Wieder einmal ist die Zeit im Jahr gekommen, an denen Nüsse geknackt, diverse Vögel gebraten und sich die Familie zusammenfindet, um vor dem flimmernden Kaminfeuer auf VHS-Video platz zu nehmen. Natürlich sollte auch ein weiteres "Familienmitglied", der Atari, nicht vernachlässigt werden und so habe ich ein Projekt in Angriff genommen, das mir schon seit dem Zeitpunkt vorschwebte, als mein Bruder entschieden hatte, meinen Falcon MKX durch einen gebrauchten HP-Vectra-PC zu ersetzen, den er angeblich für das College brauchte. Da ich mich die meiste Zeit des Jahres am anderen Ende des Landes aufhielt, verhalten meine Proteste ungehört in den grünen Weiten Irlands.
Der PC, auf dem Windows 200 lief, arbeitete ohne Fehler, bis ihm einfiel, das ein Epson GT5000 Flachbettscanner (Parallelport-Version) oder ein Iomega SCSI ZIP-Laufwerk an einem modernen PC nichts zu suchen hätten. Der Epson funktionierte nur mit älteren Versionen von Windows und sogar auf meinem Atari wurde ein spezielles Parallelkabel benötigt, das auch die MIDI-Out-Buchse benutzt. Jede Situation hat aber etwas gutes, denn da ein Zweit-Windows nicht zur Debatte stand, wurde der Atari wieder benötigt.
Und deshalb entschloss ich mich, das vermutlich erste PC-Atari LAN-Netzwerk in West Irland zu kreieren. Dem Entschluß folgten weitere Tage intensiver Recherche im Netz und ein mutiger Kampf mit Konfigurationsdateien, bis eines Tages das Netzwerk zu meiner vollen Zufriedenheit lief. Alle Geräte, die an Atari oder PC angeschlossen werden, sind vom Netzwerk erreichbar - inklusive der Internet-Verbindung. Das Schema gibt einen ersten Eindruck des Aufbaus. Der Falcon läuft unter MagiC 6.01.
Jetzt hat es sich als Fügung des Glücks herausgestellt, dass der PC mit Windows 2000 läuft, denn Win2K ist natürlich nichts anderes als Windows NT und ist Netzwerk-fähig. Dadurch sind viele der benötigten Netzwerk-Programme auf dem PC gleich mitgeliefert.
Am Anfang wird zunächst etwas benötigt, um die zwei Maschinen zu verbinden. Auf dem Schreibtisch lag noch ein "Laplink"-Kabel herum, das nichts anderes ist als ein Null-Modem-Kabel, um zwei Computer über die serielle Schnittstelle miteinander kommunizieren zu lassen. Die zwei seriellen Schnittstellen waren noch nicht durch andere Geräte okkupiert und damit frei für das Netzwerk.
Als nächstes wurde ein funktionsfähiges STinG Setup auf der Atari-Seite installiert. Davor war iConnect von ASH im Einsatz und deshalb mussten erst die aktuellsten Treiber und Komponenten von Ulf Ronald Andersons STinG-Seite "gezogen" werden. Für eine stabile Netzwerkverbindung sollte HSMODEM installiert werden.
Es ist erheblich einfacher, die Verbindung vom PC aus aufzubauen, denn dank eines kleinen Programmes von Olivier Booklage kann der PC gezielt "getäuscht" werden. Das Programm "Dial-up-Server" fragt ständig die serielle Schnittstelle ab. Der PC wählt den Atari an, als ob es sich um einen Internet-Provider handeln würde. Empfängt das Atari-Programm Modem-Kommandos vom PC, verhält es sich ganz so wie ein Provider. Sobald die "Einwahlprozedur" überstanden ist, wird die Kontrolle an STinG übergeben und beide Maschinen kommunizieren über TCP.
Die Installation des Dial-Up-Server klappt nur, wenn die ROUTE.CFG von STinG alle TCP/IP-Aktionen auf die gewünschte serielle Schnittstelle umleitet. Bei meiner Konfiguration sieht die Zeile so aus:
0.0.0.0 0.0.0.0 Modem 2 10.0.1.3
(Meine Wahl fiel auf die IP-Adresse 10.0.1.3 für den Atari und 10.0.1.2 für den PC)
Auch wenn PPP sicher seine Vorteile hat, wurde aus Gründen der einfacheren Konfigurierbarkeit SLIP gewählt. Die Screenshots zeigen die Einstellungen auf der Atari-Seite.
Auf dem PC muss ein neues "Modem" installiert werden. Auf Basis des "Generic 33600 Modem"-Treibers müssen die Einstellungen der Schnittstelle denen des Atari entsprechen. Obwohl der Treibername andeutet, dass eine Geschwindigkeit von 33600 bps erreicht wird, muß die gewählte Geschwindigkeit nicht damit übereinstimmen. Der Grund für die Verwendung gerade dieses Treibers ist vielmehr, dass er den Atari nicht mit Unmengen wirrer Nachrichten verwirrt. In Hyperterminal (in Windows/Zubehör/Kommunikation) kann das "Atari-Modem" getestet werden, indem "0ATARI" angewählt wird. Der Dial-Up-Server erwacht aus seinem Dornröschenschlaf und verlangt nach Log-In und Passwort.
Noch ist es zu früh, die Champagnerflasche zu köpfen, aber zumindest die Dial-Up-Verbindung ist fertig. In der Netzwerk-Registerkarte wird der Dial-Up-Server-Typ auf SLIP gesetzt und in den erweiterten Optionen die gewählte IP-Adresse des PCs.
Nun kommt der entscheidende Moment und nach einem Doppelklick auf das neue "Verbinden mit Atari"-Icon sollte als Belohnung die Bestätigung "Alle Geräte angeschlossen" erscheinen. Da sich jetzt beide Maschinen munter miteinander unterhalten, wird es Zeit für ein paar sinnvolle Anwendungen. Einige Clients und Server werden eingerichtet.
Vassilis Papathanassious FTP Server ist die erste Anwendung für das Netzwerk. Das Programm wird auf dem Atari installiert und drei "Benutzer" registriert: ZIPDisk, Scantmp und jtmartin. Die ersten zwei Nutzer werden auf den Windows-Desktop als FTP-Verknüpfung verewigt und verweisen auf das Zip-Laufwerk und das temporäre Verzeichnis auf der Atari-Festplatte, in dem die Scans lagern. Der dritte Username gestattet schließlich Vollzugriff auf den Atari und verweist auf das Pseudo-Laufwerk U:.
Das nächste Opfer auf der Liste ist der Drucker, der am PC hängt. Dr Thomas Redelbergers LPR-Client ist die Lösung. LPR/LPD ermöglicht das gemeinsame Benutzen eines Druckers in UNIX-Netzwerken. Es erlaubt einem Client (Atari) das ausdrucken von Dokumenten auf einem Server (PC). Am besten funktioniert das Verfahren unter MagiC und NVDI, indem ein neues Gerät unter U:\DEV erstellt wird, auf das NVDI direkt mit der Option "In Datei drucken" ausgeben kann.
Windows 2000 hat einen LPD-Server mit an Bord, der z.B. einen gewöhnlichen Deskjet 600 im Netzwerk erscheinen läßt. Dieser Server muß von der Windows 2000 Professional-CD installiert werden. Für andere Versionen von Windows gibt es freie "LPDWIN"-Server, die das gleiche leisten. Zugegeben, LPDWIN erfordert etwas an Konfigurationsarbeit, aber das Ergebnis ist beeindruckend. Papyrus-Dokumente werden auf dem Falcon ausgedruckt und erscheinen auf dem Drucker, der mit dem PC verbunden ist.
Auf dem PC gibt es ein Programm namens "AnalogX Proxy", das eine weitere interessante Einsatzmöglichkeit eröffnet: die Nutzung der PC-Internetverbindung für den Atari. Die Installation des Proxy ist relativ einfacher, da so gut wie keine Einstellungen notwendig sind. Der Atari-Browser sollte, sofern er Proxys unterstützt, als Adresse 10.0.1.2 (den PC) zugewiesen bekommen. Solange der PC im Internet ist, kann auch der Falcon die Verbindung nutzen.
Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, können die Windows FTP und Web-Server auf der Windows 2000 Installations-CD installiert werden, die dem Falcon Zugriff auf PC-Laufwerke gestatten.
In der heutigen schnellebigen Welt ist Geschwindigkeit immer ein Kriterium. Die Geschwindigkeit des Netzwerkes ist höher als gedacht. Beide Maschinen kommunizieren über die serielle Schnittstelle mit 115 kbps, die beim Datentransfer über FTP effektiv 10 KB pro Sekunde ergeben. Das ist fünfmal schneller, als die Internet-Verbindung, die ich normalerweise benutze!
Am Ende angekommen, ist ein wirklich funktionierende Netzwerk entstanden, das nach anfänglichen Zweifeln auch meinen Bruder beeindruckte. Beide Maschinen sind gleichzeitig im Internet unterwegs, der Drucker ist auch ansprechbar und natürlich kann das Zip-Laufwerk und der Scanner genutzt werden!
Ein weiterer interessanter Punkt an diesem Netzwerk ist die Erweiterbarkeit: es ist nicht schwer, weiterer Ataris an den Falcon oder andere PCs an den PC anzuschließen. Sobald die große Kluft zwischen PC und Atari überwunden ist, werden viele Dinge möglich, die vorher noch als unmöglich erachtet wurden.
In diesem Sinne: fröhliches Netzwerkeln!
(im Original von Jerry Martin)
LPDWIN für PCs ohne WinNT/2000:
ftp:/ftp.externet.hu/pub/mirror/sac/utiltext/lpdwin.zip
Olivier Booklage: http:/obooklage.free.fr/Atari
AnalogX Proxy: http://www.analogx.com/contents/download/network.htm
STinG Supportseite: http://www.ettnet.se/~dlanor
Originalartikel: http://www.myatari.net. Wir danken Matthew Bacon und Shiuming Lai für die freundliche Überlassung der Rechte.