Pulsar 2.15: Analogie, die Zweite

Analoge Sequenzer scheinen auf dem Atari angesagt zu sein. AEX ist besonders an Falcon-Anwender gerichtet, Pulsar spricht auch andere Atari-Anwender an.

Analoge Sequenzer-Software bietet zwar nicht die Möglichkeiten komplexer polyphoner Produktionsprogramme wie Cubase oder Logic, ermöglicht aber Ergebnisse, die mit den konventionellen Programmen nur sehr schwer zu erreichen sind. Nicht umsonst ist gerade zurzeit der analoge Klang in der elektronischen wieder sehr beliebt. Hinzu kommt, dass analoge Sequenzer auch hervorragend für heutigen Techno- und Dance-Produktionen einsetzbar sind, die oftmals auf wiederkehrende Muster zurückgreifen. Der Atari ist mit analogen Sequenzer-Simulationen sehr gesegnet. Die derzeit wohl leistungsfähigsten Programme in diesem Sektor sind AEX und Pulsar.

Was ist Pulsar?

Pulsar ist wie AEX eine Simulation der klassischen analogen Sequenzer (siehe Erläuterung im AEX-Test dieser Ausgabe). Das Programm sieht auf den ersten Blick wie eine reine ST-Anwendung alter Tage aus, zu unserem großen Erstaunen zeigt es sich allerdings recht verträglich auch mit anderen Plattformen. So testeten wir die aktuelle Version 2.15 auf einem Atari Mega STE, einem Atari Falcon 030 und sogar unter MagiCMac (hier natürlich ohne MIDI-Unterstützung). Auch auf den klassischen Ataris machte MagiC 6.2 keinerlei Probleme, auf dem STE lief das Programm ohne Beanstandungen auf einer Crazy Dots-Grafikkarte. In anderen Auflösungen als ST-High wird einfach der Pulsar-Screen über den Desktop gelegt. Unter MagiC ist dieser aber weiterhin zugänglich, Pulsar läuft also brav im Multitasking. Es ist schade, dass der Entwickler Neil Wakeling sein Programm nicht gleich in ein echtes GEM-Fenster verpackt hat, wie dies zum Beispiel bei dem Sequenzer Sweet 16 der Fall ist. So würde ein Überzeichnen anderer Applikationen verhindert. Der Arbeitsschirm von Pulsar ist jedoch stets 640 x 400 Pixel groß.

Auch sonst ist das Programm recht genügsam und sollte auf jedem Atari ab 512 KBytes MByte RAM laufen - ein Programm für Minimalisten also. Für die Zukunft ist eventuell eine Version mit 256 Farben speziell für Grafikkarten und den Atari Falcon geplant.

Konzept

Pulsar bietet drei voneinander unabhängige Reihen, in die Noten und Effekte eingetragen werden. Jede Reihe kann bis zu 16 Noten beinhalten. Die Anzahl der erlaubten Noten ist dabei vom Anwender einstellbar. Alle Notenwerte, inklusive ihrem Anschlag, sind komplett editierbar. Die Daten werden entweder direkt mit der Maus oder einem angeschlossenen MIDI-Keyboard eingegeben - zwei Vorteile, die AEX nicht zu bieten hat. Jede der drei Reihen verfügt über eine individuelle Tempo-Kontrolle. Die Ausgabe der Reihen kann vorwärts, rückwärts, wiederholend oder zufällig zum programmierten Notenmaterial sein.

Kopierfunktion

Sind erst einmal Daten in die erste Reihe eingespielt, so können ziemlich leicht Variationen erschaffen werden, indem die bearbeitete Reihe in eine andere kopiert wird. Pulsar bietet hier eine komfortable Copy- & Paste-Funktion. Nun kann gezielt an den kopierten Daten in der zweiten und/oder dritten Reihe weitergearbeitet werden, sodass interessante Klangbilder entstehen. Zwischen den einzelnen Reihen wird übrigens mittels der Funktionstasten [F1] bis [F3] umgeschaltet. Alternativ kann natürlich die Maus genutzt werden.

Variationen

Auf jede der drei Reihen können verschiedene Variationen angewendet werden. Diese sind auch in Echtzeit aufzurufen, sodass der Anwender ständig die Kontrolle über die eigene Musik hat. Die erwähnten Abspielmodi sind ebenfalls über die Funktionstasten zu erreichen. Eine weitere interaktive Echtzeit-Funktion ist die des Transponierens über eine volle Oktave. Die Anzahl der Halbtöne wird im Abspiel-Modus ganz einfach über die numerische Tastatur eingegeben. So lassen sich auch im Live-Einsatz interessante Effekte erzielen, Pulsar dient hier sozusagen als weiteres, interaktives Instrument.

Tempi

Die aktuelle Version von Pulsar unterstützt Tempowerte von bis zu 999 Einheiten. Damit sind wirklich schnelle Sequenzen möglich. Dabei kann für jede einzelne Reihe ein eigener Tempowert eingegeben werden - eine Funktion, die längst nicht jeder analoge Sequenzer-Simulator bietet. Somit kann durchaus polyrhythmische Musik erschaffen werden.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Erschaffung eines Echo-Effekts mittels unterschiedlicher Tempi der Reihen. Dazu dürfen die Einstellungen der Reihen nur in geringem Maße voneinander abweichen. Diese Art der Arbeit wurde oft von Tangerine Dream eingesetzt.

Klangwechsel

Jede Reihe kann einen MIDI-Programmwechsel-Befehl an das angeschlossene MIDI-Instrument senden. Pulsar kann also ständig den Klang auf den drei MIDI-Kanälen wechseln, eine weitere sehr interessante Möglichkeit, Effekte zu erzielen.

Noch gezielter kann mit der MIDI-Kanal-Umschaltung gearbeitet werden. Wenn Sie zum Beispiel mehrere unabhängige Klangerzeuger besitzen, bedeutet ein Wechsel des MIDI-Kanals auch einen Wechsel der Klangquelle und damit des verwendeten Sounds.

Controller-Einsatz

Einzigartig dürfte die Möglichkeit sein, verschiedene Controller-Effekte über die einzelnen Reihen aufzurufen. So können zum Beispiel Fußpedale, Modulationsrad und Breath-Controller simuliert werden. Auch das Lautstärkeverhalten, das Klang-Panorama und Sustain werden so gezielt programmiert. Interessant ist auch die Möglichkeit, hier mit der Kopier-Funktion zu arbeiten, sodass einmal eingegebene Werte auf die ganze Reihe angewandt werden können.

MIDI-Clock

Pulsar 2.15 bietet außerdem einen MIDI-Clock-Befehl. Auf diese Weise lässt sich das Programm mit angeschlossenen Klangerzeugern synchronisieren. Wer zum Beispiel einen Drumcomputer mit Pulsar synchronisieren möchte oder externe Sequenzer nutzt, wird diese Funktion zu schätzen wissen.

Laden und Speichern

Pulsar kann nicht nur ganze Stücke, sondern auch einzelne Control-Reihen speichern und nachladen, sodass getätigte Einstellungen auch auf andere Stücke anwendbar sind.

Im Archiv von Pulsar finden sich bereits eine Vielzahl kompletter Sequenzen und Control-Reihen.

Ein kleines Sahnestück ist zum Beispiel die Nachbildung einer analogen Sequenz, die Pink Floyd in dem Song "On the run" auf dem Album "Dark Side of The Moon" verwendet.

Ein weiteres Programm im Pulsar-Archiv ist MIDI Spy. Dieses kann die Ausgangsdaten des Hauptprogramms aufzeichnen und als Standard-MIDI-File speichern. Als solches kann es dann in jede gängige Sequenzer-Software geladen und hier verwendet werden.

Fazit

Pulsar macht einen sehr guten Eindruck. Die Arbeit mit dem analogen Sequenzer-Simulator macht viel Spaß und führt zu ungewöhnlichen Ergebnissen. Einige Funktionen (zum Beispiel die Simulation von externen Controllern) machen das Programm einzigartig. Ein weiteres Plus ist die nicht erwartete Kompatibilität mit Grafikkarten, Emulationen und Multitasking-Betriebssystemen, auch wenn hier die Optik nicht mitspielt. Es steht zu hoffen, dass die geplante Version mit 256 Farben wirklich erscheint und sich mehr an GEM-Standards hält. Dann würde hier eine moderne und interessante MIDI-Applikation entstehen, stc

Preis: Freeware
Alternative: Pulsar, Grid Sequencer

http:/www.tuva.demon.co.uk/
http:/tamw.atari-users.net/pulsar.htm


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 02 / 2003, Seite 47

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite