpen ähnlich wie eine Lightgun und damit das Gerät richtig arbeitete, mußte die Helligkeit etwas raufgedreht werden. Das Arbeiten direkt auf dem Bildschirm war nicht besonders gesundheitsförderlich. Trotzdem gab es auch für den XL noch einen Lightpen, während die ST-Reihe auf diesen verzichtete. 1989 änderte sich dies: die erweiterten Joystick-Ports des STE dienten ausdrücklich auch zum Anschluss von Lightpens, Lightguns und Paddles - alles Eingabegeräte, die Atari in den 70ern und 80ern etablierte. GFA-Basic hat sogar eigene Befehle für den Lightpen und die offizielle Umsetzung von SDL unterstützt diesen auch.

Der Atari 800 hielt auch Einzug in amerikanische Universitäten und wurde durchaus professionell genutzt. In den Labors der NASA wurde der 800 in den Forschungslabors eingesetzt, besonders der SIO-Bus und das Steckkartensystem ermöglichten Anpassungen an verschiedene Experimente. Atari förderte dies und verschenkte auch Geräte an besondere Projekte, begabte Studenten oder Universitäten, da in diesen Bereichen der Apple II schon relativ starken Einflußss hatte.

Konkurrenzlos waren Atari 400/800 bei den Spielen. Sowohl Apple II als auch TRS80 hatten zwar eine kleine Auswahl an Spielen, aber mit den Farbfähigkeiten der neuen Atari-Computer konnten sie nicht mithalten. Beide Computer hatten keine Joystickports - Atari hatte deren gleich vier. 1979, im Jahr von Space Invader, erschien der erste Knaller für die 8-Bit-Computer: Star Raiders. Star Raiders war ein 3D-Space-Shooter aus der Ego-Perspektive und zeigte, welches Potential in dem Computer steckte. All dies passte in ein kleines 8 KB-Modul. Zurecht sagten deshalb einige Programmierer wie Jeff Minter, das Star Raiders eines der besten Spiele sei.

Natürlich versorgte Atari seine Heimcomputer aus dem schier endlosen Pool an Arcade-Spielen.

1980 betrat ein weiterer Heimcomputer das Spielfeld: der Sinclair ZX80. Der einfach aufgebaute Heimcomputer ohne eigenen Grafikchip war Vorbote des Preisverfalls bei den Heimcomputern. Wirklich gefährlich konnte er den etablierten Systemen nicht werden.

Ein Jahr später versuchte Commodore mit dem VC20/VIC20 sein Glück. Die Jahre zuvor wurde mehr oder weniger erfolglos versucht, mit den PET-Nachfolgern den Firmenmarkt zu erobern. Technisch war das Gerät ein klarer Rückschritt: 5 KB RAM (davon 3,5 frei verfügbar) und eine Zeichendarstellung mit 22 Zeichen pro Zeile wirkten schon damals antiquiert. Allerdings war der VC20 billig, verkaufte sich sehr gut und verschaffte Commodore einen Ruf als Preisbrecher.

Weniger Luft für Preissenkungen gab es beim Atari 400/800. Beide waren zu aufwendig gebaut und auch Extras wie das Slot-System trieben den Preis nach oben.

1982 veröffentlicht Atari das VCS5200, die mehr oder weniger einem Atari 400 entspricht. Kurioserweise waren die Spiele aber nicht immer identisch und einige Arcade-Umsetzungen sahen auf dem 5200 besser aus.

Für den Atari 800 wurde eine neue, kostengünstigere Platine entwickelt, aber Atari ließ diese fallen, um das Sweet-16-Projekt voranzutreiben.

Sweet-16 war der Projektname für zwei neue Computersysteme: eins mit 16 KB und ein anderes mit 64 KB. Das Gehäuse sollte flach sein, mit vier Funktionstasten, einem internationalen Zeichensatz und einer Help-Taste. Zwei SIO-Anschlüsse und der neue PBI (Parallel Bus Interface) sollten Sweet-16 noch vielseitiger machen. Die Computernamen standen schon fest und die ganze Peripherie wurde nach ihnen benannt: Atari 1000 und 1000-X.

Aus dem Atari 1000-X wurde schließlich das Atari 1200 und Atari entschloss sich, den Computer mehr auf den Heimcomputermarkt abzustimmen und sparte an den Erweiterungsmöglichkeiten ein. Als Prototyp gab es auch einen Atari 600, mit weniger Speicher und einem schlankeren Gehäuse. Aus dem 1200 wurde der Atari 1200XL und somit der Start der XL-Computerreihe.

Die XL-Reihe

Die fehlenden Erweiterungsmöglichkeiten des 1200XL sollten durch die 1090XL Expansionbox ausgeglichen werden. Diese Box enthielt fünf Slots für spezielle Steckkarten und war bereits fertig. Atari entwickelte eine CP/M-Karte und eine 80-Zeichenkarte. Das Betriebssystem der XL-Computer unterstützte diese Box und daran änderte sich auch bei den späteren XE-Computern nichts.

Neben einer verbesserten Tastatur und mehr Funktionstasten wurde der Kabelsalat reduziert. Beim 1200XL fehlten aber zwei Joystickports, die für interne Funktionen benutzt wurden. Bei der Darstellungsqualität schieden sich dann die Geister: viele 1200XL-Geräte hatten eine schlechtere Darstellung als der Atari 800. Von 64 KB waren nur 31 frei verfügbar. Am schlimmsten war aber die Inkompatibilität mit einem großen Teil der existierenden Software, selbst Programme von Atari liefen nicht auf dem 1200XL. Die Folge: der Verkauf des Atari 800 stieg nach der Einführung des 1200XL an. Das Management von Atari reagierte schnell, stampfte den 1200XL ein und brachte den 600XL und 800XL heraus, den erfolgreichsten 8-Bit-Computer von Atari. Der 1200XL ist jedoch kein seltenes Gerät und lässt sich in den USA relativ problemlos kaufen. In Deutschland sah das anders aus, aber hier wurden Atari 400/800 auch erst 1981 eingeführt.

Club Atari

Es gab einige Initiativen von Atari zur Bindung der Käufer an das System. Ein einzigartiges Projekt war Atari Program Exchange (APX). Atari ermutigte seine Kunden dazu, eigene Programme zu schreiben. Entsprachen diese einem gewissen Qualitätsstandard, wurden sie von Atari über einen Katalog günstig verkauft. Die Programmsparte war dabei nicht wichtig - Lernprogramme für Zeichensprache standen neben Arcadespielen. Am Verkaufspreis war der Programmierer prozentual beteiligt, einige herausragende Titel wurden sogar später als offizielle Atari-Titel verkauft. Dazu gab es ab und zu Wahlen zum besten Programm, dass dem Programmierer bis zu 25000 Dollar einbringen konnte. Ein Programmierer, der durch APX den Sprung in das Software-Geschäft schaffte, ist Chris Crawford. „Eastern Front: 1941“ war aus deutscher Sicht vielleicht etwas problematisch, denn es galt, den Feldzug gegen Russland erfolgreich durchzuführen. Grafisch war das Spiel sehr abstrakt, spielerisch ein echter Strategiehammer: eine fortschrittliche KI mit einem „intelligenten“ Gegner. Im Gegensatz zu anderen Strategiespielen, in denen der Computer seine Bewegungen berechnet, nachdem der menschliche Spieler einen Zug gemacht hat, berechnete Eastern Front laufend neue Zugvarianten. Wer Eastern Front spielt, kann sich zwar mit den Zügen Zeit lassen, aber je Zeit für den Zug benötigt wird, desto besser wird die Antwort des Computers ausfallen. Neben dem Spiel wurde sogar der Sourcecode für 150$ verkauft.

Zumindest in Deutschland gab es das Atari Club Magazin. Das Magazin war zwar formell unabhängig, aber in Wirklichkeit ein Anhängsel von Atari. Auf zwanzig Farbseiten wurde über das VCS und die 8-Bit-Computer geschrieben, Atari-Hardware und -Software wurde kritiklos aufgenommen („Atari 1029: Grafikdrucker perfekt“). Gewinnspiele, Tipps, Portraits, Software-News und spezielle Clubangebote komplettierten das Angebot. Jahre später kopierte Nintendo diese Idee mit dem „Club Nintendo“.

1983: Atari 600XL und 800XL

Mit den neuen XL-Geräten fand Atari einen Kompromiss zwischen Erweiterbarkeit und einem günstigen Preis. Das Geschäft mit den Heimcomputern war inzwischen rauer geworden und es erschienen neue Computer im Wochentakt. Beide Computer besaßen wieder den PBI-Anschluss. Beim 600XL fehlte der ursprünglich geplante Monitor-Anschluss und er hatte auch nur 16KB RAM, die mit einem einfachen Modul auf 64 KB erweitert werden konnten.

Erfolg hatte allerdings hauptsächlich der 800XL. Dieser gehörte zu den wenigen Heimcomputern, die die Millionengrenze geknackt haben.

Die Atari-Geräte hatten aber mittlerweile überall Konkurrenz: der C64 wurde 1982 in den USA eingeführt und war eine konsequente Verbesserung des VC20. Natürlich profitierte Commodore auch vom scheitern des 1200XL. In Großbritannien machte der ZX Spectrum Furore, der Farbgrafik zum kleinen Preis bot.

Trotzdem erschienen die Spiele-Klassiker in erster Linie noch für den Atari. Dani Bunten zeigte 1983 M.U.L.E. . Ihr Programm, eine Mischung aus Siedlungs- und Handelssimulation, wurde zum Klassiker. Allerdings lief es am besten auf dem Atari 800 mit vier Joystickports. Bis heute gibt es immer wieder Treffen von M.U.L.E.-Anhängern.

Andere Klassiker litten unter der Software-Piraterie: so floppten Klassiker wie „Ballblazer“.

Sorgen bereiteten Atari Verluste aus den Videospielbereichen: Preisverfall und der Flop E.T. brachten Atari in finanzielle Schieflage. Auch das 1200XL sowie viele Prototypen kosteten Geld.

Ab 1983 veröffentlichte Atari auch Spiele für Konkurrenzsysteme. Atari saß auf einigen lukrativen eigenen Arcade-Spielen oder guten Lizenzen wie Robotron:2084. Es wurden Intellivision, Colecovision, VC20, C64, Apple II und der TI99/4a beliefert. Besonders Besitzer des etwas glücklosen 16-Bit-Computers waren dankbar für Ataris Softwareabteilung. AtariSoft veröffentlichte Donkey Kong, Pac-Man, Centipede und andere Spiele.

Prototypen & urige Peripherie

Atari arbeitete auch an einem 3,5 Zoll Laufwerk im XL-Design. Das Gerät war fertig und betriebsbereit, wurde jedoch wie so viele andere Projekte eingestampft. Das war vermutlich auch besser so, denn das 5,25 Zoll Laufwerk hatte sich etabliert und bei Heimcomputern mit mehreren Diskettenformaten (Spectrum, MSX) setzte sich statt dessen oft die Kassette durch.

Ataris Entwicklungslabore tüftelten bereits an den Nachfolgern des 800XL. Diesmal waren sie etwas schlauer und nahmen den 800XL als Basis. Eine Neuentwicklung war Freddy, ein Memory-Manager. Dank diesem Chip konnte Antic ein Speicherbereich außerhalb der normalen 64 KB zugewiesen werden, was letztendlich mehr Farben und komplexere Grafiken ermöglicht hätten.

Das erste Gerät, das Atari mit diesem Chip designte, war der 1400XL. Dieser war im Gehäuse des 1200XL untergebracht und besaß auch dessen Tastatur.

Das Highlight war jedoch ein Sprachsynthesizer basierend auf dem SC-01 Chip. Es war die Zeit, in der Sprachausgabe als Zeichen für moderne Computer galt und auch Konkurrent Commodore bastelte am C364, einem Plus/4 mit Sprachchip. Die Sprachausgabe war vom Basic ganz einfach über den „V:“-Handler ansprechbar.

Der 1400XL konnte nicht nur sprechen, sondern war auch „online“. Ein 300 Baud-Modem wurde von Atari eingebaut. DFÜ war damals in den USA wesentlich beliebter als hier - kein Wunder, denn die Monopolstellung der Post blockierte alle Modems, die nicht den Richtlinien der Post entsprachen. Die einzigen Geräte die dies taten, wurden auch gleich von der Post zu horrenden Preisen angeboten.

Basierend auf dem 1400XL baute Atari den 1450XLD. Dies ist vielleicht der beeindruckendste Atari-Rechner überhaupt, denn über der Tastatur befanden sich ein bis zwei 5 1/4-Zoll Diskettenlaufwerke.

Andere geplante Rechner gelangten kaum über das Zeichenbrett hinaus. Der Atari 1650XLD war ein Zwitter aus einem Atari XL und einem MS-DOS-System mit 80186 System. Das war eine Idee, die Commodore später (unbewußt) kopierte - nur hatte der C128 statt MS-DOS und 80186 CP/M und Z80.

Schließlich gab es noch den Atari Amiga, der die Bezeichnung 1850 XL tragen sollte. Soweit sollte es aber nie kommen.

Geheimnisumwittert ist das „Sierra“-Projekt. Sierra benutzte nicht die Amiga-Chips, sondern eigene. Die 68000 CPU war schon eingeplant. Weiter fortgeschritten war Gaza, ein System mit zwei 68000 CPUs, die unter CP/M-68K liefen. Prototypen waren bereits fertig und dieses System war dem ST und Amiga vermutlich weit überlegen. Dumm nur, das mit dem Verkauf Ataris an die Tramiels alle am Gaza-Projekt beteiligten gefeuert wurden. Allerdings hat Warner bereits vorher das Projekt gestoppt.

Diese Prototypen-Rechner haben zum Teil ein unwürdiges Ende gefunden: sie landeten im Müll. Aber schon damals muß es Computer-Fans gegeben haben, die vor den Müllcontainern kampierten, denn sie wurden herausgefischt.

Der Machtwechsel

Obwohl Atari durch den Niedergang der Videospiele und der harten Konkurrenz (C64) große Verluste schrieb, war einem Großteil der Belegschaft die Lage nicht bekannt. Im März 1984 gab es noch ein Essen einiger hundert Atari-Mitarbeiter und man glaubte, das schlimmste überlebt zu haben. Drei Monate später hatte fast jeder seinen Job verloren.

Als Jack Tramiel Atari von Warner kaufte, feuerte er so ziemlich jeden, der keine Erfahrung mit 16-Bit-Prozessoren und Betriebssystemprogrammierung hatte. Die 8-Bit-Reihe interessierte ihn nicht, die ambitionierten Pläne verschwanden in der Schublade. Von seiner Zeit bei Commodore wußte er, dass der C64 den Atari hauptsächlich durch den Preis bezwungen hatte. Um aus den 8-Bit-Computern nochmal Kapital zu schlagen und die Lager zu leeren, wurde der Preis drastisch gesenkt.

Obwohl ein Großteil der Ressourcen in den Atari ST gesteckt wurden, war der erste Tramiel Atari-Computer ein 8-Bit-Gerät: der 130XE. Für eine kurze Zeit sahen Computermagazine wie die Happy Computer 1985 als das Jahr der 128 KB-Computer. Commodore versuchte sein Glück mit dem 3-in-1-Computer C128, Sinclair mit dem Spectrum 128K. Von diesen drei 128K-Rechnern entschied der Spectrum (und seine Nachfolger) das Spiele-Rennen für sich - nur wenige Spiele erschienen für den C128 oder den 130XE. Anders sah es bei Anwendungen aus: die zusätzlichen 64 KB des 130XE konnten als schnelle RAM-Disk gebraucht werden und Textverarbeitungsprogramme wie „Text 130“ boten 80 Zeichen/Zeile, Pull-Down-Menüs und einen großen Textspeicher.

Kosten sparte Atari beim Gehäuse und der Tastatur: diese waren dem späteren ST sehr ähnlich.

Obwohl die Verkaufszahlen der 8-Bit-Reihe nach oben gingen, hatten sie keine Chance mehr gegen den C64. Spielefirmen setzten immer weniger Spiele auf die Ataris um, nur Firmen wie Mastertronic, Firebird oder Infocom unterstützten das System mit vielen Umsetzungen. Bitter für Anhänger von XL/XE war auch der Erfolg des Amstrad CPC (in Deutschland: Schneider CPC), der binnen kurzer Zeit zur Nummer zwei in Europa wurde. Selbst aus den USA kamen immer weniger Spiele, allerdings gab es in Deutschland Vertriebsfirmen, die Spiele aus den USA importierten - zu horrenden Preisen: 149 DM waren durchaus üblich.

Trotzdem gab es einige Highlights. „Alternate Reality“ war ein Rollenspiel-Projekt, das aus sechs bis sieben Teilen bestehen sollte. Der erste Teil nutzte bereits die Leistungsfähigkeit der Atari-Grafik und stellte die Konkurrenz auf anderen Systemen in den Schatten. Endgültig vorbei war die Saga erst mit Teil sieben, die Charakterdaten sollten übertragbar sein. Letztlich erschienen jedoch nur zwei Teile (City und Dungeon) und Rollenspieler dürfen bis heute rätseln, wie wohl Alternate Reality zu Ende gegangen wäre.

Neben dem 130XE gab es auch einen 65XE, der mit nur 64 KB ausgestattet war. Etwas eigenartig war dann die Entscheidung Ataris in Europa, den 65XE unter dem Namen 800XE rauszubringen.

Obwohl Atari sich immer stärker der ST-Reihe widmete, wiederholten doch die Hardware-Designer einige der Fehlentscheidungen des alten Atari-Managements. So bauten sie ein neues 3,5“-Laufwerk, obwohl das alte von den Tramiels eingestellt wurde. Auf den zweiten Blick war diese Entscheidung aber nicht ganz so unklug: die XF351 entsprach äußerlich und innerlich einer SF314, nur der SIO-Bus an der Rückseite und die Beschriftung auf der Oberseite war unterschiedlich. Letztlich waren die Gründe für die Einstellung wieder die gleichen: die verbliebenen Software-Firmen waren nicht bereit, Software für zwei Formate herzustellen.

Erschienen ist dafür die XF551, ein neues 5 1/4“-Laufwerk. Einige Zeit hatte Atari keine Laufwerke für die 8-Bit-Computer produziert, weil die Lagerbestände von 1050XL-Laufwerken noch ausreichten. Die XF551 präsentierte sich im neuen XE-Look und mit echten 360KB auf einer Diskette. Als DOS wurde DOS 2.5 ausgeliefert und löste das etwas glücklose DOS 3 ab. Später veröffentlichte Atari mit DOS XE ein Update, dass die XF551 ausnutzte und mehr Geschwindigkeit, Unterordner und einiges mehr brachte.

Atari plante auch einen Drucker für die XE-Geräte, doch der XTM201 schaffte es wie sein ST-Gegenstück STC504 nie in die Computerläden. Er war ein Thermo-Transfer-Drucker und mit Schnittstellenmodulen ausgestattet. Ebenso wenig Glück hatten die zwei ersten Monitore von Atari für die eigenen 8-Bit-Computer. Der XC1411 wurde zumindest auf Messen gezeigt, aber nie verkauft. So griffen viele zu den Geräten des Rivalen Commodore.

Verkauft wurde hingegen das XEP80, eine 80-Zeichenkarte mit Druckeradapter. Um beides nutzen zu können, musste ein Treiber geladen werden. Anschluss fand das Modul am Joystick-Port. Der stolze Besitzer erhielt mit AtariWriter 80 noch eine gute Textverarbeitung dazu.

In den USA kam auch das XM301-Modem in die Läden, ein unscheinbares, kleines Kästchen mit einer Geschwindigkeit von 300 Baud. Dank des SIO-Ports brauchte es keine externe Stromversorgung.

Die Zeitschriften

Über die Versorgung mit Computer-Zeitschriften beklagten sich die 8-Bit-Benutzer zu recht. Das damalige Heimcomputer-Magazin Nr.1, die Happy Computer, hatte nur ab und zu Programme für den Atari XL zum abtippen. Diese Listings waren aber die Hoffnung für viele Nachwuchsprogrammierer, die mit ihnen den Sprung in das professionelle Softwaregeschäft schaffen wollten. Unter ihnen war auch ein etwas verschüchtert wirkender Programmierer, der im ersten (von zwei) XL-Sonderheft mit dem „Turbo Basic Interpreter+Compiler“ eines der populärsten XL-Programme geschaffen hat. Der Quasi-Nachfolger wurde auch von Frank Ostrowski programmiert: GFA-Basic.

1985 gab es bereits keine reinen XL-Magazine mehr. Neben der Happy mussten sich die XL-Besitzer in Zeitschriften wie der Computer Kontakt oder dem ATARImagazin. Letzteres behandelte auch den ST und konnte sich erstaunlich lange halten: in Fanzine-Form und 8-Bit-Only bis in die 90er Jahre hinein.

Auf der anderen Seite des großen Teichs sah es schon ganz anders aus: Antic und Analog Computing waren professionelle Magazine, für die bekannte Atari-Programmierer schrieben.

Chamäleon

1987/88 gab es einen sehr kurzen aber kuriosen Trend: der Computer als Videospiel. Atari, Commodore und Amstrad schauten sich den damaligen Verkaufsschlager NES an und kamen zu dem Schluss, dass ihre Computer dem NES gleichwertig sei. Commodore entfernte die Tastatur, die Stecker für die Schnittstellen und steckte das ganze in eine äußerst hässliche Plastikverkleidung: der C64GS war geboren, und wurde nur in wenigen Ländern für ein paar Monate verkauft. Amstrad hatte ein schöneres Gehäuse und auch die bessere Technik: trotzdem war der GX4000, basierend auf dem CPC+, kein Verkaufsschlager.

Sowohl Commodore als auch Amstrad litten darunter, dass die Computerspiele vorwiegend auf Kassette/Diskette ausgeliefert wurden. Dieses Problem hatte Atari nicht. Schon bevor das XE Game System erschien, gab es über hundert Spiele auf Modul. Im Gegensatz zum C64GS und GX4000 war das XEGS zu einem Computer aufrüstbar, das Gerät war kompatibel zur XE-Peripherie. In der XEGS-Box fand sich eine reichhaltige Grundausstattung: Konsole, Tastatur, Joystick, Lichtpistole und die Spiele „Bug Hunt“ und „Flugsimulator II“. Fest eingebaut in der Konsole war „Missile Command“.

Für den ganz großen Erfolg reichte es nicht - das XEGS kam zu spät.

Totgesagte leben länger

Während der C64 Anfang der 90er als Auslaufmodell bezeichnet wurde, hatte man den Atari XE kaum erwähnt. Spiele-Neuerscheinungen gab es praktisch keine und Atari - zu dieser Zeit in allen möglichen Märkten aktiv -, unterstützte den XE kaum.

Für eine Wiedergeburt sorgte die Öffnung des Ostblocks. Während in den westlichen Ländern viele endgültig auf 16-Bit-Maschinen wechselten, wurden die 8-Bit-Computer in der ehemaligen DDR, Polen und anderen Ostblockstaaten immer beliebter. Schon vorher wurden Geräte in diese Länder geschmuggelt, oder die Computer-Fans bauten die Rechner einfach nach.

Das ging bei den Atari 8-Bit-Geräten nicht so einfach und so existieren bis heute keine Clones des XL. Für Atari war die unerwartet hohe Nachfrage aus dem Osten ein willkommener Anlass, die Lagerbestände abzubauen.

Das ändert aber nichts daran, das Atari 1992 den Support für die 8-Bit-Geräte aufgibt.

Unterstützung und Weiterentwicklung fand jetzt vermehrt in den Clubs und der Szene statt. Aktuelle Hardware wie z.B. Festplatten wurden am XL nutzbar gemacht. Dank der Demo-Szene konnte der 130XE zeigen, dass die 64 KB zusätzliches RAM nicht nur Anwendungen nutzen. Bastler haben es sogar geschafft, einen ISA-Bus an den Atari anzubinden, um dann eine Hercules-Karte zu nutzen.

http://www-user.tu-chemnitz.de/~sgl/atari/turb6000/turb6000.htm


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 12 / 2002, Seite 16

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